Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.12.2018


BPatG 06.12.2018 - 30 W (pat) 11/17

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
06.12.2018
Aktenzeichen:
30 W (pat) 11/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:061218B30Wpat11.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 043 769

(hier: Löschungsverfahren S 293/15)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 6. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die angegriffene Wortmarke 30 2013 043 769

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Doppeldecker

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wurde am 26. Juli 2013 angemeldet und am 23. August 2013 u. a für die Waren

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„Klasse 02:

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Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“

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in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen.

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Mit einem am 8. Dezember 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die teilweise Löschung dieser Marke für die Waren der Klasse 02

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„Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“

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wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG beantragt.

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Diesem der Markeninhaberin am 1. Februar 2016 zugestellten Löschungsantrag hat diese mit einem am 16. März 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz widersprochen.

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Mit Beschluss vom 13. Februar 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes unter Zurückweisung des weitergehenden Löschungsantrags die teilweise Löschung der Marke für die Waren

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„Klasse 02: Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“

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angeordnet, da dem Markenwort insoweit bereits im Anmeldezeitpunkt das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegengestanden habe.

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Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, dass die eingetragene Marke sich in Verbindung mit den gelöschten Waren, bei denen es sich um Farben, Anstrichmittel, Lacke usw. handele, in einem für den Verkehr ohne weiteres erkennbaren schlagwortartigen Hinweis darauf erschöpfe, dass es sich um doppelt deckende Farben, Anstrichmittel etc. handele. In diesem Sinne sei die Bezeichnung Doppeldecker in Zusammenhang mit Farben und Anstrichmitteln auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung verwendet worden.

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Dieser Bedeutungsgehalt erschließe sich dem Verkehr in Zusammenhang mit den gelöschten Waren sofort und ohne vertiefte Analyse. Die angegriffene Marke beschränke sich auf eine sprach- und werbeübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe zu einem verständlichen, schlagwortartigen Hinweis auf Eigenschaften der gelöschten Waren und weise auch keine Struktur oder Besonderheiten auf, die von einem rein sachbezogenen Verständnis wegführen könnten. Soweit Doppeldecker lexikalisch als Bezeichnung eines Flugzeugs bzw. eines Omnibusses nachweisbar sei, liege ein solches Verständnis in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren nicht nahe.

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Soweit die Anmelderin auf Eintragungen ausländischer oder internationaler Behörden verweise, seien diese bereits im Hinblick auf mögliche Abweichungen im Sprach- und Rechtverständnis nicht vergleichbar.

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Daher sei die angegriffene Marke insoweit entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden; dieses Schutzhindernis bestehe zum jetzigen Zeitpunkt auch noch fort. Ob daneben auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe, könne offen bleiben.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass der Begriff Doppeldecker lexikalisch mit einem klaren Begriffsinhalt belegt sei, nämlich als Bezeichnung für bestimmte Straßenbahnen bzw. Omnibusse mit zwei Stockwerken oder für ein spezielles Flugzeug. Ein Bezug zu Farben oder Lacken bestehe daher nicht. Zudem könne Doppeldecker als Hinweis auf Eigenschaften z. B. einer Farbe nichts Wesentliches kommunizieren, da die Aussage, die Farbe habe doppelte Deckkraft, nichtssagend sei, vielmehr werde die Deckkraft bzw. das Deckvermögen einer Farbe durch die DIN EN 1330 definiert und bestimmt. Allein die Bezeichnung Doppeldecker könne insoweit keine präzisen Informationen vermitteln, vielmehr rufe sie allenfalls nach Art eines „sprechenden Zeichens“ Assoziationen in dieser Richtung hervor, was aber einer Unterscheidungskraft nicht entgegenstehe.

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Überdies sei auch eine beschreibende Verwendung des Begriffs zum Zeitpunkt der Anmeldung entgegen der Auffassung der Markenabteilung nicht belegt, insbesondere auch nicht durch die seitens der Antragstellerin in ihrem Antrag aufgezeigten Verwendungsbeispiele durch Dritte bzw. Mitbewerber. So stehe einem beschreibenden Verständnis nicht nur der klare, keinen Bezug zu den vorliegend relevanten Waren aufweisende Begriffsinhalt von Doppeldecker entgegen; auch die Art und Weise der Benutzung dieser Bezeichnung in den betreffenden Verwendungsnachweisen belege nur eine markenmäßige Benutzung von Doppeldecker. Denn diese Bezeichnung werde darin regelmäßig plakativ als Produktmarke neben der jeweiligen Firmenmarke herausgestellt; hingegen würden rein beschreibende Angaben üblicherweise in kleinerer Schrift neben andere das Produkt kennzeichnende Marken gesetzt. In der aus den eingereichten Belegen ersichtlichen Verwendungsform werde der Verkehr daher eine Kombination eines Unternehmenskennzeichens bzw. einer Firmenmarke mit der Bezeichnung Doppeldecker als Produktmarke erkennen.

