Entscheidungsdatum: 29.04.2015
Der Begriff der gleichen Bezeichnung in § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG (juris: AMG 1976) hebt auf die vollständige Bezeichnung des Arzneimittels ab. Eine Teilidentität der Bezeichnung genügt daher nicht, um die Voraussetzung der Bezeichnungsgleichheit zu erfüllen.
Die Klägerin ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel "Aleve" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Naproxen. Die angezeigte Änderung der Arzneimittelbezeichnung in "Aktren Naproxen" hielt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für unzulässig, weil die Bezeichnung bei den Verbrauchern die Fehlvorstellung hervorrufen könne, das Präparat enthalte den Wirkstoff Ibuprofen; denn unter der (Dach-)Marke "Aktren" vertreibe die Klägerin mehrere Monoarzneimittel ("Aktren", "Aktren forte", "Aktren mobil" und "Aktren spezial") mit diesem Wirkstoff.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung der Beklagten, im Zulassungsbescheid die gewünschte Bezeichnungsänderung vorzunehmen, abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und dem Begehren stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Bezeichnungsänderung verstoße nicht gegen das Verbot gleicher Bezeichnung von Arzneimitteln nach § 25 Abs. 3 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Unter dem Namen "Aktren Naproxen" sei kein anderes Arzneimittel im Verkehr. Dass unter der Hauptbezeichnung "Aktren" weitere Arzneimittel zugelassen seien, erfülle den Tatbestand der Bezeichnungsgleichheit nicht. Die streitige Namensänderung sei auch mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Bei Würdigung aller Umstände des Falls sei die Bezeichnung "Aktren Naproxen" nicht irreführend, weil sie keine unzutreffenden Verbrauchererwartungen über wesentliche Merkmale des Arzneimittels wecke. In den Anwendungsgebieten unterscheide sich das Präparat nicht von den markteingeführten "Aktren"-Produkten. Zudem gehörten Ibuprofen und Naproxen zur gleichen Wirkstoffgruppe und der Wirkmechanismus sei identisch. Das Nebenwirkungsprofil weise ebenfalls keine erheblichen Unterschiede auf. Eine Irreführung liege auch nicht im Hinblick auf das (Nicht-)Vorhandensein des Wirkstoffes Ibuprofen vor; denn es sei nicht davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher mit dem Phantasienamen "Aktren" einen bestimmten Wirkstoff verbinde. Außerdem sei durch den Zusatz "Naproxen" eine hinreichende Unterscheidung zu den anderen Produktbezeichnungen der Dachmarke gewährleistet.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegen die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel vor.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Klärungsbedürftige Rechtsfragen dieser Art legt die Beschwerde nicht dar.
a) Die von der Beklagten aufgeworfene Frage,
ob eine "gleiche Bezeichnung" im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG vorliegt, wenn Arzneimittelbezeichnungen eine identische Hauptbezeichnung verwenden und sich im Übrigen nur durch Bezeichnungszusätze unterscheiden,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beklagte sieht den geltend gemachten Klärungsbedarf mit Blick auf sog. Dachmarken-Bezeichnungen, also einer Bezeichnung als Hauptbestandteil eines Arzneimittelnamens, die für verschiedene Produkte verwendet wird und dabei durch unterschiedliche Bezeichnungszusätze ergänzt wird. Danach bedarf die Beantwortung der Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie durch Auslegung des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres zu verneinen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2003 - 3 B 167.02 - juris Rn. 3 und vom 6. Juni 2014 - 3 B 58.13 - juris Rn. 5).
Das Oberverwaltungsgericht ist mittels grammatikalischer, systematischer, entstehungsgeschichtlicher und teleologischer Auslegung zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass der Begriff der gleichen Bezeichnung in § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG auf die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels abhebt und deshalb eine bloße Teilidentität der Bezeichnung nicht genügt, um die Voraussetzung der Bezeichnungsgleichheit zu erfüllen. Für dieses Verständnis sprechen insbesondere der Wortlaut der Norm, der nicht zwischen einer Hauptbezeichnung und sonstigen Namensbestandteilen unterscheidet, sowie der Gebrauch des Begriffs "Bezeichnung des Arzneimittels" in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und § 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG, wo gleichfalls auf die Gesamtbezeichnung abgestellt wird. Auch aus dem Zweck des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG, zur Übersichtlichkeit über die im Verkehr befindlichen Arzneimittel beizutragen und im Interesse der Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, dass der Verbraucher namensgleiche, aber nach Art oder Menge der Wirkstoffe unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel nicht verwechselt (vgl. BT-Drs. 7/3060 S. 50 f. und BT-Drs. 10/5112 S. 18), lässt sich nichts für eine andere Auslegung ableiten. Verwechslungs- und Irreführungsgefahren, die sich im konkreten Einzelfall aus einer Teilidentität oder sonstigen Ähnlichkeit von Bezeichnungen ergeben können, werden durch das Verbot irreführender Bezeichnungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG wirksam verhindert.
