Entscheidungsdatum: 14.02.2013
I.
Die Beteiligten streiten über Genehmigungen, Zahlungsansprüche auch für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (OGS-Genehmigungen).
Der Kläger beantragte am 11. Mai 2005 die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie die Betriebsprämie 2005. Das in dem Antragsformular vorgesehene Feld zur Beantragung von OGS-Genehmigungen wurde nicht angekreuzt. Der beigefügte Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis 2005 wies eine Fläche von insgesamt 45,58 ha mit dem Code 612 (Sonstige Speisekartoffeln) zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen aus. Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte Zahlungsansprüche fest, ohne diese mit OGS-Genehmigungen zu verbinden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten OGS-Genehmigungen, weil er diese nicht beantragt habe, was auch nicht wegen eines offensichtlichen Irrtums berichtigt werden könne.
II.
Die auf alle Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist dies in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen. Das setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Eine solche Rechtsfrage hat der Kläger nicht aufgeworfen.
a) Die Frage,
ob nationalstaatlich im Unionsrecht nicht vorgesehene Antragserfordernisse normiert werden dürfen,
ist in dieser allgemeinen Formulierung nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung hängt davon ab, inwieweit das jeweils anzuwendende Unionsrecht hierzu abschließende Regelungen trifft. Für das hier einschlägige Unionsrecht ist die Frage, wie zu zeigen sein wird, nicht entscheidungserheblich. Aus demselben Grund rechtfertigen die im gleichen Zusammenhang stehenden Fragen,
ob die grundsätzlich notwendige einheitliche Anwendung von Unionsrecht nationalstaatliche Antragserschwernisse überhaupt zulässt und ob die Abweichung bei der Festsetzung von Zahlungsansprüchen, die grundsätzlich für den Zeitraum 2005 bis 2013 Bedeutung gehabt hätten, verhältnismäßig ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Mit ihnen wird eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht herausgearbeitet. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein eigenes Antragserfordernis in den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts vorgeben werde oder darin jedenfalls angelegt sei und damit einer ebensolchen mitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegenstehe. Bereits daran geht die Fragestellung des Klägers vorbei. Im Übrigen ist nicht klärungsbedürftig, dass Mitgliedstaaten in Regelungsbereichen, die ihnen Raum für eine weitere Ausgestaltung lassen, prinzipiell unterschiedliche Regelungen treffen können. Gleiches gilt für die Frage,
inwieweit ein Mitgliedstaat im Rahmen der Erstzuteilung von Zahlungsansprüchen sowie im Rahmen des InVeKoS ein im Unionsrecht nicht vorgesehenes Antragserfordernis nationalstaatlich normieren kann.
Soweit der Kläger im Übrigen mit seinen Fragen auf den Rechtssatz zielt, dass die Erteilung von OGS-Genehmigungen eines eigenen Antrags bedurfte, betrifft dies ausgelaufenes Recht. Darauf hat der Kläger selbst hingewiesen. Die Regelung, Zahlungsansprüche nicht ohne Genehmigung für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (Art. 51 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 der Verordnung
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen, die sich auf auslaufendes, ausgelaufenes oder nur übergangsweise geltendes Recht beziehen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist und dies substantiiert dargelegt wird (Beschlüsse vom 24. Oktober 1994 - BVerwG 9 B 83.94 - DVBl 1995, 568, vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9, vom 8. März 2000 - BVerwG 2 B 64.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21, vom 17. Mai 2004 - BVerwG 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 70.05 - juris Rn. 6, je m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Die vier als noch mindestens anhängig genannten Fälle können eine grundsätzliche Bedeutung der Frage nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die Vorarbeiten der Kommission für die Fortentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik. Abgesehen davon, dass sich aus den in Bezug genommen Regelungen der Verordnungsvorschläge der Kommission eine gleichgelagerte Fragestellung nicht erkennen lässt, handelt es sich nicht um bereits existentes Recht.
b) Darüber hinaus sieht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass im Zuge eines Revisionsverfahrens "Fragen des Anwendungsbereichs und dem Ausschluss wegen Gutgläubigkeit" der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer geklärt werden könnten. Unabhängig davon, dass damit keine bestimmte Frage formuliert ist, rechtfertigt der in diesem Zusammenhang der Suche nach geltend gemachtem Klärungsbedarf die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht.
aa) Die Beantwortung der sinngemäß aufgeworfenen Frage,
ob ein Antrag im Wege der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer nachgeholt werden kann,
bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, denn die Antwort ergibt sich unzweifelhaft und ohne Weiteres mit Hilfe der üblichen Regeln der Auslegung aus dem einschlägigen Verordnungsrecht (vgl. dazu Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982 IV-3415 Rn. 12 ff.).