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Dementsprechend sei der entsprechende Begriff für die hier in Rede stehenden Waren auch von anderen Behörden, insbesondere dem EUIPO, bedenkenlos eingetragen worden.

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Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. Februar 2017 aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der

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„Klasse 02: Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“

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angeordnet worden ist, und den Löschungsantrag auch insoweit zurückzuweisen.

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

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Zur Begründung führt sie aus, dass Doppeldecker seit Jahrzehnten von zahlreichen Farbherstellern als prägnanter Kurzbegriff für doppelt deckende bzw. hoch deckende Farben verwendet werde. Dies werde durch die vorgelegten Benutzungsbeispiele belegt. Bei Doppeldecker handele es sich daher in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Waren um einen warenbeschreibenden Fachbegriff, der sowohl dem Fachverkehr wie auch dem Kunden als Endverbraucher geläufig sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg.

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A. Die Markenabteilung hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Wortmarke 30 2013 043 769 „Doppeldecker“ für die Waren der

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„Klasse 02: Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“

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entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, so dass insoweit die Löschung der Eintragung wegen Nichtigkeit (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 MarkenG) zu Recht erfolgt ist.

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1. Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 483, Nr. 22 – test; GRUR 2014, 565, Nr. 10 – smartbook) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix).

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In Beachtung dieser Grundsätze lag und liegt in Bezug auf die gelöschten Waren der geltend gemachte Löschungsgrund fehlender Unterscheidungskraft vor.

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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla). Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) – Düsseldorf Congress; GRUR 2012, 270, 271 (Nr. 11) – Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) – DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) – Düsseldorf-Congress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 19) – FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass der angegriffenen Marke Doppeldecker bei der Anmeldung hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 02 jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlte, was auch heute noch der Fall ist.

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a. Zwar ist der Markeninhaberin insoweit zu folgen, als das Determinativkompositum-Doppeldecker in seiner lexikalisch nachweisbaren Bedeutung als Bezeichnung eines Flugzeugs mit zwei Tragflächen bzw. als umgangssprachlicher Name für einen doppelstöckigen Omnibus (vgl. DUDEN-Online zu „Doppeldecker“) weder einen beschreibenden noch sonstigen Sachbezug zu den vorliegend relevanten Waren aufweist.

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b. Jedoch hat die Markenabteilung zutreffend festgestellt, dass sich diese Bezeichnung bereits zum Anmeldezeitpunkt über diese lexikalisch nachweisbaren Bedeutungen hinaus im Bereich der Farben, Lacke und damit allgemein der Beschichtungsmittel als prägnante, fachumgangssprachliche Beschaffenheitsangabe für Farben/Beschichtungsmittel mit hohem Deckvermögen etabliert hatte.

