Entscheidungsdatum: 28.04.2010
Die Zahlung eines privaten Dritten an den Empfänger von Lastenausgleich ist nur dann eine Schadensausgleichsleistung im Sinne von § 349 Abs. 1 i.V.m. § 342 Abs. 3 LAG, wenn sie zur Wiedergutmachung des Schadens erfolgt.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Hauptentschädigung, die er für die Wegnahme von Anteilsrechten an einer bergrechtlichen Gewerkschaft erhalten hatte.
Er war Eigentümer eines Rittergutes und großer Liegenschaften in Brandenburg und Berlin sowie Inhaber von 100 Anteilsrechten - sog. Kuxen - an einem Braunkohlewerk (heute Sachsen-Anhalt). In der Zeit bis 1947 wurde er auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet. Die Wegnahmeschäden wurden mit Gesamtbescheid vom 15. Dezember 1986 nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz festgestellt, auf dieser Grundlage wurde in weiteren Bescheiden - unter anderem für die Kuxe - Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz zuerkannt.
Versuche des Klägers, seine Vermögenswerte nach 1990 zurückzuerhalten, blieben erfolglos. Daraufhin beantragte er Leistungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz, trat diese Ansprüche jedoch mit notarieller Erklärung vom 10. Februar 2003 gegen Zahlung eines Entgelts an die Status Vermögensverwaltung GmbH ab. Die Gesellschaft nahm den Antrag des Klägers auf Ausgleichsleistungen hinsichtlich der Anteilsrechte zurück, das Verfahren wurde insoweit eingestellt.
Mit Leistungsbescheid vom 30. Januar 2007 forderte der Beklagte vom Kläger die für die Anteilsrechte gewährte Hauptentschädigung in Höhe von 1 352,05 € zurück. Der Schaden sei durch das für die Abtretung gezahlte Entgelt vollständig ausgeglichen. Die Beschwerde des Klägers wies die Beschwerdestelle für den Lastenausgleich beim Regierungspräsidium Darmstadt mit Beschluss vom 19. September 2007 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Schaden an den Anteilsrechten sei mit der Zahlung durch die Gesellschaft ausgeglichen worden. Nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise komme es nicht darauf an, wer den Schadensausgleich bewirke. Liege wie hier Objektidentität vor, seien daher auch Geldleistungen privater Dritter an Lastenausgleichsempfänger zu berücksichtigen, was auch die Regelung in § 21a des Feststellungsgesetzes (FG) belege. Die Inanspruchnahme des Klägers stimme mit dem Rückforderungsrundschreiben des Bundesausgleichsamtes überein; denn für eine Inanspruchnahme der Gesellschaft fehle es, weil sie keine Schadensausgleichsleistungen erhalten habe, an einer Rechtsgrundlage.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Standpunkt weiter, nur staatliche Leistungen mit der Zweckbindung, einen auf staatlichem Unrecht beruhenden Schaden wiedergutzumachen, könnten einen Schadensausgleich bewirken. Die Zahlung im Rahmen des privatrechtlichen Abtretungsvertrages, den er mit der Status Vermögensverwaltung GmbH geschlossen habe, sei die Gegenleistung für den Übergang ungewisser öffentlicher Ausgleichsansprüche gewesen. Die Regelung in § 21a FG könne nicht im Sinne des Verwaltungsgerichts herangezogen werden, weil sie nur Leistungen Privater als Schadensersatz betreffe. Das Rückforderungsrundschreiben des Bundesausgleichsamtes sei rechtswidrig, wenn es private Leistungen für berücksichtigungsfähig halte. Zudem setze es in Tz. 4.2.7.2 voraus, dass sich die Gegenleistung eindeutig auf den Gegenstand der Schadensfeststellung beziehen müsse, was sich hier nicht feststellen lasse. Schließlich richte sich die Rückforderung auch gegen den falschen Adressaten. Im Rückforderungsrundschreiben sei für den Fall der Abtretung von Ausgleichsansprüchen nach 1994 eine Rückforderung zur Verrechnung gegen den Zessionar, hier also die Status Vermögensverwaltung GmbH, vorgesehen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, soweit es annimmt, der Schaden an den Anteilsrechten des Klägers sei im Zuge der Abtretung der Ausgleichsansprüche ausgeglichen worden.
Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 342 Abs. 3 LAG sind zuviel gewährte Ausgleichsleistungen zurückzufordern, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden, für den Lastenausgleich gewährt worden ist, ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Ein Schadensausgleich ist hier nicht eingetreten.
