Entscheidungsdatum: 03.05.2012
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2011 wird das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und die dem Angeklagten jeweils entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Das Landgericht hat den Angeklagten am 20. Dezember 2011 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die zulässige Revision des Angeklagten stellt der Senat das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO ein, denn zwischenzeitlich ist das endgültige Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs eingetreten.
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe Mitte Juni 2011 ca. 317 g Marihuana, Wirkstoffgehalt 10,4 % THC, erworben, das er jedenfalls hälftig zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt habe. Er habe das Marihuana zunächst in einem Wald versteckt und es dann in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 2011 unter Benutzung seines Pkw von dort abgeholt. Dabei habe er in der Ablage der Fahrertür ein beidseitig geschliffenes Messer, Klingenlänge 12 cm, griffbereit mit sich geführt. Nach der Abholung sei der Angeklagte, der sich in Begleitung eines Abnehmers befunden habe, mit dem Pkw in eine Polizeikontrolle geraten und festgenommen worden; das transportierte Marihuana sei sichergestellt worden.
Eine dem Angeklagten nach der Festnahme entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,43 ‰ sowie Hinweise auf Cannabiskonsum. Insoweit leiteten die Strafverfolgungsbehörden ein gesondertes Verfahren wegen des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) ein, in dem der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss vom 27. Dezember 2011, rechtskräftig seit 19. Januar 2012, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt wurde.
2. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Dem weiteren Verfahren steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen, weil durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss, der in seinen Wirkungen einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht (§ 410 Abs. 3 StPO), Strafklageverbrauch eingetreten ist.
Der Strafbefehl betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren. Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bezeichnet dabei den geschichtlichen und dadurch zeitlich wie sachverhaltlich begrenzten Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47). Danach stehen die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Verhältnis der prozessualen Tatidentität. Denn die Fahrt diente ... gerade dem Transport der Betäubungsmittel, so dass das Mitführen der Betäubungsmittel nicht nur in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang, sondern - darüber hinaus - in einem inneren Beziehungs- oder Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang stand (vgl. dazu BGH aaO.; Beschluss vom 27. April 2004 - 1 StR 466/03, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 41).
Da der Besitz der für den Weiterverkauf bestimmten hälftigen Menge der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge wiederum einen unselbständigen Teilakt des beabsichtigten Handeltreibens mit dieser hälftigen Menge darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2011 [richtigerweise 2010] - 4 StR 521/10, NStZ-RR 2011, 90), kann der Angeklagte wegen ... bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) insgesamt nicht bestraft werden. Dies gilt mit Blick auf den hierzu in Tateinheit stehenden Besitz der zum Eigenverbrauch bestimmten hälftigen Menge der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und den hiervon als subsidiär verdrängten Erwerb dieser Menge (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 9 BtMG) in entsprechender Weise.
Da das Verfahrenshindernis erst nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, ohne dass es einer Aufhebung des Urteils bedarf. Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Nachprüfung des Urteils, sondern lediglich um die Berücksichtigung eines nach dessen Erlass eingetretenen Ereignisses, das eine neue Verfahrenslage geschaffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni [Juli] 1968 - 3 StR 117/68, BGHSt 22, 213, 217; Paeffgen, in: SK-StPO, 4. Auflage, § 206a Rn. 8; Schneider, in: KK-StPO, 6. Auflage, § 206a Rn. 4; Stuckenberg, in: LR-StPO, 26. Auflage, § 206a Rn. 15, 17; ferner: Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 206a Rn. 6)."
Dem schließt sich der Senat an. Der Vorgang belegt erneut, dass die oft geübte Praxis, Verkehrsdelikte auch dann gesonderter Bearbeitung zuzuführen, wenn sie im Zusammenhang mit Delikten der allgemeinen Kriminalität begangen wurden, nicht unproblematisch ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Umstände, welche die Übernahme der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse im Sinne von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO unangemessen erscheinen ließen (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 467 Rn. 18), sieht der Senat nicht.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges