Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 27.01.2011


BVerwG 27.01.2011 - 3 C 10/10

Nachzulassung eines Arzneimittels; Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist; Berufung auf die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
27.01.2011
Aktenzeichen:
3 C 10/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 7. Oktober 2009, Az: 13 A 2408/08, Urteilvorgehend VG Köln, 8. August 2008, Az: 18 K 472/06
Zitierte Gesetze
Art 28 EGRL 83/2001
Art 29 EGRL 83/2001
§ 105 Abs 4c AMG 1976

Leitsätze

Der pharmazeutische Unternehmer kann sich auch noch nach Ablauf einer Mängelbeseitigungsfrist auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat (§ 105 Abs. 4c AMG AMG 1976>) berufen, solange das Nachzulassungsverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin beantragte im Dezember 1989 die Verlängerung der (fiktiven) Zulassung für das apothekenpflichtige Arzneimittel "Vitamin C-Injektopas 750 mg", dessen Namen sie später in "Pascorbin" änderte. Es handelte sich laut Antrag um eine Injektionslösung in 5 ml-Ampullen mit je 750 mg Ascorbinsäure als wirksamem Bestandteil zur intravenösen oder intramuskulären Injektion. Als Anwendungsgebiete wurden zuletzt beantragt "Therapie oder Prävention von klinischen Vitamin C-Mangelzuständen, die ernährungsbedingt nicht behoben werden können (z.B. Präskorbut, Skorbut, Moeller-Barlow-Krankheit, bei Fehl- und Mangelernährung, Infektionskrankheiten, Sepsis, schweren Traumen, Verbrennungen, chirurgischen Eingriffen, Eisenverwertungsstörungen bei renaler Anämie, Tumorkachexie, als Adjuvans in der Tumortherapie); Vitamin C-Substitution bei parenteraler Ernährung sowie Methämoglobinämie im Kindesalter".

2

Nachdem die Klägerin im März 1992 im sog. Langantrag als Packungsgröße auch eine 50 ml-Injektionsflasche angegeben hatte, wies die Beklagte den Nachzulassungsantrag mit Bescheid vom 4. Juli 2001 insoweit zurück. Es handele sich bei der Injektionsflasche um ein eigenständiges Fertigarzneimittel; die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass es sich bereits am 1. Januar 1978 im Verkehr befunden habe. Den sich anschließenden Rechtsstreit (VG Köln 24 K 5252/01) erklärten die Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, nachdem die Beklagte den Bescheid vom 4. Juli 2001 aufgehoben und erklärt hatte, die 50 ml-Injektionsflasche in das laufende Nachzulassungsverfahren einzubeziehen.

3

Mit Mängelscheiben vom Februar 2005 forderte die Beklagte die Klägerin auf, binnen acht Monaten das Anwendungsgebiet auf "Vitamin C-Substitution bei parenteraler Ernährung und Methämoglobinämie im Kindesalter" zu beschränken. Darüber hinaus sei die 50 ml-Injektionsflasche nicht therapiegerecht. Für eine Tagesdosis von 7,5 g Ascorbinsäure gebe es keine wissenschaftlich belegten Anwendungsgebiete. Zudem bestehe bei solchen Tagesdosen ein erhöhtes Nierenschädigungsrisiko.

4

Im Oktober 2005 nahm die Klägerin zu den Beanstandungen Stellung und führte aus, dass sowohl die beantragten Anwendungsgebiete als auch die Wirksamkeit einer Tagesdosis von 7,5 g Ascorbinsäure durch die Antragsunterlagen hinreichend begründet seien. In mehreren Staaten, unter anderem in Österreich, sei die 50 ml-Injektionsflasche bereits zugelassen. Den Bescheid über die Zulassung in Österreich fügte die Klägerin bei.

