Entscheidungsdatum: 17.10.2017
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und D. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 22. November 2016, soweit es diese Angeklagten betrifft, im Strafausspruch aufgehoben, betreffend den Angeklagten B. mit den zugehörigen Feststellungen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten D. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die dagegen gerichteten, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben jeweils in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, die Revision des Angeklagten B. mit einer Verfahrensrüge, diejenige des Angeklagten D. mit der Sachrüge; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte B. Anfang 2015 einen Mann namens "I. " kennen, der einen Trockenbauer zum Ausbau einer Lagerhalle suchte. B. übernahm die Tätigkeit im März 2015. Er bemerkte zwar bald, dass in der Lagerhalle eine Cannabisplantage eingerichtet werden sollte, führte seine Arbeit im Hinblick auf die ihm von "I. " in Aussicht gestellte Entlohnung aber dennoch fort. In der Folgezeit richtete er die Plantage gemeinsam mit "I. " professionell ein. Nachdem beide die Cannabispflanzen eingesetzt und angepflanzt hatten, betreute B. die Plantage im Einvernehmen mit "I. " allein. Bis Mai 2016 kam es zu vier Ernten, bei denen jeweils zwischen 25 und 38 kg Marihuana erzielt wurden. Bei der vierten Ernte wirkte der Angeklagte D. als Erntehelfer mit.
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer zugunsten des Angeklagten B. als allgemeinen Strafzumessungsumstand berücksichtigt, dass er "Aufklärungsbemühungen gezeigt" habe, indem er u.a. Angaben zu dem Tatbeteiligten "I. " gemacht habe. Den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG hat das Landgericht hingegen nicht als erfüllt angesehen. Dem liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
B. habe die Person, die ihn für seine Tätigkeiten eingestellt, entlohnt und mit ihm gemeinsam in der Plantage gearbeitet habe, nur mit dem Vor- oder Spitznamen "I. " benannt. Eine Identifizierung des Mittäters "I. " sei aufgrund seiner Angaben nicht möglich gewesen. Dass durch seine Einlassung ein Verdacht gegen den gesondert verfolgten Bu. begründet bzw. bestärkt worden sei, stelle eine Aufklärungsbemühung dar, die nicht zur Anwendung des § 31 BtMG führe, sondern als allgemeiner Strafzumessungsgrund zu berücksichtigen sei.
II. Revision des Angeklagten B.
Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten B. ergeben. Ungeachtet bestehender Bedenken gegen die Strafzumessung führt die von dem Angeklagten B. erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs.
1. Mit der Rüge beanstandet er, dass die Strafkammer Aktenbestandteile, aus denen sich Anhaltspunkte für das Vorliegen des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ergeben hätten, in der Hauptverhandlung weder verlesen noch ihm vorgehalten oder sonst zum Gegenstand der Verhandlung gemacht habe. Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Protokoll über die mündliche Haftprüfung des Angeklagten B. vom 8. September 2016 und die auf ihn bezogenen Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aus der Anklageschrift im Strafverfahren gegen Bu. vom 9. August 2016.
2. Die Rüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insbesondere lässt sich dem Rügevorbringen die bestimmte Beweisbehauptung des Beschwerdeführers entnehmen, im Haftprüfungstermin vom 8. September 2016 die sich aus dem Protokoll ergebenden Angaben zur Tatbeteiligung von Bu. gemacht und damit zum Hauptbelastungszeugen gegen diesen geworden zu sein.
3. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die entsprechenden Passagen aus der Anklageschrift gegen Bu. und aus dem Protokoll über den Haftprüfungstermin nicht verlesen oder beispielsweise durch Vorhalt gegenüber dem Angeklagten B. zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hat.
a) Aus den Ausführungen über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift gegen Bu. vom 9. August 2016 ergibt sich, dass B. zunächst nicht Bu. , sondern "Holländer namens 'L. ', 'R. ' und 'J. '" als Betreiber der Cannabisplantage benannt hatte, ohne Angaben zu machen, die eine Identifizierung dieser Personen ermöglicht hätten. Ausweislich des Protokolls über den Haftprüfungstermin vom 8. September 2016 räumte er hingegen ein, dass die früher von ihm genannten Personen tatsächlich nicht existierten, und er sie sich aus Angst vor dem wahren "Hintermann" ausgedacht habe. Nach einigem Zögern benannte er schließlich Bu. als den "Hintermann", der ihn mit dem Ausbau der Lagerhalle beauftragt und in dessen Einvernehmen er anschließend die Cannabisplantage betreut habe. Dabei machte er detaillierte Angaben zu den einzelnen Tatbeiträgen von Bu. .
b) Es hätte sich unter Aufklärungsgesichtspunkten aufgedrängt, davon in der Hauptverhandlung Kenntnis zu nehmen, weil die Angaben des Angeklagten B. im Haftprüfungstermin, die er vor der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) gegen ihn durch Beschluss vom 27. Oktober 2016 gemacht hat, geeignet waren, das Vorliegen des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG zu bejahen.
c) Dementsprechend beruht der Strafausspruch gegen den Angeklagten B. auf dem Rechtsfehler. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei einer Berücksichtigung seiner Angaben im Haftprüfungstermin vom 8. September 2016 auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.
4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die gegen den Angeklagten B. verhängten Einzelstrafen. Der Wegfall der Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.
III. Revision des Angeklagten D.
1. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten D. ergeben. Der Strafausspruch hat demgegenüber keinen Bestand, weil sich die Strafrahmenwahl als rechtsfehlerhaft erweist.
Das Landgericht hat der Strafzumessung den gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsumstände verneint. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist - wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtabwägung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. März 2017 - 2 StR 567/16, juris Rn. 6; vom 13. Oktober 2016 - 3 StR 248/16, juris Rn. 5, jeweils mwN).
Daran fehlt es hier. Die Strafkammer hat nicht geprüft, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, weil der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB vorliegt.
3. Die Strafe ist deshalb neu zu bemessen. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bleiben von dem Rechtsfehler indes unberührt und können deshalb gemäß § 353 Abs. 2 StPO bestehen bleiben.
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