Entscheidungsdatum: 09.07.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er und der Mitangeklagte K. in den Fällen V. 3. und V. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
b) soweit es den Angeklagten P. betrifft, im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe,
c) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten der räuberischen Erpressung in zwei Fällen (Fälle V. 1. und 2. der Urteilsgründe), des schweren Raubes (Fall V. 3. der Urteilsgründe) und der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung (Fall V. 4. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen, den Angeklagten P. darüber hinaus des Diebstahls in drei Fällen (Fälle V. 5. bis 7. der Urteilsgründe). Den Angeklagten P. hat es deswegen unter Einbeziehung "des Urteils des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - Mönchengladbach, Az 127 Ls 140/09" zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten P. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit die Angeklagten in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind, ist die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken.
1. Die Schuldsprüche wegen schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) im Falle V. 3. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
a) Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen einer vollendeten Tat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der Mitangeklagte K. bei Wegnahme der Stofftüte weder Kenntnis noch konkrete Vorstellungen von deren Inhalt, sondern lediglich die Hoffnung, diese enthalte Gegenstände, die sie entweder selbst verwenden oder mit Gewinn veräußern könnten (UA S. 11, 16ff). Wie die Angeklagten mit den in der Tüte befindlichen Gegenständen - Prospekten und einem Schlüsselbund nebst Anhänger - letztendlich verfahren waren, konnte nicht geklärt werden. Insbesondere vermochte die Jugendkammer nicht auszuschließen, dass die Angeklagten diese Gegenstände alsbald weggeworfen hatten, weil sie damit nichts anzufangen wussten (UA S. 17). Diese Feststellungen tragen die Annahme eines vollendeten Raubes nicht, weil sich die Zueignungsabsicht der Angeklagten nur auf für sie verwendbare Gegenstände richtete, nicht auf die Tüte selbst oder für sie nutzlose Gegenstände. Auch wenn sich die Angeklagten 'keine konkreten Vorstellungen' vom Inhalt der Tüte machten, andererseits aber auch klar war, dass sie nicht zum Eigengebrauch oder zum Verkauf geeignete Gegenstände alsbald wegwerfen wollten, schließt letzteres aus, dass sie sich den gesamten Inhalt der Tüte - ungeachtet seiner Verwendungsfähigkeit - (zumindest vorübergehend) aneignen wollten. Dies umso mehr, als die Jugendkammer auch festgestellt hatte, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten begangen hat, 'um an Geld zu gelangen' (UA S. 15, 24). ... Auch wenn sich die Vorstellung der Angeklagten vom Inhalt der Tüte demnach nicht auf einen bestimmten Gegenstand konkretisiert (vgl. zu Bargeld BGH StV 1983, 460; 1987, 245; 1990, 205f), sondern sich lediglich auf 'zum Eigengebrauch verwendungsfähige oder veräußerbare Gegenstände' erstreckt hatte, setzt eine Tatbestandsvollendung einen diesbezüglichen Inhalt der Tüte voraus (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 7; BGH JR 1999, 336; NStZ 2004, 333). Andernfalls wäre in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters bei Wegnahme eines Behältnisses auf einen bestimmten Gegenstand als Inhalt konkretisiert hätte, lediglich eine Versuchsstrafbarkeit gegeben, wenn das Behältnis den erwarteten Gegenstand nicht enthielte, während in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters nur auf den späteren Verwendungszweck des Gegenstandes ('brauchbar', 'veräußerbar', etc.) konkretisiert hätte, trotz 'Zweckverfehlung' bereits Vollendung gegeben wäre."
