Entscheidungsdatum: 28.06.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 912 898
(DE 597 05 683)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, der Richter Guth und Dipl.-Chem. Dr. rer. nat. Egerer, der Richterin Dipl.-Chem. Zettler sowie des Richters Dipl.-Chem. Dr. rer. nat. Lange
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 912 898 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 5 Millionen € festgesetzt.
Die Beklagten sind Inhaber des unter Inanspruchnahme der Priorität DE 196 30 557 vom 18. Juli 1996 unter anderem für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 912 898 mit der Bezeichnung
„Immunologisches Nachweisverfahren von Antikörpern, die gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) gerichtet sind, Verwendung von tTG zur Diagnose und Therapiekontrolle sowie orales pharmazeutisches Mittel enthaltend tTG.“
Das Streitpatent, das in vollem Umfang und hilfsweise in fünf eingeschränkten Fassungen verteidigt wird, umfasst in der erteilten Fassung neun Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 2 bis 6 auf den Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogen und die Patentansprüche 7 bis 9 nebengeordnet sind. Die erteilten Patentansprüche lauten:
Die Klägerin greift das Patent in vollem Umfang an und macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit, konkret hinsichtlich der Gegenstände der Patentansprüche 8 und 9, sowie der mangelnden Patentfähigkeit in Bezug auf sämtliche Patentansprüche geltend. Sie stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Druckschriften:
K2 DE 196 30 557 C2 (Patent der in Anspruch genommenen Priorität) |
K3 The Lancet 338 (1991) 724-725 |
K6 Gut, 4th United European Gastroenterology Week, 17-21 September 1995, A76-A77, Abstract No. 773. |
K7 Clinical Science 68 (1985) 573-579 |
Die Klägerin ist der Auffassung, die Gegenstände der Patentansprüche 8 und 9 des Streitpatents seien nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, weil das Streitpatent keine Angaben über die Wirksamkeit oder Art der Verabreichung der tTG und über den ursächlichen Zusammenhang des tTG mit den Symptomen der Zöliakie/Sprue enthalte. Außerdem seien die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 7 durch die Druckschriften K3, K4, K5 und K6 neuheitsschädlich vorweggenommen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Ansprüche 1 und 7 des Streitpatents die Verwendung von tTG-Analoga, d. h. die Verwendung jeglicher Proteine oder Polypeptide, die eine Immunreaktion mit Antikörpern gegen tTG eingehen können, einschlössen. Weiterhin beruhe der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß K6, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von K7, K8, K10 und K11. Entsprechendes gelte für den Patentgegenstand in den gemäß Hilfsanträgen I bis V verteidigten Fassungen.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 912 898 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Hilfsanträge I bis V gem. Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 8. April 2011 erhält.
Bei dem Hilfsantrag I handelt es sich um die Patentansprüche 1 bis 7 der erteilten Fassung.
In Hilfsantrag II wird in Patentanspruch 1 der Begriff „Antikörper“ ersetzt durch „humane IgA- und-/oder IgG-Antikörper“. Die Patentansprüche 2, 7, 8 und 9 der erteilten Fassung sind gestrichen. Die Patentansprüche 3, 4, 5 und 6 der erteilten Fassung sind umnummeriert und in ihren Rückbezügen angepasst.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III enthält zusätzlich zur Fassung gemäß Hilfsantrag II das Merkmal „wobei der Nachweis in einem ELISA, RIA oder Fluoreszenzimmunoassay erfolgt“. Die Patentansprüche 2, 6, 7, 8 und 9 der erteilten Fassung sind gestrichen. Die Patentansprüche 3, 4 und 5 der erteilten Fassung sind umnummeriert und in ihren Rückbezügen angepasst.
Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag IV entsprechen denen gemäß Hilfsantrag III mit der Ausnahme, dass in Patentanspruch 1 das Merkmal „deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga“ gestrichen wird.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV, wobei das Merkmal, dass die Gewebe-Transglutaminase (tTG), mit der eine Immunreaktion erfolgt, „rekombinanten Ursprungs ist“, hinzugefügt wird. Die Patentansprüche 4 und 5 der erteilten Fassung folgen als Ansprüche 2 und 3 und sind in ihren Rückbezügen angepasst.
Die Beklagten beziehen sich auf u. a. folgende Dokumente:
B1 Monatsschrift Kinderheilkunde 151 (2003) 715-718
B2 Gastroenterology 115 (1998) 1584-1586
B3 Deutsches Ärzteblatt 96 (1999) B1793-1794
B4 Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA vom 11. April 2006 zum Streitpatent EP 0 912 898 B1
B5 Bescheid der Beschwerdekammer des EPA vom 14. September 2009 betreffend das Streitpatent über die Beendigung des Beschwerdeverfahrens T 0960/06 - 3.3.08 ohne Sachentscheidung
B6 Urteil Nr. 927/10 vom 18. Februar 2010 im Berufungsverfahren vor dem Corte d’Appello di Milano
B6a deutsche Übersetzung von B6
B7 Technisches Gutachten vom 21. April 2010 von Dr. C. Germinario (amtlich bestellter Sachverständiger) im Verfahren No. R.G. 21884/2007 vor dem Tribunale di Roma
B7a deutsche Übersetzung von B7
B9 Harlow, E., Lane, D. : Lehrbuch „Antibodies, A Laboratory Manual“, Cold Spring Harbor Laboratory 1988, Kapitel 11 u. 13, S. 421- 470 u. 511-552
B10 Sambrook, J., Fritsch, E.F., Maniatis, T. „Molecular Cloning“, A Laboratory Manual, 2nd edition , Cold Spring Harbor Laboratory Press 1989, S. 18.12, 18.13, 18.26-18.33, 18.42-18.46
B11 Erklärung des Erfinders Prof. Dr. Dr. Schuppan vom 20. Dezember 2007
B12 Lebenslauf und Literaturliste von Prof. Dr. Dr. Schuppan, erstellt am 28. November 2007
B13 Immunoprecipitation, SDS-PAGE Electrophoresis and Western-Blots, Versuchsbericht eines Vergleichs, 9 Seiten
B14 Biochem. Biophys. Res. Commun. 209 (1995) 597-605
B15 American Journal of Gastroenterology 99 (2004) 1551-1556
B16 Proteomics 3 (2003) 951-956
B17 Gut 55 (2006) 478-484
B18 BGH GRUR Int. 2010, 761 - Walzenformgebungsmaschine
B19 Journal of Immunological Methods 74 (1984) 327-336
B20 The Lancet, Oct. 20, 1984, S, 892-894
B21 Gut 27 (1986) 147-152
B22 Abbildung eines Gels, Fig. 1 aus B13, in besserer optischer Qualität
B23 Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, Fifth Completely Revised Edition, Vol. A9, Seiten 348 - 351, Schlagwort „Enzymes“
B24 J. Biol. Chem. 266 (1991) 478 - 483
B25 Nucleotide, Human transglutaminase (TGase) mRNA, complete cds.
Die Beklagten sind der Auffassung, ein Beweisanzeichen für die Patentfähigkeit der streitgegenständlichen Erfindung sei, dass diese in der Fachwelt große Anerkennung erfahren habe. Der Gegenstand des Streitpatents sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. K4 beschreibe lediglich Vorarbeiten, die erforderlich seien, um ein diagnostisches Verfahren bereitstellen zu können und offenbare keines der Merkmale des Streitpatents. K5 erwähne weder die Gewebe-Transglutaminase, hiergegen gerichtete Antikörper, noch wie durch die erfindungsgemäße Antigen-Antikörperreaktion eine diagnostische Aussage getroffen werden könne. K6 befasse sich nicht mit einem Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie und bleibe so unkonkret, dass auch eine implizite Offenbarung eines solchen Verfahrens ausscheide. K6 komme außerdem als Ausgangspunkt für die Lösung der Aufgabe des Streitpatents nicht in Frage, weil der Durchschnittsfachmann seine Untersuchungen nicht mit einem nach dem Stand der Technik ungeeigneten Protein durchführen würde. Weiterhin offenbare K6 außerdem nicht, wie die Experimente durchgeführt würden und sei nicht nacharbeitbar. Dies gelte auch in Verbindung mit K7 und K8, die nicht erwähnten, dass Gewebe-Transglutaminase ein Autoantigen der Zöliakie sein könnte und daher keinen Anlass gäben, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen. Insbesondere werde auf das technische Gutachten des fachlich überaus kompetenten und neutralen gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. Germinario im Verfahren No. R.G. 21884/2007 vor dem Tribunale di Roma (B7) verwiesen.
Die Beklagten regen an, in analoger Anwendung von § 41 Nr. 6 ZPO diejenigen Richter, die an dem Beschluss im Verfahren 15 W (pat) 21/02, das weitestgehend denselben Gegenstand betroffen habe, beteiligt waren, nicht mit dem vorliegenden Fall zu befassen. Weiterhin regen sie an, Sachverständigenbeweis zu den Fragen zu erheben, wie das Streitpatent und die Entgegenhaltungen aus der Sicht eines Fachmanns zu verstehen seien.
I.
Es bestand kein Anlass, Richter am Bundespatentgericht E… wegen seiner Mitwirkung im Beschwerdeverfahren 15 W (pat) 21/02 von der Mitwirkung im Nichtigkeitsverfahren auszuschließen.
Gem. § 86 Abs. 2 Nr. 2 PatG ist im Nichtigkeitsverfahren von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, wer bei dem Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat. Dies trifft hier jedoch nicht zu, weil das Beschwerdeverfahren 15 W (pat) 21/02 nicht das hier streitgegenständliche europäische Patent 0 912 898, sondern das deutsche Patent 196 30 557 betraf.
Auch eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 2 Nr. 2 PatG bzw. des ihm weitgehend entsprechenden § 41 Nr. 6 ZPO kommt nicht in Betracht.
Da § 86 PatG und § 41 ZPO das durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter betreffen, ist eine enge Auslegung dieser Vorschriften geboten (vgl.. etwa BGH GRUR 1993, 466 - Pre-print-Versendung; BGH NJW 1991, 425; BGH BlPMZ 1976, 192 Textilreiniger; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 86 Rn. 5), so dass eine analoge Anwendung grundsätzlich ausscheidet. Die die Richterausschließung betreffenden Gesetzesvorschriften sind als eine Regelung von Ausnahmetatbeständen, die dieses Grundrecht einschränkend ausgestalten, weder einer extensiven Auslegung noch einer analogen Anwendung zugänglich (vgl.. BPatGE 30, 258). Es ist daher anerkannt, dass eine Ausdehnung auf die Mitwirkung eines Richters in verschiedenen Verfahren mit unterschiedlichen Verfahrensgegenständen bei gleicher Rechtsfrage nicht zulässig ist (vgl.. BGH GRUR 1965, 50 - Schrankbett; vgl.. auch BPatGE 30, 258; Thomas-Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 41 Rn. 7).
II.
Die auf die Nichtigkeitsgründe mangelnder Ausführbarkeit und mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit b EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents, da sich die patentgegenständliche Lehre gegenüber dem Stand der Technik als nicht mehr neu oder demgegenüber jedenfalls als nicht erfinderisch erweist.
Bei der zugrundeliegenden Beurteilung der Patentfähigkeit ist zu unterscheiden zwischen dem Teilgegenstand der Hilfsanträge IV und V betreffend allein die Gewebe-Transglutaminase als diagnostisches Reagenz in dem beanspruchten Verfahren einerseits und dem darüber hinaus auch deren immunreaktive Sequenzen und Analoga als diagnostische Reagenzien umfassenden Gegenstand der erteilten Fassung (Hauptantrag) sowie der Hilfsanträge I bis III andererseits.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit Gewebe-Transglutaminase (tTG), deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga zum Zweck der Diagnose und Therapie von Zöliakie oder Sprue (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 2 [0001]).