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aa. Das Vermögen einer Farbe oder eines Lackes, den Untergrund zu überdecken, wird nach DIN-Norm als Deckvermögen oder Kontrastverhältnis, ferner als Deckkraft oder Deckfähigkeit bezeichnet (vgl. Wikipedia zu „Deckvermögen“ unter Bezug auf DIN 55943). Je niedriger das Deckvermögen, desto schlechter kann eine Farbe eine andere Farbe überdecken. Das Deckvermögen wird qualitativ ermittelt, indem eine Farbschicht definierter Dicke auf einen kontrastreichen Untergrund (meist schwarz und weiß einer Kontrastkarte) aufgetragen wird. Ein Verfahren zur Messung des Deckvermögens bzw. Kontrastverhältnisses bei Innendispersionsfarben ist in DIN EN 13300mit dem Titel „Beschichtungsstoffe – Wasserhaltige Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für Wände und Decken im Innenbereich“ festgelegt. Sie enthält eine qualitative Einteilung von Wand- und Deckenfarben in verschiedenen Klassen, welche über die Angaben der Hersteller zur Ergiebigkeit in m²/Liter erfolgt (vgl. Wikipedia zu „EN 13300“). Danach werden (Innen- und Wand)Farben je nach ihrer Deckkraft in vier verschiedene Klassen eingeteilt, wobei die Deckkraft von Klasse 1 bis 4 abnimmt. Farben/Beschichtungsmittel insbesondere der Klasse 1 mit besonders starkem Kontrastverhältnis bzw. Deckvermögen (Ergiebigkeit ungefähr größer/gleich 7 m2/Liter) wurden und werden dabei fachumgangssprachlich als „hoch deckend“ bzw. „doppelt deckend“ bezeichnet (vgl. dazu beispielhaft das von der Antragstellerin mit der Begründung des Löschungsantrags vom 20. April 2016 als Anlage 2 eingereichte Technische Merkblatt der Firma S… für einen „Späth Knoll Doppeldecker“ aus dem August 2006, in welchem es in der Spalte „Werkstoff“ unter der Überschrift „Art des Werkstoffes“ u. a. heißt: „Späth Knoll Doppeldecker ist eine tuchmatte, lösemittelfreie und hochdeckende Innenwandfarbe“; ferner die 2. Seite des Auszugs aus dem Innenwandfarben-Programm der Firma S1… aus dem November 2011, in welchem auf der 2. Seite u. a. ausgeführt wird: „SIGMA Polymatt: Der Premium-Doppeldecker/ Ein exzellenter Weißgrad mit edler, stumpfmatter Oberflächenoptik in Kombination mit doppelt deckenden und höchst scheuerbeständigen Eigenschaften machen SIGMA Polymatt ...“ sowie das technische Merkblatt zu dem Produkt „Tex-Color Doppeldecker 1.0“ der Antragstellerin, in welchem in der Produktbeschreibung unter Anwendungsbereich ausgeführt ist: „Hochwertigste Einschicht-Innenfarbe mit doppeltem Deckvermögen ...“).

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bb. Allerdings ist der Markeninhaberin zuzugeben, dass der Bezeichnung Doppeldecker als substantivierte Abwandlung der Beschaffenheitsangabe „doppelt deckend“ in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Waren von Haus aus eine zumindest geringe Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann. Insoweit bedarf es zumindest eines gewissen Interpretationsaufwands, um die dem Verkehr lexikalisch als Bezeichnung eines Flugzeug- bzw. Omnibustyps bekannte Bezeichnung Doppeldecker aus sich heraus in Zusammenhang mit Farben und Beschichtungsmitteln i. S. von „doppelt deckend“ und damit als Hinweis auf eine besonders gute („doppelte“) Deckfähigkeit der so bezeichneten Farben/Beschichtungsmitteln zu verstehen. Wenngleich jedenfalls fachkundigen Kreisen, insbesondere solchen Personen, die beruflich mit Produktion und/oder Handel von Farben und Beschichtungsmitteln befasst sind, der beschreibende Aussagegehalt von „Doppeldecker“ i. S. von „doppelt deckend“ letztlich nicht verborgen bleibt, handelt es sich gleichwohl um eine sprachlich wie auch grammatikalisch eigentümliche Begriffsbildung in Form eines durchaus originellen Wortspiels, welcher von Haus aus eine hinreichende Unterscheidungskraft im Sinne eines sprechenden Zeichens nicht abgesprochen werden kann.

