Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.08.2017


BGH 22.08.2017 - 3 StR 331/17

Betäubungsmitteldelikt: Voraussetzungen eines bewaffneten Handeltreibens


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
22.08.2017
Aktenzeichen:
3 StR 331/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR331.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Koblenz, 12. April 2017, Az: 2090 Js 46941/16 - 4 KLs
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 12. April 2017 aufgehoben

a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall 4 der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist,

b) darüber hinaus im Rechtsfolgenausspruch,

aa) betreffend die Einzelstrafe im Fall 3 der Urteilsgründe,

bb) betreffend die Gesamtstrafe und

cc) betreffend den Vorwegvollzug.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - nach Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe - angeordnet und eine Verfallsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln und in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 4 der Urteilsgründe stößt demgegenüber auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

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a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bevorratete sich der Angeklagte spätestens seit dem Jahr 2013 wiederholt mit Betäubungsmitteln, vornehmlich Amphetamin, zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Er versteckte die Betäubungsmittel hauptsächlich in ungenutzten Kellerräumen des Hauses, in dem er wohnte, und portionierte sowie verpackte sie in seiner Wohnung. Zu diesem Zweck entnahm er aus größeren Beuteln kleinere Mengen, wog sie ab und füllte sie als Konsumeinheiten in kleine Plastiktüten, die er in einer Tupperdose in seinen Kühlschrank legte. Wenn einer seiner Abnehmer kam, um Drogen zu erwerben, entnahm er dem Kühlschrank die gewünschte Menge Plastiktütchen und übergab sie dem Kunden gegen Barzahlung; hatte er gerade keine Betäubungsmittel in seiner Wohnung vorrätig, ging er in den Keller, um sie seinem Depot zu entnehmen, während er den Abnehmer in seiner Wohnung warten ließ.

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Nachdem er im Jahr 2013 im Fall 2 der Urteilsgründe und spätestens bis Dezember 2015 im Fall 3 der Urteilsgründe entsprechend verfahren war, wurden anlässlich einer Durchsuchung am 12. Oktober 2016 im Kellerdepot des Angeklagten unter anderem Amphetamin mit einer Gesamtwirkstoffmenge von ca. 51 g Amphetaminbase sowie Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von 15,12 g THC sichergestellt, die zum Weiterverkauf bestimmt waren; in seiner Wohnung, einem 30 qm großen Einzimmerapartment, befanden sich zu dieser Zeit - jeweils griffbereit - ein Elektroimpulsgerät, ein Teleskopschlagstock und zwei CS-Gas-Sprays (Fall 4 der Urteilsgründe).

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b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) im Fall 4 der Urteilsgründe nicht.

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aa) Bewaffnetes Handeltreiben im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter die Schusswaffe (oder den sonstigen Gegenstand) bei der Tat mit sich führt, sie also bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Das ist der Fall, wenn dem Täter die Waffe in Griffnähe oder zumindest so zur Verfügung steht, dass ihm der Zugriff hierauf ohne nennenswerten Zeitaufwand möglich ist. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist. Jedoch erfordert § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG für diesen Fall, dass der Täter zugleich Betäubungsmittel und Waffe in der Weise verfügungsbereit hält, dass er beim Umgang mit dem Betäubungsmittel jedenfalls ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen kann; es genügt insoweit, dass der Täter sowohl die Waffe als auch das Betäubungsmittel dergestalt in der Verwahrung hält, dass ihm der gleichzeitige Zugriff hierauf möglich wäre (vgl. zu allem BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 3 StR 503/14, StV 2015, 641 mwN).

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bb) Das war hier nach den Feststellungen nicht der Fall. Denn die Betäubungsmittel, auf die sich das Handeltreiben im Fall 4 der Urteilsgründe bezog, wurden im Kellerdepot sichergestellt, während sich die Waffen in der Wohnung des Angeklagten befanden. Den Feststellungen lässt sich hinsichtlich dieser Handelsmenge kein Einzelakt des Handeltreibens entnehmen, bei dem der Angeklagte zugleich Zugriff auf die Waffen hatte. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass er bereits damit begonnen hatte, Teile davon in seiner Wohnung zu portionieren, zu verpacken, im Kühlschrank zu lagern oder in der Wohnung an Abnehmer zu verkaufen. Erst in solch einem Fall könnte angenommen werden, dass er die in seiner Wohnung befindlichen Waffen bei einem Einzelakt des Handeltreibens in Bezug auf die im Keller deponierte Handelsmenge - dann freilich hinsichtlich der gesamten Menge - mit sich geführt hätte.