Die Erfindung basiert nach den Angaben in der Beschreibung des Streitpatents auf der Erkenntnis, dass die Gewebe-Transglutaminase das Autoantigen der Sprue bzw. der Zöliakie ist und zu deren Diagnose verwendet werden kann (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 2 Z. 10 bis 13).
Die Zöliakie ist eine Erkrankung der Dünndarmschleimhaut mit Erstmanifestation vorwiegend im späten Säuglings- und Kleinkindalter. Tritt das entsprechende Krankheitsbild erst beim Erwachsenen auf, so wird die Erkrankung als einheimische Sprue bezeichnet. Zöliakie und Sprue bezeichnen also die gleiche Krankheit und gehen einher mit einer entzündlichen Veränderung der Mukosa und einer dadurch verursachten generalisierten Malabsorption. Als krankheitsauslösende Faktoren sind die Klebereiweiße (Glutene) aus Weizen, Gerste, Roggen und z. T. Hafer bekannt, während jene aus Mais, Reis und Soja nicht pathogen sind. Die Therapie der Sprue besteht in der strikten Einhaltung einer lebenslangen glutenfreien Diät. Sofern die Sprue rechtzeitig diagnostiziert und therapiert wird, besitzt sie eine gute Prognose (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 2 [0003] bis [0008]).
Für die Diagnose der Sprue und der Verlaufskontrolle unter glutenfreier Diät war am Anmeldetag des Streitpatents zwar immer noch die Dünndarmbiopsie der „Goldstandard“, jedoch gewinnen zunehmend auch nicht-invasive Methoden der Diagnostik an Bedeutung, die auf immunologischen Markern beruhen. Da in den Seren der Sprue-Patienten Antikörper der IgA- und der IgG-Klasse vorkommen, die zum Einen gegen Gliadin gerichtet sind und zum Anderen gegen ein Autoantigen des Endomysiums, einem speziellen Bindegewebe, das u. a. die Kollagene I, III und V, elastische Fasern, nichtkollagene Proteine wie z. B. Fibronektin und Proteoglykane enthält, können die Seren im ELISA auf IgG- und IgA-Antikörper gegen Gliadin, sowie durch indirekte Immunfluoreszenz auf IgG- und IgA-Antikörper gegen Endomysium getestet werden. Während Antikörper gegen Gliadin nicht spezifisch genug für die Sprue sind, wird für die IgA-Antikörper gegen Endomysium eine hohe Sensitivität und Spezifität von 97 bis 100 % berichtet. Allerdings werden für den Immunfluoreszenz-Nachweise Ösophagusschnitte von Primaten benötigt, und es gibt auch Versuche zum Nachweis mit Nabelschnurmaterial sowie mit Antigengemischen aus Affendünndarm, Rattenleber und Schafslunge (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 2 bis 3 [0009]).
Obwohl darüber hinaus über weitere diagnostische Ansätze in der Literatur berichtet wurde, existierte am Anmeldetag des Streitpatents kein nicht-invasiver, spezifischer, quantitativer, schnell, leicht und kostengünstig durchzuführender Nachweistest für die Sprue/Zöliakie und deren Therapie-Kontrolle.
Umfangreichere Screening-Programme scheiterten daran, dass invasive Duodenal-Biopsien symptomfreier Personen unzumutbar und viel zu aufwendig sind, ein auf Antikörpern gegen Gliadin beruhender ELISA-Nachweis aufgrund seiner geringen Spezifität kaum brauchbar ist und weil der auf Primaten-Ösophagus basierende Immunfluoreszenz-Nachweis von Endomysium-Antikörpern der IgA-Klasse als generelle Screeningmethode zu aufwendig ist. Außerdem ist die Beurteilung subjektiv und erlaubt nicht die Erfassung von Sprue-Patienten mit einer IgA-Defizienz.(vgl. EP 0 912 898 B1 S. 3 [0010] bis [0014]).
2. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift ist die der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, einen nicht-invasiven, spezifischen, quantitativen, schnellen, leicht und kostengünstig durchzuführenden Nachweis-Test für Sprue/Zöliakie und deren Therapiekontrolle bereitzustellen (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 3 [0014]).
Gelöst wird die Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (erteilte Fassung) durch ein
1) Verfahren zur Diagnose oder zur Therapiekontrolle der Zöliakie/Sprue
gekennzeichnet durch
2) den Nachweis von Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten,
3) durch eine Immunreaktion mit
3.1) Gewebe-Transglutaminase (tTG),
oder
3.2) immunreaktiven Sequenzen der tTG
oder
3.3) Analoga der tTG
oder
3.4) Analoga der immunreaktiven Sequenzen der tTG als Reagenz,
4) und nicht durch eine Immunreaktion mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes.
Weitere Merkmale in den auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 6 sind
2.1) Nachweis humaner IgA- und/oder IgG-Antikörper,
3.1.1) tTG humanen, tierischen, synthetischen oder rekombinanten Ursprungs,
3.5) unter direkter oder indirekter Kopplung eines Reaktionspartners mit einer gut nachweisbaren Markierungssubstanz
3.5.1) Nachweis in einem ELISA, RIA oder FIA,
3.5.2) Nachweis an einer festen Phase (trägergebunden).
Die Aufgabe wird nach Hauptantrag weiter gelöst
gemäß Patentanspruch 7 durch die Verwendung von Reagenzien entsprechend den Merkmalen 3.1 bis 3.4 zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue/Zöliakie,
gemäß Patentanspruch 8 durch ein orales pharmazeutisches Mittel zur Behandlung der Sprue oder Zöliakie enthaltend Stoffe entsprechend den Merkmalen 3.1 bis 3.4 und ggf. pharmazeutisch verträgliche Hilfsstoffe,
gemäß Patentanspruch 9 durch die Verwendung von Stoffen entsprechend den Merkmalen 3.1 bis 3.4 zur Herstellung von oralen pharmazeutischen Mitteln zur Behandlung der Sprue oder Zöliakie.
In den Hilfsanträgen II bis V sind Merkmale aus den Unteransprüchen in den Patentanspruch 1 aufgenommen, in den Hilfsanträgen IV und V die Merkmale 3.2 bis 3.4 aus Patentanspruch 1 gestrichen worden.
a) Der Gegenstand des Streitpatents liegt auf dem Gebiet der Immunologie, speziell auf dem Gebiet immundiagnostischer Verfahren. Grundlage der Immundiagnostik ist die Bildung von Immunkomplexen zwischen Antigenen und Antikörpern in der Immunreaktion.
Oftmals werden in der Immundiagnostik mittels polyklonaler oder monoklonaler Antikörper als Reagenzien beispielsweise die Konzentrationen von Proteinen oder Stoffwechselprodukten im Serum bestimmt. Das zu bestimmende Protein oder Stoffwechselprodukt stellt das Antigen der Immunreaktion dar:
(m)Ak + Serum ® (m)Ak-Ag-Komplex.
Beim Gegenstand des Streitpatents handelt es sich um ein demgegenüber umgekehrt geführtes immundiagnostisches Verfahren, da mit einem Antigen als Reagenz die Konzentration von Antikörpern im Serum bestimmt wird, also
Ag + Serum ® Ag-Ak-Komplex.
Dass als Reagenz des streitpatentgemäßen diagnostischen Verfahrens ein sogenanntes Autoantigen eingesetzt wird, das bei Autoimmunerkrankungen eine Immunantwort der Patienten, hier Patienten mit Zöliakie, durch Bildung spezifischer Antikörper gegen ein körpereigenes endogenes Protein bzw. Autoantigen hervorruft, ändert nichts an dem zugrundeliegenden Prinzip der Immunreaktion bzw. des immundiagnostischen Verfahrens.
b) Der Begriff „Transglutaminase“ stellt nicht eine stoffliche, sondern eine funktionelle Definition eines Proteins dar, welches in der Lage ist, die Umsetzung von Proteinyl- bzw. Peptidyl-Glutamin mit einem primären Amin, beispielsweise auch mit einer gegebenenfalls Protein- oder Peptid-gebundenen Aminosäure mit einer freien Aminogruppe, etwa Lysin, oder mit Wasser und damit die Transaminierung oder die Hydrolyse der delta-Aminogruppe des Glutamins zu katalysieren (vgl. EC 2.3.2.13). Transglutaminasen kommen ubiquitär mit unterschiedlichen Molekulargewichten und erheblichen Unterschieden in ihrer Primärstruktur in Bakterien, Pflanzen, Tieren und im Menschen in sehr unterschiedlichen Zell- und Gewebetypen sowie in den Körperflüssigkeiten vor, beim Menschen beispielsweise auch in Form der Pro-Transglutaminase Faktor XIII, einem Plasma-Enzym mit Molekulargewicht von etwa 320 kD mit vier Untereinheiten zweimal zu je etwa 75 kD und etwa 80 kD, wobei eine Untereinheit in der Regel gewebegebunden ist, in Form dessen katalytisch aktiver Untereinheit IIIa, oder auch in Form eines Proteins mit einem Molekulargewicht von etwa 77 kD, das der Familie der Transglutaminasen zugerechnet wird, obwohl es nicht die katalytische Funktion einer Transglutaminase aufweist.
Für die katalytische Aktivität von Transglutaminasen ist eine hochkonservierte, sogenannte „katalytische Triade“ aus den Aminosäuren Cystein, Histidin und Asparaginsäure in der räumlichen Anordnung bzw. Tertiärstruktur des sogenannten aktiven Zentrums des jeweiligen Proteins verantwortlich, eine ganz bestimmte Primärstruktur ist in Anbetracht von bis zu 80 % Strukturhomologie, d. h. mehr als etwa 100 Aminosäuren unterscheiden sich, nicht erforderlich (vgl. hierzu auch EP 0 912 898 B1 S. 3 Z. 36 bis S. 4 Z. 6 und die dort sowie auf S. 3 Z. 10 zitierte Fachliteratur).
Bei der Bewertung der Patentfähigkeit des beanspruchten diagnostischen Verfahrens kommt es auf die enzymatische bzw. katalytische Funktion der hier zum Einsatz gelangenden immundiagnostischen Reagenzien jedoch ebenso wenig an wie auf deren Herkunft bzw. Ursprung.
Entscheidend ist lediglich die immunologische Funktion des diagnostischen Reagenzes, also die Fähigkeit, mit den im Serum von Zöliakie-Patienten vorhandenen, gegen tTG gebildeten Antikörpern einen detektierbaren Immunkomplex zu bilden, die allein von der chemischen Struktur und damit von der stofflichen Beschaffenheit des Reagenzes abhängig ist.
c) Der Begriff „Analoga“ im Patentanspruch 1 des Streitpatents ist im Kontext der Grundlagen der Immunologie bzw. des allgemeinen Standes der Technik betreffend die Immunkomplexbildung zwischen Antigen und Antikörper und des speziellen Standes der Technik betreffend die Immunologie der Zöliakie unter Berücksichtigung der Beschreibung des Streitpatents auszulegen.