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cc. Die seitens der Antragstellerin mit der Begründung des Löschungsantrags vom 20. April 2016 als Anlage 2 eingereichten und den Zeitraum vor Anmeldung der Marke betreffenden Unterlagen (Technisches Merkblatt der Firma w…- GmbH für einen Doppeldecker LF, Stand Juli 2006, ein weiteres Technisches Merkblatt der Firma S… für einen „Späth Knoll Doppeldecker“ aus dem August 2006, eine Produktbeschreibung einer Kunststoff-Dispersionsfarbe des Typs Doppeldecker LF der Marke „Maxit" vom 29.05.2009, ein weiteres Technisches Merkblatt zum Produkt „Volvox Dispersionsfarbe Doppeldecker“, Stand August 2011, technische Informationen zur Einschichtfarbe „MALERPLUS DoppelDecker", Stand August 2011 sowie ein Sicherheitsdatenblatt für ein Beschichtungsmittel namens „Rhotanit 8450“, einen „Innen-Dispersionsfarbe-Doppeldecker“ der Firma R…, Stand 01.10.2011, ferner ein Auszug aus dem lnnenwandfarben-Programm der Firma Sigma Coatings aus dem November 2011 betreffend das Produkt „SIGMA Polymatt: Der Premium-Doppeldecker“) belegen jedoch, dass die Bezeichnung Doppeldecker bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht allein durch die Markeninhaberin selbst oder ggf. mit ihr verbundene Unternehmen, sondern in erheblichem Umfang auch durch Mitbewerber im geschäftlichen Verkehr in Zusammenhang mit Farben/Beschichtungsmitteln mit hohem Kontrastvermögen verwendet wurde, um als substantivierte Abwandlung der Beschaffenheitsangabe „doppelt deckend“ in werbesprachlich-prägnanter Form auf das hohe Deckvermögen dieser Produkte hinzuweisen.

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Sämtliche vorgenannten Unterlagen betreffen Farben/Beschichtungsmittel insbesondere der Klasse 1 der DIN EN 13300 mit besonders starkem Kontrastverhältnis bzw. Deckvermögen. Als schlagwortartiger Hinweis auf diese Produktbeschaffenheit dient dabei die wortspielartig aus der beschreibenden Beschaffenheitsangabe „doppelt deckend“ entwickelte Begriffsbildung Doppeldecker.

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dd. Hatte sich aber der Begriff Doppeldecker bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke als prägnante, fachumgangssprachliche Beschaffenheitsangabe für Farben/Beschichtungsmittel für hoch bzw. doppelt deckende Farben/ Beschichtungsmittel etabliert, war die angegriffene Marke jedenfalls im Zusammenhang mit Farben und Beschichtungsmitteln auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht mehr unterscheidungskräftig. Denn wenn das angesprochene Publikum – hier Fachleute oder normal informierte und verständige Durchschnittsverbraucher vor allem aus dem Bereich Heimwerker und Maler – bei diesen Waren bereits zu diesem Zeitpunkt mit dieser Begriffsbildung seitens einer größeren Anzahl von Anbietern und Mitbewerbern konfrontiert worden ist, konnte sich hieran keine individuelle betriebliche Herkunftsvorstellung mehr knüpfen. Die „sprechende“ Bezeichnung Doppeldecker hatte sich aufgrund ihrer bereits zum damaligen Zeitpunkt nachweisbaren vielfachen Verwendung zu einer fachumgangssprachlichen Beschaffenheitsangabe für Farben/Beschichtungsmittel mit hohem Deckvermögen gewandelt und daher insoweit ihre von Hause aus gegebene Unterscheidungskraft verloren.

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Verdeutlicht wird dies nicht zuletzt durch die als Anlage 4 zur Begründung des Löschungsantrags auszugsweise vorgelegten Forenbeiträge aus der Zeit vor Anmeldung der Marke, wie z. B.

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„[Tobias:] > Also es soll eine weiße Farbe werden

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Mein persönlicher Favorit ist der Peco-Doppeldecker“

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bzw.

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„Antwort

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von zetra, 11. 09. 2011

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Es gibt sogenannte "Doppeldecker", diese Farbe hat einen hohen Anteil an Titandioxyd (ist der Weißmacher in der Farbe). Wenn diese Farbe nicht deckt, musst du ohnehin zweimal streichen.“

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sowie

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Re: Wandfarbe und Qualität

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Moin,

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Kann jemand darüber etwas berichten?

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ne, darüber nicht, aber meine ultimative Farbe ist der Doppeldecker von Tex-color

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http:frwww.texcolor.de/511.htm

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Die Bezeichnung Doppeldecker erschöpfte sich daher für den Verkehr auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung in Zusammenhang mit Farben und Beschichtungsmitteln lediglich in der schlagwortartigen Beschaffenheitsangabe, dass diese über eine hohes („doppeltes“) Deckvermögen verfügen, ohne einen darüber hinausreichenden Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen zu vermitteln.