Dem schließt sich der Senat an.
b) Darüber hinaus entbehrt die Feststellung, der in Mittäterschaft mit dem Angeklagten P. handelnde Mitangeklagte K. habe bei der Wegnahme der Stofftüte einen Griff der Trägerin überwinden müssen, "der fester war als zum bloßen Tragen der Tasche erforderlich", mithin im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB Gewalt gegen eine Person ausgeübt, einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Das Landgericht stützt diese Annahme ausschließlich auf die Einräumung der Angeklagten, es treffe vollumfänglich zu, was ihnen in der Anklageschrift vorgeworfen werde; nach deren "Maßgabe" habe die Geschädigte die Tüte aber nicht bloß in der Hand gehabt, sondern diese festgehalten.
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256).
Daran mangelt es hier. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das Landgericht bei der Prüfung der zur Wegnahme erforderlichen Kraftentfaltung nicht allein auf die pauschale Einräumung der Angeklagten stützen dürfen, die Vorwürfe in der Anklageschrift träfen vollumfänglich zu. Die dort gewählte Formulierung, die Geschädigte habe die Tasche "festgehalten", lässt bereits für sich betrachtet keinen eindeutigen Rückschluss auf das Maß ihres der Wegnahme entgegengesetzten Widerstands zu; ob die Angeklagten gerade auch einen Griff der Geschädigten einräumen wollten, der fester war als zum bloßen Tragen erforderlich, bleibt danach offen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte P. die Geschädigte während der Wegnahmehandlung bewusst ablenkte, um die Tatausführung zu erleichtern. Was diesen betrifft, entzog sich der zur Wegnahme erforderliche Kraftaufwand schließlich der unmittelbaren Wahrnehmung.
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Schuldsprüche wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1, § 22 StGB) im Falle V. 4. der Urteilsgründe.
Nach den Feststellungen forderte der Mitangeklagte K. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan den Geschädigten "unter Vorhalt eines Anglermessers" zur Herausgabe seines Mobiltelefons auf. Als der Geschädigte dies ablehnte, flüchteten die Angeklagten. Einen freiwilligen Rücktritt der Angeklagten vom unbeendeten Versuch (§ 24 Abs. 2 StGB) hat das Landgericht danach verneint und hierzu weiter festgestellt, die Angeklagten hätten nach der endgültigen Ablehnung ihres Ansinnens erkannt, dass sie die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln würden vollenden können.
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, denn die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten nach der Weigerung des Geschädigten keine Handlungsalternative mehr gesehen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können, findet im mitgeteilten Beweisergebnis keine Stütze. Zwar liegt es nach den Umständen nahe, dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen (hierzu BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) hatten, das Messer nötigenfalls über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen. Nicht belegt ist aber, dass sie keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Einwirkung auf die Willensfreiheit des Geschädigten noch zu verstärken, auch ohne diesen körperlich zu verletzen. Insbesondere lässt die Feststellung, der Mitangeklagte habe dem Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 StR 257/09, NStZ 2009, 688).
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe führt beim Angeklagten P. weiter zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe und beim Mitangeklagten K. zum Wegfall der in diesen Fällen bemessenen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe.
Auch unabhängig davon hätte der Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe keinen Bestand.
Nach den Feststellungen hatte das einbezogene Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach (vom 21. Januar 2010) seinerseits eine Verurteilung des Angeklagten zu Jugendstrafe durch dasselbe Gericht vom 22. Oktober 2009 einbezogen. Das jenem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen teilt das Landgericht nicht mit. Hierzu wäre es indes gehalten gewesen, um die revisionsrechtliche Nachprüfung der Strafzumessung zu ermöglichen, denn im Rahmen der Strafzumessung sind alle einzubeziehenden Straftaten im Wege einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1992 - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7; Beschlüsse vom 22. September 1999 - 3 StR 358/99, StV 1999, 661; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 219/12; vom 19. Mai 2011 - 3 StR 134/11; Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 31 Rn. 62 f.).
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, dass weitere frühere Entscheidungen, die ihrerseits in ein einzubeziehendes Urteil einbezogen waren, in der Urteilsformel zu bezeichnen sind (Eisenberg, aaO § 54 Rn. 20 mwN).
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol