Entscheidungsdatum: 14.07.2016
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 23. November 2015, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte der Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und der Beihilfe zur räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Jugendstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischer Erpressung zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen - jeweils mittäterschaftlich begangener - räuberischer Erpressung (§ 255, § 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) und besonders schwerer räuberischer Erpressung (§ 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Angeklagte und der Mitangeklagte waren übereingekommen, ihren gemeinsamen Lebensunterhalt künftig durch Überfälle auf Tankstellen zu bestreiten. Gegenstand des Urteils sind zwei von mehreren in Umsetzung dieses Entschlusses begangene Taten:
- Auf der Suche nach einem geeigneten Tatobjekt stießen die Angeklagte und der Mitangeklagte am Abend des 20. März 2014 auf eine Tankstelle in H. . Beim langsamen Vorbeifahren stellten sie fest, dass sich dort nur eine Angestellte aufhielt. Sie hielten die Gelegenheit deshalb für günstig und parkten in der Nähe. Die Angeklagte wartete wie vereinbart im Pkw; der Mitangeklagte begab sich, ausgestattet mit einem Schreckschussrevolver und mit Pfefferspray, in den Verkaufsraum und verlangte von der Angestellten unter Vorzeigen des Revolvers die Herausgabe des Kasseninhalts. Aus Angst packte die Angestellte diesen in eine vom Mitangeklagten mitgebrachte Plastiktüte. Damit kehrte der Mitangeklagte zum Pkw zurück und fuhr zusammen mit der Angeklagten weg.
- Gleichermaßen kamen sie am Abend des 22. März 2014 zu einer Tankstelle in B. , konnten aber beim Vorbeifahren nicht erkennen, wie viele Personen sich dort aufhielten. Sie stellten ihren Pkw auf dem Parkplatz eines nahe gelegenen Supermarkts ab; während die Angeklagte wiederum im Fahrzeug blieb, beobachtete der Mitangeklagte die Tankstelle zunächst von einem Nachbargrundstück aus. Wegen des Publikumsverkehrs verzichtete er auf die Mitnahme von Revolver und Pfefferspray. Als ihm die Situation günstig erschien, ging der Mitangeklagte in den Verkaufsraum der Tankstelle und forderte von der dort anwesenden Angestellten die Herausgabe von Bargeld. Dabei täuschte er vor, im Besitz einer Schusswaffe zu sein. Aus Angst packte die Angestellte den Kasseninhalt in die ihr hingehaltene Plastiktüte. Wie zuvor begab sich der Mitangeklagte mit der Beute zurück zur Angeklagten und fuhr zusammen mit dieser weg.
Die benutzten Fahrzeuge hatte die Angeklagte jeweils auf ihren Namen angemietet. Ob sie diese bei den Taten auch steuerte, konnte das Landgericht nicht feststellen.
b) Dies trägt nicht die Annahme von Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB); ihre Tatbeiträge sind vielmehr in beiden Fällen als Beihilfe zu den Taten des Mitangeklagten zu werten (§ 27 Abs. 1 StGB).
aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mit-täterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
bb) Daran gemessen stellt sich die Tätigkeit der Angeklagten nach dem äußeren Erscheinungsbild in Bezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten nur als Beihilfe zu dessen Erpressungstaten dar. Die Angeklagte war zwar in die Auswahl und in die Auskundschaftung der Tatobjekte eingebunden, ebenso mietete sie die Tatfahrzeuge in eigenem Namen an. Darin liegen aus objektiver Sicht aber keine Tatbeiträge von einem Gewicht, das den Schluss auf eine Tatherrschaft der Angeklagten oder wenigstens auf ihren Willen dazu tragen könnte. Die Ausführung der Taten oblag allein dem Mitangeklagten und war ebenso wie der Eintritt des Taterfolgs dem Einfluss und dem Willen der Angeklagten in jeder Hinsicht entzogen. Der gemeinsame Tatentschluss und das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensbedarfs folgende Interesse der Angeklagten am Gelingen der Überfälle vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende, die Annahme von Mittäterschaft tragende Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn auch bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Taten hätte sich die Angeklagte nicht wirksamer verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Jugendstrafe. Die zugehörigen Feststellungen werden von der abweichenden rechtlichen Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten nicht berührt und sind deshalb aufrechtzuerhalten. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.
Becker Mayer Gericke
Spaniol Tiemann