Entscheidungsdatum: 26.02.2019
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung der Betriebsprämie 2012 wegen eines Verstoßes gegen die Kennzeichnungspflicht von Rindern. Auf seinen Wiesen betreibt er Futterbau in der Weise, dass er die Mahd an seine Schwester verkauft bzw. deren Rinder - vornehmlich im Sommer - auf seinen Wiesen weiden lässt. Die Rinder werden in offener Herde (Mutterkuhhaltung) gehalten und werden nach seinen Angaben nur geschlachtet, soweit zur Bestandsregulierung und zum Erhalt der Herde notwendig. In seinem Beihilfeantrag gab er 31 Rinder als durchschnittlichen Tierbestand seines Betriebs an. Die im Jahr 2012 auf seinen Wiesen festgestellten Tiere waren nicht durch Ohrmarken gekennzeichnet, wie dies in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 grundsätzlich vorgeschrieben ist. Vielmehr waren den Tieren Mikrochips injiziert, die mittels Lesegerät ausgelesen werden können. Die schuldhafte Nichteinhaltung der Kennzeichnungspflicht führt gegebenenfalls dazu, dass Betriebsinhaber, die die Betriebsprämie in Anspruch nehmen wollen, durch eine Kürzung zu sanktionieren sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen die Kürzung gerichtete Klage unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen.
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen. Erforderlich ist die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2018 - 3 B 25.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:290118B3B25.17.0] - juris Rn. 3 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
a) Die zunächst mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen befassen sich mit der Zurechnung des Verstoßes gegen die Verpflichtung, alle Tiere (Rinder) eines Betriebs mit Ohrmarken zu kennzeichnen (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO
aa) Mit seiner ersten Frage (Nr. 1) möchte der Kläger geklärt wissen,
ob einem landwirtschaftlichen Betriebsinhaber im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 ein Kennzeichnungsverstoß eines in der Person nicht identischen Tierhalters gemäß Art. 2 der VO (EG) Nr. 1760/2000 zuzurechnen ist.
Damit ist eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage nicht aufgeworfen, denn sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht ohne weiteres stellen. Der Verwaltungsgerichtshof geht entscheidungstragend davon aus, dass (auch) der Kläger im Sinne von Art. 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 im Antragsjahr zeitweise Halter der betroffenen Tiere war. Daran geht die Beschwerde vorbei.
bb) Frage Nr. 2 befasst sich mit der Tierhalter- und Betriebseigenschaft. Der Kläger möchte wissen,
ob ein landwirtschaftlicher Betriebsinhaber im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 automatisch Tierhalter und/oder Betrieb im Sinne von Art. 2 der VO (EG) Nr. 1760/2000 ist, wenn er seine landwirtschaftlichen Flächen zur Beweidung durch Rinder eines dritten Tierhalters zur Verfügung stellt.
Damit ist eine entscheidungserhebliche Frage ebenfalls nicht herausgearbeitet. Die Beschwerde muss sich mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich ihre Fragen beziehen, substanziiert auseinandersetzen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2015 - 3 B 46.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:290615B3B46.14.0] - juris Rn. 11 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof hat aus dem Umstand, dass Flächen zur Beweidung zur Verfügung gestellt wurden, nicht "automatisch" auf den Tierhalter bzw. eine Betriebszuordnung geschlossen. Vielmehr hat er dies aus einer Gesamtbetrachtung verschiedener, einzelfallbezogener Umstände abgeleitet. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Ausführungen zu dieser Frage enthaltenen weiteren Frage,
ob die Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke die Befugnis und den Willen erfordert, diese eigenverantwortlich zu halten und Herrschaft auszuüben.
Auch insoweit setzt sich die Beschwerde mit dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend auseinander. Der Verwaltungsgerichtshof meint lediglich, dass es für die Haltereigenschaft des Klägers nicht darauf ankomme, ob die Schwester des Klägers jeweils während des Weidens der Rinder auf den Wiesen des Klägers ihren Herrschaftswillen aufgebe und der Kläger "willentlich" einen solchen begründe. Der Kläger setzt sich mit den nachfolgenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht auseinander und zeigt insbesondere nicht auf, weshalb die nach der Tierhalterdefinition des Art. 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 maßgebliche Verantwortung für ein Tier von einer solchen Willensbildung abhängen sollte.
cc) Mit seiner dritten Frage (Nr. 3) möchte der Kläger des Weiteren geklärt wissen,
ob einen landwirtschaftlichen Betriebsinhaber im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 eine Kennzeichnungspflicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 auch für fremde Tiere trifft, sobald er seine Flächen zur Beweidung für fremde Tiere zur Verfügung stellt.
Auch insoweit geht der Kläger daran vorbei, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Verantwortung für die Kennzeichnung der Rinder nicht schon daraus abgeleitet hat, dass er seine Wiesen zur Beweidung zur Verfügung gestellt hat.
b) Auch die Fragen, die sich auf die Genehmigung einer Kennzeichnung der Rinder durch Transponder beziehen, führen nicht zur Zulassung der Revision.
aa) Mit Frage Nr. 4, mit der der Kläger geklärt wissen möchte,
ob das Landratsamt Zollernalbkreis den Rinderbestand seiner Schwester bereits mit Schreiben vom 9. März 1999 mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Kennzeichnung von Rindern mit Ohrmarken gemäß sekundärem Unionsrecht, konkret Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000, die erst zeitlich später ab dem 14. August 2000 galt, befreien und die Kennzeichnung der Rinder mit Transpondern genehmigen konnte,
ist eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage nicht aufgeworfen. Das angefochtene Urteil stützt sich nicht darauf, was (abstrakt) hätte genehmigt werden können, sondern darauf, was das Landratsamt (konkret) tatsächlich genehmigt hat. Bezogen auf die Auslegung des Schreibens des Landratsamts vom 9. März 1999 zeigt die Frage aber keinen - zumal über den Einzelfall hinausweisenden - rechtlichen Klärungsbedarf auf.
bb) Entsprechend führen die Frage Nr. 5,
ob das Schreiben des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. März 1999 so ausgelegt werden kann, dass der Rinderbestand der Schwester von der Verpflichtung zur Kennzeichnung von Rindern mit Ohrmarken gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 erst zeitlich später, d.h. mit Beginn der Geltung dieser Verordnung, d.h. ab dem 14. August 2000 befreit und die Kennzeichnung der Rinder mit Transpondern genehmigt wurde,
die Frage Nr. 6,
ob es für eine rechtliche Einstufung des Schreibens des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. März 1999 als Befreiung eines Rinderbestandes von der Kennzeichnungsverpflichtung von Rindern mit Ohrmarken gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 erforderlich war, dass im Wortlaut dieses Schreibens ausdrücklich eine Fördermittelunschädlichkeit der Entscheidung des Landratsamtes Zollernalbkreis erwähnt werden musste,
und die Frage Nr. 7,
ob das Schreiben des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. März 1999 eine Befreiung von der Kennzeichnungsverpflichtung von sämtlichen bzw. nur weiblichen Rindern mit Ohrmarken gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 und eine Ausnahmegenehmigung der Kennzeichnung von sämtlichen bzw. nur weiblichen Rindern mit Transpondern für das Antragsjahr 2012 beinhalten kann, obwohl ein nachträglicher Befreiungsantrag bzgl. männlicher Rinder der Schwester mit Bescheid des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 4. März 2003 abgelehnt wurde und danach bis zum Antragsjahr 2012 kein neuer Antrag durch die Schwester gestellt wurde,
nicht zur Zulassung der Revision. Sie bleiben der konkreten Auslegung des Schreibens des Landratsamts und dem Einzelfall verhaftet, ohne einen darüber hinausweisenden, rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf darzutun.
cc) Mit der Frage Nr. 8 möchte der Kläger wissen,
ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Kennzeichnungsverpflichtung von Rindern mit Ohrmarken und die Genehmigung der Kennzeichnung der Rinder mit Ohrmarken gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 bzw. gemäß § 45 Abs. 2 ViehVerkV bei einem Rinderbestand wie dem der Schwester im Antragsjahr 2012 erfüllt sind.
