Entscheidungsdatum: 18.09.2012
1. Auf die Revisionen der Angeklagten T. , S. , Ö. K. und K. K. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 18. November 2011
a) im diese Angeklagten betreffenden Schuldspruch dahin neu gefasst, dass sie des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung schuldig sind;
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Nebenklägers wird abgesehen.
2. Die weitergehenden Revisionen und die Revision des Angeklagten A. werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die dem Nebenkläger insoweit entstandenen Auslagen haben die Beschwerdeführer T. , S. , Ö. K. und K. K. zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten T. , S. , Ö. K. und K. K. des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung sowie den Angeklagten A. der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagten T. und A. zu Freiheitsstrafen, die Angeklagten Ö. K. und K. K. unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu Einheitsjugendstrafen sowie den Angeklagten S. zu einer Jugendstrafe verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten T. , S. , Ö. K. und K. K. im Adhäsionsausspruch dazu verurteilt, an den Nebenkläger als Gesamtschuldner 10.000 € nebst Zinsen zu zahlen.
Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten T. , S. , Ö. K. und K. K. erheben überdies Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel dieser Angeklagten sind lediglich im Hinblick auf den Adhäsionsausspruch erfolgreich und führen zudem zu einer Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen sind ihre Revisionen ebenso wie diejenige des Angeklagten A. unbegründet.
1. Der Schuldspruch war neu zu fassen, damit auch in der Urteilsformel zum Ausdruck kommt, dass die Angeklagten T. , S. , Ö. K. und K. K. den - vom Landgericht zutreffend angenommenen - besonderen Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB verwirklichten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a mwN).
2. Der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand, da er nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Die Kammer hat dazu lediglich ausgeführt, sie halte "es für angemessen, aber auch ausreichend, dem Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € zuzubilligen". Eine solche floskelhafte Begründung ist hier keine tragfähige Grundlage für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, NStZ 1993, 145). Es wird nicht deutlich, in welchem Zusammenhang die konkrete Tat zu dem ausgeurteilten Betrag steht und welche Gesichtspunkte die Kammer bei der Bemessung berücksichtigt hat. Der Erlass eines Grundurteils (dazu BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998 - 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202) oder die Zurückverweisung allein zur erneuten Entscheidung über den Adhäsionsantrag kommt hier nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 406a Rn. 5).
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der gegen den Angeklagten A. verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten einen minder schweren Fall nach § 239a Abs. 2, § 239b Abs. 2 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nach einer - nicht näher ausgeführten - Gesamtwürdigung nicht "unangemessen hart" sei. Sodann hat es den Strafrahmen des § 239b Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht zunächst hätte prüfen müssen, ob die allgemeinen Milderungsgründe gegebenenfalls unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes zur Annahme eines minder schweren Falles führen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272 mwN). Der Senat kann hier nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer solchen Prüfung einen minder schweren Fall angenommen hätte, so dass der Strafrahmen ein Jahr bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe statt zwei Jahre bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe betragen hätte. Indes ist die Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten angemessen (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Dabei hat der Senat zugunsten des Angeklagten A. insbesondere sein Geständnis, seine bisherige Straflosigkeit und seine außergerichtliche Einigung mit dem Nebenkläger über die Zahlung eines Schmerzensgeldes bedacht. Dem stehen aber vor allem die Dauer und die Intensität des Geschehens sowie die daraus resultierenden Schäden des Nebenklägers gegenüber.
b) Soweit die Angeklagten Ö. K. und K. K. mit ihren Revisionen eine unzulässige Beschränkung ihrer Verteidigung rügen (§ 338 Nr. 8 StPO), ist die Rüge jedenfalls unbegründet.
