Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 14.01.2019


BVerwG 14.01.2019 - 3 B 48/18

Wiederholungsgefahr; Beschuldigter strafrechtlicher Ermittlungen


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
14.01.2019
Aktenzeichen:
3 B 48/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2019:140119B3B48.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 21. August 2018, Az: 5 Bf 25/17, Urteilvorgehend VG Hamburg, 22. September 2016, Az: 4 K 4365/15
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Der Rechtsstreit betrifft die Zulässigkeit der Aussetzung eines Verfahrens auf Verlängerung eines Jagdscheins wegen anhängiger strafrechtlicher Ermittlungen.

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1. Der Kläger beantragte im März 2015 die Verlängerung seines am 31. März 2015 auslaufenden Jagdscheins um weitere drei Jahre. Mit Bescheid vom 13. Juli 2015 setzte die Beklagte das Verfahren in analoger Anwendung des § 17 Abs. 5 BJagdG wegen eines anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) aus. Das Ermittlungsverfahren, das sich auf eine rechtsanwaltliche Tätigkeit des Klägers bezog, war zunächst von der Staatsanwaltschaft Hamburg eingestellt, nachfolgend von der Staatsanwaltschaft Lübeck aber fortgeführt worden. Am 30. Juli 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen die Aussetzung des Jagdscheinverfahrens ein und erhob zeitgleich eine Untätigkeitsklage. Nachdem der Kläger im August 2015 seinen Hauptwohnsitz in den Zuständigkeitsbereich eines Landkreises in Mecklenburg-Vorpommern verlegt hatte, erhielt er dort im September 2015 einen bis zum 31. März 2018 gültigen Jagdschein. Im Oktober 2015 teilte der Kläger dem Verwaltungsgericht mit, da er seinen Wohnsitz wieder nach Hamburg zurückverlegt habe und mit einem Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens bis zum Ablauf seines verlängerten Jagdscheins nicht zu rechnen sei, bestehe die Gefahr, dass sich die rechtswidrige Verfahrenspraxis der Beklagten wiederhole. Er beantrage daher die Feststellung, dass die Aussetzung des Verfahrens auf Erteilung eines Jagdscheins rechtswidrig war.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens erteilte die Beklagte dem Kläger einen bis zum 31. März 2021 gültigen Jagdschein, da das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lübeck zwischenzeitlich eingestellt sei und Erkenntnisse über andere Verfahren nicht bestünden. Der Kläger hielt an seiner Feststellungsklage fest, weil durch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt stets das Risiko von Anzeigen bestehe und er daher auch in Zukunft mit entsprechenden Sachverhalten rechnen müsse.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen: Die Klage sei bereits unzulässig. Voraussetzung für die vom Kläger reklamierte Wiederholungsgefahr sei eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen auf einen gleichartigen Antrag des Klägers ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen werde. Ob im Zeitpunkt eines künftigen Verlängerungsantrags erneut ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig sei, erscheine heute indes ungewiss. Anderes ergebe sich weder aus der Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt noch aus der Häufigkeit der gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren: Aus der Relation von fünf Verfahren in 21 Berufsjahren folge nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch im Frühjahr 2021 Beschuldigter eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 WaffG bzw. § 17 Abs. 4 Nr. 1 BJagdG sein werde. Unabhängig hiervon sei die Klage auch unbegründet: Im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses sei die Aussetzung des Verfahrens rechtmäßig gewesen. Auch bei Ermittlungsverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 WaffG könne das Verfahren auf Erteilung eines Jagdscheins in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 5 Satz 1 BJagdG ausgesetzt werden.

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2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil gerichtete Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

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a) Die Beschwerde rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht, weil sie einen hierfür erforderlichen Zulassungsgrund nicht hinreichend darlegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Die Beschwerde verkennt, dass im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur zu prüfen ist, ob ein - von der Beschwerde darzulegender - Zulassungsgrund vorliegt (§ 133 Abs. 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 und 3 VwGO). Die Geltendmachung von Richtigkeitszweifeln der angegriffenen Entscheidung genügt hierfür nicht. Anders als im Recht der Berufungszulassung (vgl. hierzu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sieht § 132 Abs. 2 VwGO den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht vor. Soweit die Beschwerde einzelne Rechtsverstöße des Berufungsurteils rügt, ist dies daher von vornherein nicht geeignet, einen Zulassungsgrund darzutun. Derartige behauptete Verletzungen von Bundesrecht oder revisiblem Landesrecht können zwar Gegenstand eines zugelassenen Revisionsverfahrens sein (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Sie sind aber kein vom Gesetzgeber für die Zulassung einer Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO als ausreichend erachteter Grund (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2016 - 2 B 128.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:220916B2B128.15.0] - juris Rn. 4 f.).

