Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.11.2013


BPatG 21.11.2013 - 30 W (pat) 15/12

Markenbeschwerdeverfahren – "ecadia/Arcadia" – Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft - klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
21.11.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 15/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 052 114

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 21. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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ecadia

3

ist am 27. Januar 2009 als Marke für die Waren und Dienstleistungen der

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„Klasse 9: Computersoftware [gespeichert];

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Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Computerhard- und Softwareberatung; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich;

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Klasse 45: Lizenzierung von Computersoftware [Juristische Dienstleistungen]“

7

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Eintragung ist am 27. Februar 2009 veröffentlicht worden.

8

Gegen diese Marke ist Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 307 45 250

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Arcadia

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die seit dem 24. Oktober 2007 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 25, 28, 35, 38, 40, 41, 42 und 45 eingetragen und während des Widerspruchsverfahrens von der A… AG auf die Beschwerdegegnerin übergegangen ist. Diese hat vor dem Deutschen Patent- und Markenamt den Eintritt in das laufende Verfahren erklärt. Die Widerspruchsmarke beansprucht nach drei Teillöschungen auf Antrag der Inhaberin u. a. noch Schutz für folgende Waren und Dienstleistungen, auf die allein der Widerspruch gestützt ist:

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„Klasse 9: Computersoftware (gespeichert) mit Ausnahme von Computersoftware zur Erzeugung von Schriftarten und Ornamenten;

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Klasse 42: Aktualisieren von Computersoftware; Aktualisieren von Internetseiten; Benutzer- und Rechteverwaltung in Computernetzwerken; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten; Bereitstellung von Suchmaschinen für das Internet; Computerberatungsdienste; Computersoftwareberatung; Design von Computersoftware; Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten; Dienstleistung eines Grafikers; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; Dienstleistungen zum Schutz vor Computerviren; digitale Bildbearbeitung; Editieren, Formatieren und Übertragen von Daten auf CD-Rohlinge (Premastering); EDV-Beratung; elektronische Datensicherung; Erstellung von Computeranimationen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Hard- und Softwareberatung; Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken; Installation und Wartung von Software; Installation und Wartung von Software für Internetzugänge; Installieren von Computerprogrammen; Konfiguration von Computer-Netzwerken durch Software; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung); Kopieren von Computerprogrammen; Recherchen in Datenbanken und im Internet für Wissenschaft und Forschung; Pflege und Installation von Software; Serveradministration; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Vermietung von Computersoftware; Vermietung von Webservern; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Wartung von Computersoftware; Wiederherstellung von Computerdaten; Zertifizierungen; Überprüfung von digitalen Signaturen;

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Klasse 45: Lizenzierung von Software.“

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Ein gegen die Widerspruchsmarke gerichtetes Widerspruchsverfahren war am 7. Januar 2011 abgeschlossen.

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Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bejaht und die angegriffene Marke auf den Widerspruch mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 gelöscht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen seien mit denjenigen der Widerspruchsmarke, auf die der Widerspruch gestützt werde, identisch. Die Widerspruchsmarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Zwar sei „ARCADIA" als die Bezeichnung des griechischen Bezirks Arkadien bekannt, allerdings habe dieser keinen erkennbaren wirtschaftlichen Bezug zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 42 und 45. Die Kollisionsmarken seien sich ähnlich, in klanglicher Hinsicht mittelgradig durchschnittlich. Übereinstimmungen gebe es in der Anzahl der Silben, im Sprechrhythmus, in der Sprachmelodie und Identität in den letzten drei Silben. Die Abweichung in der ersten Silbe („E" gegenüber „AR") betreffe zwar einen für die akustische Gesamtwirkung sehr maßgeblichen Vokal. Diese Abweichung führe angesichts der Übereinstimmung in den übrigen drei Vierteln der Marken jedoch nicht weg von einer jedenfalls durchschnittlichen Ähnlichkeit und einer Gefahr des Verhörens unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen, etwa bei telefonischen Bestellungen. In visueller Hinsicht könnten sich die Zeichen zumindest in Kleinschreibung hochgradig ähnlich gegenüberstehen. Insoweit überwögen die Übereinstimmungen. Die Abweichungen am Wortanfang („e" bzw. ar") und in der Wortlänge (7 gegenüber 6 Buchstaben) seien nicht signifikant.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, der trotz Ankündigung und mehrfach gewährter Fristgewährungen hierfür, letztmals bis zum 10. September 2013, auf eine Beschwerdebegründung verzichtet hat.