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ee. Unerheblich für ein solches Verständnis war dabei entgegen der Auffassung der Markeninhaberin, in welcher Art und Weise ihm diese Bezeichnung in Zusammenhang mit Farben und Beschichtungsmitteln begegnete. Denn auch soweit die Bezeichnung „Doppeldecker“ als Bestandteil von Produktbezeichnungen (vgl. dazu die von der Markeninhaberin in ihrer Beschwerdebegründung vom 20. Juli 2017 benannten Produkte „Späth Knoll Doppeldecker LF“, „Maxit Doppeldecker LF“ oder auch „Volvox Dispersionsfarbe Doppeldecker“) oder auch auf Informationsblättern und Verpackungen wie z. B. Farbeimern in einer gegenüber sonstigen Hersteller- und Produktangaben deutlich herausgestellten Form verwendet wurde, hat der Verkehr darin angesichts der vielfachen Benutzung dieser Angabe zur schlagwortartigen Bezeichnung „doppelt deckender“ Farben/Beschichtungsmittel lediglich einen (die Beschaffenheit) beschreibenden Bestandteil des entsprechenden Produktnamens bzw. eine die Unterscheidung von anderen Produktgattungen erleichternde Hervorhebung der Beschaffenheit des Produkts erkannt, nicht jedoch eine markenmäßige Verwendung der Bezeichnung Doppeldecker als betriebliches Unterscheidungsmittel.

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ff. Die Frage, ob eine solche Herausstellung von Beschaffenheits- und Verwendungsangaben bei Farben und Anstrich-/Beschichtungsmitteln branchenüblich ist und daher von Haus aus nicht als markenmäßig angesehen wird, wie die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 5. Dezember 2018 geltend gemacht hat, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich und kann offen bleiben.

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c. Ausgehend von dieser auch bereits zum Anmeldezeitpunkt vielfach belegbaren Verwendung von Doppeldecker als Hinweis auf doppelt bzw. hochdeckende Farben/Beschichtungsmittel ist dann aber mit der Markenabteilung davon auszugehen, dass es der angegriffenen Bezeichnung Doppeldecker auch bereits zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehlte und aktuell noch fehlt. Bei den Waren „Anstrichmittel, Farben, Firnisse, Lacke; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Anstrichmittel als Holzschutzmittel; spachtelbare Farben zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur“ handelt es sich um Beschichtungsmittel, bei denen das Kontrast- bzw. Deckvermögen eine wesentliche Eigenschaft darstellt, so dass sich die angegriffene Marke daher auch bereits zu diesem Zeitpunkt in einer beschreibenden Beschaffenheitsangabe dieser Waren erschöpfte und aktuell noch erschöpft. Dies gilt auch in Bezug auf „Rostschutzmittel“, welche ebenfalls Beschichtungsmittel mit hohem Deckvermögen sein können. Die weiteren beschwerdegegenständlichen Waren „Holzschutzmittel“ können oberbegrifflich Lacke mit umfassen, da Holzlackierungen gerade auch zum Holzschutz eingesetzt werden, so dass der angesprochene Verkehr die angegriffene Marke auch insoweit als Sachhinweis auf die Beschaffenheit dieser Waren, nicht jedoch als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, aufgefasst hat.

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d. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin weist Doppeldecker im Hinblick auf seine lexikalisch nachweisbare Bedeutung als Bezeichnung eines Flugzeugs mit zwei Tragflächen bzw. als umgangssprachlicher Name für einen doppelstöckigen Omnibus keine schutzbegründende Interpretations- und Mehrdeutigkeit auf. Bei allen absoluten Schutzhindernissen hat die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens konkret in Bezug auf die mit der Anmeldung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG beanspruchten Waren/Dienstleistungen zu erfolgen. In Kombination mit den vorliegend maßgeblichen Waren hat der Verkehr Doppeldecker auch bereits zum Anmeldezeitpunkt auf Anhieb und ausschließlich im dargelegten Sinne verstanden. Im Übrigen ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der konkret in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR 2003, 450 – DOUBLEMINT; EuGH MarkenR 2004, 111, 115 – BIOMILD/Campina Melkunie).

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e. Die Markeninhaberin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis z. B. des EUIPO berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Nr. 18) – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2012, 276, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V. m. w. N.; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche).

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f. Die Marke Doppeldecker konnte und kann damit in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke war und ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

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3. Da die angegriffene Marke hiernach bereits nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen war und ist, kann dahingestellt bleiben, ob auch Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorlagen bzw. vorliegen.

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B. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).