5

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 verlängerte die Beklagte die Zulassung des Präparats für die Anwendungsgebiete "Vitamin C-Substitution bei parenteraler Ernährung und Methämoglobinämie im Kindesalter". Hinsichtlich der weiter beantragten Anwendungsgebiete und hinsichtlich der Injektionsflasche mit 7,5 g Ascorbinsäure pro 50 ml versagte sie die Zulassung. In Auflage F6 wurde bestimmt, dass die formalen wie inhaltlichen Angaben, die sich auf die versagten Indikationen sowie die Injektionsflasche bezögen, aus der Kennzeichnung der Fachinformation und der Packungsbeilage zu streichen seien. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die versagten Indikationen weder durch die Monographie zu Vitamin C noch durch die gültigen Mustertexte gestützt würden. Die Menge, die mit der Injektionsflasche im Wege einer Kurzinfusion verabreicht werden solle, sei wissenschaftlich nicht begründet.

6

Die Klägerin hat am 19. Januar 2006 Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags hinsichtlich der versagten Anwendungsgebiete und hinsichtlich der 50 ml-Injektionsflasche sowie auf Aufhebung der Auflage F6 erhoben. Zur Begründung hat sie gegen die fachlichen Einwände der Beklagten argumentiert und außerdem geltend gemacht, dass sich der Anspruch auf Verlängerung der Zulassung auch aus § 105 Abs. 4c AMG ergebe; denn das Arzneimittel sei als 50 ml-Injektionsflasche in Österreich mit identischen Zulassungsunterlagen im März 2002 zugelassen worden. Darauf habe sie die Beklagte bereits vor Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist hingewiesen.

7

Die Klage ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Berufungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat im Urteil vom 7. Oktober 2009 zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachzulassung stehe der Versagungsgrund nach § 105 Abs. 5 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 AMG entgegen. Die Klägerin habe die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für die versagten Anwendungsgebiete und die noch in Streit stehende Dosierung unzureichend begründet und den Mangel nicht fristgemäß beseitigt. Die Bezugnahme auf eine ausländische Zulassung sei nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist ausgeschlossen. Das ergebe sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Daraus könne geschlossen werden, dass § 105 Abs. 4c AMG nur eine Möglichkeit der Mängelbeseitigung eröffne, aber kein selbständiges Anerkennungsverfahren auslöse. Dafür spreche zudem der Vergleich mit der für die Erstzulassung geltenden Vorschrift des § 25b AMG, die ein vom Erstzulassungsverfahren abgekoppeltes Verwaltungsverfahren regele. Die Präklusion diene der Verfahrensbeschleunigung. Die pharmazeutischen Unternehmer seien gehalten, von Anfang an entscheidungsreife Anträge einzureichen. Daher werde einheitlich für Zulassung und Nachzulassung die Möglichkeit ausgeschlossen, durch das Nachreichen von Unterlagen einen Antrag erst im Rechtsmittelverfahren zulassungsreif zu machen. Angesichts dieser Zielsetzung spreche nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit § 105 Abs. 4c AMG die Möglichkeit habe schaffen wollen, das Nachzulassungsverfahren durch eine spätere Bezugnahme auf eine ausländische Zulassung weiter zu verzögern. Dabei sei unerheblich, ob durch die nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist erfolgte Bezugnahme auf § 105 Abs. 4c AMG tatsächlich eine Verzögerung eintrete. Dieses Verständnis der Präklusionsvorschrift sei verfassungsgemäß und verletze die pharmazeutischen Unternehmer nicht in ihren Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4, Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG. Der Zweck der Verfahrensbeschleunigung überwiege die Nachteile für die Unternehmer. Ihnen sei zuzumuten, nötigenfalls einen Antrag auf Erstzulassung nach § 25b AMG zu stellen. Dass die Klägerin bereits im Mängelbeseitigungsverfahren auf die Zulassung in Österreich hingewiesen habe, sei unerheblich. Die Beklagte habe den Hinweis lediglich als Anregung verstehen können, die Versagung mit Blick auf die abweichende Einschätzung anderer Zulassungsbehörden nochmals zu überdenken. Nach alledem könne offenbleiben, ob hinsichtlich der 50 ml-Injektionsflasche überhaupt noch eine verlängerbare fiktive Zulassung bestehe, was allerdings fraglich sei, weil sich die damalige Anzeige lediglich auf die Injektionslösung in 5 ml-Ampullen bezogen habe.

8

Mit ihrer Revision greift die Klägerin das Berufungsurteil nur insoweit an, als es die mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 versagte antragsgemäße Zulassung der "Injektionsflasche 7,5 g Ascorbinsäure pro 50 ml" und die darauf bezogene Auflage betrifft. Zur Begründung macht sie geltend, mit der Berufung auf die in Österreich erfolgte Zulassung nicht nach § 105 Abs. 5 Satz 2 und 3 AMG ausgeschlossen zu sein. Die Berufung auf die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat diene nicht der Beseitigung zuvor gerügter inhaltlicher Mängel. Die inhaltliche Prüfung habe in einem solchen Fall bereits in dem anderen Mitgliedstaat stattgefunden. Die Beklagte sei deshalb auf die Prüfung beschränkt, ob das Arzneimittel eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstelle. Dafür bestünden indes keine Anhaltspunkte. Ebenso wie ein pharmazeutischer Unternehmer noch im Klageverfahren darlegen könne, dass die eingereichten Unterlagen die beanspruchte Wirksamkeit begründeten, könne er sich auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat berufen. Die mit der Präklusionsvorschrift bezweckte Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens und die Absicht des Gesetzgebers, die pharmazeutischen Unternehmer zur Vorlage entscheidungsreifer Anträge anzuhalten, stehe jedenfalls hier einer Berücksichtigung der anderweitigen Zulassung nicht entgegen, weil sie - die Klägerin - bereits im Mängelbeseitigungsverfahren auf diese Zulassung hingewiesen habe.

9

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

10

Soweit das Berufungsurteil angegriffen wird, verletzt es Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) mit der Folge einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

11

1. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Begehren nicht auf § 105 Abs. 4f AMG stützen kann. Danach ist eine (fiktive) Zulassung auf Antrag um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Die Beklagte hat hinsichtlich der Verwendung einer Injektionsflasche mit 7,5 g Ascorbinsäure pro 50 ml einen Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG angenommen, weil die therapeutische Wirksamkeit auch durch die im Mängelbeseitigungsverfahren nachgereichten Unterlagen nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet worden sei. Das Berufungsgericht hat dies unter Auseinandersetzung mit den von der Klägerin eingereichten Unterlagen bestätigt. Eine Verletzung von Bundesrecht ist insoweit nicht zu erkennen und wird von der Klägerin mit der Revision auch nicht geltend gemacht.

12

2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht ungeprüft gelassen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zulassung nach § 105 Abs. 4c AMG hat. Nach dieser Vorschrift ist die Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassen ist, zu erteilen, wenn sich das Arzneimittel in dem anderen Mitgliedstaat im Verkehr befindet, der Antragsteller alle in § 22 Abs. 6 AMG vorgesehenen Angaben macht und die danach erforderlichen Kopien beifügt und schriftlich erklärt, dass die eingereichten Unterlagen nach § 104 Abs. 4 und 4a AMG mit den Zulassungsunterlagen übereinstimmen, auf denen die Zulassung in dem anderen Mitgliedstaat beruht, es sei denn, dass die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann.

13

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin die Berufung auf die Zulassung des Arzneimittels in Österreich nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist und dem Erlass des Teilversagungsbescheids wegen § 103 Abs. 5 Satz 3 AMG verwehrt sei, ist unzutreffend. Dabei kann dahinstehen, ob der kurz vor Ablauf der Frist angebrachte Hinweis der Klägerin auf die ausländischen Zulassungen des Produkts von der Beklagten lediglich als Anregung verstanden werden konnte, die Versagung angesichts der anderslautenden Einschätzungen ausländischer Zulassungsbehörden noch einmal zu überdenken. Die erstmalige Berufung auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat ist auch noch nach Ablauf einer Mängelbeseitigungsfrist möglich, solange das Nachzulassungsverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen ist.

14

Nach § 105 Abs. 5 Satz 1 bis 3 AMG hat der Antragsteller bei Beanstandungen innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz darzulegen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.

