Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 09.06.2015


BGH 09.06.2015 - 3 StR 146/15

Raub: Feststellungen zur Zueignungsabsicht bei Wegnahme eines Handys zur Löschung von kompromittierenden Aufnahmen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
09.06.2015
Aktenzeichen:
3 StR 146/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Kleve, 18. Dezember 2014, Az: 223 KLs 14/14
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 18. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten (T.     ), fünf Jahren (C.   ) und drei Jahren (O.    ) verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

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1. Nach den Feststellungen besaß der Geschädigte auf seinem Handy Aufnahmen der Angeklagten C.   , auf denen erkennbar war, dass diese als Prostituierte arbeitete. Um an diese Bilddateien zu gelangen, wollte die Angeklagte C.    dem Geschädigten das Mobiltelefon wegnehmen und ihm gleichzeitig einen Denkzettel verpassen. Mit der Behauptung, der Geschädigte drohe ihr, die Fotos ihrer Familie zu zeigen, um sie zur Prostitution zu zwingen, gelang es ihr, die gesondert verfolgten U.     und E.    sowie die Mitangeklagten T.      und O.     zur Mithilfe bei der Wegnahme des Handys zu gewinnen. Nach dem abgesprochenen Tatplan wollte die Angeklagte C.    den Geschädigten zu einem Feldweg locken, wo ihm die Angeklagten T.      und O.     sowie die beiden gesondert Verfolgten das Mobiltelefon abnehmen sollten. Auf der gemeinsamen Fahrt besprachen die vier Männer ihr Vorgehen. Sie fassten den Plan, die erwartete Gegenwehr des Geschädigten mit personeller Überlegenheit und Gewalt zu überwinden. Körperverletzungshandlungen zur Wegnahme des Mobiltelefons nahmen sie jedenfalls billigend in Kauf. Außerdem zeigte der Angeklagte T.      eine Schusswaffe oder ein Schusswaffenimitat (im Folgenden: die Waffe), wobei Einigkeit bestand, dass dieser Gegenstand jedenfalls zur Drohung eingesetzt werden sollte. Die vier Mittäter beabsichtigten, dem Geschädigten das Handy wegzunehmen und nicht wiederzugeben. Sie wollten es auf etwaige Aufnahmen untersuchen und diese löschen. Danach sollte "jedenfalls" der gesondert verfolgte U.     über den Verbleib des Mobiltelefons entscheiden. Während U.     in dem abseits geparkten Fahrzeug verblieb, erwarteten die Angeklagten T.      und O.     sowie der gesondert verfolgte E. den Geschädigten und die Angeklagte C.    am verabredeten Ort. Als diese vorfuhren, riss E.    die Beifahrertür auf und begann, den Geschädigten aus dem Auto zu zerren. Dabei hielt der Angeklagte T.      diesem die Waffe an den Kopf. Dann zog er ihn zusammen mit dem gesondert verfolgten E.    aus dem Fahrzeug und schlug mit der Waffe auf den Kopf des Geschädigten ein, wobei E. diesen an den Beinen festhielt. Währenddessen durchsuchte der Angeklagte O.     den Geschädigten und das Fahrzeug nach dem Mobiltelefon, fand es schließlich auf dem "Feld" und übergab es dem inzwischen hinzugekommenen U.    , der es einsteckte. Das von dem ursprünglichen Tatplan abweichende Vorgehen des Angeklagten T.      der mit der Waffe zuschlug, nahm der Angeklagte O.     während der Suche nach dem Mobiltelefon in seinen Vorsatz auf. Auch die Angeklagte C.   , die im Vorfeld keine Kenntnis vom beabsichtigten Einsatz dieses Gegenstandes hatte, diesen aber während der von ihr beobachteten Durchsuchung des Geschädigten durch den Angeklagten O.     bemerkte, nahm die Verwendung jedenfalls einer Scheinwaffe als Raubmittel in Kauf. Allerdings billigte sie lediglich den Einsatz als Drohmittel, nicht den als Schlaginstrument. Der Verbleib des Handys konnte nicht geklärt werden. Eine Überwachung der IMEI- Nummer ergab, dass das Mobiltelefon einige Wochen später nochmals kurzzeitig in Betrieb genommen worden war.