Demnach sind unter Analoga der tTG und der immunreaktiven Sequenzen der tTG alle antigenen Strukturen bzw. diese enthaltenden Stoffe, hier Peptide und Proteine, zu verstehen, die mit Antikörpern gegen tTG jedweder Herkunft (vgl. Patentansprüche 2 und 3 der erteilten Fassung) eine Immunreaktion eingehen, d. h. einen Immunkomplex bilden, beispielsweise synthetische Peptide, Fragmente sowie gegebenenfalls strukturell modifizierte Fragmente der tTG, beispielsweise durch Austausch von einer oder von mehreren Aminosäure(n) (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 4 [0020]). Dementsprechend gelten auch solche Polypeptide und Proteine bzw. deren auf unterschiedlichste Weise hergestellten Fragmente als Analoga der tTG, die sich von den Fragmenten der tTG und damit von beliebigen Sequenzabschnitten der tTG durch den Austausch von einer oder mehreren Aminosäuren unterscheiden mit der Folge, dass die stoffliche Grenze zwischen einem Gewebeprotein mit Transglutaminaseaktivität, dessen Fragmenten und Analoga, und einem Protein ohne Transglutaminaseaktivität, dessen Fragmenten und Analoga undefiniert ist und deshalb eine Abgrenzung von Polypeptiden und Proteinen des Standes der Technik mit der gleichen Immunfunktion nicht möglich ist.
Mangels Offenbarung erforderlicher konkreter struktureller Merkmale (Epitope bzw. antigene Strukturen, vgl. auch nachstehend Punkt 5a) bleibt lediglich die Funktion zur Ag/Ak-Bildung als relevantes Merkmal des beanspruchten Immuntests. Eine strukturelle Festlegung ist mit dem Begriff „Analoga“ nicht verbunden. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit des diagnostischen Tests ist die stoffliche Beschaffenheit, also die chemische Struktur des Reagenzes gemäß den Merkmalen 3, 3.1 bis 3.4, nicht die enzymatische (katalytische) Eigenschaft bzw. Funktion einer Transglutaminase. Die Merkmale 3.3 und 3.4 umfassen deshalb unter dem Begriff „Analoga“ jedwedes Polypeptid und Protein, welche die Fähigkeit zur Bildung eines detektierbaren Immunkomplexes mit gegen von Patienten mit aktiver Zöliakie gegen t-TG gebildeten, in Körperflüssigkeiten dieser Patienten vorhandenen Antikörpern besitzen, sowie jedwede partiellen Aminosäuresequenzen solcher Polypeptide und Proteine, die mit diesen Antikörpern einen Immunkomplex bilden, also immunreaktiv sind.
d) Das diagnostische Reagenz stellt in seinen alternativen Ausgestaltungen gemäß den Merkmalen 3.1 bis 3.4 der vorstehenden Merkmalsanalyse das bestimmende Merkmal des streitpatentgemäßen Verfahrens zur Diagnose der Zöliakie dar. Im diagnostischen Test auf Zöliakie und damit im Fall der Zielsetzung gemäß Merkmal 1 wird das diagnostische Reagenz (Merkmal 3 bzw. 3.1 bis 3.4) mit einer zu untersuchenden Körperflüssigkeit als Probe (Merkmal 2) zusammengebracht. In Abhängigkeit von der Struktur des diagnostischen Reagenzes findet eine Immunreaktion mit gegen Gewebe-Transglutaminase in Körperflüssigkeiten (von Zöliakie-Patienten) gebildeten Antikörpern statt. Ob in einer Probe Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase vorhanden sind, zeigt das Testergebnis. Der Disclaimer gemäß Merkmal 4, der den Stand der Technik betreffend menschliche Nabelschnurgewebeschnitte oder Gewebeschnitte aus diversen tierischen Organen als diagnostisches Reagenz ausnimmt (vgl. hierzu EP 0 912 898 B1 S. 2 Z. 55 bis S. 3 Z. 3), ist auch für die Bewertung der relevanten Druckschriften K3 bis K6 bedeutsam, weil in dem Endomysium und den Fibroblasten solcher Gewebe Transglutaminase, deren immunreaktive Sequenzen und/oder Analoga enthalten sind.
Bei der Prüfung des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie in den hilfsweise verteidigten Fassungen auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit liegt das Augenmerk deshalb auf der Bewertung der maßgeblichen alternativen Merkmale 3.1 bis 3.4.
3. Der zuständige Fachmann ist ein promovierter Diplom-Chemiker der Fachrichtung Biochemie, ein promovierter Diplom-Biochemiker oder ein promovierter Biologe, jeweils mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Immunologie sowie auf dem Gebiet der Aufarbeitung von Proteinen, die mit der Entwicklung von Immuntests bzw. von Immunreagenzien befasst und vertraut sind, gegebenenfalls im Team mit auf dem Gebiet der Immunologie forschenden Medizinern.
4. Die erteilte Fassung der Patentansprüche (Hauptantrag) ergibt sich aus den ursprünglichen internationalen Anmeldeunterlagen (vgl. hierzu WO 98/03872 A2 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 7, Anspr. 2 bis 7 sowie 10 und 13), deren Anspruchsfassung nach Eintritt in die europäische Phase auf nurmehr 10 Ansprüche eingeschränkt wurde. Die gemäß den Hilfsanträgen I bis V verteidigten Anspruchsfassungen ergeben sich sowohl aus den ursprünglichen internationalen Unterlagen (vgl. WO 98/03872 A2 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 7, Anspr. 2 bis 7) als auch aus der erteilten Fassung der Patentansprüche (vgl. EP 0 912 898 B1 Anspr. 1 bis 6).
Der Disclaimer gemäß Merkmal 4, der in die ursprünglich eingereichte Fassung der Patentansprüche aufgenommen wurde, ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung (vgl. WO 98/03872 A2 S. 4 Z. 1 bis 9, 24 bis 27), ist damit eigenoffenbart und dient der Herstellung der Neuheit nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ, so dass hinsichtlich seiner Zulässigkeit in den neuformulierten Anspruchsfassungen der Hilfsanträge keine Bedenken bestehen (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA G 001/03 vom 8. April 2004).
Die im Übrigen nicht angegriffene Offenbarung der Lehre ist deshalb sowohl nach Hauptantrag und als auch nach den Hilfsanträgen gegeben.
Bedenken zur Klarheit der hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen bestehen ebenfalls nicht, so dass die Hilfsanträge I bis V zulässig sind.
5. Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund mangelnder Offenbarung im Sinne mangelnder Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre geltend (Art. 100 (b) und 83 EPÜ), konkret bezüglich der Patentansprüche 8 und 9.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Patentansprüche 8 und 9 denjenigen durch die Merkmale 3.2 bis 3.4 gekennzeichneten Teilgegenstand umfassen, der strukturell unbestimmt und damit aufgabenhaft gehalten ist.
a) Gemessen an der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des europäischen Patentamts (vgl. insbes T 0923/92 3.3.4 v. 8.11.95, ABl. 96, 564; T 0435/91 3.3.1 v 9.11.94, ABl 95. 188 - anders B4 2.2, 2.4, 6) bestehen Zweifel an der Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre in der beanspruchten Breite der Merkmale 3.2 bis 3.4, die ausgehend von einer Sequenz von mehr als 600 Aminosäuren und unterschiedlicher Primärstruktur bei bis zu 80 % Homologie literaturbekannter Gewebe-Transglutaminasen, deren Teilsequenzen und Analoga Milliarden von Einzelstoffen umfassen, zumal in der Beschreibung des Streitpatents konkrete Hinweise oder Daten zur Struktur (Epitope bzw. antigene Strukturen) und damit zur erforderlichen Struktur der Stoffe gemäß den Merkmalen 3.2 bis 3.4 fehlen. Dies gilt jedoch nicht nur für ein orales Mittel bzw. eine pharmazeutische Zusammensetzung gemäß Patentansprüchen 8 und 9, sondern auch für ein diagnostisches Reagenz in dem Verfahren gemäß den Patentansprüchen 1 bis 7. Hinzu kommt, dass Patentanspruch 1 nicht nur den Nachweis humaner Antikörper gegen tTG, sondern ausweislich der Patentansprüche 2 und 3 der erteilten Fassung auch den Nachweis von Antikörpern beliebiger Herkunft gegen tTG, nativ oder rekombinant, aus Körperflüssigkeiten beliebiger Herkunft und damit unterschiedlichster Primärstruktur umfasst. Damit fallen unter die Merkmale 3.3 und 3.4 nicht nur Analoga zu humaner tTG oder zu deren immunreaktiven Sequenzen, sondern auch Analoga zu tTG tierischen, pflanzlichen oder bakteriellen Ursprungs, wobei das beanspruchte diagnostische Verfahren zudem - entgegen den Ausführungen der Beklagten (vgl. Schrifts d. Bekl. v. 8. April 2011 S. 4 le. Abs. bis S. 5 Abs. 2 - nicht einmal auf die Human-Zöliakie beschränkt ist (vgl.. die englischsprachigen Fachausdrücke Animal Coeliac Sprue, z. B. Canine Sprue).
Deswegen sind aus dieser unüberschaubaren Anzahl unter die Merkmale 3.2 bis 3.4 fallender Stoffe die tatsächlich geeigneten Stoffe bzw. Reagenzien zwar nur durch das Prinzip „Trial and Error“ aufzufinden (vgl. auch BPatG 3 Ni 47/08 v. 23.11.2010 - Buprenorphinpflaster). Gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents wird jedoch ein Protein mit der enzymatischen Funktion einer Transglutaminase aus dem Lebergewebe des Meerschweinchens erfolgreich als Reagenz in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose von Sprue bzw. Zöliakie eingesetzt, sodass jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH die Ausführbarkeit betreffend die Patentansprüche 1 bis 7 gegeben ist (vgl. BGH GRUR 2001, 813 - Taxol; daneben auch BGH GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät; BGH GRUR 2010, 414, 415 - Thermoplastische Zusammensetzung).
b) Soweit die Klägerin ihren Ausführbarkeitseinwand konkret auf die Patentansprüche 8 und 9 der erteilten Fassung (Hauptantrag) und damit auf ein orales pharmazeutisches Mittel enthaltend Stoffe entsprechend den Merkmalen 3.1 bis 3.4 bzw. auf die Verwendung solcher Stoffe zur Herstellung eines oralen pharmazeutischen Mittels (Patentansprüche 8 und 9) richtet, stützt sich die Klägerin auf das Fehlen eines Wirksamkeitsnachweises bzw. eines Therapieerfolgs und damit letztlich auf das Fehlen eines zahlenmäßig glaubhaft gemachten Effekts in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen bzw. in der Patentschrift.
Die Lehre gemäß den erteilten Patentansprüchen 8 und 9 umfasst unter anderem die Verwendung des Proteins tTG als Mittel zur Behandlung der Sprue/Zöliakie bzw. durch die Bereitstellung einer pharmazeutischen Zubereitung zu einer solchen Behandlung. Hierzu finden sich in der Beschreibung des Streitpatents nicht nur Ausführungen zur Dosierung und Formulierung, sondern auch Erläuterungen zur Wirkungsweise von oral verabreichter tTG (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 5 Z. 38 bis 54), die über rein Spekulatives hinausgehen.
Diese Lehre des Streitpatents reicht aus, um am Anmeldetag bzw. Prioritätstag des Streitpatents mittels im Handel erhältlicher Gewebe-Transglutaminasen aus Meerschweinchen, ohne Weiteres eine oral zu verabreichende Zusammensetzung bzw. ein oral zu verabreichendes Mittel zur Behandlung von Patienten mit Sprue oder Zöliakie bereitzustellen und einzusetzen. Die Erfindung des Streitpatents ist deshalb jedenfalls bezüglich handelsüblicher Gewebe-Transglutaminase und damit in der Alternative des Merkmals 3.1 als fertig und ausführbar anzusehen.