b) Auch den beiden weiteren als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,
ob die Erstreckung einer bereits im Verkehr verwendeten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung als künftige "Dachmarke" auf ein weiteres, wirkstoffverschieden zusammengesetztes Arzneimittel irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist,
und
ob mit der Nennung eines Wirkstoffes (vorliegend: Naproxen) hinter einer bereits markteingeführten wirkstoffassoziierten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher die Vorstellung hervorgerufen wird, dass in dem Arzneimittel ein weiterer Wirkstoff enthalten ist, so dass bei Fehlen dieses ergänzenden zusätzlichen Wirkstoffes eine Irreführungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG anzunehmen ist,
kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Ob die Bezeichnung eines Arzneimittels geeignet ist, bei dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher Fehlvorstellungen über die Qualität, die therapeutische Wirksamkeit, die Wirkungen, die Wirkstoffe, die Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels zu wecken und deshalb als irreführend im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG anzusehen ist, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles und ist daher einer fallübergreifenden Klärung entzogen. Das gilt auch hinsichtlich der Verwendung einer sog. Dachmarke als Hauptbestandteil einer Arzneimittelbezeichnung.
Hier ist das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu der - eingehend begründeten - Einschätzung gelangt, dass die Bezeichnung "Aktren Naproxen" bei dem Durchschnittsverbraucher keine Fehlvorstellungen hinsichtlich der therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels hervorruft und auch in Bezug auf das Nebenwirkungsprofil sowie die besonderen Anwendungsbeschränkungen und -hinweise für Kinder keine Irreführungs- oder Verwechslungsgefahren bestehen (UA S. 20 ff.). Zudem hat es festgestellt, dass der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher mit dem Phantasienamen "Aktren" keinen bestimmten Wirkstoff verbinde und deshalb auch nicht der Fehlvorstellung unterliege, das streitige Arzneimittel enthalte den Wirkstoff Ibuprofen (UA S. 23 ff.). Zur Begründung hat das Berufungsgericht auf die Marktverhältnisse im Segment der Schmerzmedikation mit nichtsteroidalen Antiphlogistika verwiesen und zugrunde gelegt, dass zahlreiche Produkte mit dem Wirkstoff Ibuprofen im Verkehr seien, diesen teilweise auch im Namen führten und "Aktren" daher nicht aufgrund einer Alleinstellung mit Ibuprofen assoziiert werde. Des Weiteren hat es angenommen, dass der Verbraucher in diesem Marktbereich unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit einer identischen Zusammensetzung erwarte, weil das BfArM in der Vergangenheit wiederholt Dachmarkenbezeichnungen für Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen zugelassen habe. Ferner hat es sich darauf gestützt, dass die im Verfahren vorgelegten Verkaufszahlen und Marktanteile der unter der Dachmarke "Aktren" vertriebenen Produkte auf einen vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad schließen ließen.
Die Beklagte hält diese Bewertung für falsch und meint, dass das Oberverwaltungsgericht von einer unzutreffenden Verbrauchervorstellung ausgegangen sei. Mit dieser Kritik an der Tatsachenwürdigung im Einzelfall legt sie aber keinen grundsätzlichen, über die konkrete Rechtssache hinausweisenden Klärungsbedarf dar. Die zweite in diesem Zusammenhang gestellte Frage ist überdies auch nicht entscheidungserheblich, weil sie mit dem Merkmal einer "bereits markteingeführten wirkstoffassoziierten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung" von einem Sachverhalt ausgeht, der in Widerspruch steht zu den für das Revisionsgericht nach Maßgabe von § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz.
c) Schließlich führt auch die Frage,
ob die Annahme einer Irreführungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG voraussetzt, dass durch eine etwaige Verwechslung Gesundheitsgefahren begründet werden, und eine Irreführungsgefahr daher von vornherein für solche Arzneimittel ausgeschlossen ist, die bei gleicher Indikation zwar nicht in gleicher, aber doch in ähnlicher Weise wirken und sich im Nebenwirkungsprofil nicht erheblich unterscheiden,
nicht zur Zulassung der Revision. Die Beklagte stützt sich insoweit auf die Ausführungen auf S. 26 ff. des Urteilsabdrucks (unter cc), die damit einleiten: "Selbst wenn man aber annähme, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher assoziiere mit 'Aktren' die markteingeführten Produkte, gehe also aufgrund der Hauptbezeichnung davon aus, 'Aktren Naproxen' enthalte den gleichen Wirkstoff, ...". Danach fehlt der Frage die Klärungsbedürftigkeit, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat eine irreführende Bezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG mit der selbstständig tragenden Begründung verneint, der Durchschnittsverbraucher assoziiere mit der Bezeichnung "Aktren" nicht den Wirkstoff Ibuprofen und unterliege daher nicht der Fehlvorstellung, dass es sich bei einem Arzneimittel mit der Bezeichnung "Aktren Naproxen" um ein ibuprofenhaltiges Präparat handele (UA S. 23 ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei einer solchen Mehrfachbegründung die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 1985 - 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 S. 93 f. und vom 27. Januar 2014 - 3 B 24.13 - ZOV 2014, 56; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beschwerde wendet sich nicht mit durchgreifenden Rügen gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Durchschnittsverbraucher verbinde mit der Hauptbezeichnung "Aktren" keinen bestimmten Wirkstoff. Das gilt - wie nachfolgend dargelegt - auch für die Verfahrensrüge.
2. Der geltend gemachte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Sachverhaltswürdigung weder die gesetzlichen Beweisregeln verletzt noch gegen Denkgesetze verstoßen.
a) Die Beklagte sieht in der Annahme des Berufungsgerichts, das Bestehen einer Irreführungsgefahr hänge unter anderem vom Bekanntheitsgrad der Dachmarke ab (UA S. 23 f.), einen Widerspruch zu der Feststellung, für die Wahrnehmung der Dachmarkenbezeichnung durch den Verbraucher sei unerheblich, wie bekannt die Marke sei (UA S. 18). Der vermeintliche Widerspruch besteht nicht. Das Beschwerdevorbringen geht daran vorbei, dass der jeweilige Kontext verschieden ist. Die Ausführungen auf Seite 18 heben auf die Vorstellung des Verbrauchers ab, die er im Fall von zusammengesetzten Bezeichnungen mit dem Hauptbestandteil verbinde. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Verbraucher der vorangestellten Hauptbezeichnung (Dachmarke) eine besondere Bedeutung beimessen werde und der wirkstoffbezogene Zusatz dahinter zurücktrete. Sodann hat es festgestellt, dass hierfür - also für die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils - die Bekanntheit der Dachmarke unerheblich sei. Demgegenüber stellen die Erwägungen auf Seite 23 f. darauf ab, dass die Gefahr einer Fehlvorstellung des Verbrauchers über das Vorhandensein eines bestimmten Wirkstoffes umso geringer sei, je weniger bekannt die Dachmarke sei.
b) Die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung des Merkmals der irreführenden Bezeichnung gegen Denkgesetze verstoßen, weil es seiner Würdigung eine zukünftige, ungewisse Tatsache zugrunde gelegt habe, hat gleichfalls keinen Erfolg. Sie bezieht sich auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass einer wirkstoffbezogenen Irreführungs- und Verwechslungsgefahr hinreichend vorgebeugt werde, wenn - wie die Klägerin in der Berufungsverhandlung angekündigt habe - zeitgleich mit dem Inverkehrbringen des streitigen Arzneimittels unter der neuen Bezeichnung "Aktren Naproxen" für die markteingeführten Produkte der Dachmarke ebenfalls eine geänderte, um den Zusatz "Ibuprofen" ergänzte Bezeichnung verwendet werde. Dass es sich bei der beabsichtigten Umbenennung der markteingeführten "Aktren"-Produkte um eine zukünftige Verfahrensweise handelt, macht die Erwägung des Berufungsgerichts nicht denkfehlerhaft; denn es hat auf ein gleichzeitiges Inverkehrbringen der Produkte unter den neuen Bezeichnungen abgestellt und damit für die Prüfung der Irreführungsgefahr einheitlich an einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt angeknüpft. Ein Verstoß gegen Denkgesetze ergibt sich auch nicht aus dem Einwand, es handele sich bei der angekündigten Umbenennung um eine ungewisse Tatsache. Das Berufungsgericht hat der Äußerung der Klägerin entnommen, dass sie die Umbenennung "anstrebt" (UA S. 26), und damit zum Ausdruck gebracht, dass es die Absichtserklärung als ernsthaft einstuft.
Abgesehen davon rechtfertigt der behauptete Verfahrensmangel die Zulassung der Revision auch deshalb nicht, weil das angegriffene Urteil auf ihm nicht beruhen kann. Die Ausführungen zur Umbenennung der markteingeführten "Aktren"-Produkte stellen lediglich eine zusätzliche, ergänzende Begründung dar ("Im Übrigen ...").
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.