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2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten, wie von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzt, die Absicht hatten, das Mobiltelefon des Geschädigten sich oder einem Dritten zuzueignen. Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten "einverleiben" oder zuführen will (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192; Beschluss vom 5. März 1971 - 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701). An dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den des Vermögens eines Dritten zu ändern, fehlt es dagegen, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 jeweils mwN).

4

Nach diesen Maßstäben ist die Zueignungsabsicht der Angeklagten hier nicht belegt. Sie wollten das Handy auf kompromittierende Aufnahmen der Angeklagten C.    untersuchen, um diese zu löschen. Was weiter mit dem Handy geschehen sollte, stand zum Tatzeitpunkt hingegen noch nicht fest. Vielmehr sollte erst später über seinen Verbleib entschieden werden. Zwar kann die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 - 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307). Doch ergeben die Feststellungen gerade nicht, dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Wegnahme das Handy - wenn auch nur vorübergehend - über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten wollten. Dass die von den Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und die Identifizierung der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lagen, ändert hieran nichts, denn diese führten nicht zu deren Verbrauch (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 392/11, NStZ 2012, 627 mwN). Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung ausführt, der gesondert verfolgte U.     habe das Handy seinem Vermögen einverleiben und in der Folgezeit verkaufen wollen, findet dies weder in den Feststellungen noch in der Beweiswürdigung eine Stütze.

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Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386) - Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Die Angeklagten handelten nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; Beschluss vom 14. Februar 2012-3 StR 392/11, NStZ 2012, 627).

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Nach alledem kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache bedarf vielmehr neuer Verhandlung und Entscheidung.

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3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

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a) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht auch die von dem Angeklagten T.     mit der Waffe ausgeführten Schläge gegen den Geschädigten dem Angeklagten O.     hinsichtlich der tateinheitlich begangenen gemeinschaftlichen Körperverletzung zugerechnet und deshalb neben dem Qualifikationsmerkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch das Merkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als verwirklicht angesehen. Ein gemeinsamer Tatplan, der den Einsatz dieses Gegenstandes als Schlagwerkzeug vorsah, bestand nach den Feststellungen nicht. Der Angeklagte O.     nahm diesen zwar während der Suche nach dem Handy wahr und nutzte ihn aus, um mit dieser ungestört fortfahren zu können. Seine Beteiligung an den Körperverletzungshandlungen war hingegen zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Eine Zurechnung der Schläge mit dem Gegenstand lässt sich damit auch nicht mit der vom Landgericht angeführten Erwägung begründen, dass der Angeklagte O.     seine Tatausführung fortsetzte, nachdem der Angeklagte T.      mit den Schlägen begonnen hatte, und damit die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges in seinen Vorsatz mit aufnahm. Denn es ist nicht erkennbar, dass er hierdurch einen täterschaftlichen Beitrag zu den von dem Angeklagten T.      mit der Waffe ausgeführten Schlägen leistete oder diese auch nur im Sinne psychischer Beihilfe förderte

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b) Soweit das Landgericht die Angeklagte C.    wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, leidet das Urteil noch an einem weiteren Rechtsfehler: Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand verwendet (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103). Das ist beim Einsatz von Scheinwaffen, wie er vorliegend nicht ausgeschlossen werden konnte, nicht der Fall (BGH, Beschluss vom 7. Januar 1999 - 4 StR 686/98, StV 1999, 209). Zwar wurde die Waffe bei Tatbegehung auch als Schlagwerkzeug verwendet. Dieser Einsatz war aber vom Vorsatz der Angeklagten C.    nicht umfasst. Das Landgericht geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass die Angeklagte C.    lediglich den Einsatz der möglichen Scheinwaffe als Drohmittel, nicht aber als Schlaginstrument billigte. Mithin stellte sich das Verhalten des Angeklagten T.      in Bezug auf sie als Mittäterexzess dar. Ihre Bestrafung wegen besonders schweren Raubes kam damit nicht in Betracht.

Becker     

Schäfer     

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Becker

Gericke     

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