Entscheidungsdatum: 01.10.2014
Nach dem Grundsatz der rückwirkenden Anwendung der milderen Sanktionsnorm (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung der Betriebsprämie 2006 als Sanktion einer vorsätzlichen Übererklärung.
Der Kläger ist Landwirt und bewirtschaftet eine Fläche von rund 92 ha, auf der er unter anderem Kartoffeln anbaut. In seinem Sammelantrag für das Jahr 2006 beantragte er die Betriebsprämie und die Beihilfe für den Anbau von Stärkekartoffeln (Stärkekartoffelprämie). In dem dazugehörigen Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis gab er an, auf einer Teilfläche von 18,21 ha Speisekartoffeln und auf einer weiteren Teilfläche von 0,8 ha Kartoffeln zur Stärkeherstellung anzubauen, für die er einen Anbauvertrag mit der Fa. ... beifügte. Darüber hinaus bestätigte er in dem Antragsformular, davon Kenntnis zu haben, dass die Anbaufläche von Stärkekartoffeln gleichzeitig für die Aktivierung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämie genutzt werden könne; er wisse, dass Kartoffeln nur der Verwendung zugeführt werden dürften, die für den jeweiligen Schlag angegeben sei.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 bewilligte die Beklagte eine Betriebsprämie in Höhe von 26 041,71 €. Dabei berücksichtigte sie die 0,8 ha große Teilfläche für Stärkekartoffeln. Für den Anbau von Speisekartoffeln erkannte sie 17,45 ha an, weil der Kläger nur in diesem Umfang über die hierfür erforderlichen OGS-Genehmigungen verfügte. Ferner bewilligte sie mit Bescheid vom 31. August 2007 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 200 €. Eine Stärkekartoffelprämie wurde hingegen nicht gewährt, weil die Fa. ... mitgeteilt hatte, der Kläger habe keine Stärkekartoffeln geliefert.
Vor diesem Hintergrund wurde der Kläger mit Schreiben vom 21. September 2007 darauf hingewiesen, dass die Betriebsprämie für die zum Anbau von Stärkekartoffeln gemeldete Teilfläche zu Unrecht bewilligt worden sei, falls die dort angebauten Kartoffeln an einen Speisekartoffelverarbeitungsbetrieb geliefert worden seien. Beruhe die Differenz auf einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit, sei die gesamte Betriebsprämie zurückzufordern. Der Kläger räumte hierauf ein, er habe diese Kartoffeln nicht an die Fa. ..., sondern an die Fa. ... geliefert. Das habe er der Fa. ... mitgeteilt. Er habe jedoch versäumt, seinen Betriebsprämienantrag insoweit zurückzunehmen.
Die Beklagte prüfte, ob der Kläger vorsätzlich gehandelt habe und verneinte dies. Erst durch das Anhörungsschreiben sei ihm klar geworden, eine Mitteilung an die Bewilligungsstelle versäumt und insoweit zu Unrecht eine Betriebsprämie erhalten zu haben. Mit Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2006 auf, soweit damit für die Anbaufläche für Stärkekartoffeln 124,96 € bewilligt worden waren.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 hörte die Beklagte den Kläger auf Weisung des zuständigen Landesministeriums zur beabsichtigten vollständigen Versagung der Betriebsprämie an, weil er vorsätzlich Rechtsvorschriften verletzt habe. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 nahm die Beklagte die nach der Teilrücknahme noch bestehenden Bewilligungen zurück und forderte die verbliebenen 26 116,73 € zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die für den Stärkehersteller angebauten Kartoffeln bewusst nicht als Stärkekartoffeln, sondern als Veredelungskartoffeln an die Fa. ... geliefert. Folglich müsse er gewusst haben, dass seine Nutzungsangaben falsch geworden seien. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass er nachträgliche Nutzungsänderungen unverzüglich hätte mitteilen müssen. Das habe er unterlassen, so dass eine vorsätzliche Unregelmäßigkeit vorliege. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da die Bewilligungen auf seine falschen Angaben zurückzuführen seien.
Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 28. Oktober 2009 aufgehoben, weil mangels Vorsatzes die Voraussetzungen der Sanktion nicht gegeben seien. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit dem Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 sei nicht zugleich geregelt worden, dass der Kläger die Betriebsprämie im Übrigen behalten könne. Die Rücknahme der verbliebenen Bewilligungen sei rechtmäßig; denn die Betriebsprämie sei wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit im Sinne einer Übererklärung gemäß Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 769/2004 zu Unrecht bewilligt worden. Die Angabe, eine bestimmte Fläche zum Anbau von Stärkekartoffeln zu nutzen, sei durch die davon abweichende Verwendung zu Speisezwecken falsch geworden. Der Kläger habe es vorsätzlich unterlassen, die Angabe zu berichtigen. Auf eine Betrugsabsicht oder einen Vorsatz in Bezug auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe komme es nicht an. Angesichts der in dem Sammelantragsformular enthaltenen Erklärungen sei regelmäßig von dem Wissen um die Verpflichtung auszugehen, Änderungen unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger habe langjährig sowohl Speise- als auch Stärkekartoffeln angebaut und in seinem Antrag bewusst zwischen diesen unterschieden. Es müsse daher angenommen werden, dass er gewusst habe, Stärkekartoffeln nicht abweichend vermarkten zu dürfen. Spätestens bei der im November 2006 durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle oder der Eigenkontrolle des Bescheides vom 27. Dezember 2006 müsse sich der Kläger der Korrekturbedürftigkeit bewusst gewesen sein. Die Sanktion der vollständigen Versagung der Betriebsprämie verletze auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Aufhebung der daher rechtswidrigen Bewilligungsbescheide stehe Vertrauensschutz nicht entgegen, der unionsrechtlich abschließend durch Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 geregelt sei. Der Kläger könne sich nicht gemäß Art. 73 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 darauf berufen, dass die Zahlung auf einen Irrtum der Behörde zurückzuführen sei, den er billigerweise nicht habe erkennen können. Die Zahlung habe vielmehr auf den fehlerhaft gewordenen Angaben des Klägers beruht, was er auch gewusst habe. Die Vorschrift biete nach ihrem Wortlaut keine Grundlage für den Schutz des Vertrauens in einen Teilrücknahmebescheid, der in Kenntnis der für die Sanktion entscheidungserheblichen Tatsachen ergangen sei, und könne auch nicht analog angewandt werden.
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass er vorsätzlich gehandelt habe. Der Vorsatz müsse sich auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vorteils beziehen, weil es darum gehe, Betrugsfälle zu vermeiden. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass eine Fläche, deren Ernte nicht als Stärkekartoffeln abgeliefert werde, agrarförderrechtlich zu einer Speisekartoffelfläche werde. Überhaupt sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es durch die Agrarreform im Rahmen der Betriebsprämie eine zusätzliche, sehr geringe Förderung gebe und er hier einen Fehler gemacht habe. Er habe ausschließlich an die Stärkekartoffelprämie gedacht. Die Sachverhaltswürdigung sei wertungswidersprüchlich, weil das Berufungsgericht einerseits die Komplexität des Bewilligungssystems anerkenne, andererseits davon ausgehe, dass er die hier einschlägigen Hinweise verstanden habe. Das Berufungsgericht verkenne, dass vom Verständnis eines durchschnittlichen Landwirts auszugehen sei. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er zusätzlich zu den Mitteilungen an die Stärkefabrik die Nutzungsänderung auch gegenüber der Beklagten habe anzeigen müssen. Die Sanktion verletze außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich könne er sich nach den Bestimmungen des Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 auf Vertrauensschutz berufen. Mit dem Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 sei auch entschieden worden, ihm die nicht zurückgeforderten Beträge zu belassen. In Anbetracht der Kenntnisse der Beklagten habe er darauf vertrauen dürfen, von Sanktionen verschont zu bleiben.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Vorsatz allein auf den Verstoß gegen eine für die Beihilfegewährung geltende Vorschrift beziehen müsse. Aus dem Teilrücknahmebescheid lasse sich schutzwürdiges Vertrauen nicht ableiten. Er habe keine Entscheidung über eine Kürzung der Betriebsprämie wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit enthalten.
Der Senat hat die Beteiligten auf die mit der Agrarreform 2014 einhergehende Änderung der Sanktion bei vorsätzlichen Übererklärungen und das Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 hingewiesen. Die Beklagte sieht darin keine nach dem Günstigkeitsprinzip anwendbare, weniger strenge Sanktion.
Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage der am 27. Juni 2014 in Kraft getretenen Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 (ABl L 181 S. 48) verletzt das angegriffene Urteil Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil nach den Sanktionsregelungen dieser Verordnung die vom Berufungsgericht festgestellte vorsätzliche Übererklärung in Anwendung des Günstigkeitsprinzips der Rahmenverordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl L 312 S. 1) ohne Sanktion bleibt.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 28. Oktober 2009 als Rechtsgrundlage das Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG) zugrunde zu legen ist, das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBI I S. 1847), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBI I S. 2314) maßgeblich ist. Über die Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen ist nach nationalem Recht zu entscheiden, soweit es an unionsrechtlichen Regelungen fehlt. Zwar begründete Art. 73 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl L 141 S. 18) die materiell-rechtliche Pflicht des Betriebsinhabers, zu Unrecht gezahlte Betriebsprämien zurückzuzahlen. Die Vorschrift enthielt aber nicht zugleich auch die verfahrensrechtliche Ermächtigung der nationalen Behörden zur Aufhebung von Bewilligungsbescheiden und zum Erlass von Rückforderungsbescheiden; sie bestimmt sich daher nach nationalem Recht (vgl. Urteile vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 10 Rn. 30 und vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 3 C 22.02 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 44 S. 14 f.).
Bei der Betriebsprämie handelt es sich um eine flächenbezogene Beihilfe und Direktzahlung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g und Nr. 2 MOG. Deren rechtswidrige, aber auch nachträglich rechtswidrig gewordene Bewilligung ist vorbehaltlich des zu beachtenden Vertrauensschutzes aufzuheben; der danach zu erstattende Betrag ist durch Bescheid festzusetzen (§ 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 MOG, § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG).
2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobenen, nach dem Teilrücknahmebescheid fortbestehenden Bewilligungen rechtswidrig waren, weil die Betriebsprämie wegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit in Gestalt einer Übererklärung nach Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 insgesamt zu versagen gewesen sei.
Die verwaltungsrechtliche Sanktionierung einer Unregelmäßigkeit setzt nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 voraus, dass sie in einem - gültigen - Rechtsakt vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde, was dem strafrechtlichen Grundsatz nulla poena sine lege entspricht. Im Ausgangspunkt entscheidend sind daher die Sanktionsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 in ihrer ursprünglichen Fassung vom 21. April 2004; denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag eine (vorsätzliche) Unregelmäßigkeit spätestens bei der Eigenkontrolle des Bewilligungsbescheides vom 27. Dezember 2006 vor. Die nachfolgende, Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 um eine Bagatellklausel ergänzende Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 vom 8. Mai 2009 (ABl L 116 S. 9) ist hierfür ohne Bedeutung.
In nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen Übererklärung gemäß Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 gegeben sind. Nach dieser Vorschrift war ein Betriebsinhaber von der Gewährung der Betriebsprämie des laufenden Jahres ausgeschlossen, wenn die von ihm in seinem Sammelantrag angegebene Fläche größer war als die den Voraussetzungen für die Beihilfegewährung genügende Fläche („ermittelte Fläche“), sofern die Differenz auf einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit beruht (Art. 53 Abs. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 3, Art. 49 Abs. 1 Buchst. a und Art. 2 Nr. 22 VO
Eine Differenz in diesem Sinne liegt hier vor, weil die im Sammelantrag des Klägers angegebene Fläche zum Anbau von Stärkekartoffeln nicht als ermittelte Fläche gilt. Diese Fläche war im Jahr 2006 nur unter der Voraussetzung beihilfefähig, dass die auf ihr angebauten Kartoffeln tatsächlich zur Stärkeherstellung verwandt wurden (Art. 51 Buchst. c VO
Diese Differenz beruht auf einer Unregelmäßigkeit. Der Begriff der Unregelmäßigkeit wird allgemein und grundlegend in Art. 1 Abs. 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 sowie im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durch dessen Art. 2 Nr. 10 definiert. Nach dieser sektoralen Definition ist eine Unregelmäßigkeit in jeder Missachtung der für die Gewährung der betreffenden Beihilfe geltenden Rechtsvorschriften zu sehen. Wie sich aus Erwägungsgrund 55 VO
Der Kläger hat für die 0,8 ha große Teilfläche Zahlungsansprüche aktiviert unter der Angabe, das Land zum Anbau von Stärkekartoffeln zu nutzen. Er unterlag damit förderrechtlich dem Verbot, diese Fläche für andere als für die Herstellung von Kartoffelstärke bestimmte Kartoffeln zu nutzen. Folglich verletzte der Kläger bereits mit der zweckwidrigen Verwendung der Kartoffeln das Nutzungsverbot in förderrelevanter Weise und beging damit eine Unregelmäßigkeit. Damit verbunden ist eine weitere Unregelmäßigkeit, auf die sich das Berufungsgericht zu Recht stützt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 musste der Sammelantrag alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, wozu hier gemäß vorstehend genannter Vorschriften auch die Nutzung des Kartoffelanbaus gehörte. Ausdrücklich bestimmte § 7 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und l InVeKoSV, dass die Nutzung von Flächen für den Anbau von Kartoffeln, unterschieden nach Stärkekartoffeln und anderen Kartoffeln, anzugeben war. Diese Angaben müssen nicht nur im Zeitpunkt der Erklärung zutreffen. Im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (Integriertes System) obliegt es einem Antragsteller, Beihilfeanträge nur für Flächen zu stellen, die die Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfe erfüllen, und über jede nach Antragstellung eintretende Änderung der Sachlage zu informieren (EuGH, Urteil vom 28. November 2002 - Rs. C-417/00, Agrargenossenschaft Pretzsch - Slg. I-11070 Rn. 45 ff., 52). Das spiegelt auch Art. 68 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 wider, der bei rechtzeitiger Mitteilung, dass der Beihilfeantrag „seit Einreichung fehlerhaft geworden ist“, von Sanktionen befreit.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass jedenfalls Vorsatz in Gestalt sicheren Wissens (direkter Vorsatz) genügt, also eine absichtliche Begehung der Unregelmäßigkeit, und entsprechend auch eine betrugsspezifische Bereicherungsabsicht nicht vorliegen muss. Richtig ist auch, dass sich der Vorsatz auf die Unregelmäßigkeit bezieht und damit jedenfalls nicht unmittelbar auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe. Der Begriff der Unregelmäßigkeit knüpft jedoch an die Verletzung einer förderrelevanten Vorschrift an, die die Rechtswidrigkeit einer dennoch gewährten Beihilfe nach sich zieht, so dass die Fehlvorstellung, die verletzte Vorschrift habe keine Bedeutung für die beantragte Förderung, als ein den Vorsatz ausschließender Irrtum angesehen werden könnte. Das bedarf aber keiner Vertiefung, weil das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der von ihm festgestellten Unregelmäßigkeit eine solche Fehlvorstellung verneint hat.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist von einer vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeit auszugehen. Eine solche Unregelmäßigkeit dürfte bereits darin bestehen, dass der Kläger mit der zweckwidrigen Verwendung der Kartoffeln wissentlich gegen das förderrechtliche Nutzungsverbot verstoßen hat, weil er - legt man diese Feststellungen zugrunde - das Fördersystem durchaus verstanden und demnach gewusst hat, dass er die Stärkekartoffeln nicht abweichend vermarkten durfte. Das Berufungsgericht hat die vorsätzliche Unregelmäßigkeit erst darin gesehen, dass der Kläger die von seinen Antragsangaben abweichende Verwendung von Stärkekartoffeln der Beklagten nicht (unverzüglich) mitgeteilt habe und ihm jedenfalls spätestens bei der Eigenkontrolle des Bewilligungsbescheids vom 27. Dezember 2006 die Korrekturbedürftigkeit der Angaben bewusst gewesen sein müsse. Davon ausgehend liegt die vorsätzliche Unregelmäßigkeit allerdings zeitlich nach Erlass der Betriebsprämienbewilligung vom 27. Dezember 2006, so dass diese (ursprünglich) nur insoweit rechtswidrig wäre, als für die 0,8 ha große Teilfläche eine Betriebsprämie bewilligt wurde. Das ist mit der Teilrücknahme erledigt. Die fortbestehende Bewilligung wurde hingegen erst nachträglich rechtswidrig. Das ist aber nicht weiter bedeutsam (§ 47 VwVfG), weil die verbliebene Bewilligung dann zwar nicht zurückzunehmen, aber mit den gleichen Rechtsfolgen gemäß § 10 Abs. 2 Halbs. 1 MOG zu widerrufen war.
Die die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts tragenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angriffen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO); sondern sich darauf beschränkt, ihnen seine eigene Sicht des tatsächlichen Geschehensablaufs entgegen zu halten; die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind daher grundsätzlich bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Revisionsgerichtlich ist nur zu prüfen, ob die tatsächlichen Feststellungen gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verstoßen, zu denen die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteile vom 13. Juli 2006 - BVerwG 4 C 2.05 - BVerwGE 126, 233 Rn. 17 und vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 6.01 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 111 S. 36 f.). Ein solcher Verstoß ist nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt den geltend gemachten Wertungswiderspruch nicht erkennen. Das Gericht hat die Komplexität des Bewilligungssystems gewürdigt und hierauf aufbauend seine Feststellungen im Kern individuell begründet.
