Entscheidungsdatum: 22.12.2011
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 14. September 2011, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Unterbringung des unter einer Polytoxikomanie und einem organischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma leidenden Angeklagten in einer Entziehungsanstalt oder einem psychiatrischen Krankenhaus hat es abgelehnt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Während das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, weil es an der nach § 64 Satz 2 StGB erforderlichen Erfolgsaussicht für diese Maßregel fehlt, halten die Erwägungen, mit denen es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgeschlossen hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte "zum Tatzeitpunkt aufgrund einer Kombination aus dem bestehenden organischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma" und einer "akuten Mischintoxikation in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB". Er ist "auch länger dauernd psychisch erkrankt". Dennoch hat das Landgericht - das im Rahmen seiner Ausführungen zu § 64 StGB die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit bejaht hat - dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt; denn das organische Psychosyndrom führe weder zu einer gesteigerten Aggressivität noch zu einer gesteigerten Affektivität mit unkritischen Affekthandlungen. Die Erkrankung erfülle "weder isoliert betrachtet noch in Kombination mit der bestehenden Polytoxikomanie den Grad eines Störungsbildes im Sinne des § 20 StGB".
2. Diese Erwägungen tragen die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht. Es erschließt sich, insbesondere im Zusammenhang mit den übrigen Urteilsgründen, nicht, welche Voraussetzung des § 63 StGB das Landgericht als nicht gegeben erachtet.
Sollte es gemeint haben, Bedingung der Anordnung sei, dass der Täter die rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe, lag darin eine Verkennung der Voraussetzungen des § 63 StGB, nach dem es genügt, wenn bei Begehung der Tat erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher vorgelegen hat; dies war hier der Fall. Sollte es dagegen der Auffassung gewesen sein, es fehle an einem Eingangstatbestand des § 20 StGB, steht diese - nicht näher belegte - Annahme in Gegensatz zu der Feststellung, der Angeklagte sei im Tatzeitpunkt in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB und damit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe erheblich vermindert gewesen. Soweit mit dem Hinweis auf das Fehlen einer gesteigerten Aggressivität und Affektivität gegebenenfalls die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit verneint werden sollte, ließe dies zum einen die Feststellungen zum Ablauf der abgeurteilten Tat außer Betracht und stünde zum anderen in einem unaufgelösten Widerspruch zu der bei der Prüfung des § 64 StGB dargelegten Gefährlichkeitsprognose.
3. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus muss daher neu entschieden werden. Um dem neuen Tatrichter eine insgesamt stimmige Entscheidung zu ermöglichen, hebt der Senat das angefochtene Urteil auch insoweit auf, als das Landgericht - für sich rechtsfehlerfrei - die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Dem steht insgesamt nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (s. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat das Unterbleiben einer Unterbringungsanordnung nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Es kann daher dahinstehen, ob dies im Hinblick auf § 63 StGB überhaupt wirksam möglich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2002 - 2 StR 335/02, NStZ-RR 2003, 18; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 331 Rn. 22 mwN).
Gleichzeitig ist der Strafausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufzuheben. Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt eine geringere Strafe verhängt hätte. Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden und zu erwägen haben, ob es einen anderen Sachverständigen zuzieht. Zur Frage der Unterbringung des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn seine Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei der Tat auf einer Kombination von Suchtmittelintoxikation oder -abhängigkeit und einer sonstigen psychischen Störung beruht, verweist der Senat vorsorglich auf die Kommentierung bei Fischer (StGB, 59. Aufl., § 63 Rn. 9 ff. mwN).
Der Schuldspruch kann bestehen bleiben, weil eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung sicher nicht vorgelegen hat.
Becker von Lienen Schäfer
Mayer Menges