15

a) Nach Wortlaut und Systematik beschränkt diese Präklusionsvorschrift nur die Verteidigung gegen zuvor gerügte Mängel. Die Zulassungsbehörde ist verpflichtet, Zulassungsanträge daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen an den Antrag und die einzureichenden Unterlagen erfüllt sind. Ergeben sich Beanstandungen, setzt die Behörde nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG eine Frist zu deren Beseitigung oder begnügt sich in geeigneten Fällen damit, die Zulassung des Arzneimittels mit Auflagen zur Mängelbehebung zu verbinden (§ 105 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 AMG). Die ordnungsgemäße Fristsetzung zur Mängelbeseitigung schließt nachträgliche Versuche, die Mängel zu beheben, aus. Präkludiert ist auf diese Weise aber nur das Einreichen von Unterlagen "zur Mängelbeseitigung" (vgl. § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG), nicht hingegen die Möglichkeit, den Antrag auf Verlängerung der Zulassung zusätzlich oder alternativ auf § 105 Abs. 4c AMG zu stützen.

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Die Bezugnahme auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat ist nicht der Versuch einer Beseitigung von zuvor gerügten Mängeln eines auf § 105 Abs. 4f AMG gestützten Zulassungsantrags, sondern die Geltendmachung eines anderen (weiteren) Zulassungsgrundes. § 105 Abs. 4c AMG bildet eine Grundlage für die Nachzulassung eines Arzneimittels, die den Anspruch unter anderen Voraussetzungen gewährt als § 105 Abs. 4f AMG. Zwar trifft es zu, dass Absatz 4c im systematischen Zusammenhang des Nachzulassungsverfahrens steht und sich anschließt an die gesetzlichen Anforderungen in Absatz 4, 4a und 4b der Vorschrift über die in diesem Verfahren geforderten Angaben und Unterlagen. Bei § 105 Abs. 4c AMG belegen aber nicht die (bemängelten) Angaben und Unterlagen nach § 105 Abs. 4 bis 4b AMG den Zulassungsanspruch, sondern der Umstand, dass das Arzneimittel bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden ist. Anstelle einer eigenen Prüfung soll die Zulassungsbehörde das bereits vorliegende positive Ergebnis der Prüfung in dem anderen Mitgliedstaat der eigenen Entscheidung zugrunde legen. In der Bezugnahme auf eine solche Zulassung liegt weder begrifflich noch systematisch der Versuch einer Beseitigung von Mängeln, die auf die materiellen Versagungsgründe nach § 25 Abs. 2 AMG Bezug nehmen.

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Dem steht nicht entgegen, dass sich die Präklusionsvorschrift des § 105 Abs. 5 AMG nach der gesetzlichen Systematik auch auf § 105 Abs. 4c AMG erstreckt. Soweit die Bezugnahme auf eine ausländische Zulassung des Arzneimittels im Sinne des § 105 Abs. 4c AMG ihrerseits Mängel aufweist, etwa weil nicht alle erforderlichen Unterlagen beigebracht oder die notwendigen Erklärungen nicht abgegeben worden sind, kann die Zulassungsbehörde auch auf einen solchen Mangel mit einer Beanstandung und Fristsetzung nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG reagieren und nach Fristablauf eingereichte Dokumente unberücksichtigt lassen. Daraus folgt aber nicht, dass ein aus anderen Gründen geführtes Mängelbeseitigungsverfahren den Anspruch aus § 105 Abs. 4c AMG präkludiert.

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Der Vergleich mit § 25b AMG, der für die Erstzulassung ein gesondertes Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen vorsieht, führt nicht weiter. Der Gesetzgeber hat für die Nachzulassung darauf verzichtet, verschiedene Verfahren vorzusehen; vielmehr hat er die Berufung auf die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat nur als eine (weitere) Möglichkeit zur Begründung der nach § 105 Abs. 3 AMG gestellten Verlängerungsanträge ausgestaltet. Das spricht indes nicht für, sondern gegen die Ansicht des Berufungsgerichts. Gerade weil kein "eigenständiges" Verfahren vorgesehen ist, kann ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung mit einer ausländischen Zulassung im Sinne des § 105 Abs. 4c AMG begründet werden, solange die durch § 105 Abs. 1 AMG begründete Zulassungsfiktion als Anknüpfungspunkt für die beantragte Verlängerung besteht, also regelmäßig bis zum bestandskräftigen Abschluss des Mängelbeseitigungsverfahrens.

