Entscheidungsdatum: 25.07.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 4. Februar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 1) und 2) der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Beleidigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. In den Fällen II. 1) und 2) der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts fasste der Angeklagte den Entschluss, in seiner Wohnung Marihuana anzubauen, um seinen Eigenbedarf zu decken und sich durch den Vertrieb des Rauschmittels eine fortlaufende Einkommensquelle zu verschaffen. Je die Hälfte des geernteten Marihuanas war für den Verkauf bzw. den Eigenkonsum bestimmt. Die Umsetzung dieses Planes führte unter anderem im August 2011 zu einer Ernte von 428 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 16,3 % THC, insgesamt also ca. 69,9 g THC, das bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten sichergestellt werden konnte. Danach pflanzte der Angeklagte wiederum Marihuana an, das vor Erreichen der Erntereife am 13. September 2011 entdeckt wurde. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die Pflanzen und Setzlinge ein Gesamtgewicht von rund 263 g mit einem Wirkstoffgehalt von 3,2 %, mithin 8,42 g THC. Der Angeklagte hatte auch in diesem Fall mit einer Ernte von mindestens 400 g Marihuana gerechnet. Während er noch die Ernte der erstgenannten Aufzucht trocknete und mit dem weiteren Anbau beschäftigt war, kaufte der Angeklagte sich eine Machete mit einer Klingenlänge von ca. 40 cm, die er "cool und schick" fand, und legte diese "offen" auf einem Fernsehschrank des Wohnzimmers ab, in dem er das geerntete Marihuana trocknete, verpackte und verkaufte.
Diese Feststellungen belegen zwar, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen Handel getrieben hat (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, NJW 2013, 1318 ff.). Sie tragen jedoch den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Tatgegenstände im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sind neben den Schusswaffen nur solche, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Während an der Eignung der Machete, durch ihren Einsatz Personen zu verletzen, keine Zweifel bestehen, verhält sich das Urteil nicht zu der Frage einer diesbezüglichen Zweckbestimmung durch den Angeklagten (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 268 f.; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98 f.). Auf Ausführungen hierzu konnte aber im vorliegenden Fall nicht verzichtet werden, da es sich bei der Machete nicht um eine Waffe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 269; Beschluss vom 11. Februar 2003 - 5 StR 402/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 4; Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 1 WaffG Rn. 23), so dass sich diese subjektive Zweckbestimmung durch den Angeklagten nicht von selbst versteht (s. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30a Rn. 117 mwN).
Die Aufhebung der Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafen. Damit hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand.
2. Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafkammer hat die Strafe für die beiden Betäubungsmitteldelikte, bei denen sie zwar die Voraussetzungen für einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber nach § 29a Abs. 2 BtMG als erfüllt angesehen hat, einem Strafrahmen von eins bis zehn Jahren entnommen. Dies entspricht zwar der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NJW 2003, 1679, 1680; Beschluss vom 1. April 2009 - 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Der Senat neigt allerdings dazu, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung in den Fällen eines minder schweren Falles des § 30a Abs. 3 BtMG, in denen nicht gleichzeitig die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG gegeben sind, auch die Höchststrafe dem § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen.
§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begründet eine weitere Qualifikation zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, der sich seinerseits gegenüber dem Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG als qualifiziertes Delikt darstellt. Liegen die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 BtMG vor, so treten der Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und der Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG nach dem Grundsatz der Spezialität in Gesetzeskonkurrenz hinter diese Vorschrift zurück (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NJW 2003, 1679, 1680). Für denjenigen, der beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Waffe oder einen sonstigen zur Verletzung von Personen bestimmten und geeigneten Gegenstand mit sich führt, sieht § 30a Abs. 2 BtMG den erhöhten Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren vor. In minder schweren Fällen reicht der Strafrahmen nach § 30a Abs. 3 BtMG von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Da im Rahmen der hierfür geforderten Gesamtwürdigung auch der minderen Gefährlichkeit der Waffe oder des sonstigen Gegenstandes Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 197), folgt aus der Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG nicht ohne Weiteres, dass damit auch die Voraussetzungen für einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG vorliegen. Ist ein minder schwerer Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG nicht gegeben, so entfaltet nach einhelliger Auffassung - wie bei Tateinheit (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB) - die Mindeststrafe des zurückgetretenen § 29a Abs. 1 BtMG eine Sperrwirkung für die Strafuntergrenze auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 30a Abs. 3 BtMG erfüllt sind (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NJW 2003, 1679, 1680; Beschluss vom 1. April 2009 - 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99; vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1951 - 1 StR 101/51, BGHSt 1, 152, 155 f.; Beschluss vom 3. Juli 1981 - 3 StR 210/81, BGHSt 30, 166, 167).
