Entscheidungsdatum: 16.01.2017
§ 8 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EntschG regelt die Dauer der Verzinsung abschließend; die Verzinsung ist auch dann nicht zu verlängern, wenn das Bundesausgleichsamt den Abschlag nicht innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheides über die gekürzte Bemessungsgrundlage anweist.
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und sein Prozessbevollmächtigter nicht beigeordnet werden, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 2016 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
Der Kläger begehrt, ihm unter Abänderung eines Bescheides des Bundesausgleichsamts vom 3. Dezember 2014 weitere 582,57 € zuzuerkennen. Er hatte aufgrund unanfechtbar gewordener Rückforderungs- und Leistungsbescheide nach § 349 LAG i.V.m. §§ 350a, 350b und 350c LAG vom 8. August 2008 an die Stadt Darmstadt - Ausgleichsamt - Hauptentschädigung zurückzuzahlen und zwar als Erbe nach dem unmittelbar Geschädigten X in Höhe von 552,18 € und nach der unmittelbar Geschädigten Y in Höhe von 97,88 €. Die Hauptentschädigung war den unmittelbar Geschädigten für den Verlust landwirtschaftlichen Vermögens in St., S. Str. ..., gewährt worden. Ab September 2008 erhöhte sich die Forderung für jeden angefangenen Monat der Säumnis um einen Säumniszuschlag von 1 % des auf volle 50 € nach unten gerundeten Rückforderungsbetrags (550 € und 50 €) sowie um Auslagen für die Forderungsverwaltung durch die KfW-Bankengruppe. Mit Bescheid vom 16. Mai 2012, bestandskräftig seit 13. Juni 2012, setzte die Thüringer Landesfinanzdirektion die gekürzte Bemessungsgrundlage für die Miteigentumsanteile der beiden unmittelbar Geschädigten am Grundvermögen in St., S. Str. ..., auf 16 402,33 DM (= 8 386,38 €) fest. Im Mai 2013 erhielt der Kläger einen um die zur Verrechnung angemeldeten Forderungen der Stadt Darmstadt gekürzten Abschlag in Höhe von 8 197,75 € ausgezahlt. Die verrechneten Forderungen der Stadt Darmstadt setzten sich wie folgt zusammen (vgl. Verrechnungsersuchen vom 21. Februar 2014, Beiakte 1 Bl. 57 ff.):
Hauptforderung | 552,18 € / 97,88 € |
Säumniszuschläge vom 12.09.2008 bis 11.08.2012 | |
= 47 Monate à 1 % aus 550 € / 50 € | 258,50 € / 23,50 € |
Forderungsverwaltung vom 12.09.2008 bis 11.09.2010 | |
= 24 Monate à 1,53 € | 36,72 € / 36,72 € |
Summe | 847,40 € / 158,10 € |
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 setzte das Bundesausgleichsamt den nach dem Lastenausgleichsgesetz zu ermittelnden Rückforderungsbetrag für das Grundvermögen in St., S. Str. ..., auf 2 105,95 €, die Entschädigung auf 6 135,50 € und die Entschädigung einschließlich Zinsen auf 9 203,25 € fest. Die Entschädigung wurde von Januar 2004 bis April 2012 mit 0,5 % je Monat verzinst (Beiakte 5 Bl. 34).
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm sei durch das lange Zuwarten mit der Festsetzung der gekürzten Bemessungsgrundlage und die verspätete Auszahlung des Abschlags ein Schaden entstanden. Die Rückforderung der Stadt Darmstadt habe er mit 1 % pro Monat verzinsen müssen, das Bundesausgleichsamt habe die ihm zustehende Entschädigung im selben Zeitraum mit nur 0,5 % verzinst. Aufgrund der verspäteten Auszahlung des Abschlags sei ihm für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 7. Mai 2013 auch diese Verzinsung entgangen. Schließlich wären bei rechtzeitiger Bewilligung des Vorschusses die Bearbeitungsgebühren nicht angefallen. Der entstandene Schaden müsse bei der endgültigen Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt werden. Er setze sich wie folgt zusammen:
Zinsausgleich für 47 Monate à 0,5 % aus 600 € | 141,00 € |
Bearbeitungsgebühren 2 x 36,72 € | 73,44 € |
Zinsen vom 01.05.2012 bis 07.05.2013 | |
= 12 Monate à 0,5 % aus 6 135,50 € | 368,13 € |
Summe | 582,57 € |
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht vorhanden sei.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Die Rechtssache hat weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch liegt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (2.).
