Entscheidungsdatum: 02.10.2012
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 18. April 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Mit der Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes zu Unrecht abgelehnt, hat das Rechtsmittel Erfolg.
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am 2. Dezember 2009 ab etwa 21.30 Uhr in einer Gaststätte auf Norderney auf. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt begab er sich von dort in die Räume des von ihm betriebenen, etwa 130 Meter entfernten Internet-Cafés und entzündete, um dieses in Brand zu setzen, in einem neben einer mit Holz verkleideten Wand stehenden geöffneten Kühlschrank eine brennbare Flüssigkeit. Danach verließ er das Internet-Café, verschloss die Eingangstür und eilte zurück in die Gaststätte, wo er bis 2.45 Uhr des Folgetags verblieb. Der Brand wurde gegen 2.00 Uhr von den im Stockwerk über dem Internet-Café wohnenden, aus dem Schlaf erwachten Hauseigentümern entdeckt; er hatte bereits auf die Tragbalken der hölzernen Deckenkonstruktion übergegriffen.
In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger, zum Beweis dafür, dass es in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 2009 "geregnet und gestürmt" habe, einen "Wetterbericht" des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach einzuholen. Hätte der Angeklagte die Gaststätte für längere Zeit verlassen, so hätte er nass werden müssen, was keiner der zu seinem Aufenthalt dort befragten Zeugen erwähnt habe.
Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache könne so behandelt werden, als wäre sie wahr. Insbesondere ergebe sich aus einem Polizeibericht, dass "Nieselregen" geherrscht habe. Im Übrigen sei die behauptete Tatsache bedeutungslos, weil die Strafkammer "aus der Indizwirkung dieses Umstands die gewünschte Beweisbehauptung nicht zu ziehen" beabsichtige.
Im Urteil hat das Landgericht sodann die Einlassung des Angeklagten, es habe außerordentlich schlechtes Wetter geherrscht, als widerlegt angesehen. Der Polizeibericht stelle für die Tatzeit "lediglich Nieselregen" fest, gegen den sich der Angeklagte überdies noch durch einen Regenschirm oder durch Bedecken des Kopfes mit einer Jacke hätte schützen können.
2. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Die Sachbehandlung des Beweisantrags begegnet - in mehrfacher Hinsicht - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aus (BGH NStZ-RR 2003, 269; BGH NStZ 2004, 51; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 244 Rdnr. 70; Fischer in KK StPO, 6. Aufl. § 244 Rdnr. 185 m.w.N.). Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Kammer die Beweisbehauptung nicht in ihrer vollen, aus Sinn und Zweck sich ergebenden Bedeutung als wahr behandelt, sondern in unzulässiger Weise eingeengt hat (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 6; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 244 Rdnr. 71 m.w.N.). Das Gericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es in der fraglichen Nacht geregnet und gestürmt habe, unzulässig abgeändert, indem es unterstellt, es hätte lediglich Nieselregen geherrscht, mithin von einer niedrigeren Niederschlagsintensität ausgeht. Die Niederschlagsmenge war - aus Sicht der Verteidigung - jedoch ersichtlich entscheidend für die Frage, ob der Angeklagte bei Regenwetter sich zum Tatort hätte begeben können, ohne dass seine Kleidung durchnässt gewesen wäre, was den in der Gaststätte befindlichen Besuchern - nach Auffassung der Revision - jedoch aufgefallen wäre.
Dass das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht mitteilt, ob es die Beweisbehauptung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für bedeutungslos erachtet, begegnet grundsätzlich erheblichen rechtlichen Bedenken (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 244 Rdnr. 43a m.w.N.). Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, wovon vorliegend auszugehen ist, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Nov. 2007 - 3 StR 430/07); auch dies hat das Landgericht versäumt."
Dem schließt sich der Senat an.
3. Nicht folgen kann der Senat indes der Auffassung des Generalbundesanwalts, es könne ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruhe.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten darauf gestützt, dass die Fenster und die Türen des Internet-Cafés beim Eintreffen der Feuerwehr verschlossen waren und nur die Hauseigentümer und der Angeklagte über Schlüssel verfügten. Dass sich die Hauseigentümer auf solche Weise selbst gefährdeten, sei auszuschließen. Demgegenüber habe der Angeklagte ein Motiv für die Tat gehabt. Er habe sich in schlechten finanziellen Verhältnissen befunden; das Inventar des Internet-Cafés sei mit 41.000 € gegen Feuer versichert gewesen. Über ein Alibi verfüge er nicht. Keiner der Zeugen, die den Angeklagten in der Gaststätte beobachtet hätten, habe dessen kurzzeitige Abwesenheit ausschließen können.
Damit hat das Landgericht für den Tatnachweis vorrangig solche Umstände herangezogen, die gegen eine Brandlegung durch andere Personen sprechen. Indizien, die positiv auf eine Täterschaft des Angeklagten hinweisen, hat es, abgesehen von der Motivlage, nicht feststellen können. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung der Frage eines Alibis des Angeklagten zu Recht eine wesentliche Bedeutung beigemessen und eingehend untersucht, ob nach den Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen von einer ununterbrochenen Anwesenheit des Angeklagten in der Gaststätte auszugehen ist. Dem widerspräche - jedenfalls aus objektiver Sicht - die Annahme, das Landgericht hätte sich zweifelsfrei auch dann von der Täterschaft überzeugt, wenn keiner der Zeugen ein äußeres Erscheinungsbild des Angeklagten bekundet hätte, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn dieser zwischendurch den Tatort aufgesucht hätte.
Becker Pfister Mayer
Gericke Spaniol