Entscheidungsdatum: 09.06.2011
Der Antrag auf Ergänzung eines Urteils nach § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird. Ein danach offensichtlich unzulässiger Ergänzungsantrag kann durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.
Die Anhörungsrügen sind unbegründet (I), die Anträge auf Urteilsergänzung offensichtlich unzulässig (II). Der Senat hat in der nunmehr geschäftsplanmäßigen Zusammensetzung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580, 581
Die Klägerinnen zeigen nicht auf, dass der Senat im Urteil vom 16. Dezember 2010 ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, wie es § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO für die beantragte Fortführung des Revisionsverfahrens voraussetzt.
1. Es ist offensichtlich unrichtig, dass der Senat, ohne die Klägerinnen dazu angehört zu haben, unterstellt habe, dass sie die Umlagebescheide für das Wirtschaftsjahr 2009 nicht angefochten haben (UA S. 11
2. Nach diesem Verlauf der mündlichen Verhandlung kann es für die Klägerinnen schlechthin nicht überraschend sein, dass im Tatbestand des Urteils die Schriftstücke, mit denen der Beklagte die Umlage gegenüber seinen Mitgliedern geltend gemacht hat, als "Bescheide" bezeichnet sind. Den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung lag die Einordnung der Umlagebescheide als Verwaltungsakte ohne Weiteres erkennbar zugrunde. Das ist von den Klägerinnen auch erkannt worden, denn sie haben nicht nur die Erkennbarkeit der Umlageerhebung durch Bescheide, sondern auch deren Verwaltungsaktqualität ausdrücklich verneint, und zwar unter anderem mit den in der Anhörungsrüge erneuerten Erwägungen. Der Hinweis des Beklagten, die Erhebung von den einzelnen Mitgliedern durch Verwaltungsakte sei für die Klägerinnen spätestens mit Vorlage der Verwaltungsvorgänge beim Verwaltungsgericht erkennbar geworden, hat die Klägerinnen dann sogar - nach einer erbetenen Unterbrechung der Verhandlung - dazu bewogen, ihre Revisionen zurückzunehmen, was nur an der fehlenden Zustimmung des Beklagten scheiterte. Die Klägerinnen mussten mithin konkret damit rechnen, dass der Senat die Umlagebescheide im Urteil (S. 8
3. Die Feststellung des Senats, die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben seien "schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten geschieden" (UA S. 13
4. Der Senat hat es nicht unterlassen, sich mit dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Anspruch auf Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen (betreffend die Umlagen der Jahre 2005 bis 2008) auseinanderzusetzen. Das lässt sich den Gründen zu I (UA S. 5
5. Die geltend gemachte Verletzung des § 88 VwGO ist von vornherein keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Rüge, der Senat habe verkannt und dadurch das Rechtsschutzziel verkannt, dass mit dem Klageantrag zu 2 die Umlageerhebung nur "in der bisherigen Art und Weise" - also ungeachtet der neuen Verbandsordnung - angegriffen worden sei, behauptet einen bloßen Rechtsanwendungsfehler, der zudem offensichtlich nicht gegeben ist, wie zu II auszuführen ist.
6. Das Revisionsverfahren ist schließlich nicht deshalb fortzuführen, um dem Europäischen Gerichtshof die von den Klägerinnen unter Nr. 2 der Antragsschrift umschriebenen Fragen vorzulegen. Ob mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Möglichkeit zur Fortführung von Verfahren in Analogie zu § 152a Abs. 1 VwGO anzuerkennen ist, um ein unionsrechtlich gebotenes Vorabentscheidungsverfahren nachzuholen (zum Streitstand vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Mai 2010, § 152a Rn. 36 m.w.N.), bedarf keiner Klärung; jedenfalls ist eine Veranlassung zu einer Vorlage nicht dargetan und nicht ersichtlich.
a) Ob und in welchem Umfang eine Verwirkung der Anfechtungsbefugnis von Verwaltungsakten eintritt, ist eine Frage der verfahrensrechtlichen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nach nationalem Recht richtet (UA S. 8 f.