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung kann für die sich aus § 29a Abs. 1 BtMG ergebende Strafobergrenze nichts anderes gelten (a.A. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99; Beschluss vom 3. Juli 1981 - 3 StR 210/81, BGHSt 30, 166, 167; vgl. aber Urteil vom 14. Januar 1964 - 1 StR 246/63, BGHSt 19, 188, 189), da sonst die Erfüllung des weiteren Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung des Täters hinsichtlich des anzuwendenden Strafrahmens führt. Der Täter, der mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel treibt und dabei eine Waffe oder einen sonstigen Gegenstand mit sich führt, erfüllt auch den Tatbestand des zurückgetretenen § 29a Abs. 1 BtMG. Deshalb ist die hierfür zu verhängende Strafe weiterhin dieser Vorschrift zu entnehmen, wenn der Strafrahmen des § 30a Abs. 2 BtMG nicht zur Anwendung kommt. Die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG vermag zwar den Strafrahmen des § 30a Abs. 2 BtMG, nicht aber den des § 29a Abs. 1 BtMG zu mildern. Dies ist vielmehr der Regelung des minder schweren Falles in § 29a Abs. 2 BtMG vorbehalten. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, so bleibt es beim Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG.
Dem steht nicht die Erwägung entgegen, dass der Täter durch eine Bindung an die Höchststrafe des nach Spezialitätsgrundsätzen verdrängten Gesetzes nicht mit einer Strafe belegt werden darf, die den Strafrahmen des nach dem Schuldspruch angewendeten Strafgesetzes übersteigt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1981 - 3 StR 210/81, BGHSt 30, 166, 167 f.). Denn auch die dem Schuldspruch zugrundeliegende Strafvorschrift des § 30a Abs. 2 BtMG sieht - wie § 29a Abs. 1 BtMG - eine Höchststrafe von fünfzehn Jahren vor.
Auch dem gesetzgeberischen Willen lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen (anders BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Zwar wollte der Gesetzgeber mit der Erhöhung der Strafobergrenze des § 30a Abs. 3 BtMG auf zehn Jahre durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, 2009, 1990) von der Rechtsprechung aufgezeigten Wertungswidersprüchen bei Anwendung der Strafrahmen der §§ 29a, 30 und 30a BtMG Rechnung tragen. Dabei hatte er aber insbesondere Ungereimtheiten bei den in bestimmten Konstellationen mittäterschaftlicher Begehung von Betäubungsmittelstraftaten anzuwendenden Strafrahmen im Blick. So sollte mit der Gesetzesänderung einer Besserstellung des - ohne Wissen der anderen - bewaffneten Täters, für den lediglich im Hinblick auf die mindere Gefährlichkeit der Waffe ein minder schwerer Fall angenommen wurde, gegenüber seinen Mittätern entgegengewirkt und die Verhängung im Verhältnis der Mittäter untereinander angemessener Strafen ermöglicht werden (BT-Drucks. 16/12256, Seite 61). Dass der Gesetzgeber das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in den Fällen, in denen wegen der minderen Gefährlichkeit der Waffe ein minder schwerer Fall zwar nach § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber nach § 29a Abs. 2 BtMG vorliegt, eine Strafobergrenze von zehn Jahren festschreiben wollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
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