Entscheidungsdatum: 03.06.2014
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent DE 196 41 415
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richter Guth, Dipl.-Chem. Dr. Lange, Dipl.-Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich
für Recht erkannt:
I. Das Patent DE 196 41 415 wird im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 8 für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 8. Oktober 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 196 41 415 (Streitpatent), das von der Klägerin zunächst im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 8 und 15 angegriffen worden ist. Die Klage ist im Hinblick auf Patentanspruch 15 beidseitig für erledigt erklärt worden, nachdem die Beklagte auf diesen Patentanspruch gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt verzichtet hat.
Die Bezeichnung des Streitpatents lautet „Dichtungsband und Verfahren zur Herstellung des Dichtungsbandes und seine Verwendung“. Es umfasst 15 Patentansprüche, wobei die Patentansprüche 1 bis 8 lauten:
„1. Dichtungsband in aufgerollter Form (13, 14) zum Abdichten von Fugen oder Spalten gegen Luftzug und/oder Schlagregen aus offenporigem Material mit mindestens einer Sperrschicht (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Sperrschicht (4) oder die Sperrschichten (4) innerhalb des Dichtungsbandes (1) so angeordnet sind, daß die Sperrschicht (4) oder die Sperrschichten (4) und offenporige Bereiche (2, 3) in axialer Richtung aufgereiht sind.
2. Dichtungsband nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das offenporige Material ein Rohschaum ist.
3. Dichtungsband nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das offenporige Material ein getränkter Rohschaum ist.
4. Dichtungsband nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das offenporige Material ein mit Acrylaten, Silikonen oder Wachsen getränkter Rohschaum ist.
5. Dichtungsband nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Sperrschicht (4) aus Klebstoff besteht.
6. Dichtungsband nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Sperrschicht (4) aus Laminierungsmaterial besteht.
7. Dichtungsband nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Sperrschicht (4) eine Dichtheit und Beständigkeit gegenüber Witterungseinflüssen aufweist, welche durch Variation der Art einer Verklebung, die Art eines Laminierungsmaterials und/oder die Anzahl der Sperrschichten (4) einstellbar sind.
8. Dichtungsband (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß das Dichtungsband zusätzlich mindestens eine Sperrschicht auf einer Außenfläche aufweist“.
Die Klägerin macht hinsichtlich der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 8 den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:
E1 EP 0 229 951 A2
E2 FR 2 309 768 A1 mit
E2A deutscher Übersetzung zu E2
E3 DE 26 49 066 A1
E4 EP 0 072 955 A1
E5 DE 28 11 827 A1
E6 DE 28 36 143 A1
E7 K Schreiben der Beklagten vom 22. Oktober 2012
E8 K DE 24 10 121 A1.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination von E1 mit E3, E4 oder E5 bzw. gegenüber einer Kombination von E2 mit E3, E4 oder E5. Die Unteransprüche 2 bis 7, die bekannte oder dem Fachmann geläufige Modifikationen eines Dichtbands beträfen, seien nicht neu gegenüber E1. Der Gegenstand des Unteranspruchs 8 sei aus der Druckschrift E2 bekannt. Die Merkmale der Unteransprüche seien außerdem durch die genannten Druckschriften E1 und E2 sowie die Druckschriften E3 und E6 nahegelegt.
Der Verzicht der Beklagten auf den Verwendungsanspruch 15 sei nicht einem sofortigen Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO gleichzusetzen, weil der Beklagten vor Klageerhebung bereits eine Nichtigkeitsklage gegen das gesamte Streitpatent angedroht worden sei und der schwerpunktmäßig diskutierte Patentanspruch 1 nach logischem Denken vom Schutzbereich des Patentanspruchs 15 umfasst werde.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das deutsche Patent 196 41 415 im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 8 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
In Bezug auf die Klageerledigung betreffend Patentanspruch 15 werden widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente:
LSG1 Schriftsatz der Beklagten an das Deutsche Patent- und Markenamt vom 26. April 2013 betreffend die Verzichtserklärung auf Anspruch 15 des Patents.
LSG2 Schriftsatz der Klägerin, vertreten durch die Rechts- und Patentanwälte K…, an die Patentanwälte T…, Vertreter der Beklagten, vom 9. Februar 2009.
LSG3 Schriftsatz der Patentanwälte T…, Vertreter der Beklagten, an die Rechts- und Patentanwälte K… , Vertreter der Klägerin, vom 9. April 2009.
LSG4 Schriftsatz der Klägerin, vertreten durch die Rechts- und Patentanwälte K…, an die Patentanwälte T…, Vertreter der Beklagten, vom 3. Septem- ber 2012.
LSG5 Auszug aus der IPC 2014.01, C09K, undatiert, eine Seite.
LSG6 Auszug aus der IPC 2014.01, E04B, undatiert, eine Seite.
E7 B DE 1 935 857 A
E8 B DE 40 20 230 A1.
Die Beklagte ist der Ansicht, der 3. Senat des Bundespatentgerichts mit dem fachlichen Schwerpunkt für chemische Produkte und Pharmazeutika sei für die Entscheidung mangels Sachkunde nicht zuständig, weil bei einem erteilten Patent dasjenige Fachgebiet maßgebend sei, auf welchem die im erteilten Patent unter Schutz gestellte Erfindung beheimatet sei und im Falle des Streitpatents mit C 09 K 3/10 eine unzutreffende Hauptklasse vorliege. Die Erfindung des Streitpatents betreffe zudem keine chemischen Fragestellungen, so dass als zutreffender Fachmann kein Chemiker, sondern ein Verfahrenstechniker oder Maschinenbauingenieur mit Schwerpunkt Baustoffkunde anzusehen sei.
Der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 8 des Streitpatents beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, da keine Veranlassung ersichtlich sei, ausgehend von einem der von der Klägerin genannten Dokumente oder in deren Kombination eine Dichtungsband-Rolle zur Verfügung zu stellen, bei welcher die Sperrschicht und die offenporigen Bereiche in axialer Richtung aufgereiht seien.
Da die technischen Mitglieder des Senats nicht sachkundig seien, sei es jedenfalls geboten, zur Frage der Herstellbarkeit des streitpatentgemäßen Erzeugnisses bzw. zum Naheliegen eines entsprechenden Herstellungsweges ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Klägerin habe in analoger Anwendung des § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens in Hinblick auf die Teilerledigung der Klage betreffend Patentanspruch 15 zu tragen, da die Beklagte der Nichtigkeitsklage insoweit nicht widersprochen und auf den Patentanspruch sofort und unwiderruflich verzichtet habe. Die Vorkorrespondenz mit der Klägerin und die Klageandrohung hätten sich ersichtlich lediglich auf die Produktansprüche 1 bis 8 bezogen, so dass die Beklagte nur insoweit einen Anlass zur Klage gegeben habe.
I.
1. Der Senat ist für die Entscheidung zuständig.
Soweit die Beklagte rügt, die technischen Mitglieder des Senats seien als Chemiker nicht für die Entscheidung über einen technischen Sachverhalt berufen, dessen Schwerpunkt nicht auf chemischem Gebiet liege, so kann dieses Argument schon deshalb nicht durchgreifen, weil gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 PatG Voraussetzung der Ernennung der technischen Mitglieder nur ist, dass sie in einem Zweig der Technik sachverständig sein müssen. Nach ihrer Ernennung können sie auf allen Gebieten der Technik als Richter mitwirken, sie sind nicht auf das Gebiet ihrer speziellen Sachkunde beschränkt (vgl. etwa BGH GRUR 63, 129 - Kunststofftablett; GRUR 1965, 234, 237 - Spannungsregler; GRUR 1976, 719 (II2) - Elektroschmelzverfahren; GRUR 1978, 492 - Fahrradgepäckträger II; GRUR 1998, 373, 375 lSp. – Fersensporn).
Im Übrigen fällt der Gegenstand des Streitpatents in den fachlichen Zuständigkeitsbereich des Senats. Das Streitpatent führt die IPC-Klasse C 09 K 3/10 als Hauptklasse auf und betrifft damit Materialien zum Versiegeln oder Abdichten von Verbindungsstellen oder Deckeln, wobei die angegriffenen Patentansprüche Merkmale aus dem Bereich der Polymerchemie wie „Rohschäume“ (Patentansprüche 2 und 3), Tränkungsmaterialien (Patentansprüche 3 und 4), Klebstoffe und Laminierungsmaterialien (Patentansprüche 5 und 6 sowie Spalte 2, Zeilen 24 bis 32) beinhalten. Die Patentinhaberin selbst hat 16 Jahre keinen Anlass gesehen, ihre Auffassung bezüglich der ihr nicht korrekt erscheinenden Klassifizierung im Rahmen einer Rüge im Patenterteilungsverfahren oder nach der Erteilung des Streitpatents geltend zu machen.
2. Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (§ 81 Abs. 1, § 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich im Umfang des Angriffs auf das Streitpatent auch als begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents im Umfang der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 8, da sich deren patentgegenständliche Lehre gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik jedenfalls als nicht erfinderisch erweist.
3. Der Streitgegenstand betrifft ein Dichtungsband in aufgerollter Form zum Abdichten von Fugen oder Spalten gegen Luftzug und/oder Schlagregen. Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe ist darin zu sehen, ein Dichtungsband bereitzustellen, das mindestens eine Sperrschicht aufweist, die vor äußeren Beschädigungen während der Handhabung auf Baustellen besser geschützt ist, und das sich unverändert einfach in der Verarbeitung am Bau handhaben lässt (Streitpatent: Spalte 1, Zeilen 33 bis 39). Diese Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 gelöst durch ein:
1 Dichtungsband
1.1 in aufgerollter Form
1.2 zum Abdichten von Fugen oder Spalten gegen Luftzug und/oder Schlagregen
1.3 aus offenporigem Material
1.4 mit mindestens einer Sperrschicht,
wobei
1.4.1 die Sperrschicht oder die Sperrschichten innerhalb des Dichtungsbandes so angeordnet sind,
1.4.2 dass die Sperrschicht oder die Sperrschichten und offenporige Bereiche aufgereiht sind,
1.4.2.1 in axialer Richtung.
4. Als zuständiger Fachmann ist hier ein Chemieingenieur oder ggf. ein Diplomchemiker zu sehen, der im Bereich der Herstellung, chemischen Behandlung und Konfektionierung von Schaumstoffdichtbändern tätig ist und darin langjährige Erfahrung gesammelt hat.
5. Die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 ist zwischen den Parteien unstrittig. Keine der im Stand der Technik zitierten Druckschriften E1 bis E8 beschreibt ein Dichtungsband mit mindestens einer innenliegenden Sperrschicht in aufgerollter Form, wobei Sperrschicht(en) und offenporige Bereiche in axialer Richtung aufgereiht sind.
6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber der Lehre der Druckschriften E1 und E4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist von dem zugrunde liegenden technischen Problem, nämlich dem Schutz der Sperrschicht des Dichtungsbands und dessen einfacher Handhabung auszugehen.
Die Druckschrift E1 beschäftigt sich mit dem Problem der exponierten Außenlage von Sperrfolien an Dichtungsstreifen, nämlich der möglichen Beschädigung dieser im Grunde empfindlichen Feuchtigkeitssperre und den damit verbundenen Pro-blemen einer dauerhaften Abdichtung zwischen der Stirnkante der Folie und der Fugenwand (E1: Seite 1, Zeilen 19 bis 22 und Seite 2, Zeilen 25 bis 26). Im Sinne einer einfachen Handhabung verwendet die E1 einen vorkomprimierten Schaumstoff mit verzögerter Rückstellung, der sich an die Fuge anpasst, womit ein hoher Gebrauchswert erzielt wird (E1: Patentanspruch 1, Abbildung 5 und Seite 2 Zeilen 8 bis 18). Dies entspricht der Aufgabe des Streitpatents. Damit hatte der Fachmann Anlass, die Druckschrift E1 in Betracht zu ziehen.
Zur Lösung der Aufgabe lehrt die Druckschrift E1 die Einverleibung einer als Sperrschicht wirkenden Folie zwischen zwei offenzellige Bereiche bildenden Schaumstoffschichten als flächenverbundene Zwischenlage, wobei die Schaumstoffschichten gleichsam als Schutzpolster fungieren und womit sich eine Dichtfunktion über längste Gebrauchszeiten realisieren lässt (E1: Seite 2, Zeilen 13 bis 15 und 23 bis 26). Gemäß Patentanspruch 1 der Druckschrift E1 besteht der zur Fugenabdichtung dienende Dichtungsstreifen (Merkmale 1 und 1.2) aus offenzelligem (Merkmal 1.3), vorkomprimiertem Schaumstoff mit verzögerter Rückstellung, dem in Flächenverbindung eine die Rückstellung des Schaumstoffs mitmachende, dehnbare Folie als Zwischenlage zugeordnet ist (Merkmale 1.4, 1.4.1, 1.4.2).
Damit lehrt die Druckschrift E1 ein Dichtungsband mit allen Merkmalen 1 und 1.2 bis 1.4.2. Der Patentanspruch 1 der Druckschrift E1 macht allerdings keine Angaben zur Dimensionierung des Dichtungsbandes und lässt offen, ob das Dichtungsband aufgerollt oder als Dichtungsstreifenstück in abgelängter Form konfektioniert wird. Bei der Konfektionierung ist jedoch zwangsläufig eine Komprimierung der Schaumstoffschichten in Richtung der dehnbaren Folie erforderlich, da diese sonst nicht die Rückstellung des Schaumstoffes mitmachen kann.
Als beispielhafte Konfektionierungsform für die angestrebten Abdichtung breiter Fugen (E1: Seite 2, Zeilen 8 bis 11) findet sich in der Druckschrift E1 die Stick-Packung in der Figur 2, nämlich ein abgelängtes Dichtungsstreifenstück mit drei Schaumstoffschichten 1 und zwei zwischen diese eingebettete Folien 4, die sich in Rückstellrichtung R der von den Schmalseiten her komprimierten Schichten 4 eben erstrecken, wobei die Kompression des Schaumstoffs in Rückstellrichtung R durch Einspannen des Streifens zwischen zwei Leisten 5 aufrechterhalten wird (E1: Seite 5, Zeile 21 bis Seite 6, Zeile 12).
Figur 2 der E1
Für diese der Abdichtung breiter Fugen dienenden abgelängten großvolumigen Dichtungsstreifenstücke sollen als Leisten 5 der Stick-Packung dann auch Bretter verwendet (E1: Seite 6, Zeilen 1 bis 2) und die Verpackung mit Umreifungen und Klammern 7 gesichert werden (E1: Seite 5, Zeile 31 bis Seite 6, Zeile 3).
Im einleitenden Teil der Druckschrift E1 wird als Stand der Technik auf die Druckschrift E4 in Form ihrer Prioritätsschrift DE 31 33 271 A1 Bezug genommen (E1: Seite 1, Zeilen 9 bis 11) und festgestellt, dass die aus dieser Druckschrift bekannten Dichtungsbandrollen, bei welchen eine dehnbare Folie auf der Breitfläche eines zu einer Rolle zusammengewickelten, komprimierten Schaumstoffstreifens liegt, für große Fugen nicht geeignet seien (E1: Seite 1, Zeilen 14 bis 15). Für kleinere Fugen stellt damit die Druckschrift E1 einen Bezug zu dem zu einer Rolle aufgewickelten Schaumstoffstreifen her.
Der einzige Patentanspruch der Druckschrift E4 lehrt einen zu einer Rolle aufgewickelten Abdichtstreifen (Merkmale 1, 1.1 und 1.2) aus imprägniertem und zusammengedrücktem, offenporigen Schaumstoff (E4: Seite 1, Zeilen 8 bis 9; Merkmal 1.3), der an der Breitseite der Rolle 2 mit einer die Streifen-Seitenflanken verklebenden, flüssigkeitsundurchlässigen Schicht 7 (Merkmal 1.4) versehen ist, die, wie die Sperrschicht der Druckschrift E1, eine Dehnbarkeit entsprechend dem Maß der Rückstellung des Schaumstoffs aufweist.
Figuren 1 und 2 der E4
Die Druckschrift E4 offenbart alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents bis auf eine Sperrschicht innerhalb des Dichtungsbandes (Merkmal 1.4.1) und die Aufreihung von offenporigen Bereichen und Sperrschicht in axialer Richtung der Rolle (Merkmale 1.4.2, 1.4.2.1), da die Druckschrift E4 nur einen offenporigen Bereich vorsieht. Eine axiale Anordnung (Aufreihung) ist mithin gegeben.
Ausgehend von der Druckschrift E1 gelangt der Fachmann unter Heranziehen der in Druckschrift E4 als ökonomisch gelehrten Rollenform (E4: Seite 2, Zeile 31: „Vorratsrolle“) beim Aufrollen eines Dichtungsstreifens nach Patentanspruch 1 der Druckschrift E1 in der einsatzgemäß vorgegebenen Weise, dass die Folie die Rückstellung des Schaumstoffes mitmacht und auch mitmachen muss, um ihren Dichtungszweck später erfüllen zu können, ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand der axial alternierenden Reihung von offenporigen Bereichen und Sperrschicht(en). Der Dichtungsstreifen in der Druckschrift E1 wird ohnehin im Durchlaufverfahren in einer Weise hergestellt, bei der die dehnfähige und die Rückstellung des Schaumstoffs mitmachende Folie zwischen die durch Walzen komprimierten Schaumstoffschichten gelegt wird (E1: Seite 6, Zeilen 5 bis 12).
In gleicher Weise hatte der Fachmann auch ausgehend von der Druckschrift E4 konkreten Anlass, das aus dieser Druckschrift bekannte Dichtungsband, welches sich insbesondere aufgrund seiner zu einer Rolle aufgewickelten Form einfach handhaben lässt, unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift E1 dahingehend weiterzuentwickeln, dass seine Dichtigkeit gegenüber der Durchdringung des Bandes mit Feuchtigkeit verbessert wird, insbesondere die Abdichtwirkung gegen Witterungseinflüsse (E4: Seite 1, Zeilen 16 bis 22), und gleichzeitig ein besserer Schutz der Sperrschicht erreicht wird. Die in der Druckschrift E1 beispielhaft beschriebene Stick-Packung als Konfektionsform (E1: Seite 6, Zeilen 9 bis 12) kann nicht von der Lösung einer Anordnung in Rollenform wegführen, da die Konfektionierung allein von dem beabsichtigten Einsatz des Dichtungsbandes und der damit einhergehenden Dimensionierung abhängig ist. Dichtungsbandrollen werden in der Druckschrift E1 nämlich nur als ungeeignet für große Fugen beschrieben (E1: Seite 1, Zeilen 14 bis 15) und die Druckschrift E1 schlägt zudem vor, die in der DE 31 33 271 A1 (bzw. E4) beschriebene Folie (Feuchtigkeitssperre) als Zwischenlage zwischen Schaumstoffschichten zu gestalten (E1: Seite 2, Zeilen 13 bis 26). Im Ergebnis gelangt der Fachmann auch ausgehend von der Druckschrift E4 zwangsläufig zur Anordnung der Folie(n) bzw. Sperrschicht(en) innerhalb des Dichtungsbandes (Merkmal 1.4.1), wobei die Sperrschicht(en) in axialer Richtung entsprechend Merkmal 1.4.2 und 1.4.2.1 aufgereiht sind.
