Entscheidungsdatum: 26.07.2011
Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VI
Soweit im Nichtigkeitsverfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen, das Streitpatent betreffenden Verletzungsverfahren als notwendig angesehen wird, ist insoweit nicht rein formal auf die Parteiidentität in beiden Prozessen abzustellen. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob die Verletzungsklage auf Basis des mit der anschließenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents erhoben wurde.
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent …
(DE …)
(hier: Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss)
hat der 3.Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 26. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie die Richter Dr.rer.nat. Gerster und Schell
beschlossen:
1. Auf die Erinnerung der Nichtigkeitsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 13.Januar2010 dahin abgeändert, dass die von der Nichtigkeitsbeklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 44.382,39 Euro festgesetzt werden.
2. Der zu erstattende Betrag ist vom 6.März2009 an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §247 BGB zu verzinsen.
3. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Nichtigkeitsbeklagte.
4. Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt 11.260,00Euro.
I.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 3.Juni2008 hat der Senat der gegen das Streitpatent gerichteten Nichtigkeitsklage der Klägerin stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht auf 1MillionEuro festgesetzt.
Die Klägerin hat Kostenfestsetzung beantragt, wobei u.a. Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 11.260,00Euro geltend gemacht wurden.
Die Beklagten haben dem Kostenfestsetzungsantrag widersprochen und hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ausgeführt, diese seien nicht notwendig gewesen.
Mit Beschluss vom 13.Januar2010 hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten –u.a. ohne Berücksichtigung der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt der Klägerin– auf 33.122,39Euro festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten stünden nicht in Zusammenhang mit dem vorliegenden Nichtigkeitsverfahren. Zwar habe die Klägerin insoweit auf ein parallel zum Nichtigkeitsverfahren anhängiges, das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren hingewiesen. Die an den beiden Verfahren beteiligten Parteien seien jedoch nicht identisch, da die Nichtigkeitsbeklagten am Verletzungsprozess nicht beteiligt gewesen seien. Zwar könne möglicherweise wirtschaftlich betrachtet ein enger Zusammenhang zwischen den Nichtigkeitsbeklagten und der Verletzungsklägerin bestehen, etwa aufgrund von Firmenverflechtungen innerhalb eines Konzerns oder aufgrund bestehender Lizenzverträge. Da das Kostenfestsetzungsverfahren ein Massenverfahren darstelle, das auf eine rasche, allein anhand der Prozessakten überprüfbare Bearbeitung zugeschnitten sei, könnten derartige, außerhalb des direkten Prozessgeschehens liegende Umstände hier jedoch nicht im Einzelnen berücksichtigt werden.
Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung verfolgt die Klägerin die Erstattung ihrer Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt weiter. Zur Begründung trägt sie vor, zum Zeitpunkt der Klageerhebung in der vorliegenden Nichtigkeitssache sei ein paralleles Verletzungsverfahren anhängig gewesen, das die Mitwirkung des im Verletzungsstreit beauftragten Rechtsanwalts an dem vorliegenden Nichtigkeitsverfahren erforderlich gemacht habe. Auch wenn die Nichtigkeitsbeklagte am Verletzungsstreit nicht beteiligt gewesen sei, sondern die tatsächlichen Rechtsinhaber, müsse von einem Parallelverfahren ausgegangen werden, das die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts auch im Nichtigkeitsverfahren erforderlich gemacht habe. Über das Vorliegen eines Parallelverfahrens habe es auch zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt Unstimmigkeiten gegeben.
Die Erinnerungsführerin und Nichtigkeitsklägerin beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.Januar2010 abzuändern und ihrem Antrag bezüglich der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 11.260,00Euro stattzugeben.
Die Nichtigkeitsbeklagten und Erinnerungsgegner beantragen sinngemäß,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie halten die Erinnerung für unbegründet, denn die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren könne nicht als notwendig angesehen werden. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten einer Doppelvertretung durch Rechtsanwalt und Patentanwalt seien deshalb nicht erstattungsfähig. Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf das Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt, denn hierbei habe es sich mangels Parteiidentität um kein Parallelverfahren zur verfahrensgegenständlichen Nichtigkeitsklage gehandelt. Nur wenn die an den betreffenden Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren beteiligten Parteien identisch seien, könne ein anerkennenswerter Abstimmungsbedarf, der die Mitwirkung eines Rechtsanwalts auch im Nichtigkeitsverfahren rechtfertige, aber überhaupt in Betracht kommen. Insgesamt habe die Klägerin keine Argumente dafür vorbringen können, was die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren erforderlich gemacht habe. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass der im Nichtigkeitsverfahren mitwirkende Patentanwalt über die erforderliche Kompetenz verfüge, die notwendigen Koordinierungsleistungen zu erbringen.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die auf einen Teil des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses beschränkte Erinnerung ist zulässig (§23 Abs.2 RPflG i.V.m. §104 Abs.3 ZPO, §84 Abs.2 PatG). Sie ist auch begründet.