Nach Art. 19 der Verordnung (EG) der Kommission Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18), der inhaltlich unverändert von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABl Nr. L 316 S. 65) abgelöst wurde, kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Gegenstand der Berichtigung und damit dessen notwendige Voraussetzung ist nach dem klaren Wortlaut ein Antrag. Er ist Ausgangspunkt für die Feststellung des Irrtums, der sich aus dem Zusammenhang der in ihm enthaltenen Erklärungen oder den mit ihm in Verbindung stehenden objektiven Umständen als offensichtlich darstellen muss. Entsprechend sah auch die Ursprungsvorschrift der ersten Durchführungsverordnung zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem vor, dass "ein Beihilfeantrag" nach Ablauf der Einreichungsfrist "geändert" werden kann, wenn ein von der Behörde anerkannter offensichtlicher Fehler vorliegt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a VO
bb) Die darüber hinaus sinngemäß gestellte Frage,
ob ein offensichtlicher Irrtum ausscheidet, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht,
vermag die Zulassung der Revision schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der Vorschrift über die Berichtigung offensichtlicher Irrtümer selbständig tragend bereits mangels eines der Berichtigung zugänglichen Antrags ausgeschlossen hat. Dem hat der Kläger - wie ausgeführt - keine durchgreifenden Rügen entgegengesetzt. Ist die angefochtene Entscheidung aber selbständig tragend auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 m.w.N.).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) von dem Urteil des Senats vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - (Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 10 S. 10) zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht formuliert in seinem Urteil keinen seine Entscheidung tragenden Rechtssatz, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht.
a) Der Kläger meint, das Bundesverwaltungsgericht habe in dem entschiedenen Fall anders als das Oberverwaltungsgericht einen offensichtlichen Irrtum anerkannt, obwohl für die dort irrtümlich nicht benannte Fläche kein Antrag gestellt worden sei, und hat hieraus abgeleitet, der unterbliebene Antrag falle nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in den Anwendungsbereich des offensichtlichen Irrtums. Das trifft nicht zu.
Unabhängig davon, ob ein die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragender abstrakter Rechtssatz herausgearbeitet und damit die geltend gemachte Divergenz hinreichend dargelegt ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), liegt eine Abweichung nicht vor, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in dem in Bezug genommenen Fall lediglich einen gestellten Antrag berichtigt, der durch eine fehlerhafte Flurstücknummer eine andere Fläche bezeichnete, als die offensichtlich gemeinte (a.a.O. Rn. 17 ff.).
b) Der Kläger sieht eine weitere Abweichung darin, dass das Oberverwaltungsgericht einen Irrtum mangels Gutgläubigkeit bei bewusster und grober Fahrlässigkeit allein nach einem Verschuldensmaßstab verneine, während das Bundesverwaltungsgericht die Prüfung der Gutgläubigkeit streng von der Frage der Fahrlässigkeit unterscheide. Abgesehen davon, dass damit widersprechende, ihre Entscheidungen jeweils tragende abstrakte Rechtssätze nicht herausgearbeitet sind, ist die in der Sache geltend gemachte Divergenz nicht erkennbar.
Das Oberverwaltungsgericht hat den auch vom Bundesverwaltungsgericht für erforderlich gehaltenen guten Glauben mit der Begründung verneint, dass der Kläger die ihm obliegende Sorgfalt grob fahrlässig verletzt habe. Dies folgt dem Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, dass es an der für den guten Glauben notwendigen Redlichkeit dann in der Regel fehle, wenn die zu beachtende Sorgfalt in grob fahrlässiger Weise verletzt werde. Dieser die Entscheidung tragende Rechtssatz steht schon deshalb nicht im Widerspruch zu der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil dort im Zusammenhang mit einer in Rede stehenden leichten Fahrlässigkeit lediglich die Aussage getroffen ist, dass eine umfassende Schuldlosigkeit nicht verlangt werden kann.
3. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Entscheidung dem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), weil es keine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV eingeholt und die Revision nicht zugelassen habe, begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Verpflichtung, eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Entscheidung im Sinne des Art. 267 AEUV nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Die - hier statthafte - Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist jedoch ein Rechtsmittel in diesem Sinne, weshalb eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung nicht bestand (stRspr, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - BVerwG 10 B 21.04 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 20 f. m.w.N., vom 12. Oktober 2010 - BVerwG 7 B 22.10 -, vom 8. September 2011 - BVerwG 3 B 19.11 - ZfSch 2012, 597 und vom 29. Februar 2012 - BVerwG 3 B 81.11 - NL-BzAR 2012, 165).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Danach ist der Streitwert vorliegend mit dem Wert der Zahlungsansprüche anzusetzen, auf die sich die begehrten OGS-Genehmigungen beziehen. Denn die OGS-Genehmigungen entscheiden hier darüber, ob und inwieweit für die im Jahr 2005 zum Anbau von Speisekartoffeln genutzte und beantragte 45,58 ha große Fläche eine Betriebsprämie gewährt werden kann. Er errechnet sich aus der Hektarzahl, für die OGS-Genehmigungen begehrt werden (42,62 ha, verringert um die mit dem Faktor 0,8083 angegebene Plafondkürzung), die mit dem Wert der korrespondierenden Zahlungsansprüche (255,12 €/ha) zu vervielfachen ist. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Oberverwaltungsgericht übernommene Verminderung um ein Viertel ist nicht gerechtfertigt (vgl. dazu auch Beschluss vom 8. September 2008 - BVerwG 3 B 52.08 - Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 7 S. 7 f.). Die Befugnis zur Änderung der vorinstanzlichen Wertfestsetzungen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.