Erhebliche Zweifel bestehen dagegen hinsichtlich der Ausführbarkeit von pharmazeutischen Zusammensetzungen, die Wirkstoffe in der Breite der Merkmale 3.2 bis 3.4 enthalten (vgl. vorstehend Punkt 5a).
Durch übliche Versuche und Messungen erhältliche Zahlenwerte des bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbarten physiologischen Effekts (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 5 Z. 40 bis 48) - sei es präklinisch im Tiermodell oder in klinischen Patientenstudien - sowie ein gegebenenfalls tatsächlich zu erzielender Therapieerfolg könnten entsprechend üblicher Patentpraxis jedenfalls nachgebracht werden. Diese nachbringbaren Zahlenwerte dienen üblicherweise lediglich zur Glaubhaftmachung des ursprünglich offenbarten Effekts und verändern die technische Lehre deshalb nicht. Die therapeutische Brauchbarkeit bzw. der Nachweis eines therapeutischen Erfolges erweist sich dagegen erst in der Behandlung von Patienten in genehmigten klinischen Versuchen, die zwar regelmäßig Voraussetzung für die arzneimittelrechtliche Zulassung bzw. Genehmigung, nicht jedoch für die Patentierbarkeit sind (vgl. dagegen Schermer, GRUR 2009, 349-353).
c) Eine Entscheidung über den konkret auf die Patentansprüche 8 und 9 bezogenen Ausführbarkeitseinwand kann allerdings dahinstehen, da das Streitpatent jedenfalls, wie nachfolgend dargelegt, wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären ist.
6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents (Hauptantrag) hat mangels Neuheit oder mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.
Das diagnostische Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist in den alternativen Ausgestaltungen 3.3 und 3.4 des Merkmals 3 nicht abgegrenzt von der Lehre jeder einzelnen der Druckschriften K3 bis K6 und damit demgegenüber nicht mehr neu. Denn der Begriff „Analoga“ in den Merkmalen 3.3 und 3.4 im Kontext sowohl der tTG und damit des Merkmals 3.1 als auch der immunreaktiven Sequenzen der tTG und damit des Merkmals 3.2 bezieht sich auf die Fähigkeit zur Immunkomplexbildung und damit auf eine hierfür geeignete stoffliche bzw. strukturelle Ausbildung des Immunreagenzes, nicht auf die enzymatische Funktion einer tTG, und umfasst - mangels stofflicher bzw. struktureller Offenbarung und damit diesbezüglich fehlender konkreter Lehre - jedwedes Polypeptid und Protein, welche - in analoger Weise zur Immunfunktion der tTG - die Funktion eines Autoantigens gegen von Patienten mit aktiver Zöliakie gebildeten, in Körperflüssigkeiten dieser Patienten vorhandenen Antikörpern gegen tTG besitzen, sowie jedwede partiellen Aminosäuresequenzen solcher Polypeptide und Proteine, die mit diesen Antikörpern einen Immunkomplex bilden, also immunreaktiv sind.
a) Bereits die beiden Druckschriften K3 und K4, in denen jeweils gereinigte, nicht von Kollagen stammende Polypeptide aus Fibroblasten fötalen Lungengewebes an Seren von Zöliakie-Patienten getestet und als Autoantigene der Zöliakie identifiziert wurden (vgl. K3 und K4 jeweils den Titel sowie das Abstract von K4), nehmen das streitpatentgemäße Verfahren neuheitsschädlich vorweg.
In der K3 werden nicht aus Kollagen stammende autoantigene Polypeptide humaner Herkunft beschrieben, die spezifisch mit Autoantikörpern von Zöliakie-Patienten reagieren. Diese gereinigten autoantigenen Polypeptide bzw. Proteine binden spezifisch an Autoantikörper gegen Reticulin (ARA) und Endomysium (EMA) (vgl. K3 insbes. S. 724 re. Sp. Tabelle). Die damit in K3 beschriebene Immunkomplexbildung stellt deshalb ein immundiagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Zöliakie mit den Merkmalen 1 bis 3, 3.3 und/oder 3.4 dar, das durch eine Reaktion zwischen den betreffenden autoantigenen Polypeptiden bzw. Proteinen, nicht jedoch Gewebeschnitten (Merkmal 4), als diagnostischem Reagenz und den nachzuweisenden IgA-Antikörpern des Serums von Zöliakie-Patienten gekennzeichnet ist.
In der K4, die von Autoren der gleichen Arbeitsgruppe wie K3 verfasst ist, sind aufgereinigte autoantigene Polypeptide der Zöliakie aus Humanfibroblasten beschrieben, die aufgrund ihrer immunologischen Funktion an IgA-Antikörper aus Körperflüssigkeiten von Zöliakiepatienten binden. Die Ergebnisse der K4 stimmen im Wesentlichen mit den von Autoren der gleichen Arbeitsgruppe in K3 veröffentlichten Ergebnissen überein. Ein diagnostisches Verfahren mit den Merkmalen 1 bis 3, 3.3 und/oder 3.4 sowie 4 wird damit auch durch die Lehre der K4 vorweggenommen.
Ob es sich bei den autoantigenen Polypeptiden der K3 und K4 möglicherweise um Fragmente und immunreaktive Sequenzen der tTG handelt und damit sogar das Merkmal 3.2 erfüllt ist, kann in Ermanglung von Strukturdaten allerdings nicht festgestellt werden.
Die Merkmale 3 bzw. 3.3 oder 3.4 sind sowohl in der K3 als auch in der K4 erfüllt, weil es sich bei den betreffenden Polypeptiden um Analoga zur tTG hinsichtlich der Funktion ihres Bindungsvermögens an gegen Endomysium gerichtete Antikörper und damit um die Eigenschaft zur Immunreaktion bzw. Immunkomplexbildung handelt. Denn das Vorliegen korrelierender Testergebnisse, die mit endomysialen Gewebeschnitten einerseits und isolierten Autoantigenen der Zöliakie andererseits erhalten werden, bedeutet nichts anderes als das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von IgA- und/oder IgG-Antikörpern gegen tTG, deren immunreaktive Sequenzen und Analoga in den untersuchten Körperflüssigkeiten, unabhängig davon, ob dieser Vergleich zwischen endomysealem Gewebe mit daraus isolierten Autoantigenen im Ausführungsbeispiel des Streitpatents (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 9 Z. 10 bis 23) oder im Stand der Technik gemäß K3 oder K4 durchgeführt wird. Im Übrigen konnte in den von der gleichen Arbeitsgruppe stammenden Druckschriften K3 und K4 gezeigt werden, dass aus den Seren der Zöliakie-Patienten gegen Endomysium-Antigene und nicht gegen Anti-Gliadin-Antigene gerichtete Antikörper durch selektive Antigen-Antikörper-Immunreaktion entfernt wurden (vgl. K3 S. 724 re. Sp. le. Abs.; K4 Abstract Z. 16 bis 19).
Entgegen den Ausführungen der Beklagten entnimmt der fachkundige Leser jeder der beiden Druckschriften K3 und K4 ein diagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Zöliakie, auch wenn darin das Merkmal 1 expressis verbis nicht genannt ist. Denn die selektive Entfernung von gegen Endomysium gerichteten Antikörpern aus den Seren von Zöliakiepatienten durch die betreffenden aus Lungengewebe-Fibroblasten isolierten und gereinigten autoantigenen Polypeptide als Reagenzien stellt ein diagnostisches Verfahren dar, im Fall der K3 und K4 zur Bestätigung von mittels endomysialem Gewebe diagnostizierter Zöliakie.
b) Aber selbst wenn man dem fachkundigen Leser die Fähigkeit zum Erkennen eines diagnostischen Tests auf Zöliakie in der Lehre der K3 oder der K4 absprechen und deshalb die Neuheit demgegenüber anerkennen wollte, so ist das streitpatentgemäße Verfahren durch die Druckschrift K5, in der ein Immuntest auf Zöliakie auch expressis verbis benannt ist, neuheitsschädlich vorweggenommen.
Aus der nachveröffentlichten K5, die nach § 3 Abs. 2 PatG bzw. Art. 54 Abs. 3 EPÜ lediglich für die Neuheitsbewertung heranzuziehen ist und die ausweislich ihrer Bezeichnung einen Enzymimmunoassay (ELISA) zur Diagnostik von Zöliakie und verwandten Eiweißintoleranzen betrifft, geht ein Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie mit sämtlichen Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents hervor (vgl. K5 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 8). Danach wird ein Test zur Diagnose der Zöliakie bereitgestellt (Merkmal 1) anhand der Bestimmung und damit des Nachweises von Antikörpern in den Seren und damit aus Körperflüssigkeiten von Zöliakiepatienten (Merkmal 2). Als immundiagnostische Reagenzien werden antigene Polypeptide aus Affendünndarm, aus Rattenleber und/oder aus Schafslunge und damit keine Gewebeschnitte eingesetzt (Merkmal 4), wobei das Vorkommen der von diesen Antigenen spezifisch gebundenen Antikörpern mit der Gegenwart von Anti-Endomysium-Antikörpern korreliert (vgl. z. B. (5) Sp. 3 Z. 7 bis 55). Das Vorliegen korrelierender Testergebnisse, die mit endomysialen Gewebeschnitten einerseits und isolierten Autoantigenen der Zöliakie andererseits erhalten werden, bedeutet nichts anderes als das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von IgA- und/oder IgG-Antikörpern gegen tTG, deren immunreaktive Sequenzen und Analoga in den untersuchten Körperflüssigkeiten, unabhängig davon, ob dieser Vergleich zwischen endomysealen Gewebes mit daraus isolierten Autoantigenen im Ausführungsbeispiel des Streitpatents (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 9 Z. 10 bis 23) oder gemäß K5 durchgeführt wird.
Wegen ihrer Fähigkeit bzw. Eigenschaft zur Immunreaktion mit Zöliakiespezifischen Antikörpern aus Körperflüssigkeiten stellen die in K5 beschriebenen Polypeptide jedenfalls in immunologischer Hinsicht funktionsgleiche Analoga einer Gewebe-Transglutaminase oder deren immunreaktiver Sequenzen dar (Merkmal 3 i. V. m. 3.3 oder 3.4). Ob es sich dabei nicht nur um Analoga, sondern sogar um Fragmente und immunreaktive Sequenzen der tTG handelt und damit sogar um Ausführungsformen gemäß Merkmal 3.2 handelt, ist hingegen mangels strukturanalytischer Daten in der K5 nicht festzustellen und letztlich in patentrechtlicher Hinsicht auch irrelevant.
c) Das diagnostische Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist bezüglich der Merkmale 3.3 oder 3.4 auch gegenüber K6 nicht abgegrenzt. und daher nicht neu.
Die K6 betrifft bereits ausweislich ihres Titels die Charakterisierung von Autoantigenen der Zöliakie mit dem Ziel des Nachweises der gegen diese Antigene aus extrazellulärer Gewebematrix von Endomysium gerichteten Antikörpern von Zöliakiepatienten.