Gemäß §84 Abs.2 PatG sind für die Entscheidung über die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kosten entsprechend anzuwenden. Nach §91 Abs.1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Zweckentsprechend in diesem Sinne ist eine Maßnahme dann, wenn sie eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits als sachdienlich ansehen durfte, um ihre berechtigten Interessen zu verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen (Herget in: Zöllner, ZPO, 28.Auflage, §91 Rdnr.12). Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist stets zu berücksichtigen, dass im Interesse der Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung für geeignete Fallkonstellationen eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist (BGH GRUR2005, 294; NJW2003, 901, 902 -Auswärtiger Rechtsanwalt I).
Eine Doppelvertretung durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt bei Erhebung einer Nichtigkeitsklage ist typischerweise dann als notwendig anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist, da dem Patentnichtigkeitsverfahren regelmäßig eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang eines parallel geführten Verletzungsprozesses zukommt. Aufgrund der engen Verknüpfung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren muss das jeweilige Vorgehen in beiden Verfahren regelmäßig aufeinander abgestimmt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die sowohl in technischer wie auch in rechtlicher Hinsicht häufig sehr komplexen und eng mit dem Verletzungsstreit zusammenhängenden Fragestellungen des Nichtigkeitsverfahrens (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 24.Februar2011, Mitt.2011, 308ff. -Doppelvertretungskosten V). Deshalb kann es aus der Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Prozesspartei durchaus sinnvoll erscheinen, im Nichtigkeitsprozess neben dem Patentanwalt auch einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu beauftragen, vor allem wenn dieser auch in dem zwischen denselben Parteien geführten Verletzungsverfahren tätig ist.
Zwar waren die Beklagten im Nichtigkeitsverfahren an dem von der Nichtigkeitsklägerin angeführten, parallel anhängigen Verletzungsstreit nicht beteiligt, vielmehr wurde die Nichtigkeitsklägerin im Verletzungsverfahren von einer Lizenznehmerin der Patentinhaber verklagt. Hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten eines Rechtsstreits ist jedoch nicht rein formal auf die Parteieigenschaft in beiden Prozessen abzustellen. Denn eine derartige Konstellation ergibt sich zwangsläufig, wenn ein Lizenznehmer wegen Patentverletzung klagt und der so Beklagte im Gegenzug Nichtigkeitsklage erhebt, die gemäß §81 Abs.1 Satz2 PatG nicht gegen den Verletzungskläger, sondern gegen den im Patentregister Eingetragenen gerichtet werden muss. Aus diesem Grund kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Parteiidentität an, sondern darauf, ob die Verletzungsklage auf Basis des mit der anschließenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents erhoben wurde. Anderenfalls hätte es ein Patentinhaber durch eine entsprechende Lizenzgewährung in der Hand, seine Kostentragungspflicht auch im Fall einer notwendigen Doppelvertretung von vornherein ausschließen zu können (vgl. hierzu auch das obiter dictum des 4.Senats des Bundespatentgerichts im Beschluss vom 26.Oktober2010, Az. 4ZA(pat)50/10). Handelt es sich also – wie hier – in beiden Verfahren um dasselbe Schutzrecht, liegt eine hinreichend enge Verknüpfung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren vor, um bei Anlegung der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise eine Doppelvertretung als sachdienlich und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen zu lassen, da die Mitwirkung des im Verletzungsprozess auftretenden Rechtsanwalts auch im Nichtigkeitsverfahren die notwendige Abstimmung zwischen den beiden Verfahren gewährleistet. Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte für ein relevantes Abweichen vom Regelfall ersichtlich, das die Erstattung von Doppelvertretungskosten ausnahmsweise ausschließen könnte.
Nach alldem war die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren auf Seiten der Klägerin als notwendig anzusehen. Seine Kosten sind somit zu erstatten. Die Verzinsung des festgesetzten Betrages ab dem vom 6.März2009, dem Tag des Eingangs des Festsetzungsgesuchs beim Bundespatentgericht, ergibt sich aus §84 Abs.2 PatG i.V.m. §§104 Abs.1 Satz2, 103 Abs.1 ZPO.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren den Erinnerungsgegnern und Nichtigkeitsbeklagten aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war (§84 Abs.2 S.2 i.V.m. §91 Abs.1 ZPO). Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag.