Entscheidungsdatum: 24.10.2017
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 173 181
(DE 600 05 940)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Schramm sowie den Richter Kätker, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 173 181 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. April 2000 beim Europäischen Patentamt als internationale Patentanmeldung PCT/US2000/011129 in englischer Sprache angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 1 173 181 B1 (Streitpatent), das die Priorität der US-amerikanischen Anmeldung US 132036 P vom 30. April 1999 in Anspruch nimmt und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 600 05 940 geführt wird. Das Patent ist im Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt beschränkt worden. Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit vier Hilfsanträgen verteidigt wird, trägt die Bezeichnung "Compositions Comprising Phosphodiesterase Inhibitors For The Treatment Of Sexual Disfunction" („Zusammensetzung zur Behandlung sexueller Funktionsstörungen die Phosphodiesterase-5 Inhibitoren enthaltend“) und umfasst 17 Patentansprüche, deren nebengeordnete Patentansprüche 1 und 10 in der beschränkten Fassung wie folgt lauten:
Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 und 10 rückbezogenen Patentansprüche wird auf die nach dem Beschränkungsverfahren veröffentlichte Europäische Patentschrift EP 1 173 181 B3 verwiesen.
Die Klägerinnen, die das Streitpatent in vollem Umfang angreifen, machen die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Zusätzlich ist hinsichtlich der Verwendung von Tadalafil zur Behandlung einer Störung der sexuellen Erregung bei der Frau der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit geltend gemacht worden.
In Ihrer Eingabe vom 4. November 2016 hat die Klägerin zu 1. im Wege der Klageerweiterung zusätzlich die Nichtigkeitsgründe der Erweiterung des Schutzbereichs und der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht.
Die Klägerinnen stützen ihr Vorbringen unter anderem auf folgende Dokumente:
NIK1 /NiK2 EP 1 173 181 B1
NIK1.2/NiK3 Prioritätsbeleg US 60/132,036
NIK1.3/NiK1 EP 1 173 181 B3 (Streitpatent)
NIK5/NiK4 WO 97/03675 A1
NiK5 Boolell, M., et al., International Journal of Impotence Research, 1996, 8, S. 47 bis 52
NIK6 WO 01/08686 A1
NiK6 Goldstein, I., et al., British Journal of Urology, 1997, 80, Suppl. 2, S. 91, Abstract 356
NIK7 WO 01/08688 A2
NIK9 Goldstein, I., et al., The New England Journal of Medicine, 1998, 338, S. 1397 bis 1404
NIK16 Kuemmerle, H.-P. (Hrsg.), "Methoden der Klinischen Pharmakologie", Urban & Schwarzenberg, München 1978, S. 9
NIK17 Eckstein, N., "Arzneimittel – Entwicklung und Zulassung", 1. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013, S. 51 bis 53
NIK21 Jaehde, U. et al. (Hrsg.), "Lehrbuch der Klinischen Pharmazie", Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1998, S. 104 bis 107
Der Schutzbereich des Patents sei in der geltenden beschränkten Fassung unzulässig erweitert. Durch die Änderung der Tagesmaximaldosis von 20 mg auf 5 mg im Beschränkungsverfahren werde ein Aliud beansprucht. Denn die maximale Tagesdosis für einen Wirkstoff stelle als inhärente Stoffeigenschaft von Tadalafil im Sinne einer pharmakologischen Kenngröße ein spezifisches Charakteristikum für eine Formulierung dar, so dass durch die Herabsetzung der Tagesmaximaldosis ein völlig anderes pharmakologisches Profil mit einer viel engeren therapeutischen Breite beansprucht werde.
Auch soweit Patentanspruch 1 in der beschränkten Fassung und in der Fassung der Hilfsanträge gemäß der Beklagten zu Unrecht dahingehend auszulegen sein sollte, dass er auf eine wiederholte, tägliche Applikation von bis zu 5 mg Tadalafil gerichtet sei, mithin ein Dosierungsschema erfasse, führe dies zu einer Erweiterung des Schutzbereichs und zudem zu einer unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen. An keiner Stelle könne dem Streitpatent eine Lehre entnommen werden, wonach die Erfindung die Aufrechterhaltung einer solchen Wirkstoffkonzentration im Körper ermöglichen solle. Mit dieser Auslegung sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag zudem als eine dem Patentschutz nicht zugängliche Dosierungsempfehlung zu verstehen, da damit ein Behandlungselement zum Gegenstand des Anspruchs gemacht würde. Zumindest sei dieses unzulässige Merkmal bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zu vernachlässigen.
Die Klägerinnen sehen die vom Streitpatent beanspruchte Priorität als nicht wirksam in Anspruch genommen an, weshalb die im Prioritätsintervall veröffentlichten Druckschriften NIK6 und NIK7 für den Streitgegenstand neuheitsschädlicher Stand der Technik seien. Nach Auffassung der Klägerin zu 2. ist die Priorität bereits formalrechtlich nicht wirksam in Anspruch genommen, da die Prioritätsanmeldung US 60/132036 bzw. das aus dieser Anmeldung folgende Prioritätsrecht nicht nachweislich innerhalb des Prioritätsjahres von den Erfindern als Voranmelder auf die L… LLC als Nachanmelderin übergegangen sei. Zudem ist aus der Sicht beider Klägerinnen der Gegenstand des Streitpatents nicht in der Prioritätsanmeldung NIK1.2/NiK3 offenbart, so dass die Priorität auch materiell-rechtlich zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei. In NIK1.2/NiK3 sei eine andere und wesentlich breitere Erfindung offenbart, als sie nunmehr mit dem Streitpatent beansprucht werde.
Die somit Stand der Technik gemäß Art. 54 Abs. 3 EPÜ darstellenden Druckschriften NIK6 und NIK7 stünden dem Streitgegenstand neuheitsschädlich gegenüber, weil sie eine pharmazeutische Einzeldosierungsform umfassend 5 mg Tadalafil zur (täglichen) Verwendung bei der Behandlung von sexueller Dysfunktion beträfen, wobei die Dosierungsform für die orale Anwendung bis maximal 5 mg Tadalafil geeignet sei, was einfach damit erreicht werden könne, dass nur eine einzige Tablette pro Tag verabfolgt werde.
Unabhängig von der Frage der wirksamen Beanspruchung der Priorität durch das Streitpatent sei jedenfalls die vorveröffentlichte Druckschrift NIK5/NiK4 neuheitsschädlich. Sie offenbare die Verwendung von tetrazyklischen Derivaten als wirksame und selektive PDE-Inhibitoren bei der Behandlung von Impotenz. NIK5/NiK4 zeige Tadalafil als eine von zwei besonders bevorzugten Verbindungen auf und gebe für diese Verbindungen eine Tagesdosis von 0,5 bis 800 mg und eine einzelne Dosierungsform von 0,2 bis 400 mg des Wirkstoffs an. Somit handele es sich beim Streitgegenstand um eine Auswahl von engeren Bereichen aus den breiteren Bereichen dieser Druckschrift, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Neuheit des Streitgegenstands begründen könne, weil sie nicht mit einer besonderen technischen Wirkung verbunden sei.
Die Gegenstände des Streitpatents beruhten auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie seien ausgehend von NIK5/NiK4 in Kombination mit dem routinemäßigen Vorgehen bei der Entwicklung pharmazeutischer Formulierungen und dem Fachwissen, beispielhaft dokumentiert durch die Fachbuchauszüge NIK16, NIK17 oder NIK21, nahegelegt.
Die objektive Aufgabe des Streitpatents liege dabei in der Bereitstellung von Dosierungen von Tadalafil, die für die Anwendung am Menschen geeignet seien.
NIK5/NiK4 als Ausgangspunkt offenbare bereits Tadalafil als einen sehr wirksamen und selektiven PDE5-Inhibitor und dessen Eignung zur Behandlung der erektilen Dysfunktion. Ausgehend von NIK5/NiK4 habe der Fachmann Anlass gehabt, Tadalafil als Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion weiter zu entwickeln. Hierfür biete sich die Optimierung der Dosierung für Tadalafil an, die in NIK5/NiK4 sehr breit formuliert sei. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten hätte sich der Fachmann hierbei nicht ohne weiteres an den höheren Dosen orientiert, die für den weiteren oral verabreichten PDE5-Hemmer Sildenafil üblich waren, da Sildenafil und Tadalafil verschiedene chemische Entitäten seien, unterschiedliche Wirksamkeiten aufwiesen und der Fachmann bei der Dosisfindung für einen neuen Wirkstoff üblicherweise aus Sicherheitsgründen bei sehr niedrigen Dosen beginne.
Für den Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 10 gelte dasselbe. Die Gegenstände der weiteren Patentansprüche seien ebenfalls aus NIK5/NiK4 bekannt oder nahegelegt.
Zudem seien die Patentansprüche 9 und 17 nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, da das Streitpatent keinerlei Belege oder Daten hinsichtlich der Behandlung einer Störung der sexuellen Erregung der Frau enthalte und es für den Fachmann nicht selbstverständlich sei, dass der selektive PDE5-Hemmer Tadalafil auch für diese Indikation geeignet sei.
Die Gegenstände der Hilfsanträge seien, soweit sie nicht wegen Erweiterung des Schutzbereichs oder mangels Ursprungsoffenbarung ohnehin unzulässig seien, ebenfalls nicht patentfähig. Insbesondere stelle das in die Hilfsanträge 1, 2 und 4 aufgenommene Wort „daily“ kein beschränkendes Merkmal dar, andernfalls fehle es jedenfalls an der Ursprungsoffenbarung.
Die Klägerinnen beantragen jeweils,
das europäische Patent 1 173 181 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen,
hilfsweise die Klagen mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Schriftsatz vom 10. August 2017 erhält.
Gemäß Hilfsantrag 1 wird in Patentanspruch 1 die Wortfolge "said unit dosage form suitable" gestrichen. Zusätzlich wird nach dem Wort "for" das Wort "daily" eingefügt, so dass es jetzt heißt:
"… for daily oral administration …".
Hieran schließen sich die Patentansprüche 2 bis 17 in der beschränkten Fassung unverändert an.
Hilfsantrag 2 entspricht Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 10 vor dem Wort "administration" das Wort "daily" eingefügt wird, so dass es jetzt heißt:
"... for the manufacture of a medicament for daily administration …".
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht dem Patentanspruch 1 in der beschränkten Fassung mit dem Unterschied, dass die Wortfolge "said unit dosage form suitable" gestrichen und dass folgendes Merkmal angefügt wird:
"for use in treating a sexual dysfunction."
Außerdem werden die Patentansprüche 6 und 7 der beschränkten Fassung gestrichen. Die Nummerierung und die Rückbezüge der weiteren Patentansprüche werden entsprechend angepasst.
Hilfsantrag 4 entspricht Hilfsantrag 3 mit dem Unterschied, dass in Patentanspruch 1 vor dem Wort "oral" und in Patentanspruch 8 (entspricht Patentanspruch 10 in der beschränkten Fassung) vor dem Wort "administration" jeweils das Wort "daily" eingefügt wird.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
HLNK1 Goldstein, I., et al., The New England Journal of Medicine, 1998, 338, S. 1397 bis 1404 [= NIK9]
HLNK2 „ASSIGNMENT“ (Abtretungserklärung der Erfinder/Anmelder der US Prioritätsanmeldung zu Gunsten von Lilly ICOS LLC), Mai/Juli 1999; Docket No. P-12929
HLNK3 "Research and Development Service Agreement" (Forschungs- und Entwicklungsvertrag) zwischen Lilly ICOS LLC, ICOS Corporation und Eli Lilly and Company, 30. September 1998
HLNK4 Auszug aus dem Employee Handbook von Eli Lilly and Company, August 1998, S. 35 bis 37
HLNK5 ICOS Corporation, "INVENTION AND PROPRIETARY INFORMATION AGREEMENT”, Dezember 1999, 2 Seiten
HLNK6 WO 94/28902 A1
HLNK7 Boolell, M., et al., British Journal of Urology, 1996, 78, S. 257 bis 261
HLNK8 Terrett, N. K., et al., Bioorganic & Medicinal Chemistry Letters, 1996, 6, S. 1819 bis 1824
HLNK9 Eingabe der Pateninhaberin im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt vom 3. September 2002, 15 Seiten
HLNK10 Produktbeschreibung zu Viagra®, Stand November 1998, 19 Seiten
HLNK11 Park, K., et al, Biochem. Biophys. Res. Commun., 1998, 249, S. 612 bis 617, Pubmed-Abstract, Abstr.-Nr.: 9731184
HLNK12 Fava, M., et al., Psychother. Psychosom., 1998, 67, S. 328 bis 331, Pubmed-Abstract, Abstr.-Nr.: 9817955
HLNK13 Änderungsmarkierte Version der im Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt beschränkten Ansprüche vom 14. Februar 2014
HLNK14 Oberdisse, E., et al. (Hrsg.), "Pharmakologie und Toxikologie", 2. Aufl., Springer Verlag 1999, S. 50
HLNK15 WO 00/66099 A2
HLNK16 Gutachten Dr. Jay B. Saoud aus dem parallelen britischen Verfahren vom 16. Mai 2016, 22 Seiten
HLNK17 Gutachten Dr. Gerald B. Brock aus dem parallelen britischen Verfahren vom 14. April 2016, 45 Seiten
HLNK18 Leitlinie für die klinische Prüfung der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) von 1997 "GeneraI Considerations for Clinical Trials E8", 16 Seiten, 17. Juli 1997
HLNK19 Leitlinie für die klinische Prüfung der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) von 1994 "Dose-Response Information to Support Drug Registration E4", 13 Seiten, 10. März 1994
HLNK20 Gutachten Dr. Jay B. Saoud aus dem parallelen britischen Verfahren vom 14. April 2016, 21 Seiten und 12 Seiten Anlagen
HLNK21 Steers, W.D., UROLOGY 1999, 54, S. 12 bis 17
HLNK22 Gutachten Dr. Irwin Goldstein v. 8.August 2017, 4 Seiten
HLNK23 Montorsi, F., et al., UROLOGY 1999, 53, S. 1011 bis 1018
HLNK24 Ausdruck aus der Internetseite www.sciencedirect.com/science/ article/pii/S0090429598006438 vom 21. Juli 2017, 3 Seiten
HLNK25 Tomlinson, J.M., und Wright, D., BMJ, 2004, S. 1 bis 4 doi:10.1136/bmj.38044.662176.EE (published 29 March 2004)
HLNK26 The High Court of Justice - Chancery Division - Patents Court Entscheidung vom 10. August 2016, Neutral Citation Number: [2016] EWHC 1955 (Pat)
HLNK27 Europäisches Patentamt v. 24. Oktober 2014 (Bescheid aus dem Beschränkungsverfahren zum Streitpatent)
HLNK28 WO 96/38131 A1
HLNK29 Chemical Abstract Service® Registry Handbook 1995 – Number Section, Supplement 1995, CAS Registry Number 169384-45-6 through 171885-10-2, Eintrag 171596-29-5
HLNK30 "The Merck Index", 15th Ed., 2013, S. 1669 und 1670
HLNK31 CAS Registry Listing for Tadalafil (CAS Register Eintrag zu Tadalafil erzeugt mit dem CAS Rechercheprogramm STN Express®), 1 Seite
HLNK32 EP 1 985 310 A1
HLNK33 Bundespatentgericht, 3. Senat, Urteil vom 25. April 2017 (3 Ni 10/15 (EP) hinzuverbunden 3 Ni 26/15 (EP))
HLNK34 Rosen, R.C., et al., International Journal of Impotence Research, 2002,14, S. 226 bis 244
HLNK35 Rosen, R.C., et al., Urology. 1997, 49, S. 822 bis 830
HLNK36 Rosen, R.C., et al., European Urology. 2011, 60, S. 1010 bis 1016
HLNK37 Gutachten Dr. Gerald B. Brock aus dem parallelen britischen Verfahren vom 15. Mai 2016, 18 Seiten
HLNK38 Klotz, T., et al., Urol Int. 1999, 63, S. 220 bis 223
HLNK39 Fachinformation zu Yohimbin „Spiegel“, Stand: September 2008, 5 Seiten
HLNK40 Auszug aus Eckstein, N., "Arzneimittel – Entwicklung und Zulassung", 1. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013, S. 68 [vgl. NIK 17]
Nach Auffassung der Beklagten ist das Streitpatent bestandsfähig. Der Schutzbereich des Streitpatents in der erteilten Fassung sei weder durch die Beschränkung auf eine Einzeldosis von 1 bis 5 mg Tadalafil zur oralen Verabreichung bis zu einer Gesamtdosis von 5 mg pro Tag noch durch die Beschränkung gemäß den Hilfsanträgen unzulässig erweitert, da die nunmehr beanspruchten Einzeldosen und täglichen Gesamtdosen samt ihrer täglichen Verabreichung erkennbar Teil der ursprünglich beanspruchten Lehre des Streitpatents seien. Das Streitpatent offenbare – auch bereits in der erteilten Fassung – eine Handlungsanweisung, nicht hingegen eine Stoffeigenschaft, wobei mit der Formulierung "maximale" nur deutlich gemacht werde, dass höhere Tagesdosen nicht beansprucht würden.
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit liege ebenfalls nicht vor. Die Gegenstände der Patentansprüche 9 und 17 seien so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Zudem enthalte das Streitpatent mit den Dosisangaben ausreichende Informationen zu den durchzuführenden Maßnahmen zur Behandlung einer sexuellen Erregungsstörung bei der Frau sowie experimentelle Daten zur PDE5-Hemmung durch Tadalafil im Allgemeinen und bei Verabreichung der streitpatentgemäßen Dosiseinheit. Ein das Gegenteil belegender Beweis sei auch nicht vorgelegt worden.
Die Gegenstände des Streitpatents seien neu. Für das Streitpatent werde die Priorität aus der Prioritätsanmeldung NIK1.2/NiK3 wirksam in Anspruch genommen. Die Anmelderin L… LLC als Vorgängerin der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents ausweislich der Dokumente HLNK2 bis HLNK 4 Rechtsnachfolgerin der Anmelder der Prioritätsanmeldung gewesen.
Auch materiell-rechtlich nehme das Streitpatent die Priorität der NIK1.2/NiK3 wirksam in Anspruch. Tadalafil als Wirkstoff stehe im besonderen Fokus der Prioritätsanmeldung. Die chemische Bezeichnung für Tadalafil sei darin – trotz eines Bezeichnungsfehlers – für den Fachmann ohne weiteres erkennbar angegeben. Ebenso sei die Struktur von Tadalafil individualisiert als bevorzugte Verbindung offenbart. Zudem offenbare die Prioritätsanmeldung an zahlreichen Stellen allgemein eine Dosiseinheit als Erfindungsgegenstand, wobei für den Fachmann erkennbar sei, dass die weiteren Bestandteile des in NIK1.2/NiK3 offenbarten Fertigarzneimittels nicht erfindungswesentlich seien. Darüber hinaus sei die streitpatentgemäß beanspruchte Dosiseinheit sowohl hinsichtlich der Einzeldosisform als auch hinsichtlich der Tagesmaximaldosis in NIK1.2/NiK3 beschrieben. Insbesondere nenne die Prioritätsdruckschrift explizit die Werte 1 mg und 5 mg für die Einzel- und Tagesdosis, was bereits für die wirksame Inanspruchnahme der Priorität ausreiche.
Da die Inanspruchnahme der Priorität wirksam sei, fehle es den Druckschriften NIK6 und NIK7 an einem früheren Zeitrang, so dass sie nicht für die Neuheitsprüfung in Betracht kämen. Die darüber hinaus bezüglich der Neuheit angeführte Druckschrift NIK5/NiK4 könne den Streitgegenstand nicht vorwegnehmen, weil es ihr an einer neuheitsschädlichen Offenbarung sowohl der im Streitpatent beanspruchten Wirkstoffmenge je Dosiseinheit als auch der Gesamttagesdosis fehle. Offenbarte Randbereiche seien technisch nicht relevant, da der Fachmann erkenne, dass die Dosierung nahezu jede theoretisch denkbare Menge umfasse und die Begrenzung des ohnehin unspezifisch großen Bereichs zudem völlig aufgehoben sei, weil auch höhere und/oder niedrigere Dosen von der Lehre dieser Druckschrift erfasst seien. Daher sei keine andere konkrete Dosierung offenbart als die der Ausführungsbeispiele. Desweiteren seien die Dosiseinheiten in NIK5/NiK4 nicht spezifisch für Tadalafil offenbart und der Fachmann werde im Wissen der Dosiseinheiten für den bekannten PDE5-Hemmer Sildenafil die streitpatentgemäßen Dosen auch nicht mitlesen.
Die Gegenstände des Streitpatents beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Durch die streitpatentgemäß bereitgestellte Dosiseinheit werde eine gegenüber höheren Dosen deutlich verminderte Nebenwirkungsrate bei gleichzeitig beibehaltener therapeutischer Wirksamkeit erreicht, was eine tägliche Verabreichung ermögliche. Dies werde durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt, zumal der Anreiz und eine angemessene Erfolgserwartung gefehlt hätten, von der in NIK5/NiK4 einzig konkret offenbarten Dosis von 50 mg Wirkstoff abzuweichen. Vielmehr führe der Stand der Technik den Fachmann in Richtung viel höherer Dosierungen.
Ein pauschaler Verweis auf Routinearbeit und arzneimittelrechtliche Anforderungen rechtfertige hingegen nicht die Annahme, der Fachmann wäre zu dem beanspruchten Dosisbereich und Verabreichungsschema mit den aufgezeigten Vorteilen gelangt. Hierbei ließen sich die Anforderungen an Verträglichkeitsstudien der Phase I, in denen mit sehr niedrigen Dosen an gesunden Probanden getestet werde, auch nicht einfach auf Dosisfindungsstudien der Phase IIa übertragen. Vielmehr hätte es – ohne angemessene Erfolgserwartung – mehrere Schritte und Entscheidungen, insbesondere aufwändiger klinischer Studien, bedurft, um zur beanspruchten Dosiseinheit zu gelangen, was im Übrigen auch der britische High Court of Justice in seinem Urteil vom 10. August 2016 (HLNK 26) so gesehen habe.
Gleiches gelte für die Gegenstände der Hilfsanträge. Soweit diese auf eine tägliche Einnahme gerichtet seien, ermögliche dies überraschenderweise eine sichere und wirksame tägliche Einnahme und damit eine äußerst vorteilhafte Entkoppelung von Einnahme und sexueller Aktivität. Eine täglich wiederholte Anwendung von Tadalafil habe nicht nahe gelegen. Auch hierfür habe eine angemessene Erfolgserwartung gefehlt, abgesehen davon, dass dem Fachmann eine solche Anwendung angesichts der ausschließlich bedarfsweisen Anwendung von Sildenafil als technischer Rückschritt erscheinen musste.
Für das Wissen und Verständnis des Fachmanns, insbesondere zu Schlussfolgerungen, die er aus seinem Fachwissen und dem Stand der Technik gezogen hätte, bietet die Beklagte Sachverständigenbeweis an.
Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ), mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 b) EPÜ), der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 c) EPÜ) und der Erweiterung des Schutzbereichs (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 d) EPÜ) gestützten Klagen sind zulässig. Die Erweiterung der Klage durch die nachträgliche Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Erweiterung des Schutzbereichs und der unzulässigen Erweiterung ist schon deshalb zulässig, weil sich die Beklagte hierauf eingelassen hat (§ 267 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG).
Die Klagen erweisen sich auch als begründet.
I.
1. Das Streitpatent betrifft die Bereitstellung einer den hochselektiven PDE5-Inhibitor Tadalafil enthaltenden Einheitsdosiszusammensetzung für die Behandlung sexueller Dysfunktion (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 2 Abs. [0002] sowie Patentansprüche 1 und 10).
Die biochemischen, physiologischen und klinischen Wirkungen der PDE-Enzyminhibitoren legen ihre Nützlichkeit bei einer Vielzahl von Krankheiten nahe, bei denen die Modulation der Glattmuskel-, Nieren-, Hämostase-, entzündlichen und/oder endokrinen Funktion gewünscht ist. Aufgrund des Vorkommens im Gefäßglattmuskel und im Penisschwellkörper ist cGMP-Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5) ein attraktives Target bei der Behandlung der sexuellen Dysfunktion (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 2 Abs. [0003]). Ein bekannter PDE5-Inhibitor ist Sildenafil, das in Tablettenform mit Dosiseinheiten von 25, 50 und 100 mg Wirkstoff pro Tablette vertrieben wird. Allerdings besitzt es einen relativen Mangel an Selektivität für PDE6, worauf Abnormitäten in Zusammenhang mit dem Farbsehvermögen zurückgeführt werden. Daneben weist Sildenafil signifikant nachteilige Nebenwirkungen, einschließlich Gesichtsröte, auf, so dass dessen Verwendung bei Patienten mit Sehabnormitäten oder Bluthochdruck beschränkt ist. Insbesondere bei Patienten, die organische Nitrate verwenden, ist die Verwendung von Sildenafil streng kontraindiziert, weshalb weiterhin ein Bedürfnis nach verbesserten pharmazeutischen Produkten zur Behandlung der sexuellen Dysfunktion besteht (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 2 Abs. [0004] bis [0006]). Aus dem Stand der Technik sind dazu tetracyclische Derivate als potente PDE5-Inhibitoren bekannt, für die keine signifikanten Nebenwirkungen offenbart sind (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 2 Abs. [0007] und [0008]).
2. Vor diesem Hintergrund liegt die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung von Dosierungen von Tadalafil für eine effektive Therapie bei sexueller Dysfunktion.
Soweit geltend gemacht wird, dass die streitpatentgemäße Aufgabe in der Bereitstellung eines wirksamen Medikaments für die Therapie bei sexueller Dysfunktion liege, das mindestens so wirksam wie der bekannte Wirkstoff Sildenafil sei und zugleich weniger Nebenwirkungen aufweise, kann dieser Aufgabenbestimmung nicht beigetreten werden. Denn die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zu Grunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet. Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit (vgl. BGH GRUR 2015, 352 – Quetiapin). Übertragen auf das Streitpatent bedeutet dies, dass die in Rede stehenden Merkmale "mindestens so wirksam wie der bekannte Wirkstoff Sildenafil" und "weniger Nebenwirkungen" die Qualität der Wirksamkeit von Tadalafil und damit die Effektivität der angestrebten Therapie bei sexueller Dysfunktion betreffen. Daher beschreiben sie Vorteile der patentgemäßen Lösung, die zwar bei der Prüfung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen sind, aber keinen Teil der Aufgabe bilden.
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 durch eine pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung mit folgenden Merkmalen
1 Pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung (Pharmaceutical unit dosage composition),
2 die eine Verbindung umfasst mit der Strukturformel (comprising a compound having the structural formula),
3 die 1 mg bis 5 mg dieser Verbindung umfasst (comprising 1 to 5 mg of this compound),
4 wobei die Einheitsdosisform geeignet ist zur oralen Verabreichung (said unit dosage form suitable for oral administration)
5 von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg pro Tag (up to a maximum total dose of 5 mg per day).
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team von Fachleuten, dem jedenfalls ein Pharmakologe als Spezialist für die Arzneimittelwirksamkeit, ein Mediziner mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Therapie sexueller Funktionsstörungen und ein pharmazeutischer Technologe, der die Einheitsdosisform zur Verfügung stellt, angehören.
II.
Die Patentansprüche 1 bis 17 nach Hauptantrag, die den beschränkten Patentansprüchen 1 bis 17 gemäß NIK1.3/NiK1 entsprechen, erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.
1. Einer Auslegung bedarf vorliegend der Patentanspruch 1 des Hauptantrags, denn gemäß der Formulierung des Patentanspruchs 1 könnte die damit umschriebene Lehre ein Dosisschema implizieren. Die Streitpatentschrift offenbart aber kein Dosisschema. Darin wird lediglich der Verabreichungsweg "oral" definiert und dieser auch im Merkmal 4 beansprucht. Allerdings werden weder die Anzahl der Einzeldosen noch der Zeitpunkt ihrer Einnahme aufgezeigt. Zudem ist die tägliche maximale Gesamtdosis bis zu 5 mg variabel (vgl. u. a. Merkmal 5). In Ermangelung dieser für eine Dosierungsanleitung wesentlichen Angaben im Streitpatent erkennt der Fachmann in der Lehre des Patentanspruchs 1 kein Dosisschema.
2. Das Vorliegen der Nichtigkeitsgründe der Erweiterung des Schutzbereichs, der unzulässigen Erweiterung, der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit wegen mangelnder Neuheit kann dahingestellt bleiben, denn hierauf kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an.
a) Auch wenn die Frage der unzulässigen Erweiterung und der Erweiterung des Schutzbereichs offen bleiben kann, dürfte nach Ansicht des Senats der Gegenstand des Patentanspruchs 1 zulässig sein, da er sich vom Patentanspruch 1 und den Absätzen [0011], [0012], [0025] und [0071] der erteilten Fassung des Streitpatents NIK1/NiK2 sowie aus den wortgleichen Textstellen der Offenlegungsschrift HLNK15 ableitbar sein dürfte (vgl. HLNK15 Patentanspruch 1, S. 5 Z. 9 bis 25, S. 8 Z. 1 bis 18 und S. 27 Z. 21 bis 30), wobei das jeweilige Beispiel 6 der NIK1/NiK2 bzw. HLNK15 explizit auf eine maximale Tagesdosis von 5 mg Tadalafil hinweist, so dass mit Patentanspruch 1 auch kein Aliud beansprucht wird.
b) Im Ergebnis kann es daher ebenso dahingestellt bleiben, inwiefern die von der Klägerin geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Neuheit begründet sind. Hiergegen dürfte nach Ansicht des Senats jedoch zum einen sprechen, dass das Streitpatent die Priorität der Voranmeldung NIK1.2/NiK3 wirksam in Anspruch nehmen dürfte, so dass die Druckschriften NIK6 und NIK7 keinen Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 PatG darstellen und nicht zu berücksichtigen sein dürften. Denn die Übertragung der Prioritätsanmeldung von den Voranmeldern auf die damalige Lilly… LLC (heute: I… Corp.) als Nachanmelderin ist jedenfalls mit der Urkunde HLNK2 nachgewiesen worden. Sie enthält eine von allen vier Miterfindern und Voranmeldern im Mai bzw. Juli 1999 unterzeichnete ausdrückliche Übertragungserklärung, die sich aufgrund der identischen Docket No. P- 12929 offensichtlich auch auf die Voranmeldung NIK1.2/NiK3 bezieht. Zudem dürfte Erfindungsidentität im Sinne von § 41 Abs. 1 PatG bestehen, da NIK1.2/NiK3 die Dosis von 5 mg als bevorzugte Tages- und Einheitsdosis sowie Tadalafil als eine von fünf explizit offenbarten Verbindungen aufzeigt, so dass der Fachmann die Dosisangabe unmittelbar und eindeutig auch auf Tadalafil beziehen dürfte.
Zum anderen dürfte die NIK5/NiK4 keine Zusammensetzung mit den Dosisangaben gemäß der Merkmale 3 und 5 aufzeigen. Die im Streitpatent erfolgte Auswahl aus der Lehre der NIK5/NiK4 dürfte für die Begründung der Neuheit ausreichend sein, da für die patentgemäße Zusammensetzung im Streitpatent insbesondere hinsichtlich der Nebenwirkungen eine besondere technische Wirkung nachgewiesen worden sein dürfte (vgl. BGH, GRUR 2014, 54, 58 Rn. [67] – Fettsäuren).
c) Obwohl auch die Frage der Ausführbarkeit nicht entschieden werden muss, dürften nach Ansicht des Senats die Gegenstände der Patentansprüche 9 und 17 ausführbar sein, weil die Streitpatentschrift die darin beschriebene Lehre expressis verbis auch zur Behandlung der Erregungsstörung der Frau vorsieht (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 3 Abs. [0013], S. 4 Abs. [0026]) und hierfür demzufolge keine anderen Maßnahmen erforderlich sein dürften als bei der Behandlung des Mannes. Dem Fachmann war zudem bekannt, dass die PDE5-Hemmung in weiblichen Geweben durch den PDE5-Inhibitor Sildenafil möglich ist und Sildenafil in Studien bereits bei Frauen zur Behandlung sexueller Dysfunktion in denselben Dosierungen wie bei Männern eingesetzt wurde (vgl. HLNK11 und HLNK12).
3. Die Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
a) Zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, Dosierungen von Tadalafil für eine effektive Therapie bei sexueller Dysfunktion bereitzustellen, ist der Fachmann – zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig – von der NIK5/NiK4 ausgegangen. Diese Druckschrift betrifft eine Tadalafil umfassende pharmazeutische Zusammensetzung zur Behandlung von sexueller Dysfunktion, die oral in Form von Tabletten oder Kapseln mit einem Wirkstoffgehalt von 0,2 bis 400 mg für eine tägliche Maximaldosis von 0,5 bis 800 mg Tadalafil verabreicht wird (vgl. NIK5/NiK4 Patentanspruch 6 S. 4 Z. 17 bis S. 5 Z. 9 und S. 10/11 Beispiel 1). Diese breiten Dosisbereiche lassen erkennen, dass sie das Ergebnis von Sicherheits- und Verträglichkeitsprüfungen sind, die typischerweise im Rahmen der Untersuchungen zur Pharmakodynamik während der klinischen Prüfungen der Phase I durchgeführt werden und anhand derer erwünschte und unerwünschte Wirkungen eines Arzneistoffs unter standardisierten Bedingungen genau und umfassend charakterisiert werden (vgl. gutachtlich NIK21 S. 105, li. und re. Sp. jeweils Abs. 2). Die therapeutisch wirksame tägliche orale Maximaldosis von Tadalafil sowie Angaben zur Dosierung in der Zusammensetzung sind demzufolge der NIK5/NiK4 nicht zu entnehmen. Daher wird der einschlägig tätige Fachmann weitere gezielte Dosisfindungsstudien durchführen, die zum Standardrepertoire in seinem Tätigkeitsfeld gehören, welches auch klinische Phase II- und III-Studien umfasst (vgl. NIK21 S. 104 Abb. 8.1). Im Rahmen dieser Studien wird er einerseits das Ziel einer Arzneimittelgabe, die mit dem jeweiligen Wirkstoff verbundene Wirkung auch tatsächlich zu erreichen, als Grundvoraussetzung für den Einsatz des Wirkstoffs im Auge haben. Andererseits wird der Fachmann, um seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen, einen Wirkstoff so dosieren, dass mit der Gabe gegebenenfalls verbundene und nicht erwünschte Nebenwirkungen weit möglichst vermieden werden (vgl. BPatG GRUR 2010, 50, 55 IV.2. – Cetirizin). Dabei ist es fachüblich, mit sehr niedrig gewählten Anfangsdosen zu beginnen und bei Verträglichkeit die Dosis zu steigern (vgl. NIK21 S. 105/106 seitenübergr. Abs. i. V. m. Abb. 8.2).
Übertragen auf Tadalafil wird sich der Fachmann bei den Dosisfindungsstudien ausgehend von dem aus NIK5/NiK4 bekannten potentiell möglichen Dosisbereich daneben auch an bekannten Dosierungen von Wirkstoffen orientieren, die dieselbe biochemische, physiologische und klinische Wirkung haben, im Streitfall also die cGMP-spezifische Phosphodiesterase (PDE5) inhibieren. Dabei wird sein Blick auf Sildenafil fallen, das zum maßgeblichen Zeitpunkt der bekannte PDE5-Inhibitor für die Behandlung sexueller Dysfunktion gewesen ist und das bereits in Dosierungen von 5 mg bis 100 mg klinisch getestet worden ist (vgl. NiK6 v. a. Tab.). Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte wird sich der Fachmann somit sowohl bei der Einzeldosis als auch bei der täglichen Maximaldosis an der unteren Grenze der in NIK5/NiK4 genannten Dosierung orientieren, da er zum einen weiß, dass das Auftreten von Nebenwirkungen in aller Regel dosisabhängig ist und hohe Wirkstoffmengen in einem Medikament stets mit Risiken verbunden sind. Zum anderen ist ihm bewusst, dass zumindest mit dem ebenfalls als PDE5-Inhibitor wirkenden Sildenafil bereits bei einer täglichen oralen Dosierung von 5 mg eine gute Wirkung erreicht werden kann. Das Auffinden der beanspruchten täglichen, oral zu verabreichenden maximalen Gesamtdosis von bis zu 5 mg Tadalafil in einer Einheitsdosiszusammensetzung mit 1 bis 5 mg Tadalafil stellt daher eine dem Aufgabenkreis des Fachmanns zuzurechnende, übliche Maßnahme dar. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 hat somit ausgehend von NIK5/NiK4 in Kombination mit dem Fachwissen nahe gelegen.
b) Der Fachmann hatte auch eine angemessene Erfolgserwartung, die streitpatentgemäßen Dosierungen ins Auge zu fassen. Die Tatsache, dass für den bekannten PD5-Inhibitor Sildenafil bereits eine gute Wirkung bei einer Dosierung von 5 mg beschrieben wird (vgl. NiK6 Tab.), motiviert den Fachmann Dosierungen in diesem Bereich zu berücksichtigen. Darin wird er zudem durch die Tatsache bestärkt, dass der IC50-Wert für Sildenafil bei 0,0039 ± 0,009 mM (= 3,9 ± 0,9 nM) bzw. bei 3.0 bis 3.6 nM und für Tadalafil bei 2 nM liegt (vgl. NiK5 S. 47 Zusammenfassung, S. 50 li. Sp. Abs. 2 i. V. m. Tab. 2; vgl. NIK5/NiK4 S. 17 Tab. 1; vgl. HLNK8 S. 1822 Tab. in Fig. 5: Compound X). Der IC50-Wert, der die Konzentration des jeweiligen PDE5-Inhibitors angibt, bei der halbmaximale Hemmung beobachtet wird, ist für den Fachmann ein wichtiger Hinweis auf die Wirksamkeit eines Wirkstoffs. Da der IC50-Wert von Sildenafil demnach mindestens 33 % über dem IC50-Wert von Tadalafil liegt, geht der Fachmann somit von einer höheren Wirksamkeit von Tadalafil gegenüber Sildenafil aus, weshalb umso mehr die Veranlassung bestand, bei den Dosisfindungsstudien niedrige Dosierungen zu berücksichtigen.
Gegen das Vorliegen einer angemessenen Erfolgserwartung spricht nicht, dass der in vitro gemessene IC50-Wert keine Aussagekraft über die klinische Wirksamkeit eines Wirkstoffs habe und deshalb weitere Parameter wie z. B. die Löslichkeit des Wirkstoffs oder die Verteilung des Wirkstoffs im Gewebe für eine Vorhersage hinsichtlich der Wirksamkeit benötigt würden. Zum einen sind die angegebenen IC50-Werte in der Fachwelt anerkannte Werte zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit einer Substanz. Zum anderen ist dem Fachmann bekannt, dass die PDE5-Hemmung die biochemische Grundlage für die therapeutische Behandlung von sexueller Dysfunktion darstellt (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 2 Abs. [0003] und darin angegebene Literaturstellen; vgl. HLNK1/NIK9 S. 1397/1398 seitenübergr. Abs.). In Kenntnis dessen betrachtet er den IC50-Wert für die PDE5-Hemmung als wichtigen Indikator hinsichtlich der möglichen Wirksamkeit eines potentiellen Wirkstoffs, so dass er den IC50-Wert bei seinen Überlegungen in jedem Fall berücksichtigt. Daher spielt es auch keine Rolle, dass zwischen Sildenafil und Tadalafil keine Strukturähnlichkeit besteht (vgl. HLNK10 S. 1 Abs. 2; vgl. NIK1.3/NiK1 S. 3 Abs. [0011] und [0014]).
c) Die NIK5/NiK4 mag zwar Ergebnisse aus der Grundlagenforschung beschreiben (vgl. HLNK40 S. 68 Mitte grau hinterlegter Abs.; vgl. NIK21 S. 104 li. Sp. Z. 14 bis 16) und daher noch keine klinisch relevanten Daten enthalten. Diese Druckschrift hat für den Fachmann aber dennoch einen eindeutigen Hinweischarakter, da sie die erfolgreiche in vitro Hemmung von PDE5 durch Tadalafil beschreibt (vgl. NIK5/NiK4 S. 16 Z. 10 bis S. 17 Z. 27). Zudem gibt diese Druckschrift auf den Seiten 12 bis 16 verschiedene Formulierungsbeispiele an. Dies motiviert den Fachmann ebenfalls, die Lehre dieser Druckschrift bei der Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe zu berücksichtigen.
d) Die in NIK5/NiK4 aufgezeigten pharmazeutischen Formulierungen, die nur Beispiele mit 50 mg Tadalafil offenbaren, sind ebenfalls kein Indiz dafür, dass der Fachmann niedrigere Konzentrationen gemäß Merkmal 3 nicht ins Auge gefasst hat. Denn zum einen handelt es sich bei diesen Formulierungen lediglich um Beispiele, wie der Wirkstoff Tadalafil prinzipiell formuliert werden kann, nämlich in Form von Tabletten und Kapseln (vgl. NIK5/NiK4 S. 12 Z. 15, S. 14 Z. 18 und S. 15 Z. 9), und nicht um das Ergebnis von Dosisfindungsversuchen, die – wie die Beklagte selbst vorgetragen hat – erst Gegenstand der klinischen Prüfung der Phase II sind (vgl. NIK21 S. 104 Abb. 8.1, v. a. 6. Spiegelpunkt unter Phase II). Zum anderen gibt die NIK5/NiK4 keinen Hinweis darauf, dass es sich bei der in den Formulierungsbeispielen verwendeten Dosierung von 50 mg Tadalafil um eine besonders geeignete Dosierung für diesen Wirkstoff handelt. Vielmehr gibt diese Druckschrift an einer einzigen Offenbarungsstelle lediglich den weiten Dosisbereich von 0,1 bis 400 mg für Tadalafil-haltige Zubereitungen zur Verabreichung einer maximalen Tagesdosis von 0,5 bis 800 mg an und enthält ansonsten keine weiteren Angaben zur Dosis (vgl. NIK5/NiK4 S. 5 Abs. 1).
e) Insoweit die Lehre der HLNK1/NIK9 dahingehend ausgelegt werden könnte, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt die Tendenz bei PDE5-Inhibitor-Wirkstoffen zur Behandlung der sexuellen Dysfunktion eher zu höheren Dosen gegangen sei, weshalb der Fachmann keine Veranlassung gehabt habe, sich mit den beanspruchten niedrigen Dosen zu beschäftigen, kann diese Argumentation nicht durchgreifen. Denn in HLNK1/NIK9 mögen zwar die Patienten – vor die Wahl gestellt, die Dosierung von oral einzunehmenden Sildenafil selbst zu bestimmen – zu hohen Prozentanteilen die Dosis von 100 mg anstelle von 25 mg ausgewählt haben (vgl. HLNK1/NIK9 S. 1399 li. Sp. Abs. 2 i. V. m. S. 1398 re. Sp. Abs. 3). Diese Dosierungsauswahl erfolgte aber nicht durch den Fachmann sondern durch medizinische Laien in einer subjektiven Wertung der Wirkung. Bei Dosisfindungsstudien ist aber nicht der Wunsch der Patienten sondern die medizinisch wirksame Dosis entscheidend. Dabei spielen für den Fachmann neben der Wirkungsbewertung auch die medizinische Sicherheit und die auftretenden Nebenwirkungen eine wichtige Rolle.
f) Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass im britischen Parallelverfahren das erstinstanzliche Gericht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit akzeptiert habe, weil der Fachmann bei der Entwicklung eines Tadalafilarzneimittels zwar eine Dosisfindungsstudie unter Einschluss einer 5 mg-Dosis durchgeführt habe, er aber dabei nicht habe voraussagen können, ob bei einer Dosierung von 5 mg ein gutes Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil erzielt werden könne, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn das britische Gericht stützt seine Entscheidung auf den überraschend vorteilhaften Effekt des Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils, wobei es aber zugesteht, dass die Dosisfindungsstudie unter Einschluss der 5 mg Dosis an sich naheliegend sei. Diese rechtliche Beurteilung widerspricht der Rechtsprechung des BGH. Danach ist dieser zusätzliche und überraschende Effekt im Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil von Tadalafil lediglich als das zwangsläufige Ergebnis der durch die im Stand der Technik gemäß NIK5/NiK4 und durch das Fachwissen veranlassten und nahegelegten Dosisfindungsstudie und somit als Bonuseffekt anzusehen, der eine erfinderische Tätigkeit allein nicht zu begründen vermag (vgl. Schulte/Moufang PatG, 10. Aufl., § 4 Rn. 157; vgl. Busse/ Keukenschrijver PatG, 8. Aufl., § 4 Rn. 75 i. V. m. BGH GRUR 2003, 317 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel).
4. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass ihre Antragsstellung gemäß Hauptantrag als in sich geschlossen anzusehen ist, erübrigt es sich festzustellen, ob in den neben- und nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 17 ein bestandsfähiger Rest zu erkennen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 862 – Informationsvermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).
III.
Das Streitpatent in den von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1, 2 und 4 erweist sich wegen unzulässiger Erweiterung gleichfalls als nicht bestandsfähig.
1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Merkmal 4 durch die Beschränkung auf eine "tägliche (daily)" Verabreichung.
a) Vor der Prüfung der Zulässigkeit dieser Beschränkung ist zunächst zu klären, was das Streitpatent unter einer "daily"-Verabreichung versteht. Gemäß der Beschreibung unterscheidet das Streitpatent zwischen einer "daily-" und einer "on demand" – d. h. "bei Bedarf" – Verabreichung (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 10 Z. 56 bis 58 und S. 11 Z. 4 bis 6). Beide Verabreichungsarten kommen aus der klinischen Anwendung, weshalb der Fachmann diesen eine beachtenswerte Bedeutung zumisst. Für die "on demand"-Dosierung findet er im Abs. [0076] des Streitpatents eine explizite Definition, nach der diese als mit zeitlichen Zwischenräumen erfolgende Verabreichung von Tadalafil vor einer erwarteten sexuellen Aktivität zu verstehen ist. Demgegenüber gibt das Streitpatent für die "daily"-Verabreichung keine explizite Definition an. Es gibt dazu lediglich im Beispiel 5 an, dass eine Dosis täglich verabreicht wird (vgl. NIK1.3/NiK1 S. 10 Z. 42 bis 43). Da aber das Streitpatent diese Verabreichungsform klar und eindeutig von der "on demand"-Dosierung unterscheidet, versteht der Fachmann somit unter einer "daily"-Verabreichung im Unterschied zur "on-demand" Dosierung die wiederholte tägliche Verabreichung von Tadalafil ohne einen Anlass. Zudem legt Patentanspruch 1 des Hilfsantrags durch die Beanspruchung einer Einheitsdosisform von 1 bis 5 mg Tadalafil und einer täglichen Verabreichung von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg Tadalafil pro Tag auch die tägliche Maximaldosis auf den Bereich von 1 bis 5 mg Tadalafil fest.
