Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 17.05.2010


BVerwG 17.05.2010 - 3 B 62/09

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
17.05.2010
Aktenzeichen:
3 B 62/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Mai 2009, Az: 3 A 1524/08, Urteil

Gründe

1

Die Klägerinnen betreiben eine Tierkörperbeseitigungsanlage und sind vom Beklagten zur Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen verpflichtet worden. Für die Erbringung ihrer Leistungen stellen sie Entgelte in Rechnung, die nach einer Nebenbestimmung des Beleihungsbescheides zu ihrer Wirksamkeit der behördlichen Genehmigung bedürfen. Die Klägerinnen wenden sich dagegen, dass der Beklagte die Entgeltlisten für das Jahr 2006 mit einer Kürzung von 20 v.H. und unter Zugrundelegung eines kalkulatorischen Gewinns von 4 v.H. genehmigt hat.

2

In den Genehmigungsbescheiden ist die Berechnung der genehmigten Entgelte auf das Hessische Ausführungsgesetz zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz - HAGTierNebG - vom 19. Juli 2005 (GVBl I S. 542) gestützt. Zur Erläuterung heißt es, die Entgelte seien nach § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes als Selbstkostenfestpreise nach der Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen - VOPR 30/53 - (BAnz Nr. 244 vom 18. Dezember 1953, geändert durch Verordnung vom 25. November 2003, BGBl I S. 2304) und nach den Leitsätzen für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) zu ermitteln. Die Tierkörperbeseitigung sei ein Bereich so genannter Pflichtware, in dem ein Wettbewerb nicht stattfinde. Die Leistungen seien nicht marktgängig und Marktpreise könnten daher weder ermittelt noch vereinbart werden.

3

Die Klägerinnen halten § 4 Abs. 3 HAGTierNebG für mit höherrangigem Recht unvereinbar. Ihre darauf gestützten Klagen sind vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof erfolglos geblieben.

4

Ihre Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts haben keinen Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegen die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler vor.

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1. Die Klägerinnen halten für klärungsbedürftig,

ob § 11 Abs. 3 TierNebG eine landesrechtliche Regelung zulässt, wonach das Entgelt, das ein Unternehmen, dem die Beseitigungspflicht übertragen worden ist, fordern kann, nach den Bestimmungen der §§ 5 und 6 VOPR 30/53 i.V.m. den LSP unter Zugrundelegung eines kalkulatorischen Gewinns von 2 v.H. auf die Selbstkosten ermittelt werden muss.

6

Der Senat geht zugunsten der Beschwerde davon aus, dass damit nicht die - wiederholt als unzutreffend beanstandete - Auslegung des § 4 Abs. 3 HAGTierNebG durch das Berufungsgericht zur Prüfung gestellt werden soll; denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um nicht revisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Wie die Erläuterungen der Frage zeigen, soll die in § 11 Abs. 3 TierNebG eingeräumte Regelungsbefugnis der Länder geklärt werden. Die Beschwerde greift dazu ihre - im angefochtenen Urteil behandelte - Ansicht auf, der hessische Landesgesetzgeber greife mit § 4 Abs. 3 HAGTierNebG in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) ein, wozu er nicht ermächtigt worden sei.

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Mit dieser Zielrichtung ist die Frage jedoch nicht klärungsbedürftig, weil die Klägerinnen der landesrechtlichen Regelung eine Auslegung geben, die dem angefochtenen Urteil nicht zugrunde liegt. Das Berufungsgericht (UA S. 17) hat zwar angenommen, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 HAGTierNebG mit der Pflicht der Beseitigungspflichtigen, nur genehmigte Entgelte zu erheben, auch auf das zivilrechtliche Verhältnis zwischen diesen und den Materialbesitzern einwirke. Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass der Landesgesetzgeber Rechtsvorschriften des bürgerlichen Rechts geschaffen oder geändert hat. Die Entgeltgenehmigung ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, dessen privatrechtliche Folgen sich ausschließlich aus dem öffentlichen Recht, nicht aber aus bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen ergeben (vgl. Urteile vom 25. Februar 2009 - BVerwG 6 C 25.08 - MMR 2009, 785, und vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <58 f.>; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 VwVfG Rn. 217 m.w.N.).

