Entscheidungsdatum: 18.10.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 8. Juni 2018 hinsichtlich der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich der Feststellung besonderer Schuldschwere Erfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte seiner Ehefrau, die sich keines Angriffs versah und deshalb in ihrer Verteidigung stark eingeschränkt war, plötzlich in das Gesicht und trat ihr, nachdem sie zu Boden gefallen war, in Tötungsabsicht mit seinen stabilen Treckingschuhen wiederholt kräftig und mit voller Wucht gegen den Körper, ins Gesicht und von oben auf den Hals und den Kopf. Dem zur Hilfe eilenden Zeugen B. gelang es nicht, den Angeklagten von der später Getöteten wegzuziehen; während des Gerangels mit dem Zeugen B. stellte sich der Angeklagte wiederholt auf den Hals seiner am Boden liegenden Ehefrau, um ihr so die Möglichkeit zum Atmen zu nehmen. Als der Angeklagte nach minuten-langem Ringen dem Zeugen B. schließlich erschöpft gegenüberstand und bemerkte, dass sich seine Ehefrau seit einiger Zeit nicht mehr regte, rief er mit seinem Handy zweimal die Polizei an, konnte sein Anliegen jedoch wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache nicht hinreichend verständlich machen, sodass er das Handy schließlich dem Zeugen B. übergab, der die Anforderung eines Rettungswagens veranlasste. Trotz notärztlicher und intensivmedizinischer Versorgung kam die Geschädigte nicht wieder zu Bewusstsein und verstarb infolge der Gewaltanwendung einige Tage später im Krankenhaus an einem Multiorganversagen.
II. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der Heimtücke angenommen und den Angeklagten ohne durchgreifenden Rechtsfehler wegen Mordes gemäß § 211 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
1. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schuldschwere zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 62; Beschlüsse vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 370; vom 20. August 1996 - 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97, NStZ 1998, 352, 353). Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (BGH, Urteil vom 1. Juli 2004 - 3 StR 494/03, NStZ 2005, 88). Daran fehlt es.
Die Strafkammer hat die Gesamtwürdigung in der Weise vorgenommen, dass sie zunächst die schuldmindernden und danach die schulderhöhenden Umstände aufgeführt, ein Übergewicht der schulderhöhenden Faktoren und als Ergebnis die besondere Schuldschwere festgestellt hat. Dabei hat sie unter anderem zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser "vor Beginn der Tatausführung affektiv erregt gewesen ist" und es sich um eine Spontantat handelte; in besonderem Maße schulderhöhend hat sie gewürdigt, dass der Angeklagte die Tat mit großer Brutalität und Heftigkeit vor den Augen seiner drei Kinder ausgeführt hat.
Diese Bewertung wird den Tatumständen und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht. Sie lässt außer Acht, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht nur vor, sondern auch während der Tatausführung als - wenngleich nicht erheblich im Sinne von § 21 StGB - vermindert angesehen wurde und das Landgericht aufgrund der hochgradigen Erregung des Angeklagten bei der Tatbegehung das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat. In anderem Zusammenhang führt das Urteil aus, dass der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner desolaten Lebenssituation "nicht in der Lage" war, "sein eigenes Verhalten zu reflektieren".
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Gewichtung der Strafzumessungsgründe und abschließende Bewertung der Strafkammer als nicht tragfähig. Dies gilt insbesondere für die besonders erschwerende Berücksichtigung der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten über einen längeren Zeitraum und die Tatbegehung vor den Augen seiner drei Kinder. In diesem Zusammenhang war die Erörterung geboten, ob dieses Verhalten zumindest teilweise auch durch die infolge hochgradiger affektiver Erregung geminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten beeinflusst war (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2003 - 5 StR 341/03, juris Rn. 4). Zudem hat die Strafkammer sein Nachtatverhalten, insbesondere den Versuch, unmittelbar nach der Tat die Polizei zu verständigen, nicht in die Erwägungen zur Schwere der Schuld einbezogen, obwohl dies angesichts der darin möglicherweise zum Ausdruck gebrachten Reue geboten gewesen wäre.
2. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Fehlern, da nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung von der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld abgesehen hätte.
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