Entscheidungsdatum: 17.04.2018
Der Abgang oder Verfall von Gebäuden einer Hofstelle kann einen Restschaden nur begründen, wenn die Gebäude bei der Feststellung des Wegnahmeschadens den Wert des landwirtschaftlichen Betriebs erhöht haben.
Der Kläger wendet sich gegen zwei Rückforderungs- und Leistungsbescheide nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG).
Den unmittelbar Geschädigten W. und M. L. wurde für die Wegnahme ihres landwirtschaftlichen Vermögens in P. eine Hauptentschädigung zuerkannt. Durch Teilbescheid vom 30. Januar 1995 wurden zugunsten der Erbengemeinschaft nach den unmittelbar Geschädigten alle auf der Erbhöferolle betreffend das landwirtschaftliche Vermögen verzeichneten Flurstücke restituiert. Mit den beiden angefochtenen Bescheiden vom 8. Februar 2016 forderte die Beklagte vom Kläger jeweils 1 720 € an gewährter Hauptentschädigung zurück. Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, die unmittelbar Geschädigten hätten bei ihrer Flucht aus der DDR eine funktionsfähige Hofstelle bestehend aus einem Wohnhaus für sich und ihre sieben Kinder, einer großen Scheune, einem Altenteil, einem Pferde- und Kuhstall, einem Kälber- und Schafstall und einem Schweinestall verlassen. Bis auf das Altenteil und den abbruchreifen Schweinestall seien alle Gebäude vor der Restitution abgerissen worden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Dass Gebäude vor Rückgabe der Grundstücksflächen abgerissen worden seien, führe nicht zur Anerkennung eines Restschadens. Der Schaden sei auf der Basis des landwirtschaftlichen Hektarsatzes berechnet worden. Anzahl, Größe und Ausstattung der Gebäude seien nicht geprüft und festgestellt worden. Da feststehe, dass im Zeitpunkt der Rückgabe mindestens ein Wohn- und ein Wirtschaftsgebäude vorhanden gewesen seien, seien die pauschalierten Wertansätze für Gebäude aus dem Betriebshektarsatz weiterhin anzuwenden. Ein Nachweis über einen Gebäudeabriss könne deshalb den vollen Schadensausgleich nicht widerlegen.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete, auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage, "ob eine Schadensidentität auch vorliegt, wenn zahlreiche Gebäude bei Restitution nicht mehr vorhanden waren", ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Sie ist unter den hier gegebenen Umständen mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen.
Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind in den Fällen des § 342 Abs. 3 LAG die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen zurückzufordern. Ein Fall des § 342 Abs. 3 LAG liegt vor, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden ganz oder teilweise ausgeglichen worden ist. Die Höhe der Rückforderung hängt davon ab, ob ein Restschaden verblieben ist. Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 zurückzufordern. § 349 Abs. 2 Satz 1 LAG bestimmt dazu, dass zur Ermittlung des Rückforderungsbetrages der Endgrundbetrag der Hauptentschädigung zu berechnen ist, der sich ohne Berücksichtigung des Schadens, soweit er ausgeglichen ist oder als ausgeglichen gilt, ergeben würde. Dem Rückzahlungsverpflichteten ist also die Hauptentschädigung im Umfang des Restschadens zu belassen (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 21.08 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 20 Rn. 8).
