Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 30.06.2010


BVerwG 30.06.2010 - 3 PKH 15/09

Berufliche Rehabilitierung; Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Aufhebungsvertrag


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
30.06.2010
Aktenzeichen:
3 PKH 15/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Halle (Saale), 23. Oktober 2009, Az: 1 A 266/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Dementsprechend kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 121 Abs. 1 ZPO). Das Vorbringen des anwaltlich nicht vertretenen Klägers lässt bei der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung nicht erkennen, dass einer der Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt, noch drängt sich ein solcher Zulassungsgrund im Zusammenhang mit seinem Vorbringen auf.

2

Der 1947 geborene Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG). Er macht geltend, nach der Entlassung aus der letzten Strafhaft am 22. Juli 1983 bis zur Ausreise aus der DDR am 19. November 1984 wegen seiner Ausreiseanträge beruflich benachteiligt worden zu sein. Die Abweisung seiner Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass er bei seiner Wiedereingliederung keine beruflichen Nachteile im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG erlitten habe. Mit der Tätigkeit als Arbeiter beim VEB E.- und M. P./BT T. sei trotz der Arbeitsplatzbindung kein beruflicher Abstieg verbunden gewesen; die Tätigkeit habe in etwa dem sozialen Status entsprochen, den der Kläger vor der Haft als Kellner innegehabt habe. Der erlernte Beruf als Schlosser sei kein Maßstab, weil der Kläger ihn bereits elf Jahre vor der Haft nicht mehr ausgeübt habe. Ab November 1983 habe er freiwillig als Kellner gearbeitet. Mit der Beendigung dieser Tätigkeit durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages habe der Kläger seine Ausreise ermöglichen wollen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aus politischen Gründen gehindert worden sei, einen Beruf aufzunehmen.

3

Der Kläger hält eine Überprüfung und Änderung des Urteils in einem Revisionsverfahren für geboten, weil die schwierigen Verhältnisse nach seiner Entlassung nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Der kausale Zusammenhang zwischen seinen Ausreiseanträgen und den Repressalien während der Wiedereingliederung sei vom Verwaltungsgericht nicht hergestellt worden. Die Verhältnisse in der Haft in B. seien unmenschlich gewesen. Gleichwohl habe er die Kraft gefunden, einen neuen Ausreiseantrag zu stellen. Dieser Antrag und die darin gesehene staatsfeindliche Gesinnung seien Anlass für das Ministerium für Staatssicherheit gewesen, ihn nach der Entlassung weiterhin zu bespitzeln, zu verleumden und auf vielfältige Weise zu verfolgen. Er habe den Status eines "Vogelfreien" gehabt. Dadurch habe er empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.

4

Aus diesem Vortrag ergibt sich auch nicht andeutungsweise, dass einer der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Weder kommt der Rechtssache eine grundsätzliche, über den Einzelfall des Klägers hinausweisende Bedeutung zu (Abs. 2 Nr. 1) noch liegt eine entscheidungserhebliche Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts vor (Abs. 2 Nr. 2); ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem das Urteil beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3).

5

Das Verwaltungsgericht hat die Auswirkungen der Wiedereingliederung auf die Berufstätigkeit des Klägers geprüft und dabei die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zugrunde gelegt. Insoweit ist weder ein weitergehender, fallübergreifender Klärungsbedarf noch eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erkennen.

6

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hätte. Er hat die vorgetragenen Umstände im Einzelnen, nach zeitlichen Abschnitten getrennt, unter den durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG vorgegebenen Aspekten einer kausalen berufsbezogenen und politisch motivierten Benachteiligung geprüft. Dies geschah überdies, wie sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt, in Kenntnis von der früheren Inhaftierung des Klägers.

7

Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht in dem Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 28. März 1984 keinen rehabilitierungsfähigen Eingriff in den Beruf gesehen hat. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nur dann rehabilitierungsfähig ist, wenn der Betroffene damit einer von Arbeitgeberseite drohenden, politisch motivierten Kündigung oder einer sonstigen Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG zuvorkommen wollte, die seine politische Benachteiligung bezweckte (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 2007 - BVerwG 3 B 47.07 - ZOV 2008, 57). Dazu steht das angefochtene Urteil nicht im Widerspruch, denn der Aufhebungsvertrag sollte dem Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts dazu dienen, die Ausreise aus der DDR zu ermöglichen.

8

Das Verwaltungsgericht hat schließlich nicht verkannt, dass der Kläger in der DDR erhebliche Schäden in materieller wie in gesundheitlicher Hinsicht erlitten hat. Es ist aber eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall, die eine Revisionszulassung grundsätzlich nicht eröffnen kann, ob mit solchen Beeinträchtigungen auch eine rehabilitierungsfähige berufliche Benachteiligung verbunden ist.