Entscheidungsdatum: 19.09.2017
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 23. März 2017 aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die sich insbesondere gegen die Ablehnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt richtet, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen geriet der Angeklagte, der sich im Methadonsubstitutionsprogramm befand und zusätzlich täglich Heroin konsumierte, in einem alkoholisierten und von Methadon und Morphin beeinflussten Zustand, der seine Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkte, in der Küche der gemeinsamen Flüchtlingsunterkunft mit dem Nebenkläger H. in Streit. Im Verlauf der Auseinandersetzung stach er mit Tötungsvorsatz unvermittelt mehrfach auf diesen ein. Verletzt flüchtete der Nebenkläger auf den Flur. Der Angeklagte verfolgte ihn und brachte ihm weitere Stiche bei. Schließlich konnte der Nebenkläger in das Zimmer des Zeugen Ho. ausweichen, die Tür von innen verriegeln und einen Notruf absetzen. Er konnte von den alsbald eingetroffenen Rettungskräften notärztlich versorgt und schließlich gerettet werden.
2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch ist frei von durchgreifenden Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.
3. Dagegen hält die Versagung der Unterbringung nach § 64 StGB rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuleitungsschrift ausgeführt:
"Das Landgericht hat seine Entscheidung, die Maßregel zu versagen, nicht begründet, obgleich sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 64 StGB - auch jenseits des von der Verteidigung urteilsfremd vorgetragenen vorbereitenden Sachverständigengutachtens - aufdrängte:
a) Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte an einem Methadonprogramm teil und konsumierte darüber hinaus ein Bubble Heroin am Tag; nach seiner Inhaftierung litt er an Entzugserscheinungen (UA S. 4).
Zwar wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass in Fällen fachgerechter Methadon-Substitution von Heroinabhängigen kein Hang im Sinne des § 64 StGB vorliege (vgl. Pollähne in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 64 Rn. 46; Dannhorn NStZ 2003, 484, 485). Diese Auffassung wird indes von der Rechtsprechung nicht geteilt. Vielmehr geht diese davon aus, dass der Umstand einer Methadonbehandlung einen Hang zum Opiatkonsum nahelegt und deshalb eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 64 StGB erfordert (BGH NStZ-RR 2001, 12; BGH NStZ 2003, 484; BGH, Beschluss vom 4. November 2015 - 4 StR 337/15).
b) Zudem lässt sich auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang nach den Urteilsgründen nicht ohne Weiteres ausschließen. Denn es ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige oder vorrangige Ursache der Anlasstat ist; vielmehr ist es ausreichend, dass der Hang neben anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche Straftaten begangen hat (BGH NStZ 2010, 83, 84 mwN). Vorliegend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass aufgrund des Betäubungsmittelkonsums im Zusammenhang mit genossenem Alkohol im Tatzeitpunkt die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation erheblich vermindert war i.S.d. § 21 StGB (UA S. 6, 7, 24 - 26). Es hat deshalb die Strafe gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert (UA S. 31). Dies legt einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum Opiatkonsum und der Tat nahe.
c) Anhaltspunkte dafür, dass ohne Weiteres von einer fehlenden Erfolgsaussicht der Maßregelanordnung auszugehen sein könnte (vgl. § 64 S. 2 StGB), lassen sich den auf die Sachrüge allein zu berücksichtigenden Urteilsgründen gleichfalls nicht entnehmen.
d) Da zudem der Angeklagte neben seiner Teilnahme am Methadonprogramm weiterhin Heroin konsumierte (UA S. 4), scheidet eine Geeignetheit und Erforderlichkeit der Unterbringung als Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung gleichfalls nicht ohne Weiteres aus.
Damit lag ein Fehlen der Voraussetzungen des § 64 StGB nicht in einer Art und Weise auf der Hand, dass die bloße Mitteilung des Landgerichts, die Maßregel komme 'nicht in Betracht' (UA S. 32), als ausreichende Begründung angesehen werden könnte. Liegen nämlich Umstände vor, die nahe legen, dass die Unterbringungsvoraussetzungen gegeben sein könnten, und wird die Maßregel dennoch nicht verhängt, so muss unabhängig von gestellten Anträgen im Urteil dargelegt werden, warum von der Anordnung abgesehen worden ist (van Gemmeren in Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl., § 64 Rn. 119). Da es an solchen Erörterungen mangelt, ist das Urteil im beantragten Umfang aufzuheben; die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können indes bestehen bleiben."
Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat an.
Es ist auszuschließen, dass die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung nach § 64 StGB Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat. Dieser kann daher bestehen bleiben.
Schäfer |
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Gericke |
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Tiemann |
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Berg |
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