b) Das Urteil verstößt auch nicht gegen die so genannte Ciola-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C-224/97 - Slg. I-2517), soweit es annimmt, die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts sei nicht unzumutbar behindert, wenn nationale Bestimmungen Fristen für die Durchsetzung vorsehen. Die Behauptung, die Rechtsprechung im Ciola-Urteil sei entgegen der Annahme des Senats (UA S. 9
c) Für die behauptete bewusste Missachtung des vierten der so genannten Altmark-Kriterien ist nichts aufgezeigt. Der Senat ist mit seiner Annahme, dieses Kriterium sei im streitigen Fall nicht zu berücksichtigen, nicht von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen. Diese Aussage betrifft das im Gebiet der Mitgliedskommunen des Beklagten anfallende Material der Kategorien 1 und 2 (UA S. 18
d) In den Raum gestellt ist schließlich die Behauptung, die Kritik des Senats am Schreiben der Europäischen Kommission vom 20. Juli 2010 (UA S. 15
Die hilfsweise gestellten Anträge auf Ergänzung des Urteils gemäß § 120 Abs. 1 VwGO sind offensichtlich nicht statthaft und können daher entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 144 Abs. 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch Beschluss verworfen werden; die in § 120 VwGO vorausgesetzte Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Anträge ist in solchen Fällen entbehrlich.
Ein Urteil ist gemäß § 120 Abs. 1 VwGO auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen, wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist. Der Antrag ist nur zulässig, wenn ein nicht erledigter Teil des Verfahrens so konkret aufgezeigt wird, dass die Möglichkeit der verlangten Ergänzung in Betracht gezogen werden kann. Das lassen die Anträge der Klägerinnen vermissen. Sie verlangen im Ergebnis die Richtigstellung einer von ihnen für falsch gehaltenen Entscheidung; dazu dient das Verfahren nach § 120 VwGO aber nicht (vgl. Urteil vom 22. März 1994 - BVerwG 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 <274> m.w.N.; zu der vergleichbaren Regelung des § 321 ZPO ebenso BGH, Urteil vom 27. November 1979 - VI ZR 40/78 - NJW 1980, 840 <841>).
1. Der im Berufungsverfahren ergänzend angebrachte und mit ihren Revisionen weiterverfolgte Anspruch der Klägerinnen auf Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen ist vom Senat ausdrücklich bedacht worden (oben I. 4.). Dieser Anspruch ist daher von der im Revisionsverfahren umfassend erfolgten Klageabweisung erfasst. Es stellt keinen Fall des Übergehens dar, wenn das Revisionsurteil hierzu keine weitere Begründung enthält.
2. Die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 VwGO sind offensichtlich nicht erfüllt, soweit die Klägerinnen geltend machen, der Senat habe den Klageantrag zu 2 übergangen, weil nur die Umlagenerhebung "in der bisherigen Art und Weise" zum Gegenstand der Feststellung habe gemacht werden sollen. Damit ist keine Nichtbescheidung des Klageantrags zu 2, sondern eine bloße Verkennung des Rechtsschutzziels unter Verletzung von § 88 VwGO geltend gemacht. Auch übersehen die Klägerinnen, dass bei dem von ihnen nunmehr bevorzugten Verständnis der Klageantrag bereits als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen. Denn für eine Feststellung auf der Grundlage der alten Verbandsordnung bestand kein anzuerkennendes Interesse. Die Umlagenerhebung auf Grundlage der bisherigen Verbandsordnung war bereits Gegenstand des Klageantrags zu 1, und die künftige Umlagenerhebung wird durch die alte Verbandsordnung nicht mehr bestimmt. Daher kann die Formulierung "in der bisherigen Art und Weise" nur auf den Umstand bezogen werden, dass der Beklagte weiterhin - auch nach der Verbandsordnung in der Fassung 2010 - keine Veranlassung sieht, die Umlage im Verfahren nach Art. 107 ff. AEUV bei der Kommission anzuzeigen und von ihr genehmigen zu lassen.