3. Gleichwohl kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; denn nach den Sanktionsregelungen der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 bleibt die vorsätzliche Übererklärung in Anwendung des Günstigkeitsprinzips des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 ohne Sanktion.
Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 enthält eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten, die mit ihren allgemeinen, horizontal geltenden Vorschriften alle Bereiche der Unionspolitik erfasst und grundsätzlich von allen sektorbezogenen Verordnungen zu beachten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2008 - Rs. C-420/06, Jager - Slg. I-1315 Rn. 61 m.w.N.). Ihr Art. 2 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass bei einer späteren Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend gelten. Das damit auf verwaltungsrechtliche Sanktionen anzuwendende Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck des Grundsatzes der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 59 m.w.N.). Entsprechend ist das Günstigkeitsprinzip auch mit Blick auf Rechtsänderungen zu beachten, die im Rechtsmittelverfahren - hier im Revisionsverfahren - vorgenommen werden (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juli 2004 - Rs. C-295/02, Gerken - Slg. I-6382 Rn. 14 - 20 und vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 40 f., 84).
Die Regelung der Sanktion der in einer vorsätzlichen Übererklärung liegenden Unregelmäßigkeit nach Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 wurde zunächst durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 380/2009 durch eine Bagatellregelung abgemildert, die jedoch den vorliegenden Sachverhalt nicht erfasst. Die Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 nachfolgende, für Beihilfeanträge ab 2010 geltende Sanktionsregelung übernahm die zuvor geltende Vorschrift unverändert (Art. 60 Abs. 1 VO
Der Anwendung dieser milderen Sanktionsregelung stehen die Vorschriften zur Aufhebung der mit ihr abgelösten Verordnung (EG) Nr. 1122/2009, zum In-Kraft-Treten und zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nicht entgegen.
In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die im Regelungsbereich der Gemeinsamen Agrarpolitik üblichen Übergangsregelungen, wie sie sich in Art. 53 und 54 VO (EG) Nr. 2419/2001 (ABl L 327 S. 11) finden, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips nicht ausschließen. Soweit sich aus dem jeweiligen Rechtsakt kein anderer Hinweis ergibt, lassen sie das mit der Rahmenregelung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 allgemein eingeführte Günstigkeitsprinzip unberührt (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2004 a.a.O. Rn. 53 - 58).
Nach den hier zu beachtenden Übergangsvorschriften bleiben die bisherigen Beihilfevorschriften für Beihilfeanträge früherer Zeiträume und für Zahlungsanträge des Jahres 2014 anwendbar (Art. 43 Satz 1 und 2 Buchst. a und b VO
Die Neuregelung der Sanktion bei Übererklärungen stellt sich auch nicht als gänzliche Neustrukturierung der Sanktionsvorschriften dar, die einer Anpassung an die Änderungen des Beihilfesystems, hier der Fortentwicklung der Betriebsprämie, geschuldet wäre und damit keine gewandelte gesetzgeberische Wertung in Bezug auf die Sanktionierung von Übererklärungen zum Ausdruck bringen würde.
Einen solchen, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausschließenden Systemwechsel hat der Europäische Gerichtshof im Zuge des mit der Agrarreform 2003 verbundenen Wechsels vom System produktionsbezogener Direktzahlungen zur - weitgehend - von der Produktion entkoppelten Betriebsprämie für die Sanktion einer Verletzung der Registrierungspflicht für Tiere angenommen (EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 67 ff.). Während eine qualifizierte Verletzung der Registrierungspflicht vor der Reform zu einem zwölfmonatigen Ausschluss der Mutterkuhprämie führte, war die Registrierungspflicht im Rahmen der Betriebsprämie als sogenannte anderweitige Verpflichtung (Cross-Compliance) zu beachten, deren Verletzung zu einer prozentualen Kürzung der Betriebsprämie führte, für die unter anderem eine individuelle Bewertung aller Verstöße von Bedeutung war. Die Einhaltung der Registrierungspflicht war damit in einen ganz anderen Regelungszusammenhang gestellt worden, der eine Anpassung des Sanktionssystems erforderlich machte, um Unstimmigkeiten zu vermeiden. Im Zusammenhang mit dem veränderten Bezugsrahmen traten veränderte Parameter an die Stelle der bisherigen, um die Sanktion an den neuen Regelungszusammenhang anzupassen (vgl. im Einzelnen EuGH, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. insb. Rn. 73 ff.).