Insgesamt war dem Fachmann damit aus der Kombination der Druckschriften E1 und E4 ein Dichtungsband mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent nahegelegt.
Die Beklagte macht demgegenüber eine rückschauende Betrachtung ausgehend vom Streitpatent geltend, da beide Druckschriften E1 und E4 auf denselben Erfinder zurückzuführen seien, der diese Anmeldungen mit etwa vier Jahren Abstand tätigte und nicht zum vorliegend beanspruchten Gegenstand gelangte. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Erfinder die Druckschrift E4 zwar kannte, jedoch nicht den Weg der Rollenform gegangen sei, da er für die Aufwicklung der Rolle gegensätzliche Lehren, nämlich die geometrische Anordnung der Sperrschichten in der Druckschrift E4 entlang der Schmalseite der Rolle, in der Druckschrift E1 parallel zur breiten Ober- und Unterseite des Bandes, verbinden müsse, die nicht kombinierbar seien.
Dieser Auffassung kann der Senat nicht beitreten. Der Fachmann hatte nach den obigen Ausführungen vielmehr konkreten Anlass, eine streitpatentgemäße Aufwicklung zu wählen, da es bei einer Konfektionierung in Rollenform nur eine Möglichkeit gibt, die Sperrschicht in geschützter Form so anzuordnen, dass sie die Rückstellung des Schaumstoffs mitmacht.
Auch das weitere Vorbringen der Beklagten, dass dem Fachmann vor Anmeldung des Streitpatentes kein Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen Dichtungsband-Rolle zur Verfügung gestanden habe, wurde bereits von ihr selbst mit der Aussage relativiert, dass „ein Aufrollverfahren viel zu aufwendig gewesen wäre und das in Rede stehende Patent erstmals ein wirtschaftliches Verfahren offenbare“ (E7 K : Seite 1, vorletzter Absatz).
In der Druckschrift E4 wird im Übrigen bereits gelehrt, einzelne Streifen aufzuwickeln (E4: Seite 3, Zeilen 14 bis 18). Selbst wenn man der Annahme der Beklagten folgte, dass der in Druckschrift E4 beschrittene Weg zur Bereitstellung der sich in axialer Richtung mit einer Schaumstoffschicht abwechselnden Sperrschicht darin bestanden habe, zunächst eine größere Bahn zu einer Rolle aufzuwickeln, dann in einzelne, schmälere Dichtungsbänder aufzuschneiden und zuletzt die Sperrschicht außen auf die fertigen Rollen aufzubringen, konnte der Fachmann die schmäleren Dichtungsbänder entweder wieder klebend verbinden oder die üblicherweise beim Schneiden von Schaumstoff verwendeten, erhitzten Trennvorrichtungen so führen, dass es zur erneuten Verschmelzung oder Verklebung hinter den Schneidwerkzeugen kommt und das Schaummaterial selbst als Schmelzkleber und damit auch als Sperrschicht wirkt.
Dem Fachmann waren aufgrund seines Fachwissens somit naheliegende Wege für die Herstellung des beanspruchten Produktes bekannt. Damit findet hier die von der Beklagten zitierte Entscheidung „Escitalopram“ (GRUR 2010, 123, zweiter Leitsatz) keine Anwendung. Auch der Umstand, dass lange Zeit kein wirtschaftliches Verfahren gefunden wurde, ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen, da bei Streitgegenstand keine das durchschnittliche fachliche Können des Fachmanns übersteigende Leistung vorliegt (GRUR 1987, 351, Mauerkasten II, insbesondere Seite 353, linke Spalte viertletzte Zeile bis rechte Spalte, vierte Zeile von oben).