Der Rüge liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde: Der Vorsitzende der Strafkammer lehnte es ab, dass die Verteidiger an Stelle der mündlichen Einlassungen der Angeklagten schriftlich vorformulierte Erklärungen für diese abgaben. Diese Anordnung bestätigte die Kammer später durch Beschluss (§ 238 Abs. 2 StPO). Der Verteidiger des Angeklagten Ö. K. wollte dem Vorsitzenden eine schriftlich vorbereitete Stellungnahme des Angeklagten übergeben, deren Annahme der Vorsitzende jedoch verweigerte. Der Verteidiger beantragte die Verlesung der Erklärung und reichte den auf deren Rückseite niedergeschriebenen Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss. Die Kammer wies den - auf einem separaten Blatt erneut eingereichten - Antrag, dem sich der Verteidiger des Angeklagten K. K. für diesen entsprechend anschloss, zurück und begründete dies damit, dass sie diesen als Antrag auf Verlesung einer Urkunde verstehe und der Antrag keine Beweistatsache enthalte.
Die Revisionen der betroffenen Angeklagten beanstanden im Wesentlichen, dass der Antrag auf Verlesung ohne jegliche Prüfung des Erklärungsinhalts abgelehnt worden sei, dass auch ein schriftliches Geständnis unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zum Gegenstand des Urteils gemacht werden müsse und dass der Anspruch auf rechtliches Gehör zumindest erfordert hätte, die Stellungnahme zum Aktenbestandteil zu machen oder inhaltlich zur Kenntnis nehmen.
Es trifft zu, dass das Gericht verpflichtet ist, eine schriftliche Stellungnahme des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 178). Insofern war die Verfahrensweise, eine Entgegennahme der Erklärung abzulehnen und diese gar zu zerreißen, fehlerhaft. Jedoch führt dies nicht zur Begründetheit der Rügen, da die Verteidigung nicht in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt (§ 338 Nr. 8 StPO) beschränkt ist. Denn eine kausale Beziehung zwischen der fehlerhaft unterbliebenen Kenntnisnahme und dem Urteil ergibt sich bei der konkreten Sachlage nicht (s. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 f.; Urteil vom 24. November 1999 - 3 StR 390/99, BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 6). Aus den mit den Revisionen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der Angeklagten Ö. K. und K. K. drängen sich keine Beweistatsachen oder Beweismittel auf, denen die Kammer hätte nachgehen müssen. Auch die Revisionen machen solche nicht geltend. Im Übrigen gebot die Pflicht zur Amtsaufklärung auch nicht, die Schreiben der beiden Angeklagten, die sich später selbst noch in der Hauptverhandlung eingelassen haben, zu verlesen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 180 f.).
c) Die vom Angeklagten S. erhobene Verfahrensrüge, die Kammer habe ihn sowie den Angeklagten A. durch Täuschung und unzulässigen Zwang (§ 136a Abs. 1 StPO) zu Einlassungen veranlasst, hat im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg.
Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass aus sich heraus nicht ohne Weiteres die Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Vorsitzende nach einer Einlassung des Angeklagten A. alle vier anderen zu diesem Zeitpunkt von ihrem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten während einer Sitzungsunterbrechung in Gewahrsam nehmen ließ. Eine allein in Betracht kommende Ingewahrsamnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO setzt voraus, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, der Angeklagte werde sich aus der Verhandlung entfernen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2003 - 3 Ws 498/03, NStZ-RR 2003, 329, 330; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 231 Rn. 3; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 231 Rn. 2, 4). Es erscheint zweifelhaft, ob allein die geständige Einlassung des Angeklagten A. eine entsprechende Prognose begründen konnte, nachdem die in Freiheit befindlichen Angeklagten zu den vorangegangenen Hauptverhandlungsterminen erschienen waren und der Nebenkläger die Tatvorwürfe in seiner Zeugenaussage bereits bestätigt hatte. Jedoch lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass der Gewahrsam gezielt zur Herbeiführung einer Einlassung angeordnet wurde und diese damit unverwertbar war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 - 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2936 mwN). Zudem liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gewahrsam und der Einlassung des Angeklagten S. deshalb nicht nahe, weil dieser erst sechs Tage nach dem - knapp eine Stunde dauernden - Gewahrsam Angaben machte.
d) Der Senat sieht Anlass zu der Bemerkung, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Mai 1997 - 3 StR 193/97, NStZ-RR 1997, 270).
4. Soweit die Rechtsmittel Erfolg haben, ist es angesichts dessen Geringfügigkeit nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4, § 472 Abs. 1 StPO). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 472a Abs. 2 StPO.
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