Entscheidungsdatum: 13.02.2013
Die Klägerin wendet sich gegen den Teilwiderruf eines Zuwendungsbescheides und die damit verbundene Rückforderung in Höhe von 362 403,69 €. Der Widerruf wurde darauf gestützt, dass die Klägerin die Aufträge für die bezuschusste Errichtung einer Fernwärme-Übernahmestation mit Transportleitung teilweise unter Verletzung der Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung vergeben habe, die ihr im Zuwendungsbescheid unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) auferlegt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat ihrer dagegen erhobenen Klage stattgegeben, weil der Verstoß gegen die vergaberechtlichen Bestimmungen nicht so schwerwiegend gewesen sei, dass die Behörde ihr Widerrufsermessen unter Anwendung eines Runderlasses des Finanzministeriums vom 18. Dezember 2003 nur mit dem Ergebnis eines Widerrufs habe ausüben können. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Beklagte von der Widerrufsmöglichkeit des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW fehlerfrei Gebrauch gemacht habe, weil der Verstoß gegen die Vergabeart ohne die in der Verdingungsordnung (heute: Vergabe- und Vertragsordnung) für Bauleistungen (VOB) oder der Verdingungsordnung (heute: Vergabe- und Vertragsordnung) für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL) zugelassenen Sachgründe schwerwiegend im Sinne des Runderlasses des Finanzministeriums und das Ermessen daher entsprechend der üblichen Praxis ausgeübt worden sei; besondere, bei der Einzelfallbetrachtung zu erwägende Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, seien nicht gegeben.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,
ob sich Ziffer 3.1 des Runderlasses des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1997/ 18. Dezember 2003 an den Ermessensrahmen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW halte, soweit darin die Wahl eines falschen Vergabeverfahrens als schwerer Verstoß gegen die VOB/VOL eingeordnet werde, welcher im Regelfall zum Widerruf der Zuwendung führe.
Zwar handelt es sich dabei um eine Frage des revisiblen Rechts im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, weil sie die Auslegung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes zum Gegenstand hat, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt; die Frage führt jedoch nicht zur Zulassung der Revision, weil sie - soweit sie sich nach dem Wortlaut des herangezogenen Erlasses stellt - ohne Weiteres zu bejahen ist.
Der in Rede stehende Runderlass des Finanzministeriums (MBl NRW 2005 S. 1310) bestimmt unter seiner Ziffer 2 Satz 1, dass bei einem schweren Verstoß gegen die VOB/VOL grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheides und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung angezeigt ist. Ziffer 3 konkretisiert, welche Tatbestände als schwere Verstöße "in Betracht kommen". Ziffer 3.1 zählt dazu einen Verstoß gegen die Vergabeart ohne die im Regelungswerk zugelassenen Sachgründe.
Die Formulierungen dieser hier maßgeblichen Passagen des Erlasses verdeutlichen, dass es sich bei der Bewertung des Verstoßes gegen die Vergabeart um eine generalisierende Regelbeurteilung handelt, von der je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles abgewichen werden darf. Eine solche Einordnung des Verstoßes ist angesichts des Zwecks der Bestimmungen der VOB/VOL über die Vergabearten und des darin geregelten grundsätzlichen Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung einerseits und der Ziele, die der Beklagte andererseits mit der Verpflichtung des Zuwendungsempfängers auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verfolgt, fraglos eine zulässige Konkretisierung des in § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG eingeräumten Widerrufsermessens.
Die öffentliche Ausschreibung ist jeweils nach § 3 Nr. 2 (so die alten Fassungen der Regelungswerke) oder § 3 Abs. 2 (so die Neufassungen 2009) des Teils A der VOB oder VOL die Regelvergabeart, von der abzuweichen besondere Sachgründe erfordert. Ihr Vorrang vor anderen Vergabearten verfolgt den Zweck, einen möglichst breiten und transparenten Wettbewerb zu schaffen und damit sicherzustellen, dass der im Sinne der Ausschreibung günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Zuwendungen der öffentlichen Hand werden regelmäßig - so auch hier - mit einer Verpflichtung des Zuwendungsempfängers zur Einhaltung dieser Bestimmung verbunden, weil auf diesem Wege gewährleistet werden kann, dass bei der Verwendung der Zuwendungen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten wird. Ausgehend davon liegt es nahe, einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Vergabeart wegen der damit regelmäßig verbundenen Gefährdung der genannten Haushaltsgrundsätze im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen.
Diese Regelannahme befindet sich durchaus im Einklang mit der Rechtsauffassung, die dem von der Klägerin herangezogenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. September 2012 - 6 A 10478/12 - (juris) zugrunde liegt. Dort hat das Oberverwaltungsgericht zwar einen schwerwiegenden Verstoß allein wegen einer fehlerhaften Wahl des Vergabeverfahrens verneint, weil die Behörde die besonderen Umstände des Falles bei der Gewichtung des Verstoßes hätte berücksichtigen müssen und diese eine solche Bewertung nicht gerechtfertigt hätten. Das Gericht hat aber zugleich klargestellt, dass eine Regelung zur Ermessensausübung in solchen Fällen, wie sie im Erlass des Finanzministeriums des Beklagten vom 18. Dezember 2003 enthalten ist, dazu nicht in Widerspruch stehe (Rn. 43 der Urteilsgründe). Es heiße dort gerade nicht, die fehlerhafte Wahl der Vergabeart wiege stets schwer, sondern lediglich, ein solcher Fehler komme als schwerwiegender Verstoß "in Betracht". Daraus und aus dem Sinne nach vergleichbaren Formulierungen eines entsprechenden bayerischen Erlasses hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht gefolgert, dass es sich um eine Regelannahme handelt, die nicht davon entbindet, die Einzelumstände zu würdigen.
Nur in diesem Sinne, aber auch in diesem Umfang lässt sich die von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltene Frage generalisierend beantworten, sodass die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht angezeigt ist. Soweit die Ausführungen der Klägerin weitergehend darauf zielen, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die konkreten Umstände die Heranziehung der im Erlasswege vorgegebenen Regelannahme gerechtfertigt haben, geht es ausschließlich um die Würdigung des Einzelfalles, die den Zugang zum Revisionsverfahren von vornherein nicht eröffnen kann.