Entscheidungsdatum: 30.06.2015
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2015 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Taten Ziffer III. der Urteilsgründe aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten des Beschuldigten beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
2. Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, da das Landgericht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei entschieden hat.
a) Nach den Darlegungen des Landgerichts war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei den Taten III. 1. c) aa) und bb), III. 1 b) bb), III. 3. b) aa) der Urteilsgründe (Nr. 1 bis 4, 7 der Antragsschrift) aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sicher aber erheblich beeinträchtigt, die Steuerungsfähigkeit hingegen vollständig erhalten geblieben.
Damit ist die gesetzliche Voraussetzung (vgl. § 63 StGB), dass der Beschuldigte diese fünf Taten im Zustand sicher festgestellter zumindest eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat, nicht belegt. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 261/14, juris Rn. 3).
b) Gleiches gilt im Ergebnis für die übrigen drei Taten, bei denen das Landgericht neben der erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten festgestellt hat. Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wie dargelegt ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 mwN). Ein Fall, in dem das Revisionsgericht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sicher entnehmen kann, dass das Landgericht von erhalten gebliebener Einsicht des Beschuldigten in das Tatunrecht ausgegangen ist, liegt nicht vor.
c) Über die psychische Befindlichkeit des Beschuldigten bei den Taten, deren Einfluss auf die Schuldfähigkeit und ggf. über die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB muss deshalb erneut befunden werden.
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Bemerkungen:
a) Sollte die erneute Überprüfung ergeben, dass eine verminderte Schuldfähigkeit bei einzelnen oder allen Taten nicht allein auf einer Schizophrenie des Beschuldigten beruht, sondern auf dessen Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie, so wäre auf die in solchen Fällen geltenden besonderen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42) Bedacht zu nehmen. Den bisherigen Wertungen zur Schuldfähigkeit bei den Taten 5, 6 und 8 der Antragsschrift (UA S. 42 f.) lässt sich allerdings entnehmen, dass die Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit bereits allein auf die Psychose gestützt werden sollte und der Alkoholisierung lediglich noch eine verstärkende Wirkung zugemessen wurde.
b) Die Taten III. 1. b) bb) sowie III. 2. a) aa) der Urteilsgründe (Nr. 3, 4 und 5 der Antragsschrift) scheiden entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat. Es berührt den natürlichen Tatvorsatz nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08, NStZ-RR 2008, 334; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14, juris mwN). Diese Taten können deshalb grundsätzlich zum Anlass für eine neuerliche Unterbringung gemacht werden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker Pfister Mayer
Gericke Spaniol