Ein Restschaden kann auch dann vorliegen, wenn zwar sämtliche entzogenen Vermögenswerte zurückgegeben wurden, diese aber in ihrem Wert gemindert sind. Dieser Fall eines Restschadens ist Regelungsgegenstand von § 349 Abs. 3 LAG (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 21.08 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 20 Rn. 12). Gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG gilt der festgestellte Schaden bei Rückgaben von Vermögenswerten, die in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegen sind, insoweit stets als in voller Höhe ausgeglichen; Wertminderungen sowie das Fehlen von Zubehör oder Inventar werden nicht berücksichtigt. Diese Vorschrift ist einschränkend dahin auszulegen, dass sie einer Anerkennung wesentlicher Wertminderungen als Restschaden nicht entgegensteht, wenn ganz wesentliche Teile des Vermögens bei der Rückgabe fehlen (z.B. Flächen, Gebäude oder Betriebsteile) und hierfür kein anderweitiger Schadensausgleich gewährt wird (BT-Drs. 13/188 S. 6). Das Fehlen einzelner Wirtschaftsgüter stellt zwar begrifflich lediglich eine Wertminderung dar, wenn das fehlende Wirtschaftsgut in eine größere Wirtschaftseinheit eingegliedert war und diese Wirtschaftseinheit als solche zurückgegeben wurde. Handelt es sich um ein wesentliches Wirtschaftsgut, so sollte sein Fehlen nach dem Willen des Gesetzgebers ungeachtet des § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG gleichwohl einen Restschaden begründen (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 21.08 - a.a.O. Rn. 14). Eine wesentliche Wertminderung eines landwirtschaftlichen Betriebes, die die Annahme eines Restschadens begründet, stellt nicht nur das Fehlen des Wohngebäudes dar, sondern auch ein Verfall, der seinem Fehlen gleichkommt (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 21.08 - a.a.O. Rn. 17). Voraussetzung für die Anerkennung eines Restschadens infolge des Abgangs oder des Verfalls eines Gebäudes ist jedoch, dass das betroffene Gebäude für den landwirtschaftlichen Betrieb ein wesentliches Wirtschaftsgut war. Gebäude, die bei der Feststellung der Höhe des Wegnahmeschadens den Wert des landwirtschaftlichen Betriebs nicht erhöht haben, sondern im Ergebnis mit "null" angesetzt wurden, sind keine wesentlichen Wirtschaftsgüter in diesem Sinne (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 3 B 79.08 - Buchholz 427.6 § 7 BFG Nr. 12 Rn. 9). Ihr Abgang oder Verfall kann einen Restschaden nicht begründen.
Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Hauptentschädigung für die Wegnahme des landwirtschaftlichen Vermögens wurde, weil der damalige Einheitswert nicht bekannt war und Unterlagen für die Bewertung nicht vorlagen, auf der Grundlage eines pauschalen Betriebshektarsatzes von 1 200 RM/M-Ost und der Hektarzahl des Betriebes ermittelt. Der Betriebshektarsatz enthielt für sämtliche Gebäude einen Betrag von 305 RM/M-Ost (Wohngebäude 127 RM/M-Ost; Wirtschaftsgebäude 178 RM/M-Ost; vgl. Anlage 2 der 3. BAA-FeststellungsDV). Dieser Betrag wurde nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts angesetzt, sobald mindestens ein Gebäude des jeweiligen Typs vorhanden war. Weitere Gebäude führten nicht zu einer Erhöhung des Betriebshektarsatzes, wurden also rechnerisch mit "null" angesetzt. Mindestens ein Wohn- und ein Wirtschaftsgebäude waren nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch bei Rückgabe des landwirtschaftlichen Vermögens noch vorhanden. Die Pauschalierung bei der Feststellung der Höhe des Wegnahmeschadens hat hier dazu geführt, dass der Wert des zurückgegebenen landwirtschaftlichen Vermögens durch den Abgang und Verfall der weiteren Gebäude nicht gemindert werden konnte.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist weder den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt noch liegt er vor. Die Beschwerde zeigt nicht auf, mit welchem entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. November 2005 - 3 C 1.05 - (ZOV 2006, 280) abgewichen sein sollte. Allein aus der Wiedergabe des Wortlauts des § 22 BewG in der Fassung vom 16. Oktober 1934 ergibt sich ein solcher Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Herangezogen hat das Gericht diese Bestimmung allein zur Bewertung fehlender Grundstücksflächen, nicht von Veränderungen des Gebäudebestandes (BVerwG, Urteil vom 17. November 2005 - 3 C 1.05 - a.a.O. Rn. 21 bis 23).
3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Beweisangebot zu der Frage, welche Gebäude bei Restitution nicht mehr vorhanden waren, war nach der für das Vorliegen eines Verfahrensmangels maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich, weil jedenfalls ein Wohn- und ein Wirtschaftsgebäude unstreitig noch vorhanden waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.