1. a) Der Kläger möchte sinngemäß geklärt wissen, ob der Abschlag auf die Entschädigung bei Abzug von Lastenausgleich in analoger Anwendung des § 8 Abs. 2 EntschG bis zur Auszahlung zu verzinsen ist, wenn das Bundesausgleichsamt ihn nicht, wie in dieser Vorschrift vorgesehen, innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheides über die gekürzte Bemessungsgrundlage anweist. Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist mit dem Verwaltungsgericht ohne Weiteres zu verneinen. § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EntschG regelt die Dauer der Verzinsung abschließend.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EntschG ist der Abschlag, der durch Abzug eines vorläufig geschätzten Rückforderungsbetrags nach § 349 LAG von der durch Bescheid nach § 8 Abs. 1 EntschG festgesetzten gekürzten Bemessungsgrundlage ermittelt wird, "bis zum Kalendermonat der Bekanntgabe des Bescheides nach Absatz 1" zu verzinsen. Auch die Entschädigung, die nach endgültiger Ermittlung und Festsetzung des zurückzufordernden Lastenausgleichs gemäß § 8 Abs. 3 und 4 EntschG festgesetzt wird, und ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Berechtigten nach Verrechnung der festgesetzten Entschädigung mit der Vorabzahlung sind nur bis zum Kalendermonat vor Bekanntgabe des Bescheides über die gekürzte Bemessungsgrundlage zu verzinsen (§ 8 Abs. 3 Satz 4, Abs. 5 Satz 3 EntschG). Bei der Entschädigung ohne Abzug von Lastenausgleich ist die Rechtslage nicht anders. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 EntschG werden festgesetzte Entschädigungsansprüche bis zum Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides verzinst. Eine Verzinsung bis zur Auszahlung ist in keiner dieser Vorschriften vorgesehen.
Für eine erweiternde Auslegung dieser Vorschriften ist kein Raum. Die zeitliche Begrenzung des Zinsanspruchs in § 1 Abs. 1 Satz 5 EntschG wurde durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften - Entschädigungsrechtsänderungsgesetz - vom 10. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2471) im Zusammenhang mit der Umstellung von Schuldverschreibungen auf Geldleistungen zur Erfüllung der Entschädigungsansprüche eingeführt. Das Abstellen auf den Kalendermonat vor Bekanntgabe des Bescheides diente der Vereinfachung; die Zinsen sollten in dem Bescheid festgesetzt werden können, der auch die Höhe der Entschädigung festlegt (BT-Drs. 15/1180 S. 18). Ist Lastenausgleich zurückzufordern, können die Zinsen auf die Entschädigung nicht bereits mit der Festsetzung der gekürzten Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 EntschG, sondern endgültig erst in dem der Abschlagszahlung nachfolgenden Bescheid nach § 8 Abs. 3 und 4 EntschG festgesetzt werden. Gleichwohl kommt auch in diesem Fall eine Verzinsung bis zur Auszahlung des Abschlags nicht in Betracht. Der Abschlag nach § 8 Abs. 2 EntschG wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung der Zahlung von Entschädigungsleistungen bei der Anrechnung des Lastenausgleichs und zur Änderung des Aufbauhilfefondsgesetzes - ZEALG - vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 920) eingeführt, um die Zinsbelastung des Entschädigungsfonds zu verringern (BT-Drs. 17/4807 S. 1). Die Verzinsung sollte nicht mehr bis zum Erlass des Entschädigungsbescheides, sondern nur noch bis zum Beginn des Abzugsverfahrens laufen (BT-Drs. 17/4807 S. 11). Das Gesetz hat die Verzinsung der Entschädigung bis zum Kalendermonat der Bekanntgabe des Bescheides über die gekürzte Bemessungsgrundlage begrenzt, obwohl der Abschlag erst nach Bestandskraft des Bescheides angewiesen wird. Der Berechtigte soll die Verzinsung nicht durch erfolglose Rechtsbehelfe verlängern können (vgl. Broschat, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Band 1, Stand November 2015, § 8 EntschG Rn. 19). Die Auszahlung des Abschlags wäre ebenso wenig wie die Bestandskraft des Bescheides ein geeigneter Endpunkt der Verzinsung. Denn der Berechtigte kann auch die Auszahlung hinauszögern, z.B. indem er seine Kontoverbindung nicht rechtzeitig mitteilt. Hat er die Verzögerung nicht zu vertreten, muss dies nicht zwingend zu einer längeren Verzinsung führen. Der Berechtigte kann auch darauf verwiesen werden, unter den Voraussetzungen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG einen etwaigen durch die Verzögerung verursachten Schaden vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
b) Dem Vorbringen des Klägers sind weiter die Fragen zu entnehmen,
- ob der Zinssatz für Schulden des Bürgers beim Staat doppelt so hoch sein darf wie jener für Schulden des Staats beim Bürger und
- ob die Rückforderung von Lastenausgleich bei der Verrechnung mit einem Anspruch auf Entschädigung mit einem höheren Satz verzinst werden darf als die Entschädigung, wenn die zuständige Stelle den Bescheid über die gekürzte Bemessungsgrundlage nicht umgehend erlassen und dadurch die Verrechnung verzögert hat.