b) Eine derartige "daily" Dosierung, d. h. tägliche Verabreichung von Tadalafil ohne Anlass, ist allerdings nicht der Offenlegungsschrift HLNK15 zu entnehmen, so dass der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 unzulässig erweitert ist. Denn die "daily"-Verabreichung findet sich in HLNK15 nur in den Beispielen 5 und 6. Dort wird aber Tadalafil in einer Dosis von 10 mg bzw. 5 bis 20 mg verabreicht (vgl. HLNK15 S. 26 Z. 28 bis 30 und S. 27 Z. 21 bis 28). Eine Dosis von 1 bis 5 mg wird demgegenüber für die "daily"-Verabreichung nicht offenbart. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher nicht zulässig.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Offenbarung im Beispiel 7 der HLNK15, in dem eine Dosis von u. a. 2 mg Tadalafil "on demand" und nicht mehr als alle 24 Stunden verabreicht worden ist (vgl. HLNK15 S. 28 Z. 26 bis 28). Denn bei diesem Dosisregime mag es zwar zu einer täglichen Verabreichung von 2 mg Tadalafil kommen, aber diese wird nur bei Bedarf, d. h. in Erwartung einer sexuellen Aktivität, eingenommen. Damit unterscheidet sich dieses Dosisregime aber von der "daily"-Dosierung im streitpatentgemäßen Sinn, bei der die tägliche Einnahme von Tadalafil ohne Anlass erfolgt, so dass das Beispiel 7 keine Offenbarungsstelle für die im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 beanspruchte tägliche Verabreichung angibt.
Dasselbe gilt für den Absatz 1 auf Seite 8 der HLNK15. Dort findet sich nur die Angabe, dass die Packungsbeilage auch Anweisungen liefert, eine oder mehrere Einheitsdosisformen mit etwa 1 bis etwa 20 mg nach Bedarf ("as needed") bis zu einer maximalen Dosis von 20 mg pro Tag zu verabreichen. Diese Offenbarungsstelle bezieht sich somit eindeutig auf das alternative Dosisregime "on demand" und nicht auf die im Hilfsantrag 1 beanspruchte "daily"-Verabreichung.
2. Da der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 wortgleich mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist und der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sich vom Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 nur durch die zusätzliche Zweckangabe "for use in treating a sexual dysfunction" (= "zur Verwendung bei der Behandlung sexueller Dysfunktion") unterscheidet, gehen auch die jeweiligen Patentansprüche 1 nach Hilfsantrag 2 und 4 über den Inhalt der Offenlegungsschrift HLNK15 hinaus. Denn sie betreffen ebenfalls eine "daily"-Dosierung einer maximalen Gesamtdosis von Tadalafil in einem Bereich, der im Zusammenhang mit der "daily"-Verabreichung ursprünglich nicht offenbart worden ist. Die vorstehend genannten Gründe treffen für die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 und 4 daher gleichermaßen zu.
3. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1, 2 und 4 haben auch die jeweils neben- und nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 17 bzw. 2 bis 15 keinen Bestand, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie die Anspruchssätze als in sich geschlossen ansieht.
IV.
Schließlich ist die Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 3 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Merkmal 4 durch Streichung der Formulierung "wobei die Einheitsdosisform geeignet ist (said unit dosage form suitable)" und durch das zusätzliche Merkmal
6 zur Verwendung bei der Behandlung sexueller Dysfunktion (for use in treating a sexual dysfunction).
Da die Streichung der Formulierung "said unit dosage form suitable" im Merkmal 4 zu keinem anderen Gegenstand führt und das neu beanspruchte Merkmal 6 ebenfalls aus NIK5/NiK4 bekannt ist (vgl. NIK5/NiK4 u. a. Patentansprüche 1 bis 11, S. 3 Z. 30 bis 32, S. 4 Z. 1 bis 6, 25 bis 28, S. 5 le. Abs. bis S. 6 Abs. 4), treffen die zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dargelegten Gründe zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 jeweils ebenso zu. Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist somit nicht patentfähig.
2. Dasselbe Schicksal teilt der nebengeordnete Patentanspruch 8, für den von Seiten der Beklagten kein eigenständiger erfinderischer Gehalt geltend gemacht wurde. Dieser ist auch für den Senat nicht erkennbar.
Der Patentanspruch 8 ist auf die Verwendung einer Einheitsdosisform von 1 bis 5 mg Tadalafil zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verabreichung von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg Tadalafil täglich in einem Verfahren zum Behandeln einer sexuellen Dysfunktion bei einem Patienten, der dieser Behandlung bedarf, gerichtet. Aufgrund der bekannten Behandlung von sexueller Dysfunktion mit Tadalafil sowie des zuvor festgestellten Naheliegens einer Einheitsdosisform von Tadalafil im Bereich von 1 bis 5 mg zur Verabreichung einer Tagesmaximaldosis von bis zu 5 mg Tadalafil enthält der Patentanspruch 8 somit keine Merkmale, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
3. Bezüglich der auf den Patentanspruch 1 unmittelbar nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 7 und der auf den Patentanspruch 8 unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 9 bis 15 hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Dieses ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Diese Patentansprüche, deren selbstständiger Gehalt von den Klägerinnen unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, sind daher ebenfalls nicht patentfähig, ohne dass hierauf näher einzugehen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport).
V.
Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten entsprechend ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Fragen zu verschiedenen Aspekten des fachmännischen Wissens und Verständnisses einzuholen. Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist ein solcher Beweis in der Regel nicht erforderlich, da die Nichtigkeitssenate und die technischen Beschwerdesenate mit sachverständigen Richtern besetzt sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1235 LS 1 u. Rn. 8 – Kommunikationsrouter; Schulte/Voit, PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 157; Busse/Schuster, PatG, 8. Aufl., § 87 Rn. 23). Insbesondere bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht, wenn sich das Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 37. Aufl., Vorbem. § 402 Rn. 5).
Nach diesen Grundsätzen war vorliegend kein Beweis durch Sachverständige zu erheben, da der Senat aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage ist, anhand der Fachliteratur, insbesondere der von den Parteien umfangreich zur Verfügung gestellten Literatur einschließlich mehrerer Privatgutachten, das darin wiedergegebene Fachwissen zur Tatsachenbeurteilung zur Kenntnis zu nehmen und damit den gegebenen Sachverhalt umfassend zu erkennen und zu würdigen.
Soweit die Beklagte darüber hinaus beantragt hat, Sachverständigenbeweis auch zur Auslegung des Hauptanspruchs des Streitpatents zu erheben, etwa in Zusammenhang mit Fragen der Erweiterung des Schutzbereichs (vgl. Schriftsatz vom 11. Mai 2017, S. 6 Ziff. 7), handelt es sich dabei um des eine Rechtsfrage, deren Entscheidung nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden darf (vgl. BGH GRUR 2008, 779, 782 , LS 1. u. Rn. 30 – Mehrgangnabe). Im Übrigen kam es hierauf nicht an (s. o.).
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.