19

b) Der Zweck der Vorschriften gebietet kein anderes Verständnis. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4. Juli 2000 (BGBl I S. 1002), durch das unter anderem Absatz 4c in die Vorschrift des § 105 AMG eingefügt wurde, ausdrücklich eine Beschleunigung der Nachzulassungsverfahren erreichen wollte (vgl. BTDrucks 14/2292 S. 9). Das rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass mit Ablauf einer (aus anderen Gründen gesetzten) Mängelbeseitigungsfrist auch die Berufung auf eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen sein soll. Ein solches Verständnis verbietet sich schon deshalb, weil Präklusionsvorschriften mit Blick auf ihren Ausnahmecharakter und ihre rechtsbeschränkende Wirkung grundsätzlich eng auszulegen sind, um eine eindeutige Vorhersehbarkeit für die Betroffenen zu gewährleisten. Eine über Wortlaut und Systematik hinausgehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs unter Berufung auf einen allgemeinen Gesetzeszweck geriete mit diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen in Konflikt.

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Zudem legt der Gesetzeszweck der Verfahrensbeschleunigung eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG gerade nicht nahe. Der Gesetzgeber hat sich eine Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens insbesondere durch die Setzung von Fristen versprochen. So hat er die pharmazeutischen Unternehmer in dem ebenfalls mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes in § 105 AMG neu eingefügten Absatz 4a verpflichtet, die dort genannten Unterlagen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzureichen; andernfalls erlosch die Zulassung. Das fügt sich in die Regelungsmethode des Nachzulassungsverfahrens, dem Antragsteller für bestimmte Verfahrensschritte Ausschlussfristen vorzuschreiben, so etwa für die erste Anzeige nach § 105 Abs. 2, den anschließenden Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 Abs. 3 und die Vorlage von Unterlagen nach § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG. Hätte der Gesetzgeber die Berufung auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat gleichermaßen zeitlich beschränken wollen, hätte es nahe gelegen, eine entsprechende Frist in Absatz 4c aufzunehmen. Das ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr sollte die Möglichkeit, sich im Nachzulassungsverfahren unter besonders vereinfachten Voraussetzungen auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat zu berufen, ihrerseits zu einer weiteren Beschleunigung der Nachzulassung beitragen, weil auf diese Weise zeitraubende inhaltliche Prüfungen erspart bleiben. Dazu heißt es in der amtlichen Begründung (BTDrucks 14/2292 S. 9):

"Zur Beschleunigung der Nachzulassung wird durch die Regelung in Absatz 4c teilweise über die EU-Regelungen über die gegenseitige Anerkennung hinaus vorgesehen, die Nachzulassung auf der Grundlage eines bereits nach EU-Recht in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen gleichen Arzneimittel des Antragstellers oder eines verbundenen Unternehmens oder Lizenznehmers zu erteilen. Damit soll das Prinzip der Zulassungsanerkennung auch für die Nachzulassung genutzt werden. Wegen der Besonderheiten der Nachzulassung, bei der es sich häufig um solche Arzneimittel handelt, die auch in anderen Mitgliedstaaten vor längerer Zeit erstmalig (nach)zugelassen worden sind, wäre es nicht zweckmäßig, das reguläre Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (§ 25 Abs. 5a bis 5c) anzuwenden; dies gilt insbesondere für den Beurteilungsbericht, der nicht für alle einschlägigen Fälle der Nachzulassung von den Behörden der anderen Mitgliedstaaten angefordert werden kann."

21

Gegenüber dem Gesetzentwurf sind die Voraussetzungen für eine Nachzulassung unter Berufung auf die Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat im parlamentarischen Verfahren sogar noch weiter reduziert worden (vgl. dazu BTDrucks 14/3320 S. 15). Der Gesetzgeber hatte deshalb keinen Anlass, die neu geschaffene Zulassungsgrundlage sogleich wieder durch Ausschlussfristen zu beschränken. Vielmehr war ihm daran gelegen, solchen Altmedikamenten, die bereits eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat vorweisen können, unter gegenüber dem regulären Anerkennungsverfahren (nach den in der vorstehenden Begründung genannten § 25 Abs. 5a bis 5c AMG in der Fassung des 7. AMG-Änderungsgesetzes vom 25. Februar 1998, BGBl I S. 374; jetzt § 25b AMG) reduzierten Voraussetzungen eine Nachzulassung zu ermöglichen.