7. Was die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen angegriffenen Patentansprüche 2 bis 4 anbelangt, so ergeben sich deren Merkmale bereits aus den Druckschriften E1, E4, E8b und E6 oder werden dort zumindest nahegelegt. Der Begriff „Rohschaum“ ist im Streitpatent nicht definiert und wird als unbehandelter Schaum, beispielsweise vor dem Schritt der Imprägnierung, verstanden. Das Imprägnieren von Rohschäumen zwecks besserer Rückstelleigenschaften wird in den Druckschriften E1 und E4 offenbart (E1: Seite 5, Zeilen 10 bis 11, E4: Seite 1, Zeilen 8 bis 9), wobei dem Fachmann auch Wachse und Acrylate als für diesen Zweck geeignete Materialien geläufig sind (E8 B : Spalte 1, Zeilen 40 bis 45; E6: Seite 8, Beispiel 1). Die Ausbildung einer Sperrschicht mittels eines Klebstoffes nach Unteranspruch 5 ist sowohl der Druckschrift E1 als auch der Druckschrift E2 zu entnehmen (E1: Seite 8, Zeilen 17 bis 21; E2: Seite 4, Zeile 34 bis Seite 5, Zeile 3), da beim Anschmelzen oder Verhauten der zellulären Schichten der Schaumstoff selbst als Schmelzkleber fungiert. Die nicht näher definierten Laminiermaterialien gemäß Unteranspruch 6 sind den Druckschrift E1 und E2 zu entnehmen (E1: Seite 3, Zeile 31 bis 34 und Seite 7, Zeilen 7 bis 16; E2: Seite 2, Zeilen 26 bis 30).
Auch die Variationsmöglichkeiten der nicht konkretisierten Merkmale des Unteranspruchs 7 hinsichtlich der Sperrschichten finden sich in den Druckschriften E1 und E2 (E1: Abbildungen 2 mit zwei Sperrschichten, Abbildung 3 mit wellenartigen Sperrschichten; E2: Abbildungen 2 bis 4) beschrieben. Eine auf einer Außenfläche des Dichtbands angeordnete Sperrschicht nach Unteranspruch 8 wird in der Druckschrift E1 als komplette Ummantelung der Schaumstoffschicht (E1: Seite 6, Zeilen 25 bis 27) oder als Teilumhüllung in Form eines Doppel-T-Profils der Folie 4 (E1: Figur 2) sowie in den Druckschriften E2 und E4 angeregt (E2: Seite 6, Zeilen 18 bis 20; E4: Patentanspruch 1, Schicht 7).
8. Der Senat hatte nach obigen Ausführungen keine Veranlassung, entsprechend dem Antrag der Beklagten ein Sachverständigengutachten zur Frage der Herstellbarkeit des streitpatentgemäßen Erzeugnisses bzw. zum Naheliegen eines entsprechenden Herstellungsweges einzuholen.
Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Hieraus folgt, dass das Gericht trotz eines entsprechenden Antrags nicht gezwungen ist, sich eines Sachverständigen zu bedienen, wenn es die erforderlichen Sachkenntnisse selbst besitzt oder sich diese etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 402 Rdn. 3). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen geht der Senat aber aus, da ihm technische Mitglieder angehören, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse, der zur Verfügung stehenden Fachliteratur und sonstiger Druckschriften in der Lage sind, den gegebenen Sachverhalt, der enge chemische Berührungspunkte aufweist, umfassend zu erkennen und zu würdigen, zumal die Anträge auch rechtliche Bewertungen betreffen, die einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich sind (vgl. dazu Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 88 Rdn. 6; § 139, Rdn. 125; vgl. dazu auch Baumbach/Lauterbach, ZPO, 72. Aufl., Übers 402 Rdn. 12, 13; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 87, Rdn. 23).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91a, 92 Abs. 1 ZPO.