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c) Da der Senat nicht ausschließen kann, dass dazu in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden, hebt er das Urteil insoweit mit den zugehörigen Feststellungen auf.

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2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der dafür verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren und bedingt bereits für sich genommen die Aufhebung der Gesamtstrafe. Darüber hinaus kann auch die im Fall 3 der Urteilsgründe verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren keinen Bestand haben.

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Insoweit hat die Strafkammer - gleichermaßen wie im Fall 2 der Urteilsgründe - sowohl bei der Erörterung der Frage, ob die Tat des Angeklagten als minder schwerer Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG anzusehen ist, als auch bei der Strafbemessung im engeren Sinne strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte zur Tatzeit "unter 2-fach laufender Bewährung" gestanden habe. Davon kann hinsichtlich der Tat im Fall 3 der Urteilsgründe jedoch nicht ausgegangen werden.

11

Der Angeklagte war 2008 und 2011 jeweils zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden, deren Strafreste zur Bewährung ausgesetzt worden waren. In der einen Sache lief die Bewährungszeit im Februar 2015 ab, in der anderen im Oktober 2015; die Strafen waren allerdings noch nicht erlassen worden. Während der Angeklagte die im Fall 2 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat im Jahr 2013 und damit während der laufenden Bewährungszeiten beging, konnte die Strafkammer im Hinblick auf Fall 3 der Urteilsgründe als Tatzeit lediglich einen "nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Anfang 2013 und Dezember 2015" feststellen. Dementsprechend ist es möglich, dass der Angeklagte die Tat erst nach Ablauf der zweiten Bewährungszeit im Oktober 2015 beging und lediglich die Beschlüsse über den Erlass der Strafe noch ausstanden. In diesem Fall erweist es sich indes als rechtsfehlerhaft, einem Angeklagten zur Last zu legen, er habe die neue Tat während einer laufenden Bewährungsfrist begangen (BGH, Beschluss vom 6. September 2016 - 3 StR 283/16, juris Rn. 3 mwN).

12

3. Die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Vorwegvollzug. Dieser hätte im Übrigen unabhängig davon keinen Bestand haben können, weil die Berechnung des Vorwegvollzugs rechtsfehlerhaft ist.

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Das Landgericht hat den vor der - rechtsfehlerfrei angeordneten - Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu voll-streckenden Teil der Gesamtfreiheitsstrafe mit einem Jahr und sechs Monaten bemessen. Zur Begründung hat die Strafkammer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB ausgeführt, dass der Angeklagte "den Halbstrafenzeitpunkt" nach vier Jahren erreichen werde und davon auszugehen sei, dass seine Behandlung in der Entziehungsanstalt zwei Jahre dauern werde. Das ist nicht nachvollziehbar; im Hinblick auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und die voraussichtliche Behandlungsdauer von zwei Jahren hätte der Vorwegvollzug vielmehr auf zwei Jahre festgesetzt werden müssen. Die Berechnung der Strafkammer beruht möglicherweise darauf, dass sie die Dauer des Vorwegvollzugs um diejenige der bisher erlittenen Untersuchungshaft gekürzt hat; dies ist indes nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09, juris Rn. 5).

14

4. Die auf § 73d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 73a Satz 1 StGB i.V.m. § 33 Abs. 1 BtMG gestützte Verfallsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat zwar nicht erörtert, ob der angeordnete Verfall von Wertersatz für den Angeklagten eine unbillige Härte darstellt (§ 73d Abs. 4 i.V.m. § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Das stößt aber auf keine durchgreifenden recht-lichen Bedenken.

15

Die Verfallsanordnung bezieht sich auf einen Bargeldbetrag in Höhe von 6.110 €, der bei der Durchsuchung am 12. Oktober 2016 zusammen mit den Betäubungsmitteln in dem Kellerdepot des Angeklagten sichergestellt wurde. Die Strafkammer hat mit rechtsfehlerfreien Erwägungen angenommen, dass das Bargeld aus rechtswidrigen Taten herrührt, wenn auch unklar ist, aus welchen. Da der Angeklagte den Feststellungen zufolge über ein regelmäßiges Einkommen verfügte, liegt es fern, dass die Verfallsanordnung schlechthin ungerecht erscheinen und deshalb eine unbillige Härte für den Angeklagten darstellen könnte, so dass die Erörterung dieser Frage hier entbehrlich war.

Becker     

       

Gericke     

       

Tiemann

       

Berg     

       

Hoch