Entscheidungsdatum: 08.03.2016
Polizeiliche Observationsberichte können in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. Mai 2015 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf verfahrens- und materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der ausdrücklichen Erwähnung bedarf nur die Rüge, § 250 Satz 2 StPO sei verletzt, weil ein Observationsprotokoll nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden könne. Hierzu hat der Generalbundesanwalt Folgendes ausgeführt:
"Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 250 S. 2 StPO ist unbegründet. Polizeiliche Observationsberichte können grundsätzlich gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden. Der hiergegen von der Revision unter Berufung auf Teile des Schrifttums vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung ist nicht zu folgen (vgl. im Einzelnen hierzu LG Berlin, StV 2015, 544 ff. m.w.N.):
1. Aus dem Wortlaut des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ergibt sich weder, dass Observationsberichte im Speziellen von einer Verlesung ausgenommen sein sollen, noch - wie die Revision behauptet - dass Ermittlungshandlungen im Sinne der Vorschrift ausschließlich 'Routinemaßnahmen' betreffen.
2. Den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/1508 S. 26 f.) ist eine dahingehende Einschränkung gleichfalls nicht zu entnehmen. Ziel der Einführung der Vorschrift war es 'zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Hauptverhandlung' beizutragen. Soweit es im unmittelbaren Anschluss daran heißt die 'Strafverfolgungsbehörden erstellen im Rahmen der Ermittlungen Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge', drückt dies zwar ein Motiv des Gesetzgebers aus, nicht aber eine inhaltliche Eingrenzung. Dies belegt insbesondere die sich kurz darauf anschließende Passage der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei den Schriftstücken, deren Verlesung § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestattet, (lediglich) 'meist' um routinemäßig erstellte Protokolle handelt. Diese Relativierung ('meist') zeigt, dass der Gesetzgeber auch außerhalb der Routine liegende Vorgänge vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht ausschließen wollte (vgl. auch OLG Celle StV 2013, 742).
Unabhängig davon werden aber auch Observationsberichte zu solchen nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesbaren 'Routinevorgängen' gerechnet (vgl. ausdrücklich Ganter in BeckOK StPO, Edition 22, § 256 Rn. 21; aA Velten in SK-StPO 4. Aufl., § 256 Rn. 33). Hierfür spricht, dass sie hinsichtlich der Relevanz von Beobachtungsvorgängen vergleichbar sind mit Durchsuchungsberichten (vgl. hierzu BGH NStZ 2011, 532), bei denen es etwa auf die konkrete Lage eines Beweismittels in einer Wohnung oder das Verhalten der bei der Durchsuchung anwesenden Personen maßgeblich ankommen kann, oder Festnahmeberichten (vgl. hierzu BGHR StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5 Ermittlungsmaßnahmen 1), für die hinsichtlich der Beobachtung äußerer Umstände (Festnahmesituation; eventuelle Anhaltspunkte für Bewusstseinstrübungen der Festgenommenen o.ä.) Vergleichbares gilt. Dennoch stellen solche Berichte nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich Beispiele für verlesbare Ermittlungsvermerke i.S.d. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO dar (BT-Drs. 15/1508 S. 26). Für Observationsprotokolle kann daher nichts anderes gelten.
3. Systematische Gründe für einen Ausschluss von Observationsberichten aus dem Anwendungsbereich des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil werden etwa von § 256 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO auch Behörden- und Ärzteerklärungen erfasst, die keine Routinevorgänge betreffen.
4. Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gegen einen Ausschluss von Observationsberichten aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift. Als Erwägung für die Verlesung von Protokollen und Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden führen die Gesetzesmaterialien an, dass etwa ein Polizeibeamter 'in der Hauptverhandlung ohnehin in der Regel kaum mehr bekunden [könne] als das, was in dem Protokoll bereits schriftlich festgelegt' sei (BT-Drs. 15/1508 S. 26). Dies trifft auf polizeiliche Observationsprotokolle aber gleichfalls zu. Kleine Details wie etwa Zeitangaben zu - für sich gesehen - wenig eindrücklichen einzelnen Beobachtungsvorgängen, die erst nachträglich in einem größeren Zusammenhang Bedeutung gewinnen können, werden in der zeitnahen Verschriftung oft zuverlässiger bekundet werden als nach oft langer Zeit in der Hauptverhandlung aus dem Gedächtnis.
Ob im konkreten Fall die alleinige Verlesung eines Observationsberichts zur Wahrheitsfindung ausreicht oder ob - ggf. darüber hinaus - die Vernehmung der Observationsbeamten erforderlich ist, ist keine Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO, sondern eine Frage der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Eine Beweiserhebung wird nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zur Aufklärung nicht ausreicht (LG Berlin aaO.). Hält die Verteidigung die Verlesung eines Observationsberichts für unzureichend, steht es ihr in der Hauptverhandlung frei, einen Beweisantrag auf Vernehmung der Observationsbeamten bzw. des Observationsführers zu stellen und im Falle der Antragsablehnung dies in der Revision zu rügen oder im Falle einer unterbliebenen Beweisantragstellung insoweit zumindest die Aufklärungsrüge zu erheben. Beides ist nicht geschehen."
Dem stimmt der Senat zu.
Becker |
Schäfer |
Gericke |
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Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet |
Tiemann |
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Becker |