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Er beantragt sinngemäß,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 45, vom 7. Dezember 2011 aufzuheben und den Widerspruch aus der Wortmarke 307 45 250 zurückzuweisen.

19

Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke ist nicht begründet. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Daher hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG).

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1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Rn. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rn. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Rn. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Rn. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Rn. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).

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Hiervon ausgehend kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe.

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a) Potentiell können sich identische Produkte gegenüberstehen.

25

Die Kollisionsmarken beanspruchen in Klasse 9 beiderseits „Computersoftware [gespeichert]“, die Widerspruchsmarke nur nicht für solche „zur Erzeugung von Schriftarten und Ornamenten“. Die von der Widerspruchsmarke in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“, „Hard- und Softwareberatung“ und „technisches Projektmanagement im EDV-Bereich“ finden sich inhalts- und nahezu wortgleich im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke wieder. Auch lässt sich die von der angegriffenen Marke in Klasse 45 beanspruchte Dienstleistung „Lizenzierung von Computersoftware [Juristische Dienstleistungen]“ unter den von der Widerspruchsmarke in Klasse 45 beanspruchten Oberbegriff „Lizenzierung von Software“ fassen.

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b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Arcadia ist normal (durchschnittlich). Anhaltspunkte für eine für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbare Beziehung zwischen den genannten Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke und den Namen „Arcadia“ tragenden weithin unbekannten kleineren Ortschaften in Griechenland, Argentinien, Australien und in den USA oder der ländlich geprägten Region „Arkadien“ auf dem Peloponnes (neugriechisch: „Arkadia“, „Αρκαδία“) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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c) Angesichts dieser stark kollisionsfördernden Ausgangslage hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein.

28

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Rn. 23 - MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 211). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Rn. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rn. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60, Rn. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235, Rn. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 224 m. w. N.).

29

Danach hat die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr zu Recht angenommen; denn jedenfalls in klanglicher Hinsicht besteht selbst für eher aufmerksame Verkehrskreise eine ausgeprägte klangliche Ähnlichkeit.

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Die im Identitätsbereich liegenden Dienstleistungen der Klasse 42 werden in der Regel nicht spontan, sondern erst nach näherer Prüfung der Leistungsmerkmale von einem Fachpublikum in Anspruch genommen. Klanglich werden auch diesem eher aufmerksamen Publikum mehr die Übereinstimmungen als die Unterschiede der Zeichen auffallen. Dies gilt umso mehr für ein nicht ganz so aufmerksames allgemeines Publikum, das von den beanspruchten Waren der Klasse 9 und von den Dienstleistungen der Klasse 45 gleichfalls angesprochen werden kann. Die Anzahl der Silben ist identisch. Drei der vier Silben stimmen überein („AR-KA-DI-A“ bzw. „E-KA-DI-A“). Damit bestehen deutliche Übereinstimmungen in der Vokalfolge („A-A-I-A“ bzw. „E-A-I-A“) und auch in der Konsonantenfolge („R-K-D” bzw. „K-D“), zumal der Konsonant „R“ in der ersten Silbe der Widerspruchsmarke ausgesprochen klangschwach ist und nur bei sehr deutlicher Aussprache überhaupt wahrgenommen wird. Gleiches gilt für die Aussprache und Wahrnehmung der unterschiedlichen Vokale der jeweils ersten Silbe („A-“ bzw. „E-“), die von den jeweils drei nachfolgenden identischen Silben („KA-DI-A“) so stark überlagert wird, dass im Ergebnis von einer sehr ausgeprägten klanglichen Ähnlichkeit auszugehen ist.

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In der Gesamtabwägung kann danach eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht verneint werden, so dass die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung der Markenstelle richtig ist.

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2. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.