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b) Ungeachtet der fehlenden Zuordnung und Darlegung kann dem Tatsachenvortrag der Beschwerde auch in der Sache kein Zulassungsgrund entnommen werden. Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht die Anforderungen für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses überspannt.

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Der ursprüngliche Antrag des Klägers auf Verlängerung seines Jagdscheins hat sich mit der Erteilung eines Jagdscheins durch die Behörden seines neuen Wohnsitzlandkreises sowie nachfolgend die Beklagte ebenso erledigt wie die Auseinandersetzung über die zwischenzeitliche Aussetzung des Verfahrens. Der danach gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO allein statthafte Fortsetzungsfeststellungsantrag setzt ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts voraus. Für die vom Kläger in Anspruch genommene Fallgruppe einer Wiederholungsgefahr hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die konkret absehbare Möglichkeit verlangt, dass in naher Zukunft und unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleiche oder gleichartige Maßnahme der Beklagten zu erwarten ist, die den Kläger beschwert (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 BN 1.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:140618B3BN1.17.0] - juris Rn. 19 m.w.N.).

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Diese Anforderungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Weder aus der Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt noch aus der Tätigkeit als Kolumnenautor in einem Jagdmagazin lässt sich die konkret absehbare Möglichkeit herleiten, dass gegen den Kläger im Zeitpunkt seines nächsten Antrags auf Verlängerung des Jagdscheins ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat im Sinne des § 17 Abs. 4 Nr. 1 BJagdG bzw. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 WaffG anhängig sein wird. Dementsprechend ist dem Kläger sein Jagdschein im Jahr 2018 auch beanstandungsfrei verlängert worden.

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Substantiierte Einwände hiergegen enthält die Beschwerde nicht, sie sucht vielmehr eine abstrakte Gefährdungslage zu begründen. Dies reicht sowohl nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts als auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Begründung einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht aus.

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Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr hat der Kläger - selbst bei Berücksichtigung seines Vorbringens im Berufungsverfahren - nicht dargelegt. Aus der vorgetragenen Anzahl von fünf Strafverfahren in 21 Jahren ergibt sich nichts anderes. Dies folgt nicht nur aus der quantitativen Relation und einer ihr möglicherweise zugrundeliegenden zufälligen oder situationsbedingten Häufung, sondern insbesondere daraus, dass die Ermittlungen ganz überwiegend keine Vorwürfe betrafen, denen Relevanz für die Frage der jagdrechtlichen Zuverlässigkeit zukommen könnte. Von den drei Ermittlungsverfahren mit Bezug zu seiner anwaltlichen Tätigkeit betrafen zwei Verfahren im Übrigen denselben Sachverhalt. Bei dem einzelnen Verfahren, der Anzeige einer Mandantin wegen Betrugs, war nicht ersichtlich, dass das Ermittlungsverfahren länger gedauert hätte oder von der Beklagten als jagdrechtlich zuverlässigkeitsrelevant eingeschätzt worden wäre. Bedeutsam verbleibt daher allein der Vorwurf der Veruntreuung bzw. des Betrugs im Rahmen der Stiftungsangelegenheit, der die Beklagte zur Aussetzung des Jagdscheinverfahrens veranlasst hatte. Insoweit handelt es sich indes um einen singulären Fall ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine Wiederholung. Entsprechendes gilt für die unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit gegen den Kläger geführten Strafverfahren. Weder hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens wegen Nötigung im Jahr 1999 noch im Hinblick auf die Strafanzeige wegen Beleidigung nach der Veröffentlichung eines Beitrags in der Zeitschrift "Jäger" sind Anhaltspunkte für erneute Ermittlungen ersichtlich.

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c) Auf die mit der Beschwerde vorgetragenen Einwände gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klage sei auch unbegründet, kommt es daher nicht an.

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Das Berufungsgericht hat die Klage rechtsfehlerfrei als unzulässig abgewiesen. Selbst wenn die Beschwerde einen Zulassungsgrund hinsichtlich der Ausführungen im Berufungsurteil zur Unbegründetheit der Klage dargelegt hätte, könnte dies mithin nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2016 - 2 B 66.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:020316B2B66.15.0] - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 62 Rn. 6 m.w.N.). Der gerügte Fehler kann hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Eine grundsätzliche Bedeutung scheidet daher jedenfalls wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit etwaiger Rechtsfragen zur Begründetheit aus.

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Einen darin liegenden Verfahrensmangel, dass das Berufungsurteil trotz Verneinung der Sachurteilsvoraussetzungen Ausführungen zur Sache enthält, macht die Beschwerde nicht geltend. Im Übrigen könnte das Berufungsurteil angesichts der zutreffenden Erwägungen zur Unzulässigkeit der Klage auf einem solchen Verfahrensmangel jedenfalls nicht beruhen (BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 B 133.18 [ECLI:DE:BVerwG:2018:141218B6B133.18.0]).

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.