Entscheidungsdatum: 16.10.2018
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 2. März 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Kompensationsentscheidung getroffen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Rüge, § 255a Abs. 2 StPO sei verletzt worden, Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), so dass es eines Eingehens auf die Sachbeschwerde nicht bedarf.
Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
"Zu Recht beanstandet die Revision, dass die Entscheidung, die persönliche Vernehmung (§ 250 StPO) der Zeugin und Nebenklägerin Celina D. durch Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung ihrer richterlichen Vernehmung zu ersetzen, nicht durch gerichtlichen Beschluss, sondern nur durch - zudem unzureichend begründete - Anordnung des Vorsitzenden getroffen wurde.
1. Durch den Wortlaut der seit dem 1. September 2013 geltenden Fassung des § 255a StPO ist klargestellt, dass Entscheidungen nach § 255a Abs. 2 StPO nicht der Vorsitzende, sondern das Gericht nach einer Interessenabwägung zu treffen hat (vgl. auch Beck-OK StPO/Berg, § 255a Rdn. 17.1; Löwe-Rosenberg/Mosbacher, Nachtrag zu § 255a Rdn. 10; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 255a Rdn. 11). Soweit zur zuvor geltenden Gesetzesfassung angenommen wurde, es genüge die Anordnung des Vorsitzenden (vgl. BGH NStZ 2011, 712; a. A. KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 255a Rdn. 14), ist diese Ansicht nunmehr obsolet (vgl. Beck-OK StPO/Berg, a. a. O.; Löwe-Rosenberg/Mosbacher, a. a. O).
Der Verstoß gegen das Beschlusserfordernis kann mit der Revision als eigenständige Verletzung von Verfahrensrecht gerügt werden (vgl. MüKo-StPO/Krüger, § 255a Rdn. 44; Beck-OK StPO/Berg, § 255a Rdn. 18).
2. Auch die gemäß § 255a Abs. 2 S. 3 StPO erforderliche Begründung zur Ersetzung der persönlichen Vernehmung durch Vorspielen der Bild-Ton-Aufzeichnung war - wie die Revision ebenfalls mit Recht rügt (RB S. 52) - unzureichend. Die Gründe der Anordnung (vgl. Anlage I zum Protokoll vom 21. Februar 2018) geben lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen wieder, die die Ermessensentscheidung eröffnen; sie lassen aber die Ausübung des Ermessens nicht erkennen. Eine eingehende Begründung war vorliegend umso mehr geboten, als die Zeugin, auf deren Angaben die Anklage sich im Wesentlichen gestützt hat, zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits neunzehn Jahre alt war und eine besondere sich gerade aus dem Alter ergebene Schutzbedürftigkeit der Zeugin sich damit nicht von Vornherein aufdrängte.
3. Da die Angaben der Zeugin in der vormals aufgezeichneten und in der in der Hauptverhandlung abgespielten richterlichen Vernehmung maßgeblich die zur Verurteilung führenden Feststellungen begründet haben (vgl. UA S. 5), beruht das Urteil auf dem Gesetzesverstoß. Es kann zudem nicht von Vornherein ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung der Kammer bei einer unmittelbaren Befragung der Zeugin anders als erfolgt ausgefallen wäre."
Dem schließt sich der Senat an.
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