Ein vergleichbarer, die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausschließender Wechsel des Sanktionssystems liegt hier nicht vor. Mit der Sanktionsregelung des Art. 19 VO (EU) Nr. 640/2014 werden im Anwendungsbereich der Verordnung alle Übererklärungen im Zusammenhang flächenbezogener Beihilferegelungen erfasst. Einbezogen sind damit auch die verschiedenen, an die Größe der gemeldeten Fläche anknüpfenden Stützungsregelungen zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), deren Sanktionen zuvor in der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 (ABl L 25 S. 8) normiert wurde. Die dort für vorsätzliche Übererklärungen vorgesehene Sanktion (Art. 16 Abs. 6 VO
Die bisherige Betriebsprämie kehrt künftig in der mit ihr vergleichbaren Basisprämie und „damit verbundenen Zahlungen“ wieder (vgl. Titel III VO
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Übererklärungen im spezifischen Zusammenhang mit dem Anbau von Kartoffeln nicht mehr möglich sind, weil bereits zum Jahr 2008 das bisherige Nutzungsverbot aufgehoben wurde. Die Sanktionsregelungen haben weder auf diese Sonderkonstellation abgestellt noch hat der Unionsgesetzgeber den Fortfall dieser an die Produktion gekoppelt gebliebenen Sonderregelungen nachfolgend zum Anlass einer Änderung der Sanktionsregelungen genommen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung kann die lediglich fortentwickelte, bereits mit der Agrarreform 2003 weitgehend verwirklichte Entkoppelung der Agrarbeihilfen von der Produktion dementsprechend auch nicht als Systemwechsel betrachtet werden, der im Kontext der hier in Rede stehenden Sanktionsregelung der Anwendung des Günstigkeitsprinzips entgegensteht. Vielmehr ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Neuregelung der Verwaltungssanktionen bei Übererklärungen sich aus der Fortentwicklung des Beihilfensystems erklärt und damit nicht Ausdruck einer gewandelten gesetzgeberischen Wertung der Sanktionierung von Übererklärungen ist.
4. Danach kommt es nicht darauf an, ob die bei Begehung der vorsätzlichen Unregelmäßigkeit geltende Sanktionsregelung des Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 in ihrer ursprünglichen, noch nicht durch eine Bagatellklausel abgemilderten Fassung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar war und ob dies wegen der Geltung des Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO
Unerheblich bleibt auch, ob sich der Kläger auf schutzwürdiges Vertrauen hätte berufen können. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der bei der Aufhebung der Bewilligungen und bei der Rückforderung zu Unrecht gewährter Betriebsprämien zu beachtende Vertrauensschutz abschließend durch Art. 73 VO (EG) Nr. 796/2004 geregelt ist (vgl. zur Vorgängervorschrift Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - a.a.O. Rn. 30 und Beschluss vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 3 B 20.12 - Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 6 Rn. 12). Stand allerdings entsprechend den Ausführungen des Berufungsgerichts in dem zur Teilrücknahme der Betriebsprämienbewilligung führenden Verfahren die Frage einer vollständigen Rücknahme im Vordergrund des Interesses, so lässt sich eine Auslegung dahin, dass die Teilrücknahme als abschließende Regelung zu verstehen war und in ihr ein Verzicht auf weitergehende Rückforderungen lag, nicht deshalb verneinen, weil es zu einer solchen Regelung keinen Anlass gegeben hätte. Anders als in der in Bezug genommen Entscheidung (Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283) bestand hier nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont durchaus Anlass zu einer Entscheidung darüber, ob die Bewilligung nur teilweise oder ganz zurückgenommen wird. Ungeachtet dessen hätte sich der Kläger jedoch nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Die hier näher in Betracht zu ziehende Regelung des Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 schützt das Vertrauen in den Fortbestand einer Betriebsprämienzahlung nur, wenn die Zahlung auf einem Irrtum im Verantwortungsbereich der Behörde beruht. Hier beruht die Betriebsprämienzahlung jedoch auf einer Unregelmäßigkeit des Klägers. Daran ändert nichts, dass sich die Beklagte zunächst auf eine Teilrückforderung beschränkt hat, weil sie - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlerhaft - eine vorsätzliche Unregelmäßigkeit verneint hat.