Im Einzelnen werden aus der humanen Fibrosarkom-Zelllinie HT 1080 zwei native Autoantigene der Zöliakie mit MW 90 kD sowie 300 kD nach Immunpräzipitation mit IgA Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie isoliert und teilweise charakterisiert. Die dabei verwendete, beschriebene Immunpräzipitation von IgA Antikörpern aus Seren von Patienten mit aktiver Zöliakie sowohl mit Kulturmedium als auch mit Zelllysat von HT 1080 Human Fibroblasten, die diese endomysialen Autoantigene enthalten, umfasst sämtliche Arbeitsschritte einer Immunreaktion und damit eines diagnostischen Verfahrens. Diese demnach im Vergleich zur indirekten Immunfluoreszenzmethode oder zum ELISA mit Endomysialgewebe bzw. ECM durchgeführte Immunpräzipitation der betreffenden IgA-Antikörper in Patientenseren mit Zelllysat stellt damit ein Verfahren zur Diagnose der Zöliakie mit den Merkmalen 1 bis 3 in der Ausgestaltung der Merkmale 3.3 bzw. 3.4 dar. Der Einsatz von Zelllysat bedeutet in der Fachsprache, dass es sich um einen zellfreien und bei fachgerechter Durchführung auch von sonstigen partikulären Bestandteilen befreiten Zellextrakt handelt, so dass auch das Merkmal 4 erfüllt ist. Auf die Frage der Reinheit der in dem Zelllysat vorhandenen Autoantigene kommt es gemäß dem Wortlaut sämtlicher Patentansprüche des Streitpatents ersichtlich nicht an.
Für die Neuheitschädlichkeit der K6 gegenüber dem streitpatentgemäßen Verfahren im beanspruchten Umfang ist des Weiteren ohne Bedeutung, ob es sich bei den dort beschriebenen beiden Proteinen tatsächlich um Gewebe-Transglutaminase selbst (MW 90 kD) nebst Pro-Transglutaminase (MW 300 kD) oder um immunfunktionelle Analoga von Gewebe-Transglutaminase handelt (Merkmale 3.1 oder 3.3) oder um Analoga der immunreaktiven Sequenzen der tTG (Merkmal 3.4), mangels Reinheitsangaben in den Merkmalen 3.1 bis 3.4 ebenso die Frage, ob die 90 kD-Bande - wie von den Beklagten vorgetragen - ein Gemisch verschiedener Proteine darstellt (vgl. auch Schrifts d. Bkl. v. 3. Februar 2011 S. 9 Abs. 2). Entscheidend ist vielmehr, dass die 90 kD Bande, ebenso wie die 300 kD Fraktion, zumindest ein autoantigenes Protein der Zöliakie umfasst, das mit gegen Endomysium bzw. gegen ECM gerichteten Antikörpern von Zöliakiepatienten eine Immunpräzipitation eingeht und damit in seiner immunologischen Funktion mit der im Endomysium bzw. in der ECM lokalisierten tTG korreliert.
Wie oft die in K6 beschriebene, sämtliche Merkmale 1 bis 4 des streitpatentgemäßen Verfahrens aufweisende Immunpräzipitation mit Körperflüssigkeiten von Verdachtsfällen oder von Patienten mit gesicherter Diagnose einer Zöliakie vergleichend zum Test mit endomysialen Gewebe durchgeführt wird, ist für die patentrechtliche Bewertung ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob gemäß K6 oder gemäß Streitpatent ein bereits marktreifer diagnostischer Test auf Zöliakie beschrieben ist.
Der Einwand der Beklagten zur Nacharbeitbarkeit und damit zur Ausführbarkeit der Lehre der K6 greifen bezüglich des durch die Merkmale 3.3 und 3.4 gekennzeichneten Teilgegenstands des Streitpatents schon deshalb nicht, weil es für die Bewertung der Merkmale 3.3 und 3.4 gegenüber K6 nicht darauf ankommt, um welche Proteine es sich bei den beiden Autoantigenen mit dem Molekulargewicht von etwa 90 kD und etwa 300 kD handelt und in welcher Reinheitsform sie isoliert sind. Zudem ist die Lehre der K6 - gemessen an der Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre in der Breite der Merkmale 3.3 und 3.4 (vgl. zuvor Punkt 5a) - einfach nacharbeitbar bzw. ausführbar.
d) Die von Patienten mit Zöliakie gegen körpereigene (Auto)Antigene gebildeten IgA und/oder IgB-Antikörper umfassen zwangsläufig Antikörper gegen die tTG. Da von den endomysealen Gewebeschnitten, die tTG enthalten, auch die gegen tTG gerichteten Antikörper von Patienten mit Zöliakie erfasst werden, und da auch die Testergebnisse immunologisch mit jenen der in K3 bis K6 identifizierten autoantigenen Polypeptide korrelieren, stellen letztere wegen ihrer immunanalogen Funktion Analoga von tTG dar.
Der Verweis der Beklagten auf die nachveröffentlichte Literaturstelle Dieterich et al. Nature Med. 1997 (3) 797-801, wonach selbst nach Blockade der Anti-tTG Antikörper durch Vorinkubation eines verdünnten Serums von Zöliakiepatienten mit tTG keine komplette Blockade der Färbung auf Affenösophagus erzielt werden könne und dies bedeute, dass die in K3 und K4 beschriebenen Effekte nicht durch eine Bindung von Anti-tTG Antikörpern an die dort beschriebenen autoantigenen Polypeptide bedingt sein müssten, sondern durch ganz andere Autoantigene verursacht sein könnten (vgl. Schrifts. d. Bkl. v. 15. September 2010 S. 18 Abs. 2), führt zu keinen anderen Bewertung des Teilgegenstands der Merkmale 3.3 und 3.4, insbesondere nicht gegenüber den Druckschriften K3 bis K5. Denn zum Einen wird in dieser von der Beklagten angezogenen Nachveröffentlichung ausgeführt, dass die Vorbehandlung von Affenösophagus mit tTG die endomysiale Immunfluoreszenz und damit die Bindungsstellen für die Zöliakie spezifischen Antikörper nahezu („beinahe, fast“) vollständig blockiert (vgl. a. a. O. S. 799 li. Sp. Abs 1 iVm Fig 3b), was nicht gleichbedeutend ist mit „keine komplette Blockade“, und zum Anderen ist der Begriff „Analoga“ in der Definition des Streitpatents ohnehin nicht auf autoantigene Polypeptide oder Proteine mit einer zahlenmäßig zu tTG identischen Bindungsaffinität gegenüber betreffenden IgA und/oder IgG-Antikörpern beschränkt, da die im Rahmen von mindestens 80 % Homologie erlaubten strukturellen Abweichungen in den autoantigenen Polypeptiden bzw. Proteinen zwangsläufig zu unterschiedlichem Bindungsverhalten und damit quantitiven Unterschieden führen.
e) Selbst wenn man aber in den Druckschriften K3 bis K6 die Ausarbeitung bzw. die Beschreibung eines diagnostischen Tests auf Zöliakie mit sämtlichen Merkmalen von Anspruch 1 des Streitpatents nicht zu erkennen vermögen und deshalb die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents demgegenüber nicht in Abrede stellen wollte, so beruht ein diagnostischer Test auf Zöliakie gemäß Patentanspruch 1 gegenüber K3, K4 und K6 - die K5 ist nachveröffentlicht und daher für die Neuheitsbewertung ausgenommen - jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt und die darin besteht, einen nicht-invasiven, spezifischen, quantitativen, schnellen, leicht und kostengünstig durchzuführenden immunologischen Test zum Nachweis der Sprue bzw. Zöliakie und zu deren Therapiekontrolle bereitzustellen und zwar unter besonderer Berücksichtigung des Standes der Technik betreffend den Einsatz von geeigneten Schnitten tierischen oder humanen Gewebes im Immunfluoreszenztest (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 3 Z. 34 bis 35 i. V. m. S. 3 Z 25 bis 32 i. V. m. S. 2 Z. 49 bis S. 3 Z. 3 und S. 6 Z. 4 bis 8).
Die Lösung dieser Aufgabe durch ein Verfahren unter Verwendung eines diagnostischen Reagenzes mit den Merkmalen 3.3 und 3.4 in einem Immunoassay durch Immunreaktion mit Körperflüssigkeiten ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise durch die in der K3, K4 oder der K6 beschriebenen Autoantigene der Zöliakie, die jeweils gegen antiendomysiale IgA- und/oder IgG-Antikörper, also gegen diejenigen Antikörper gerichtet sind, die ein Patient mit aktiver Zöliakie gegen Bestandteile des Endomysiums bildet. Im Einzelnen wird auf die vorstehenden Ausführungen nebst den Merkmalsnachweisen unter 6. a) bis 6. c) Bezug genommen. Auch wenn in der K3, K4 und K6 die Ausarbeitung eines diagnostischen Tests auf Zöliakie nicht in allen Einzelheiten beschrieben ist, so bedarf es hierzu jedenfalls keines erfinderischen Zutuns, sondern lediglich mit üblichen Grundoperationen durchzuführender Versuche und sowie routinemäßigen Optimierens, das der Fachmann stets anstrebt (vgl. dazu BGH GRUR 2010, 44 - Fischbissanzeiger).
Der Fachmann hatte auch Anlass, jede einzelne dieser Druckschriften als Ausgangspunkt für ein diagnostisches Verfahren im Rahmen der Merkmale 3.3 und 3.4 zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe zu wählen, da diese Druckschriften allesamt konkret Bezug nehmen auf die Diagnostik der Zöliakie in Korrelation zu endomysialen Gewebeschnitten als Reagenz. Dass er zur Lösung der Aufgabe, entgegen der Ansicht der Beklagten, auch die K6 in Betracht ziehen wird, ergibt sich schon aus der Überschrift der K6, die nicht nur die Charakterisierung der Autoantigene der Zöliakie, sondern auch die immunologische Relevanz für die Diagnostik der Zöliakie erkennen lässt.
Ausgehend von der Bezugnahme in dem Abstract auf die Zöliakie-Diagnose anhand des Nachweises von Antikörpern gegen Endomysium mittels entsprechender Gewebeschnitte als diagnostischem Reagenz hatte der Fachmann auch deshalb Anlass, die K6 als Ausgangspunkt seiner Arbeit zur Entwicklung eines Immuntests für Zöliakie zu wählen und gerade diese beiden Antigene in einem solchen Immuntest als Reagenzien zum Nachweis betreffender spezifischer Antikörper in den Körperflüssigkeiten von Patienten mit aktiver Zöliakie in Betracht zu ziehen, weil es sich bei HT-1080 um eine schnell wachsende, öffentlich verfügbare und standardisierte Zelllinie handelt (vgl. dazu BGH a. a. O. - Fischbissanzeiger).
Ausgehend von den Angaben in K6 gelingt ihm nicht nur die Anzucht von Human-Fibroblasten der verfügbaren Zelllinie HT-1080, sondern auch die Aufreinigung der beiden in K6 identifizierten Proteine mit autoantigenen Eigenschaften. Es lag für ihn auf der Hand, diese Proteine in einem üblichen immunologischen Verfahren, beispielsweise in einem ELISA, mit Patientensera zum Nachweis der Zöliakie nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern auch tatsächlich einzusetzen.
Aus jeder einzelnen der Druckschriften K3, K4 und K6 ergeben sich damit in naheliegender Weise immundiagnostische Verfahren zum Nachweis der Zöliakie, die neben den Merkmalen 1 bis 3 und 4 jedenfalls mindestens eines der Merkmale 3.3 bis 3.4 des streitpatentgemäßen Verfahrens erfüllen.
f) Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und auch die Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862, 864 - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).
7. Das Streitpatent hat auch keinen Bestand in den Fassungen der Hilfsanträge I bis V, da der demnach hilfsweise verteidigte Gegenstand ebenfalls nicht mehr neu oder jedenfalls nicht erfinderisch ist.
a) Bezüglich Hilfsantrag I, demgemäß die Beklagten ihr Patent mit den im Wortlaut unveränderten Patentansprüchen 1 bis 7 unter Verzicht auf die Patentansprüche 8 bis 9 der erteilten Fassung verteidigen, wird vollumfänglich auf die vorstehend unter Punkt 6 ausgeführten Gründe verwiesen.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von der erteilten Fassung durch Aufnahme des Merkmals 2.1 aus dem Patentanspruch 2 der erteilten Fassung und ist im Übrigen unverändert. Die Ausgestaltung des streitpatentgemäßen diagnostischen Verfahrens dadurch, dass es sich bei den nachzuweisenden Antikörpern um humane IgA- und/oder IgG-Antikörper handelt (Merkmal 2.1), vermag die Patentfähigkeit nicht zu begründen. Denn bereits aus den Druckschriften K3 bis K6, insbesondere aus der K6, geht hervor, dass es sich bei den Zielantikörpern der als Reagenzien des dort beschriebenen Zöliakie-Tests eingesetzten Autoantigene bzw. der diese Autoantigene enthaltenden extrazellulären Matrix um IgA und/oder IgG-Antikörper und damit um einen dem Fachmann geläufigen Sachverhalt handelt (vgl. K3 S. 725 li. Sp. Abs. 2; K4 z. B. Abstract Satz 1; K5 Sp. 3 Z. 17 bis 26; K6 S. A77 li. Sp. Z. 1 bis 3).
Der Gegenstand des Streitpatents hat mangels erfinderischer Tätigkeit auch keinen Bestand in der Fassung des Hilfsantrags III mit einem gegenüber dem Hilfsantrag II zusätzlich durch das Merkmal 3.5.1 des Patenanspruchs 6 der erteilten Fassung ausgebildeten diagnostischen Verfahren. Bei den alternativen Ausgestaltungen des diagnostischen Verfahrens in Form eines ELISA, eines RIA oder eines FIA handelt es sich um übliche, in jedem einschlägigen Lehrbuch zu findende Ausführungsformen von Immunoassays, sodass sich hierzu ein spezieller druckschriftlicher Nachweis erübrigt.
Die weiteren nebengeordneten oder abhängigen Patentansprüche der Hilfsanträge I bis III bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, da die Beklagte diese als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht.
b) Gemäß Hilfsantrag IV schränken die Beklagten das streitpatentgemäße diagnostische Verfahren auf eine Gewebe-Transglutaminase (Merkmal 3.1) und gemäß Hilfsantrag V weiter auf Gewebe-Transglutaminase rekombinanten Ursprungs und damit auf eine der Alternativen des Teilmerkmals 3.1.1 ein.
Damit sind in diesen beiden Hilfsanträgen die Merkmale 3.2 bis 3.4 entfallen mit der Folge, dass das streitgegenständliche Verfahren nurmehr eine vergleichsweise kleine, überschaubare Anzahl von Reagenzien mit konkreter Primärstruktur und damit bestimmter stofflicher Beschaffenheit betrifft.
Das durch das Merkmal 3.1 eines Proteins mit der Primärstruktur einer Gewebe-Transglutaminase beliebiger Herkunft als diagnostisches Reagenz gekennzeichnete Verfahren gemäß Hilfsantrag IV hat gegenüber der Lehre der K6 jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand. Entsprechendes gilt für ein rekombinantes Reagenz gemäß Merkmal 3.1.1, sodass auch das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags V mangels erfinderischer Tätigkeit für nichtig zu erklären ist.
Im Einzelnen werden aus der humanen Fibrosarkom-Zelllinie HT-1080 zwei native Autoantigene der Zöliakie mit MW 90 kD sowie 300 kD nach Immunpräzipitation mit IgA Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie isoliert und teilweise charakterisiert. Die dabei verwendete, beschriebene Immunpräzipitation von IgA Antikörpern aus Seren von Patienten mit aktiver Zöliakie sowohl mit Kulturmedium als auch mit Zelllysat von HT-1080 Human Fibroblasten, die diese endomysialen Autoantigene enthalten, umfasst sämtliche Arbeitsschritte einer Immunreaktion und damit eines diagnostischen Verfahrens. Diese offensichtlich im Vergleich zu einer indirekten Immunfluoreszenzmethode oder einem ELISA mit Endomysialgewebe bzw. ECM durchgeführte Immunpräzipitation der betreffenden IgA-Antikörper in Patientenseren mit Zelllysat (vgl. K6 S: A77 Z. 1 bis 5) stellt damit ein Verfahren zur Diagnose der Zöliakie mit den Merkmalen 1 und 2 des Streitpatents dar. Der Einsatz von Zelllysat bedeutet in der Fachsprache, dass es sich um einen zellfreien und bei fachgerechter Durchführung auch von sonstigen partikulären Bestandteilen befreiten Zellextrakt handelt, sodass auch das Merkmal 4 erfüllt ist. Ob es sich bei einem der beiden oder bei beiden identifizierten Autoantigenen um ein diagnostisches Reagenz entsprechend des Merkmals 3.1 handelt, richtet sich allein nach der stofflichen Beschaffenheit und damit nach der Struktur der teilgereinigten oder in mehr oder weniger reiner Form isolierten Proteine, und nicht nach deren enzymatischer Funktion. Die Lehre gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV ist bezüglich des Merkmals 3.1 durch die K6 vorweggenommen, wenn das Protein per se als diagnostisches Reagenz zur Verfügung steht, was gemäß K6 der Fall ist, und nicht erst dann, wenn dieses Protein auch noch als Transglutaminase identifiziert ist.
Davon unabhängig erhält der Fachmann in der K6 (vgl. K6 S: A77 Z. 17 bis 18) die Anregung zur Analyse der Primärstruktur und gelangt damit ohne weiteres zu einem genaueren Molekulargewicht sowie zur Identifizierung des Proteins als Gewebe-Transglutaminase. Aufgrund bereits bekannter Zusammenhänge zwischen Transglutaminase und dem Auftreten von Zöliakie sowie der Nützlichkeit der Bestimmung dieser Enzymaktivität im Serum von Zöliakiepatienten zur Remissionskontrolle (vgl. K8 insbes S. 952 Table 1 und Fig. 1 i. V. m. S. 953 re. Sp. Abs. 2) wird er davon nicht überrascht sein. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.
Es lag für den Fachmann auf der Hand und bedurfte deshalb auch keines erfinderischen Zutuns, ausgehend von K6 auch rekombinante tTG in Betracht zu ziehen, herzustellen und in dem diagnostischen Test auf Zöliakie einzusetzen. Demgegenüber gegebenenfalls hinsichtlich der Ausführbarkeit bestehende Bedenken greifen hier schon deshalb nicht, weil die Herstellung rekombinanter tTG auch im Streitpatent nicht beschrieben ist. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag V hat deshalb mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls keinen Bestand.
c) Auch die weitere Ausgestaltung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen IV und V durch Merkmale der darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 bzw. 2 und 3 führt nicht zu einem patentfähigen diagnostischen Verfahren, so dass auch diese Ansprüche keinen Bestand haben. Denn die betreffenden Merkmale dieser Unteransprüche 2 bis 4 gemäß diesen Hilfsanträgen gehen ersichtlich nicht über die durch den Stand der Technik vorgegebene Herkunft von Transglutaminasen (Unteranspruch 2 des Hilfsantrag IV) sowie übliche Ausgestaltungen von immundiagnostischen Testverfahren (Unteransprüche 3 und 4 bzw. 2 und 3 des Hilfsantrags IV bzw. V) hinaus.
8. Der Ansicht der Beklagten die K6 sei nicht patenthindernd, da zum Einen ausreichende Daten zur Nacharbeitbarkeit der dort beschriebenen Lehre fehlten und zum Anderen die K6 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und deshalb nicht als Ausgangspunkt zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe in Frage komme, kann sich der Senat nicht anschließen.
Ausweislich der Überschrift der K6 bezieht sich deren Inhalt auf die Charakterisierung der Autoantigene der Zöliakie, so dass sich die immunologische Relevanz der darin beschriebenen Arbeit für die Diagnostik der Zöliakie bereits aus dieser Überschrift ergibt. Gemäß dem Inhalt des Abstracts K6 führt die zugrunde liegende Zielsetzung, die Zielantigene der hochspezifischen relevanten, in der aktiven Phase der Zöliakie auftretenden IgA-Antiendomysium-Antikörper zu identifizieren (vgl. K6 S. A77 li. Sp. Z. 5 bis 9), zur Isolierung und Charakterisierung zweier nativer Autoantigene der Zöliakie aus Zellkulturen humaner Fibroblasten aus der der Human-Fibrosarkom-Zelllinie HT-1080 (vgl. K6 S. A77 li. Sp le. Abs. des Abstracts). Dabei werden sowohl das Zellmedium als auch das Zelllysat mit IgA-Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie immunpräzipitiert (vgl. K6 S. A77 li. Sp. Z. 10 bis 12), was letztlich bedeutet, dass der Nachweis anhand einer immunologischen Reaktion dieser Autoantigene der Zöliakie mit Sera von Zöliakie-Patienten erbracht worden ist. Des Weiteren geht aus K6 hervor, dass die im Anschluss an diese Immunpräzipitation mittels SDS-PAGE aufgetrennten zwei Autoantigene der Zöliakie als ein zellassoziiertes Protein mit MW 90 kD und ein im Zellmedium befindliches Protein mit MW 300 kD identifiziert wurden (vgl. K6 S A77 li Sp Z 13 bis 15). Nicht zuletzt durch die Bezugnahme in dem Abstract der K6 auf die Diagnose von Zöliakie anhand des Nachweises von Antikörpern gegen Endomysium bzw. ECM in Gewebeschnitten (vgl. K6 S. A77 li. Sp Z. 3 bis 5) hatte der Fachmann insbesondere unter Berücksichtigung der Aufgabe des Streitpatents allen Anlass, die K6 als Ausgangspunkt seiner Arbeit zur Entwicklung eines Immuntests für Zöliakie zu wählen und gerade diese beiden Autoantigene als Reagenzien in einem solchen Immuntest zum Nachweis betreffender spezifischer Antikörper in den Körperflüssigkeiten von Patienten mit aktiver Zöliakie in Betracht zu ziehen. Von Bedeutung und deshalb besonders zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei HT-1080 - im Gegensatz zu den in B19 bis B21 verwendeten Zellen - um eine schnell wachsende, öffentlich verfügbare und standardisierte Zelllinie handelt (vgl. BGH a. a. O. - Fischbissanzeiger).
Nach Auffassung des Senats greifen somit weder die Argumentation der Beklagten, der Fachmann hätte nur in Kenntnis der vorliegenden Erfindung die Druckschrift K6 als Ausgangspunkt für die Entwicklung des beanspruchten Verfahrens gewählt, noch deren Vorwurf, die Druckschrift K6 werde unter dem Gesichtspunkt der Teilidentität ihrer Verfasser mit den Erfindern des Streitpatents gesehen und deswegen falsch bewertet.
Für die Frage des Heranziehens der Druckschrift K6 zur Lösung der Aufgabe und damit auch zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist ohne Belang, dass diese Druckschrift lediglich eine möglicherweise mit Vorsicht zu bewertende sehr knappe und wenig aussagekräftige Vorabveröffentlichung der Ergebnisse der benannten Autoren darstellt, und dass für die Nacharbeitung gegebenenfalls ein erheblicher experimenteller Aufwand in Kauf zu nehmen ist.
Auf die teilweise Übereinstimmung der Autoren der K6 mit den Erfindern des Streitpatents kommt es bei der Bewertung der K6 als nächstliegendem Stand der Technik und damit als Ausgangspunkt für die Erfindung des Streitpatents nicht an. Maßgeblich ist allein der Inhalt von K6, der sich - anders als der Inhalt der B19 bis B21 - konkret mit der Identifizierung der Autoantigene der Zöliakie aus Human-Fibroblasten und deren immunfunktionellem Nachweis in Korrelation zu endomysialen Gewebeschnitten befasst.
Mit der Präsentation des Abstract auf einer etwa 10 Monate vor dem Prioritätstag des Streitpatents stattfindenden Fachtagung sowie dessen Vorveröffentlichung in einer anerkannten Fachzeitschrift hatte darüber hinaus eine unbegrenzte Anzahl von Fachleuten Gelegenheit, geraume Zeit vor dem Zeitrang des Streitpatents von dem Inhalt des Abstracts und/oder Posters und der Lehre betreffend die Identifizierung und Charakterisierung der Autoantigene der Zöliakie und deren Relevanz bei der Diagnostik der Zöliakie Kenntnis zu nehmen.
Die Länge eines Tagungsabstracts ist in der Regel auf eine bestimmte Anzahl von Wörtern oder Zeichen begrenzt und damit zwar knapp, jedoch - wie im Fall der K6 - mit der erforderlichen technischen Information für den Fachmann abgefasst.
Die Nacharbeitung der Lehre der K6 bezüglich der Bereitstellung beider dort identifizierter autoantigener Proteine bereitet dem Fachmann auch keinerlei Probleme. Denn die K6 nennt expressis verbis die auf Bestellung erhältliche und damit öffentlich verfügbare Zelllinie HT-1080, wesentliche Details zu Kulturbedingungen der Zellen und zur Aufarbeitung der autoantigenen Proteine. Nähere Ausführungen zu den Arbeitsschritten erübrigen sich, da sie entweder literaturbekannt oder für den in der Aufarbeitung erfahrenen Biochemiker aufgrund der Angaben in der K6 selbstverständlich sind.
Obwohl der Fachmann die in der K6 ausgeführten einzelnen Verfahrensschritte noch entsprechend den Grundoperationen biochemischen Arbeitens und unter Einsatz seines Fachwissens und Könnens auszugestalten hat, mag dieses Vorgehen möglicherweise zeit- und arbeitsintensiv sein, was aber keinen Beweis für eine erfinderische Tätigkeit darstellt (vgl. auch BGH GRUR 1986, 372 - Thrombozytenzählung).
Auch die Argumentation der Beklagten, die Druckschrift K6 liefere keine nacharbeitbare Lehre, da die Bedingungen der verschiedenen Arbeitsschritte, auf die es ankomme, darin nicht beschrieben seien, greift nicht durch.
Eine Nacharbeitung der Druckschrift K6 scheitert nicht bereits daran, dass dort nur spärliche oder gar keine Informationen zur genauen Durchführung der Anzucht der Zelllinie HAT 1080 und der Markierung mittels 35S-Methionin vorhanden sind. Denn die Zelllinie HAT 1080 war bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents bei der American Type Culture Collection (ATCC) erhältlich, damit öffentlich verfügbar und unter bekannten Literaturbedingungen kultivierbar. Um der Anweisung in K6 folgen und die kultivierten Fibrosarcom-Zellen mit 35S-Methionin für proteinanalytische Zwecke per Autoradiographie markieren zu können, stehen dem Fachmann übliche Arbeitsweisen zur Verfügung, wie beispielsweise in der K10 oder der K11 beschrieben. Demgemäß wird eine solche Zellkultur in Methionin-freiem Medium ohne fötales Kälberserum mit radioaktivem 35S-Methionin, üblicherweise bis zu 24 h, zwecks Markierung der Proteine für die autoradiographische Detektion (vgl. K10 S. 17468 li. Sp. vorle. Abs. bis re. Sp. Abs. 1; K11 S. 2274 re. Sp. Abs. 4) und damit vergleichbar dem Streitpatent inkubiert (vgl. EP 0 912 898 B1 S. 6 Z. 37 bis 41). Entsprechendes gilt auch für die Durchführung der Immunpräzipitation (vgl. K10 S. 17468 re. Sp Abs. 5 und 6; K11 S. 2274 re. Sp. vorle. Abs. i. V. m. S. 2275 li. Sp. Abs. 1 und Fig. 3). Diesbezüglich fehlende Arbeitsvorschriften stellen die Nacharbeitbarkeit der K6 nicht in Frage.
Der weitere Einwand der Beklagten, der Fachman stoße beim Reinigen auf Probleme und würde ein anderes Protein aufreinigen, oder der Fachmann wüsste nicht, welche Proteine sich hinter den angegebenen Molekulargewichten verbergen könnten, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil der Fachmann beim Nacharbeiten der K6 stets das dort beschriebene autoantigene Protein der Zöliakie als Ziel vor Augen hat, mittels einfacher Vergleichstests die Aufreinigung des immunologisch relevanten Proteins überwacht und deshalb rasch feststellen wird, in welcher Fraktion bzw. in welchem Pool die gewünschte immunologische Aktivität vorhanden ist oder hinter welcher Bande sie verborgen ist.
Was das Vorbringen fehlender Klarheit und damit mangelnder Nacharbeitbarkeit der K6 hinsichtlich der Ausführung der Immunpräzipitation anbelangt, ist festzustellen, das die K6 lediglich beschreibt, dass die Immunpräzipitation mit IgA-Antiköpern von Patienten mit aktiver Zöliakie sowohl mit dem Kulturmedium als auch mit dem Zelllysat durchzuführen ist (vgl. K6 S. A77 li. Sp. Z. 10 bis 12). Eine Präferenz für eine der beiden üblichen Methoden der Immobilisierung von Antikörpern, durch kovalente Bindung oder durch Affinitätsbindung, geht aus der K6 nicht hervor, deshalb auch nicht zwingend eine Affinitätsbindung über Sepharose Protein A. Die Qual der Wahl und selbst eine gegebenenfalls notwendige Durchführung mit nach beiden Methoden immobilisierten IgA-Antikörpern überfordert den Fachmann, der das Ziel durch Vergleichstest stets überprüfbar vor Augen hat, nicht. Erfinderisches Zutun ist dabei nicht erforderlich.
Auch das Vorliegen zweier Proteine mit autoantigenen Eigenschaften in der K6 stellt den Fachmann nicht vor Schwierigkeiten, zumal beide, wie in der K6 eindeutig beschrieben, unterschiedlich lokalisiert sind, deshalb schon in frühem Stadium der Aufarbeitung getrennt untersucht und damit auch getrennt einer Immunreaktion mit den betreffenden IgA-Antikörpern der Zöliakie unterzogen werden. Die Auswahl einer der beiden in der K6 identifizierten Autoantigene mag zwar noch das Neuheitskriterium erfüllen, nicht jedoch das Kriterium erfinderischen Zutuns, zumal seine Wahl wegen der einfacheren Handhabbarkeit, auch im Hinblick auf eine Herstellung im Produktionsmaßstab, ohnehin eher auf das kleinere Protein fallen wird. Der Fachmann wird dem autoantigenen 90 kD Protein aber auch schon deshalb den Vorzug geben, weil er aus dem Stand der Technik wusste, dass es sich bei dem endomysialen Autoantigen der Zöliakie wahrscheinlich um ein zellassoziertes Protein handelt (vgl. K4 S. 421 Fig. 1 i. V. m. re: Sp. erster vollst. Abs. d. Results).
Sofern die Beklagten ihre diesbezügliche Argumentation des Weiteren darauf abstellen, der Fachmann habe hinter dem Protein der K6 mit MW 90 kD das Gliadin-bindende 90 kD Glykoprotein vermutet, das bereits in den Druckschriften B19, B20, B21 vorbeschrieben sei, und wäre bei der Nacharbeitung der K6 nicht zur Gewebe-Transglutaminase, sondern zu einem anderen Autoantigen der Zöliakie gelangt, so vermag dies schon deshalb nicht zu überzeugen, weil das 90 kD Glykoprotein der B21 nicht aus der Zelllinie HT-1080 isoliert wird (vgl. B21 S. 148 li. Sp Abs. 2). Zudem liegt der Druckschrift K6 ebenso wie das Streitpatent die Aufgabe zu Grunde, einen einfachen immunologischen Test ausgehend von Gewebeschnitten des Standes der Technik zu entwickeln und damit von einem anderen Standpunkt aus als die Druckschrift B21.
Auch der Ansicht der Beklagten, schon anhand des Molekulargewichtsvergleichs, wonach gemäß Streitpatent ein autoantigenes Protein mit einem Molekulargewicht von 85 kD und damit einer um 5 kD geringeren Größe aus HT-1080 isoliert werde, sei offensichtlich, dass die von K6 vermittelte Lehre nicht zur Erfindung führe, kann sich der Senat nicht anschließen. Zum Einen liefert eine Bestimmung per SDS-PAGE bekanntlich nur ein ungefähres Molekulargewicht und zum Anderen hat die Patentinhaberin selbst im Streitpatent unter anderem auch ein Autoradiogramm angegeben, aus dem sich ein Molekulargewicht von etwa 90 kD für das erfindungsgemäße autoantigene Protein aus HT-1080 ergibt (vgl. EP 0 912 898 B1 Fig. 1 Spur c).
Die Entdeckung bzw. Feststellung im Zuge einer erst nach der Veröffentlichung der K6 durchgeführten Anschlussarbeit mit dem Ergebnis, dass es sich bei einem der beiden in K6 isolierten Autoantigene um ein Protein mit Transglutaminase-Aktivität, speziell um tTG handelt, vermag die Patentfähigkeit gegenüber der K6 ebenfalls nicht zu begründen.
Für die Ausführbarkeit bzw. für die Durchführung des beanspruchten diagnostischen Verfahrens kommt es auf die Erkenntnis, dass es sich bei einem der beiden oder möglicherweise bei beiden in K6 als Autoantigene der Zöliakie identifizierten Proteinen um Gewebe-Transglutaminase bzw. um Transglutaminasen allgemein handelt, und die damit verbundenen wissenschaftlichen Zusammenhänge nicht an. Denn die Kenntnis über die gegebenenfalls vorhandene enzymatische Funktion einer Transglutaminase der in K6 identifizierten autoantigenen Proteine ist für die Immunreaktion und damit für die Funktion im beanspruchten Verfahren nicht erforderlich, liefert zur Problemlösung keinen Beitrag und vermag somit die Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens nicht zu begründen.
9. So weit die Beklagten auf Entscheidungen anderer Spruchkörper bzw. auf die in den betreffenden Verfahren eingereichten Unterlagen sowie Veröffentlichungen Bezug nehmen, führt dies ebenfalls nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
a) Im Technischen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. Germinario in dem Verfahren vor dem Tribunale di Roma (B7a), wird - anders als in der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (vgl. B4) - zwar zutreffend festgestellt, dass die K6 bereits den Weg vorgibt, der in die Richtung führt, die dann von den Erfindern des Streitpatents eingeschlagen wurde, und die K6 deshalb den korrekten Ausgangspunkt für die Bewertung der Erfindungshöhe darstellt (vgl. B7a Punkt 9.11). Jedoch teilt der sachkundige Senat weder die in diesem Gutachten vertretene Ansicht, dass der Fachmann ausgehend von der K6 und in deren Kenntnis nicht in der Lage gewesen sei, eine gangbare Alternative zu den bekannten Methoden bzw. Lösungen im Hinblick auf die damit verbundenen Probleme aufzuzeigen (vgl. B7a Punkt 9.13 le. Abs.), noch die letztlich auf die fehlende Nacharbeitbarkeit der K6 gestützten weiteren Ausführungen zur Bestandsfähigkeit des Streitpatents in diesem Gutachten.