22

Daraus folgt zugleich, dass die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b Abs. 2 AMG i.V.m. Art. 27 ff. der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl Nr. L 311 S. 67), zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 (ABl Nr. L 242 S. 3), als gleichwertige Alternative verwiesen werden kann. Die insoweit geltenden Voraussetzungen, zu denen unter anderem die Vorlage eines Beurteilungsberichts des Referenzstaates zählt, und der gesamte Mechanismus, insbesondere im Falle von Meinungsverschiedenheiten unter den Zulassungsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten (vgl. dazu Art. 29 ff. der Humanarzneimittel-Richtlinie), ermöglichen die Erlangung einer Zulassung nicht auf eine ähnlich einfache Weise. Die Verlängerung einer fiktiven Zulassung unter Berufung auf die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat kann deshalb mit dem gemeinschaftsrechtlich geprägten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht gleichgesetzt werden. Die Klägerin darauf zu verweisen, hätte obendrein zur Konsequenz, dass die fiktive Zulassung erlöschen und das Arzneimittel bis zu einer (erneuten) Erstzulassung nicht vertrieben werden dürfte. Diese Folge erscheint in ihrer Tragweite unangemessen im Verhältnis zu dem Aufwand, den die Prüfung der Voraussetzungen des § 105 Abs. 4c AMG verursacht.

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3. Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 105 Abs. 4c AMG jedenfalls durch die im Klageverfahren eingereichten oder ggf. noch einzureichenden Unterlagen erfüllt, wobei für den Ausschlussgrund einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit kein anderer Maßstab gilt als für die Annahme einer schwerwiegenden Gefahr im Sinne von § 25b Abs. 2 AMG und Art. 29 Abs. 1 der Humanarzneimittel-Richtlinie.

24

Die Prüfung der Voraussetzungen des § 105 Abs. 4c AMG erübrigt sich nicht deshalb, weil die Klägerin das Arzneimittel in Form der 50 ml-Injektionsflasche möglicherweise im Jahr 1978 nicht fristgerecht angezeigt haben könnte (und deshalb keine verlängerbare fiktive Zulassung bestünde). Diese im Berufungsurteil in den Raum gestellte, letztlich aber offengelassene Überlegung greift nicht durch. Richtig ist allerdings, dass die Verlängerung einer Zulassung im Nachzulassungsverfahren nur dann möglich ist, wenn durch eine rechtzeitige Anzeige (§ 105 Abs. 2 AMG) und einen rechtzeitigen Antrag (§ 105 Abs. 3 AMG) die Fiktion einer Zulassung entsteht und bis zur Verlängerungsentscheidung aufrechterhalten bleibt (vgl. Urteil vom 21. Mai 2008 - BVerwG 3 C 14.07 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 51). Ob die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt hat, kann hier gleichwohl dahingestellt bleiben. Die Beklagte hatte gerade wegen der ihrer Meinung nach fehlenden Einbeziehung der 50 ml-Flasche in das Nachzulassungsverfahren zunächst den Versagungsbescheid vom 4. Juli 2001 erlassen, den sie später wieder aufgehoben und der Klägerin mitgeteilt hat, dass auch insoweit eine inhaltliche Prüfung stattfinden werde, was sodann auch geschehen ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass Zulassungsbehörde und Verwaltungsgericht einem inhaltlichen Streit um Zulassungsbeschränkungen nicht dadurch ausweichen können, dass sie im Nachhinein auf ein Erlöschen der fiktiven Zulassung zurückgreifen, obwohl die Zulassung tatsächlich verlängert worden ist (Urteil vom 18. März 2010 - BVerwG 3 C 19.09 - juris Rn. 19). Der dahinterstehende Gedanke des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens greift auch hier. Wenn die Zulassungsbehörde ein Arzneimittel in Ansehung der möglicherweise erloschenen fiktiven Zulassung gleichwohl ausdrücklich in das Nachzulassungsverfahren einbezieht und inhaltlich prüft, muss sie sich daran festhalten lassen.