Entscheidungsdatum: 16.10.2012
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung wegen Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen erschien der Angeklagte nach einem Streit mit der Nebenklägerin, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, an deren Wohnung. Nachdem er sich dort Einlass verschafft hatte, erschoss er mit der Äußerung "Wenn du nicht mit mir redest, dann muss er sterben" oder "Dann erschieße ich den M. " den dort anwesenden M. K. , einen guten Freund der Nebenklägerin. Sodann richtete er seine Pistole auf diese und sagte, sie sei die nächste, wenn sie jetzt nicht mit ihm komme bzw. rede. Die Nebenklägerin erklärte sich hierzu bereit und verließ mit dem Angeklagten aus Furcht davor, ebenfalls erschossen zu werden, die Wohnung. Die beiden fuhren mit dem Auto zu einem Hotel. Während der Fahrt erwiderte die Nebenklägerin aus Angst auf die Bemerkung des Angeklagten, er liebe sie, sie liebe ihn auch, und umfasste seine Hand mit der ihren. In dem Hotel betraten die beiden ein Zimmer. Spätestens nunmehr entschloss sich der Angeklagte, den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin auszuüben. Er forderte sie auf, sich zu entkleiden, zog sich ebenfalls aus und legte die Pistole zu seinen Kleidern. Er fragte sie sodann, ob er nochmals mit ihr schlafen könne. Die Nebenklägerin befand sich nach wie vor in Angst, was der Angeklagte erkannte. Sie antwortete deshalb, dies sei okay. Sodann kam es zum Oral-, Vaginal- und Analverkehr. Da die Nebenklägerin danach nicht aufhörte zu weinen, verließ der Angeklagte das Zimmer; er stellte sich noch am selben Tage der Polizei.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten zunächst wegen Mordes verurteilt, das Verfahren wegen des anschließenden Geschehens abgetrennt und dieses in dem hier angefochtenen Urteil als schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB gewertet. Der Angeklagte habe der Nebenklägerin mit der Ankündigung "Du bist die Nächste" mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben gedroht. Die durch die Tötung des M. K. verstärkte und bis zum Betreten des Hotelzimmers fortwirkende Bedrohungslage habe er ausgenutzt, um die Nebenklägerin zu nötigen, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen und von ihm an ihr vornehmen zu lassen.
2. Die hier angefochtene Verurteilung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen einer Vergewaltigung sind durch die bisherigen Feststellungen nicht dargetan.
a) Vergewaltigung und sexuelle Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB setzen u.a. voraus, dass der Geschlechtsverkehr oder eine sonstige sexuelle Handlung mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungen werden. Das angewendete Nötigungsmittel muss nach dem Willen des Täters der Herbeiführung der sexuellen Handlung und ihrer Durchführung tatsächlich dienen, mithin "final" verknüpft sein. Vorausgegangene Gewalt, die der Täter ursprünglich aus anderen Gründen angewendet hatte, kann zwar später in der Weise als Drohung aktualisiert werden, dass der Täter durch sein Verhalten ausdrücklich oder zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, er werde die Gewaltanwendung wiederholen, sollte ihm das Opfer nunmehr nicht sexuell zu Willen sein. Nur wenn das Opfer auf eine solche aktuelle Drohung hin vom Widerstand gegen das sexuelle Ansinnen absieht und der Täter dies zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Täter zunächst zu anderen Zwecken zwar keine Gewalt verübt, aber mit Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht hatte (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 - 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 44; vom 31. August 1993 - 1 StR 418/93, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 8). Demgegenüber genügt es nicht, dass das Opfer aufgrund der früher zu anderen Zwecken angewendeten Gewalt oder ausgesprochenen Drohung noch Angst empfindet, der Täter dies erkennt und zur Umsetzung seiner nunmehr gefassten Absichten ausnutzt, ohne indes ausdrücklich oder konkludent unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Gewalt oder Drohung eine neue Drohung zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ 2005, 268, 269).
b) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vergewaltigung nicht. Die vom Angeklagten in der Wohnung des Opfers ausgesprochene Drohung diente nicht dazu, die Nebenklägerin zu veranlassen, sexuelle Handlungen vorzunehmen oder zu erdulden. Eine spätere Aktualisierung dieser Drohung zur Durchsetzung der neu gefassten sexuellen Absichten des Angeklagten ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Es ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte vor der Vornahme der sexuellen Handlungen in dem Hotelzimmer ausdrücklich oder zumindest konkludent auf die ursprüngliche Bedrohung Bezug nahm. Dafür könnte zwar etwa sprechen, dass der Angeklagte die Nebenklägerin aufforderte, sich auszuziehen, und die Pistole in das Hotelzimmer mitgenommen hatte, auch wenn der Grund für letzteres nicht festgestellt ist. Andererseits begann der Angeklagte mit den sexuellen Handlungen erst, nachdem die Nebenklägerin sich ihm während der Autofahrt zugewendet und seine Frage, ob er mit ihr schlafen könne, entsprechend beantwortet hatte. Auch wenn dieses Verhalten der Nebenklägerin vor allem durch ihre Angst begründet war, hätte es vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten eindeutigerer Feststellungen bedurft, um eine finale Bedrohung zur Erzwingung der sexuellen Handlungen mit genügender Sicherheit zu belegen.
3. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Verbrauchs der Strafklage durch die Verurteilung wegen Mordes kommt nicht in Betracht. Aus den vom Landgericht in den Urteilsgründen und dem Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen stellt das Tötungsdelikt eine andere prozessuale Tat dar. Auch wenn man berücksichtigt, dass die bis zu den sexuellen Handlungen fortdauernde Angst der Nebenklägerin auf der Tötung des M. K. sowie der in unmittelbarem Zusammenhang hiermit ausgesprochenen Drohung beruhte, ist das Geschehen in dem Hotelzimmer mit demjenigen in der Wohnung der Nebenklägerin nicht derart eng verknüpft, dass eine getrennte Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs erscheint, zumal eine Verurteilung nach § 177 StGB gemäß den obigen Ausführungen ein zumindest konkludentes Aktualisieren der Bedrohungslage und damit ein neues Tätigwerden des Angeklagten erfordert.
4. Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol