Entscheidungsdatum: 18.10.2018
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. Dezember 2017 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hatte die Angeklagte am 31. Mai 2016 wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hatte. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 26. Januar 2017 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Nunmehr hat das Landgericht die Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen "durch Unterlassen" zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts geltend macht. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
I.
Nach den Feststellungen kümmerten sich die Angeklagte und ihr Ehemann nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes zunächst gemeinsam um das Kind, wobei die Angeklagte vorrangig tagsüber die Pflege übernahm, während der Ehemann dieser Aufgabe in der Nacht nachkam. Allerdings erwachte die Angeklagte auch in der Nacht, wenn das Kind, was in der Regel alle drei bis vier Stunden vorkam, Geräusche von sich gab. Zumeist musste sie ihren Mann dann wecken, der entsprechend der vereinbarten Arbeitsteilung den Säugling im Wohnzimmer versorgte. Gleichwohl kam sie ihrem Mann stets zu Hilfe, wenn dieser - was die Angeklagte in ihrem Bett in dem an das Wohnzimmer angrenzenden Schlafzimmer wahrnahm - das Kind nicht beruhigen konnte.
Bereits binnen weniger Tage nach der Geburt entwickelte der Ehemann der Angeklagten indes eine heftige Eifersucht auf das Kind. Gleichzeitig ärgerte er sich darüber, dass die Angeklagte ihm immer wieder Ratschläge erteilte, wie er mit dem Säugling umgehen müsse. Aus Eifersucht und Frustration, die zunehmend mit Wut gepaart waren, begann er spätestens ab dem 15. Oktober 2015 dem zu diesem Zeitpunkt 13 Tage alten Kind Schmerzen und Verletzungen zuzufügen, wobei er der Angeklagten für sichtbare Verletzungen harmlose Erklärungen lieferte. Auch in der Nacht vor der Tat schlug er dem Kind, als dieses das Fläschchen zur Seite drückte, mit der Hand ins Gesicht und drückte ihm dieses in der Folge so tief in den Mund, dass es eine Verletzung an der Oberlippe erlitt. Der Angeklagten, die bei dem Geschehen nicht zugegen gewesen war, gelang es nur mit Mühen, das Kind zu beruhigen, weshalb sie vermutete, dass dieses Schmerzen hatte. Das Hämatom am Auge des Kindes, eine Folge des Schlages, erklärte der Ehemann damit, dass das Kind sich mit dem Fingernagel gekratzt habe.
In der Nacht zum 21. Oktober 2015 übernahm der Ehemann der Angeklagten erneut die Versorgung seines Sohnes und begab sich deshalb mit ihm gegen 23.00 Uhr in das Wohnzimmer, während die Angeklagte im Schlafzimmer verblieb. Als das Kind wieder zu weinen anfing und es ihm nicht gelang, es zu beruhigen, beschloss er gegen Mitternacht, seinen Sohn zu töten. Zuvor nahm er über annähernd drei Stunden mehrfach Misshandlungen des Säuglings vor, indem er sich mit vollem Gewicht auf den Kopf des bäuchlings auf einem Kissen liegenden Kindes setzte und dieses, nachdem es zunächst verstummt war, dann aber wieder zu schreien angefangen hatte, mehrere Male heftig schüttelte. Auch dies führte dazu, dass das Kind eine Zeitlang ruhig wurde, bevor es wieder zu weinen begann. Schließlich missbrauchte der Mitangeklagte den Säugling sexuell, indem er seinen erigierten Penis einige Zentimeter weit in dessen Anus einführte. Obwohl die Angeklagte das wiederholte Schreien des Kindes im angrenzenden Wohnzimmer hörte und daraus schloss, dass ihr Ehemann dem Kind wiederholt erheblich wehtat, gab sie sich schlafend und griff nicht ein, um ihrem Mann vorzuspielen, dass sie ihm vertraue. Dagegen traute sie ihm in Wahrheit nicht, sondern nahm zur Erreichung des genannten Zwecks billigend in Kauf, dass er den gemeinsamen Sohn quälte und den erst 18 bis 19 Tage alten Säugling dadurch auch in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung und einer erheblichen Entwicklungsschädigung bis hin zu der des Todes brachte. Der Mann der Angeklagten, der sich durch den Umstand, dass sie ungeachtet der lauten Schreie des Kindes nicht im Wohnzimmer erschien, um nach dem Rechten zu sehen, in seinem Tötungsentschluss bestärkt sah, setzte diesen kurz vor drei Uhr um, indem er das Kind mit beiden Händen an der Hüfte packte und seinen Kopf zweimal gegen die Kante des hölzernen Tisches schlug, so dass es alsbald verstarb.