1. Allerdings ist nicht zweifelhaft, dass auch Geldzahlungen privater Dritter einen im Lastenausgleich berücksichtigten Schaden ausgleichen können. Eine Beschränkung auf staatliche Leistungen enthält das Lastenausgleichsrecht nicht. Zwar knüpft § 349 LAG im Regelfall an Schadensausgleichsleistungen nach dem Vermögensgesetz oder dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz und insofern an staatliche Maßnahmen an (vgl. BTDrucks 12/2170 S. 11 zu Nr. 2 <§ 342 Abs. 3>). Gleichwohl kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise ein Schaden ausgeglichen wird. Das folgt aus dem § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG zugrunde liegenden Zweck der Rückforderung, eine Doppelentschädigung zu Lasten der öffentlichen Hand zu vermeiden. Maßgebend ist allein, dass die gewährte Hauptentschädigung wegen der nachträglichen Beseitigung des Schadens ihre Berechtigung verloren hat (BTDrucks 12/2170 S. 11 zu Nr. 3 <§ 349>). Werden einem Empfänger von Hauptentschädigung für den geschädigten Vermögenswert nachträglich Leistungen gewährt, so kommt es in dessen Person unabhängig davon zu einer Doppelentschädigung, von wem die Leistungen stammen. Damit entfällt der Rechtsgrund für einen Lastenausgleich. Es besteht kein Anlass, jemandem Leistungen zu belassen, die vom Staat als Ausgleich für einen inzwischen anderweitig ausgeglichenen und damit letztlich nicht mehr existenten Vermögensverlust erbracht worden sind. Die Rückforderung ist die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung, die sich im Nachhinein als nicht mehr gerechtfertigt erweist (vgl. Beschluss vom 6. September 2004 - BVerwG 3 B 20.04 - juris Rn. 9). Auch § 21a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 des Feststellungsgesetzes, das gemäß § 373 Satz 1 LAG in Verfahren nach dem Lastenausgleichsgesetz weiter anwendbar ist, nimmt ausdrücklich Fälle in den Blick, in denen ein Schaden durch Leistungen privater Dritter ausgeglichen worden ist.
2. Jedoch ist nicht jede Zahlung eines privaten Dritten, die einen Zusammenhang mit einem geschädigten Vermögenswert aufweist, ohne Weiteres auch als Schadensausgleichsleistung im Sinne des § 349 Abs. 1, Abs. 3 LAG anzusehen. Eine Schadensausgleichsleistung liegt nur vor, wenn die Leistung gerade zur Wiedergutmachung des Schadens erbracht wurde. Hierin unterscheiden sich private Leistungen nicht von öffentlichen. Entsprechendes gilt für die Zuwendung von Surrogaten wie etwa einer Versicherungsleistung (vgl. Urteile vom 18. Juni 2008 - BVerwG 3 C 30.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 16 = ZOV 2008, 214, vom 28. Februar 2007 - BVerwG 3 C 40.06 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 12 und vom 18. Mai 2006 - BVerwG 3 C 29.05 - Buchholz 428 § 11 VermG Nr. 4).
Der Wiedergutmachungscharakter einer Leistung setzt damit voraus, dass dem Empfänger entweder der entzogene Vermögensgegenstand oder ein an seine Stelle tretendes Surrogat ohne weitere Voraussetzung, namentlich ohne Gegenleistung zugewendet wird. Auch Versicherungsleistungen werden, obschon sie auf Vertrag beruhen, zur Wiedergutmachung des Schadens und nicht im Austausch mit einer weiteren, auf sie bezogenen Gegenleistung erbracht. Entgeltliche Austauschverhältnisse besitzen daher regelmäßig keinen Wiedergutmachungscharakter. Die dabei vereinbarte Rückübertragung des entzogenen Vermögensgegenstandes oder die Zuwendung des Surrogats wird nicht "wegen" des Schadens, d.h. zum Zwecke der Wiedergutmachung gewährt, sondern als Gegenleistung für eine andere Leistung. Es bewirkt deshalb keinen Schadensausgleich, wenn der Geschädigte den entzogenen Vermögensgegenstand freihändig "zurück"-kauft. Ebenso wenig führt es zu einem Schadensausgleich, wenn er den Anspruch auf Rückgabe des entzogenen Vermögensgegenstandes an einen Dritten verkauft und in Erfüllung des Kaufvertrages an den Dritten abtritt; dessen Gegenleistung erhält er nicht zum Zwecke des Schadensausgleichs, sondern als Kaufpreis.
Zu einem Schadensausgleich kommt es daher erst, wenn der Käufer und Abtretungsempfänger den abgetretenen Anspruch realisiert. Das liegt auch § 349 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 LAG zugrunde. Dort ist der Fall bedacht, dass der Empfänger von Lastenausgleich den Anspruch auf eine (weitere) Schadensausgleichsleistung an einen Dritten abgetreten hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2007 a.a.O. Rn. 14). Die Rückforderung richtet sich auch in diesem Fall gegen ihn und nicht gegen den Dritten, der infolge der Abtretung insofern sein Einzelrechtsnachfolger geworden ist; sie setzt aber voraus, dass der Rechtsnachfolger die Schadensausgleichsleistung tatsächlich erlangt hat. Besteht die Schadensausgleichsleistung in einem Anspruch nach dem Entschädigungs- oder nach dem Ausgleichsleistungsgesetz, so erlaubt § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG i.V.m. § 8 Abs. 1 EntschG die Verrechnung gegenüber dem Abtretungsempfänger; die Rückforderung gegenüber dem Empfänger von Lastenausgleich entfällt insoweit (§ 349 Abs. 1 Satz 3 LAG; so zutreffend auch Tz. 10.3.4.2 des Rückforderungsrundschreibens des Bundesausgleichsamtes i.d.F. vom 29. August 2003). Auch hier aber liegt die Schadensausgleichsleistung erst in der Verrechnung und ggf. in einer zusätzlichen Entschädigungszahlung.
In Fällen eines Forderungsverkaufs wie im vorliegenden Fall entsteht die Rückzahlungspflicht nach allem erst, wenn dem Rechtsnachfolger die abgetretene Ausgleichsleistung gewährt wird (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008 a.a.O. Rn. 14). Dazu ist es im Fall des Klägers nicht gekommen; die Gründe, welche die Zessionarin bewogen haben, von der Realisierung der Ansprüche Abstand zu nehmen, sind ohne Bedeutung.