Die erste Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser Weise nicht stellen. Auf die Rückforderung der Stadt Darmstadt sind Zinsen nicht angefallen. Der Kläger musste für jeden Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 1 % entrichten (§ 350c Abs. 1 LAG i.V.m. § 240 Abs. 1 AO). Der Säumniszuschlag nach § 240 AO ist ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern oder - wie hier nach § 350c Abs. 1 LAG i.V.m. § 240 AO - fälliger Rückforderungsansprüche (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2010 - 3 B 69.09 - juris Rn. 4). Um diese Wirkung zu entfalten, ist er doppelt so hoch wie die Verzinsung eines Rückforderungsanspruchs, dessen Vollziehung ausgesetzt wurde (§ 350c Abs. 1 LAG i.V.m. § 237 Abs. 1 Satz 1, § 238 Abs. 1 AO). Die Verzinsung der Entschädigung ist kein Druckmittel zur Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs, sondern ein Ausgleich dafür, dass der Berechtigte über den Entschädigungsbetrag noch nicht verfügen kann. Sie beginnt unabhängig von der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs ab dem 1. Januar 2004.
Die zweite Frage erledigt sich durch den dargelegten Unterschied zwischen Verzinsung und Säumniszuschlägen nicht. Sie stellt sich in gleicher Weise, wenn auf die zu verrechnende Rückforderung Säumniszuschläge zu entrichten sind, die über der Verzinsung der Entschädigung liegen. Die Frage ist zu verneinen. Ein Revisionsverfahren ist hierfür nicht erforderlich. Nach § 350a Abs. 2 LAG können Rückforderungsansprüche mit allen fälligen Geldleistungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz verrechnet werden. Ist der Rückforderungsschuldner säumig, sind neben der Hauptforderung auch die zu entrichtenden Säumniszuschläge zu verrechnen. Eine rechtliche Grundlage dafür, bei der Verrechnung die Höhe der Säumniszuschläge zu reduzieren, ist nicht vorhanden. Sie findet sich insbesondere weder im Lastenausgleichsgesetz noch in der Abgabenordnung. Der Rückforderungsschuldner kann das Anfallen von Säumniszuschlägen nur durch Erfüllung des Rückforderungsanspruchs vermeiden. Anhaltspunkte dafür, dass die Thüringer Landesfinanzdirektion oder das Bundesausgleichsamt die Feststellung der gekürzten Bemessungsgrundlage und damit die Anweisung des Abschlags bewusst verzögert haben, um zugunsten der Stadt Darmstadt weiter Säumniszuschläge entstehen zu lassen, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch nicht ersichtlich. Im Übrigen könnte der Kläger in einem solchen Fall einen etwaigen Schaden unter den Voraussetzungen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG vor den ordentlichen Gerichten ersetzt verlangen.
2. Die Verfahrensrügen bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
a) Der Kläger rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) und der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass die Zwei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 EntschG aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen nicht gewahrt wurde (UA S. 7), obwohl er bestritten habe, dass die Zahlungsfrist nicht einzuhalten war. Das Urteil kann auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht beruhen. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf weitere Verzinsung des Abschlags verneint, weil es für einen solchen Zinsanspruch keine rechtliche Grundlage gebe (UA S. 6 und 7). Es kam nach seiner Rechtsauffassung nicht darauf an, aus welchen Gründen das Bundesausgleichsamt den Abschlag nicht innerhalb der Zwei-Monats-Frist angewiesen hat.
b) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Aufklärungspflicht sieht der Kläger auch darin, dass das Verwaltungsgericht ungeachtet seines Bestreitens davon ausgegangen ist, dass das Bundesausgleichsamt die zur Verrechnung angemeldeten Beträge an die Stadt Darmstadt gezahlt hat, ohne ihm zuvor die Buchungsbelege zur Stellungnahme zu übersenden. Ein Verfahrensfehler liegt darin nicht. Das Verwaltungsgericht hatte keinen Anlass, dem Kläger die Buchungsbelege zu übersenden. Nachdem das Bundesausgleichsamt zum Nachweis der Zahlungen auf die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Buchungsbelege Bezug genommen und die Fundstelle genau bezeichnet hatte (Schriftsatz vom 1. April 2015, S. 5), wäre es seine Sache gewesen, Einsicht in die Verwaltungsvorgänge zu nehmen.