II.
1. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die Angeklagte den Tatbestand des § 225 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB verwirklichte, indem sie es unter Missachtung ihrer elterlichen Schutzpflichten unterließ, die Übergriffe ihres Ehemanns auf das gemeinsame Kind zu verhindern, obgleich ihr nach dem Geschehen in der Nacht zuvor deutlich vor Augen stand, dass dieser den Säugling misshandelte, der deshalb auch immer wieder laut schrie. Auch dass ihr die Verhinderung dieser Misshandlungen möglich und zumutbar war, wird von den Feststellungen getragen. Ebenso belegen diese, dass - was die Angeklagte billigend in Kauf nahm - die Übergriffe ein solches Ausmaß erreichten, dass der nur 18 bis 19 Tage alte Säugling durch sie in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung, einer erheblichen Entwicklungsschädigung und sogar des Todes geriet (§ 225 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StGB). Schließlich ist das Landgericht auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass für die Angeklagte vorhersehbar war, dass das Kind aufgrund der Körperverletzungshandlungen versterben könnte, so dass auch der Tatbestand des § 227 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Hinsichtlich aller Straftatbestände ist die Strafkammer auch zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beteiligung der Angeklagten an den Taten ihres Ehemanns durch aktives Tun zu verneinen ist. Vielmehr hat sie diese zutreffend nach den Grundsätzen einer Tatbegehung durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) bewertet.
2. Allerdings hält die Beurteilung, dass sich die Angeklagte der Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen als (Unterlassungs-)Täterin schuldig gemacht hat, sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vielmehr kommt nach den Feststellungen auch eine Strafbarkeit nur wegen Beihilfe in Betracht.
a) Besteht die Verletzung der einen Garanten treffenden Erfolgsabwendungspflicht darin, dass er die Tötungshandlung eines anderen nicht verhindert, kann sein Verhalten entweder eine täterschaftliche Begehung durch Unterlassen oder eine Beihilfe zur Tat des aktiv Handelnden bedeuten. Die Beurteilung im konkreten Fall hängt davon ab, ob die aufgrund wertender Betrachtung festzustellende innere Haltung des Unterlassenden zur Begehungstat des anderen - insbesondere wegen des Interesses am abzuwendenden Taterfolg - als Ausdruck eines sich die Tat des anderen zu eigen machenden Täterwillens aufzufassen ist oder ob seine innere Einstellung davon geprägt ist, dass er sich dem Handelnden - etwa weil er dessen bestimmendem Einfluss besonders unterliegt - im Willen unterordnet und das Geschehen ohne innere Beteiligung und ohne Interesse am drohenden Erfolg im Sinne bloßen Gehilfenwillens lediglich ablaufen lässt (BGH, Urteil vom 25. September 1991 - 3 StR 95/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 4; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 13 Rn. 96 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - 1 StR 496/16, NStZ 2018, 462, 463 f.).
b) Danach belegen die Feststellungen eine (mit-)täterschaftliche Begehung durch Unterlassen nicht. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die zum Tode führenden Verletzungshandlungen des Ehemannes der Angeklagten auf einem gemeinsamen Willensentschluss beruhten und im gegenseitigen Einverständnis vorgenommen wurden. Vielmehr griff die Angeklagte in die von ihrem Ehemann geführten aktiven Misshandlungen nicht ein, um diesem zu suggerieren, dass sie ihm vertraue. Dass sie sich den Täterwillen ihres Ehemannes zu eigen machte, ergibt sich aus den Feststellungen somit nicht.
Die Sache bedarf deshalb der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können indes bestehen bleiben.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Düsseldorf.
Gericke |
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