Was die Ausführungen in dem Gutachten B7a zur Ausführbarkeit und Nacharbeitbarkeit der Lehre der K6 anbelangt, ist darin das Wissen und Können des Fachmanns erheblich unterbewertet bzw. deutlich zu niedrig angesetzt. Insbesondere erfahren die Schwierigkeiten eine Überbetonung, die bei der Durchführung von Arbeiten im analytischen und/oder präparativen Maßstab sowie der Isolierung der Autoantigene aus dem Zelllysat durch Affinitätsbindung entsprechend der Lehre der K6 auftreten können. Übliche Grundoperationen biochemischen Arbeitens wie die Isolierung ausreichender Substanzmengen aus den SDS-PAGE-Gelen zahlreicher analytischer Ansätze oder die Durchführung der SDS-PAGE im präparativen Maßstab werden - unzutreffenderweise - ebenso als problematisch für die Ausführbarkeit und letztlich als Anzeichen für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit bewertet wie die Durchführung einer Affinitätsbindung an Protein A und/oder Protein G (vgl. B7a Punkte 9.53 bis 9.76). Sofern in dem Gutachten eine ex-post-Betrachtung in Kenntnis von tTG als Autoantigen der Zöliakie als Voraussetzung sowohl für die Ausführbarkeit der Lehre der K6 als auch für das Naheliegen der Erfindung des Streitpatents herausgestellt ist (vgl. B7a insbesondere Punkt 9.58), verkennt der Gutachter, dass das Nacharbeiten der K6 und die Ausarbeitung eines immundiagnostischen Verfahrens auf der Grundlage der in der K6 identifizierten Autoantigene der Zöliakie, wie vorstehend unter anderem unter Punkt 7b dargelegt, eben gerade nicht die Kenntnis der physiologischen enzymatischen Funktion des Autoantigens, nämlich der Transglutaminase-Aktivität erfordert.
Was die Frage der Reinheit der 90 kD Bande gemäß K6, der Identität des 90 kD Proteins und damit die Frage einer gegebenenfalls erforderlichen Auftrennung des diese Bande hervorrufenden Proteingemisches und Reinigung des in diesem Proteingemisch vorhandenen Autoantigens der Zöliakie anbelangt (vgl. B7a Punkte 9.29, 9.40 bis 9.48 sowie 9.79 bis 9.85), so enthalten die Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen jedenfalls keine Merkmale zur Reinheit bzw. zum Reinheitsgrad des diagnostischen Reagenzes. Sofern die nach den Ausführungen der Beklagten möglicherweise verunreinigte 90 kD Bande der K6 dasjenige Autoantigen der Zöliakie umfasst (vgl. auch B7a 9.48), das gegebenenfalls erst in späteren Arbeiten als tTG identifiziert wurde, ist eine Begründung der Patentfähigkeit des streitpatentgemäßen Verfahrens nach Hilfsantrag IV gegenüber der Lehre der K6, sowohl was die Neuheit als auch was die erfinderische Tätigkeit anbelangt, weder über die Reinheit des autoantigenen Reagenzes noch über dessen enzymatische Aktivität einer Transglutaminase möglich. Hinsichtlich der Ausführbarkeit nimmt das Verfahren gemäß Hilfsantrag V wegen der rekombinanten Herstellung des diagnostischen Reagenzes demgegenüber insofern eine Sonderstellung ein, als weder das Streitpatent selbst noch die K6 Hinweise und erst recht nicht experimentelle Ausführungen zur gentechnischen Herstellung, zur Fermentation und zur Aufarbeitung des rekombinanten diagnostischen Reagenzes enthalten.
Nicht anschließen kann sich der Senat auch der technischen und patentrechtlichen Bewertung der Erfassung von Antikörpern der Klasse IgG als wichtigen Teil des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems, der bisher nicht erörtert worden sei (vgl. B7a Punkt 9.16). Denn in der K6 wird explizit ausgeführt, dass das Serum von unbehandelten Zöliakiepatienten Antikörper enthält, die zu den Klassen IgG und IgA gehören und die mit der ECM menschlichen Gewebes reagieren, was nichts anderes bedeutet, als dass die endomysialen Gewebeschnitte des Standes der Technik sowohl IgG und IgA Antikörper aus dem Serum von Zöliakiepatienten binden und damit identifizieren, ein Sachverhalt, der im Übrigen auch in der Einleitung des Streitpatents bei der Abhandlung des Standes der Technik seine Bestätigung findet (vgl. EP 0 912 898 B1 S 2 Z 51 und 57). Entgegen den Ausführungen in dem Gutachten B7a nimmt der Beschluss 15 W (pat) 21/02 (K9) Bezug auf die Frage der Klasse der Antikörper (vgl. K9 S. 22 le. Abs. bis S. 23 Z 2), ohne dabei allerdings expressis verbis auf IgG-Antikörper einzugehen und zwar deshalb nicht, weil in sämtlichen Anträgen der K9, wie auch im vorliegenden Verfahren, eine Beschränkung auf Antikörper der IgG-Klasse nicht erfolgt ist, eine solche Beschränkung letztlich auch nicht sachgerecht wäre. Abgesehen von der Tatsache, dass in der K6 - für den fachkundigen Leser ohne weiteres ersichtlich - auch Antikörper der IgG-Klasse angesprochen sind, handelt es sich bei der zusätzlichen Erfassung von IgG-Antikörpern in patentrechtlicher Hinsicht ohnehin um einen sogenannten Bonus-Effekt, der sich selbst bei einer lediglich auf die Bindung von Antikörpern der IgA-Klasse ausgerichteten Ausführung der Lehre der K6 zwangsläufig einstellt (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 317 - kosmetisches Sonnenschutzmittel, BGH GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger; EPA T 192/82 ABl. EPA 1984, 415 - Formmassen, EPA T 936/96, EPA T 506/92). Im Übrigen vermag dieser Bonuseffekt aufgrund der Identifizierung des Autoantigens der Zöliakie im ECM bzw. Endomysium gemäß K6 und der - wie vorstehend dargelegt - dem Fachmann bekannten Tatsache, dass endomysiale Gewebeschnitte sowohl Antikörper der IgA- als auch der IgG-Klasse aus dem Serum von Zöliakiepatienten binden, nicht einmal zu überraschen.
Schlussendlich fehlt in dem Gutachten B7a eine Stellungnahme zur Frage der Bestandsfähigkeit des über die Gewebe-Transglutaminase als Reagenz hinausgehenden Teilgegenstands der Merkmale 3.2 bis 3.4, obwohl einleitend auf die strukturellen und funktionellen Merkmale Bezug genommen ist (vgl. B7a Punkt 1.1 C und C.1).
b) Was die Entscheidung B4 der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts betrifft, so wird die darin vertretene Ansicht, dass die K6 (D1 in B4) nicht als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden könne und deshalb keinen Ausgangspunkt für die Erfindung des Streitpatents darstelle (vgl. B4 Bl. 8 vorle. Abs.), weder in dem Gutachten des Tribunale di Roma (vgl. B7a Punkt 9.11) noch in der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. K13’ S. 6 le. Abs. ff.) geteilt. Insofern als die B4 zwar den Inhalt des Abstracts K6 bzw. D1 wiedergibt, dazu jedoch lediglich feststellt, dass darin kein Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Zöliakie offenbart sei und deshalb K6 bzw. D1 nicht als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden könne, mangelt es der Entscheidung B4 ersichtlich an einer darüber hinausgehenden begründeten Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von K6.
Soweit sich die Entscheidung B4 mit der K3 und K4 (in B4 als D21, D44 bezeichnet) befasst, bleiben dabei jedenfalls die Merkmale 3.3 und 3.4 unberücksichtigt, sodass der Senat in dieser Entscheidung, ebenso wie in dem Gutachten B7a, auch nichts zu erkennen vermag, das bezüglich des Teilgegenstands der Merkmale 3.3 und 3.4 begründeten Anlass für eine andere Bewertung der vorliegenden Nichtigkeitsklage geben könnte.
Dies gilt erst recht für das Verfahren vor der Beschwerdekammer des EPA, das nach Rücknahme des Einspruchs lediglich mit einem Formalbescheid B5 und damit ohne eine in der Sache und damit ohne eine technisch begründete Entscheidung endete.
Was den schriftsätzlichen Hinweis der Beklagten auf die vorläufige Auffassung der Technischen Beschwerdekammer anbelangt, wonach das Vorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit bestätigt werde, diese vorläufige Auffassung allerdings nicht bindend sei, so wird in der betreffenden Mitteilung der Beschwerdekammer vom 23. März 2009 die Eigenoffenbarung des Disclaimermerkmals 4 in Frage gestellt, die Neuheit gegenüber K6 (D1) vorläufig festgestellt und die K6 (D1) vorläufig nicht als nächstkommender Stand der Technik und damit nicht als Ausgangspunkt erachtet. Die vorläufige Bewertung der Beschwerdekammer geht damit nicht über die B4 hinaus.
c) Die Anerkennung in der Fachwelt, insbesondere auch in der Zeit, die seit der Entscheidung K9 des Bundespatentgerichts vergangen ist (vgl. beispielsweise die Druckschriften B1, B15, B17), die im Übrigen allenfalls ein Beweisanzeichen sein, aber die Patentfähigkeit nicht belegen könnte, lässt jedenfalls die Vorwegnahme der Erfindung durch die Druckschrift K6 außer acht, auf die sich das vorliegende Urteil betreffend den durch die Merkmale 3.1 und 3.1.1 gekennzeichneten Teilgegenstand des Streitpatents gründet.
Unberücksichtigt bleibt in der Anerkennung der Fachwelt im Übrigen auch die Kollision des Teilgegenstandes des Streitpatents betreffend die Merkmale 3.2 bis 3.4 mit dem Stand der Technik der Druckschriften K3 bis K5.
10. Der Senat hatte weder Veranlassung, entsprechend der Anregung der Beklagten ein Sachverständigengutachten einzuholen, noch bedurfte es der Einbeziehung der Parteigutachten K14 und K15 in die Urteilsfindung, die letztlich nur urkundlich belegten substantiierten Parteivortrag darstellen. Denn die Mitglieder des Senats verfügen über die notwendige Fachkunde und die von den Parteien für beweiserheblich gehaltenen Fragen betreffen außerdem rechtliche Bewertungen (vgl. dazu Thomas-Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 402 Vorbem. Rn. 3; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 81, Rn. 161; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 88 Rn. 6; § 139, Rn. 125).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
IV.
Der für das vorliegende Patentnichtigkeitsverfahren festgesetzte Streitwert bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents für die restliche Laufzeit von 7 Jahren ab Klageerhebung. Er entspricht im Verfahren vor dem Bundespatentgericht im Allgemeinen dem gemeinen Wert des Patents bei Erhebung der Klage, d. h. der aufgrund Eigennutzung und Lizenzen zu erwartenden Erträge zuzüglich des Betrages der bis zur Klageerhebung eventuell entstandenen Schadensersatzansprüche (BGH GRUR 1957, 79; 1985, 511 - Stückgutverladeanlage; BlPMZ 1991, 190 - Unterteilungsfahne). Das Vorbringen der Beteiligten ergab keine Anhaltspunkte für eine Abweichung von der vorläufigen Festsetzung durch den Senat mit Beschluss vom 8. April 2010. Insbesondere erscheint eine Erhöhung auf Grundlage der vom LG Düsseldorf im Verletzungsstreit vorläufig festgesetzten Streitwerts von 7,5 Millionen € angesichts eines zwischen den Parteien unstreitigen Marktvolumens von bis zu 3 Millionen € pro Jahr für einschlägige Tests und der Restlaufzeit des Streitpatents zum Zeitpunkt der Klageerhebung für das vorliegende Nichtigkeitsverfahren nicht angemessen.