Entscheidungsdatum: 07.10.2010
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 28. Mai 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Annahme täterschaftlich begangener Einfuhr hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen begleitete der Angeklagte den Mitangeklagten auf einer Fahrt in die Niederlande nach Amsterdam. Dieser wollte, wie der Angeklagte von Anfang an wusste, dort Drogen kaufen, in die Bundesrepublik Deutschland einführen und hier sodann zum überwiegenden Teil gewinnbringend weiterveräußern. Er erwarb in Amsterdam ca. zehneinhalb Kilo Cannabis und versteckte sie in dem Wagen, den er durchgängig selbst steuerte. Er hatte den Angeklagten gebeten, ihn auf der Reise zu begleiten, weil er sich dadurch beim Transport des Kaufgeldes, bei dem Erwerb der Betäubungsmittel und bei deren anschließendem Rücktransport sicherer fühlte. Der Angeklagte fuhr mit, weil ihm der Mitangeklagte dafür eine kleinere Menge Cannabis sowie die Übernahme aller Kosten in Aussicht gestellt hatte. Unmittelbar nach dem Grenzübertritt wurden beide kontrolliert und festgenommen.
Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln. Besteht die Mitwirkung eines Beteiligten allein darin, dass er den Täter bei der Einfuhr - wie hier als Beifahrer - begleitet, etwa um diesem dadurch das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, rechtfertigt dies nicht bereits die Annahme von Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1994 - 3 StR 726/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 33 mwN). Zwar ist in einem solchen Fall die Annahme mittäterschaftlichen Handelns nicht generell ausgeschlossen, sie bedarf jedoch besonderer Rechtfertigung durch weitere Gesichtspunkte von Gewicht, beispielsweise durch einen bestimmenden Einfluss bei der Vorbereitung der Tat oder durch ein erhöhtes Tatinteresse (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - 4 StR 434/08, NStZ-RR 2009, 121). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, reicht das auf der Erwartung der Kostenübernahme und einer kleineren Rauschgiftmenge beruhende Interesse des Angeklagten an der Tatausführung nicht aus, um das Fehlen jedes die Tatherrschaft begründenden Umstandes ausgleichen zu können.
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geändert. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
2. Durchgreifende Rechtsbedenken bestehen darüber hinaus gegen die Begründung, mit der das Landgericht davon abgesehen hat, gegen den Angeklagten die Unterbringung in der Entziehungsanstalt anzuordnen. Die Strafkammer schließt sich dem gehörten Sachverständigen an, der es für zweifelhaft gehalten hat, "ob die Gefahr bestehe, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehe". Insoweit ist zu besorgen, dass das Landgericht die grundlegende Aufteilung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zwischen dem Sachverständigen und dem Richter außer Acht gelassen hat. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist es Aufgabe des Sachverständigen festzustellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Angeklagte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sind und welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden. Ob sich aus der Wahrscheinlichkeitsaussage über das zukünftige Legalverhalten des Angeklagten die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten im Sinne von § 64 StGB ergibt, ist hingegen eine vom Richter zu treffende normative Entscheidung (vgl. hierzu Boetticher u.a., NStZ 2006, 537, 539 f.). Um dem Revisionsgericht deren rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen, sind im Urteil die Grundlagen jener gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsaussage - und nicht nur die Meinung des Gutachters über das Vorliegen eines normativen Tatbestandsmerkmals - mitzuteilen.
Soweit der Sachverständige darüber hinaus die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Abstinenztherapie verneint hat, weil der Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten auf dessen "Persönlichkeitsstruktur" beruhe, weswegen "er persönliche Krisen nicht ohne Rauschmittel bewältigen könne" und er daher eine Therapie benötige, "die seine Verhaltensmuster verändere", gilt Folgendes: Dass der Süchtige die Bewältigung von Spannungssituationen durch die Zuführung von Suchtmitteln erreichen will, anstatt sich aktiv mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen, gehört zu den Kernproblemen der Sucht. Der Versuch, die Affekttoleranz des Abhängigen zu stärken, ist deshalb ein wichtiges Ziel jeder tiefgreifenden Therapie. Dies gilt auch für die Behandlung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB (vgl. Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 3, 2006, S. 326, 333, 342 f.). Ein Fehlen der Erfolgsaussicht kann daher allein mit dem Hinweis auf diese Persönlichkeitsproblematik nicht belegt werden.
3. Über den gesamten Rechtsfolgenausspruch muss deshalb - nahe liegend unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen - erneut entschieden werden.
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