Sie betrifft keine für die Revisionsentscheidung ohne weiteres erhebliche Frage. Denn das angefochtene Urteil stützt sich entscheidungserheblich nicht darauf, dass eine andere Kennzeichnung als jene der Ohrmarken nicht hätte genehmigt werden können, sondern allein darauf, dass eine solche Genehmigung nicht gegeben war. Bei den Ausführungen dazu, dass die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung einer anderen Kennzeichnung nicht vorliegen dürften, handelt es sich lediglich um ein obiter dictum. Zu dem ist auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht erkennbar, dass es sich bei der Rinderhaltung der Schwester um eine Tierhaltung für sportliche oder kulturelle Veranstaltungen handeln könnte (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 3 VO
dd) Des Weiteren möchte der Kläger mit Frage Nr. 9 geklärt wissen,
ob die jahrelange Duldung der alternativen Kennzeichnung der Rinder der Schwester mit Transponderchips durch das Landratsamt Zollernalbkreis und die jahrelange Gewährung der Fördermittel, konkret der Einheitlichen Betriebsprämie (EBP) und des Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichs (MEKA III) durch das Landratsamt Zollernalbkreis an die Schwester eine konkludente Befreiung von der Kennzeichnungsverpflichtung von Rindern mit Ohrmarken gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 und eine Genehmigung der Kennzeichnung von Rindern mit Transpondern darstellt.
Mit dieser, auf den Fall der Rinder der Schwester abstellenden Frage ist eine fallübergreifende und allgemein klärungsfähige Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde beschränken sich in der Art einer Berufungsbegründung auf Angriffe gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des angefochtenen Urteils.
ee) Nichts anderes gilt schließlich für die Frage Nr. 10, mit der geklärt werden soll,
ob es ein vorsätzliches Handeln bzw. Unterlassen der Schwester darstellt, dass diese ihre Rinder im Vertrauen auf das Schreiben des Landratsamtes Zollernalbkreis vom 9. März 1999 sowie die jahrelange Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie (EBP) und des Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichs (MEKA III) mit Transponderchips gekennzeichnet hat.
Abgesehen davon, dass es entscheidungserheblich nur auf das Verschulden des Klägers ankommt, ist auch insoweit eine fallübergreifende und allgemein klärungsfähige Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
ff) Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung seiner Fragen formuliert der Kläger zusammenfassend, mit diesen solle geklärt werden,
in welcher zeitlichen Abfolge bzw. unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher Weise Rinderbestände, wie der Rinderbestand der Schwester von der Verpflichtung zur Kennzeichnung von Rindern mit Ohrmarken - ab dem 14. August 2000 - gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 bzw. - ab dem 14. Juli 2007 - gemäß § 45 Abs. 2 ViehVerkV befreit werden können.
Wenngleich mit dieser Zusammenfassung für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision begehrt wird, ist anzumerken, dass auch mit ihr eine konkret entscheidungserhebliche und zugleich rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage nicht in der erforderlichen Weise dargelegt ist.
2. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Ein nationales Gericht kann Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, soweit es eine Entscheidung darüber für erforderlich hält, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorlegen. Es ist hierzu grundsätzlich aber nur verpflichtet, wenn seine Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV). Die hier statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist ein Rechtsmittel in diesem Sinne, weshalb eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung nicht bestand (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2013 - 3 B 90.12 - juris Rn. 12 m.w.N.). Ein im Einzelfall denkbar längeres Verfahren durch eine Vorlage, die erst durch das letztinstanzliche Gericht erfolgt, ist im System des Art. 267 AEUV angelegt und rechtfertigt nicht, ausnahmsweise von einer Vorlagepflicht der Vorinstanz auszugehen. Abgesehen davon präzisiert der Kläger auch nicht in der gebotenen Weise, welche Fragen das Berufungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union aus seiner Sicht zur Vorabentscheidung hätte vorlegen müssen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.