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Dass im Hessischen Ausführungsgesetz nach der den Senat bindenden Auslegung des Berufungsgerichts ein ausschließlich öffentlich-rechtliches Regime geschaffen worden ist, zeigt auch der im angegriffenen Urteil enthaltene Hinweis des Berufungsgerichts, dass neben der Entgeltgenehmigung keine Billigkeitskontrolle nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs stattfinde (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - III ZR 467/04 - NJW 2007, 3344 Rn. 15). Dies ist Konsequenz daraus, dass die Klägerinnen eine ihnen als Beliehene übertragene öffentlich-rechtliche Aufgabe der Gefahrenabwehr im Bereich der Seuchenhygiene wahrnehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2007 - I-23 U 27/07 - juris Rn. 12 ff. und OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2006 - 4 U 94/02 - juris Rn. 14). Die Aufgabenübertragung verschafft ihnen eine Monopolstellung bei der Tierkörperbeseitigung in den betroffenen Gebietskörperschaften, die eine Herausbildung von Marktpreisen nicht zulässt (vgl. zum Konkurrenzausschluss zwischen Tierkörperbeseitigungsanstalten nach Tierkörperbeseitigungsgesetz Urteil vom 10. Mai 1984 - BVerwG 3 C 3.83 - BVerwGE 69, 215 <221>). Der Aufgabenerfüllung durch einen Beliehenen entspricht die von den Klägerinnen beanstandete hoheitliche Entgeltkontrolle. Sie dient dem öffentlichen Interesse, die Verarbeitung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen sowohl der Beseitigungspflichtigen als auch der Materialbesitzer in jeder Wirtschaftslage sicherzustellen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 3 TierNebG, BTDrucks 15/1667 S. 13).

9

2. Die weiteren Ausführungen der Beschwerde zeigen ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf; sie genügen bereits nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Soweit die Beschwerde über die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Hessischen Landesgesetzgebers hinaus die Ausgestaltung der Entgeltermittlung und die dabei anzusetzende Höhe des kalkulatorischen Gewinns nach § 4 HAGTierNebG thematisieren will, betrifft sie nicht revisibles Landesrecht und dessen Anwendung im Einzelfall (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).

11

Mit dem Vortrag, das Berufungsgericht verletze § 49 Abs. 2 Nr. 4 HVwVfG, wenn es annehme, die im Beleihungsbescheid von 1998 auferlegte Genehmigungsbedürftigkeit der Entgelte sei mit § 4 HAGTierNebG durch eine landesgesetzliche Genehmigungspflicht überlagert worden, zielt die Beschwerde zwar auf revisibles Landesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO; jedoch beanstandet sie die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts und formuliert keine bestimmte, für die Revisionsentscheidung erhebliche und höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfrage.

12

3. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.

13

Die geltend gemachte unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung ist nicht hinreichend bezeichnet. Mit dieser Rüge kann beanstandet werden, dass das Tatsachengericht von einer Beweisaufnahme abgesehen hat, weil es vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt war oder den Sachverhalt bereits für geklärt gehalten hat (vgl. Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 4 B 27.08 - juris Rn. 12; Urteil vom 11. April 1991 - BVerwG 3 C 73.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 229 m.w.N.). Ein solcher Fall ist nicht erkennbar. Die Beschwerde behauptet nicht, dass in Bezug auf die streitige Frage der Verarbeitungskapazität ihrer Anlage Beweisanträge übergangen worden seien oder dass sich dem Berufungsgericht Beweiserhebungen hierzu aufgedrängt hätten.

14

Die gerügte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, liegt fern. Das Berufungsgericht hat bei der Überprüfung der Anlagenkapazität den Vortrag der Klägerinnen und die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen umfassend zur Kenntnis genommen und - im Rahmen der angenommenen eingeschränkten Kontrolldichte - gewürdigt. Es hat sich dabei insbesondere auch mit den beiden von den Klägerinnen vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt (UA S. 23), deren Auswertung die Beschwerde vermisst. Darin, dass das Gericht die ihm vorliegenden Erkenntnismittel anders gewertet hat, als die Klägerinnen es für richtig halten, liegt kein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) ist regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen und vom Revisionsgericht nur auf die Einhaltung allgemein gültiger Würdigungsgrundsätze hin zu überprüfen (stRspr, Beschluss vom 20. Mai 2003 - BVerwG 3 B 37.03 - juris Rn. 8 ff.). Dass diese Grundsätze hier verletzt sind, ist nicht dargetan.