Nach der übereinstimmend erklärten Teilerledigung der Hauptsache betreffend Patentanspruch 15 des Streitpatents ist gemäß § 84 Abs. 2 PatG, § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a ZPO insoweit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Im Fall der Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent hat regelmäßig der Patentinhaber die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zu tragen, da eine solche Vorgehensweise im Regelfall darauf schließen lässt, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte und sich der Patentinhaber durch sein Vorgehen in die Rolle der Unterlegenen begibt (st. Rspr. vgl. BGH, GRUR 61, 278, 279 – Lampengehäuse; BPatGE 31, 191, 192; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 41 m. w. N). Allerdings ist im Rahmen dieser Ermessensentscheidung auch der Grundgedanke des § 93 ZPO heranzuziehen, wonach ein Beklagter keine Kosten zu tragen hat, wenn er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat (vgl. BGH GRUR 1984, 272, 276 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 81 Rdn. 38; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl. § 84 Rdn. 17, 18). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Zwar hatten die Vertreter der Beklagten im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz unter anderem davon gesprochen, sie habe den Auftrag, im Falle des Fehlschlagens von Verhandlungen Nichtigkeitsklage einzureichen. Auch findet sich gelegentlich die Formulierung, dass zumindest Patentanspruch 1 nicht patentfähig sei. Die gesamte Korrespondenz beschäftigt sich jedoch mit dem Erzeugnisanspruch 1 und dessen Patentfähigkeit. Konkrete Ausführungen zu den Verfahrensansprüchen und zum Verwendungsanspruch 15 sowie deren Patentfähigkeit finden sich in der Vorkorrespondenz nicht. Auch wird nirgendwo ausgeführt, dass die gegen Patentanspruch 1 angeführten Nichtigkeitsgründe auch für Patentanspruch 15 gelten. Damit ist nicht erkennbar, ob sich die Bedenken hinsichtlich der Patentfähigkeit auch auf die anderen Patentansprüche bezogen haben, zumal die Verfahrensansprüche nicht angegriffen worden sind und auch ein Verwendungsanspruch als Verfahrensanspruch zu verstehen ist. Dies genügt den Anforderungen der Rechtsprechung an eine ernsthafte, konkrete Verzichtsaufforderung und Klageandrohung unter Nennung eines Nichtigkeitsgrundes (vgl. Busse, Keukenschrijver, a. a. O., § 84 Rdn. 18 – 25 m. Nachw.) in Bezug auf Patentanspruch 15 nicht.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Verwendungsanspruch 15 umfasse denklogisch den Produktanspruch 1 und damit gälten hinsichtlich Patentanspruch 15 für die Beklagte offensichtlich auch die betreffenden Nichtigkeitsgründe. Denn es handelt sich bei Verwendungsansprüchen um eine andere Gattung von Ansprüchen als bei Erzeugnisansprüchen, die einen anderen Schutzbereich aufweisen und anderen Voraussetzungen an die Schutzfähigkeit unterliegen. So kann etwa die Verwendung eines bereits bekannten und als solches nicht patentfähigen Erzeugnisses dem Patentschutz zugänglich sein. Rückschlüsse von der Patentfähigkeit des Erzeugnisses auf die Patentfähigkeit von dessen Verwendung sind darum nur bedingt möglich und jedenfalls nicht zwingend, eindeutig und offensichtlich (vgl. dazu Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 3 Rdn. 177 ff.; § 1 Rdn. 240 ff.).
Die Beklagte hat daher zur Klage keinen Anlass gegeben, soweit diese Patentanspruch 15 betrifft, sodass in analoger Anwendung des § 93 ZPO die Klägerin insoweit die Kosten zu tragen hat.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.