Entscheidungsdatum: 13.10.2015
Der Nichtigkeitsantrag gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2014 - 3 AZN 624/14 (F) - wird als unzulässig verworfen.
Die Nichtigkeitsklägerin hat die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Wiederaufnahmeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
I. Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des mit Beschluss des Senats vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -) abgeschlossenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
Die Klägerin war Praktikantin bei der Beklagten. In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung des Praktikantenvertrags, die Erteilung einer Praktikumsbescheinigung, die Verpflichtung zur weiteren Ausbildung, Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Ermöglichung von Fachdokumentationen. Mit Urteil vom 28. Januar 2009 hat das Arbeitsgericht Oldenburg (- 3 Ca 148/08 -) der Klage hinsichtlich des begehrten Kündigungsschutzes und der Praktikumsbescheinigung stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin geführte Berufung hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 9. März 2010 (- 13 Sa 579/09 -) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2010 (- 3 AZN 382/10 -) zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 hat die Klägerin erneut gegen das Berufungsurteil vom 9. März 2010 (- 13 Sa 579/09 -) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -) als unzulässig verworfen hat.
Mit Schriftsatz vom 25. April 2015 hat die Klägerin zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen ua. Nichtigkeitsklage sowohl gegen das Berufungsurteil vom 9. März 2010 (- 13 Sa 579/09 -) als auch gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -) erhoben. Das Landesarbeitsgericht hat die Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des Senats vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -) abgetrennt und an das Bundesarbeitsgericht verwiesen.
II. Die Nichtigkeitsklage ist unzulässig. Die Klägerin des Vorprozesses hat keinen Nichtigkeitsgrund aufgezeigt.
1. Der Antrag ist statthaft, obwohl die Entscheidung vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -), gegen die sich die Antragstellerin wendet, kein Urteil, sondern ein Beschluss ist.
Zwar setzt § 578 Abs. 1 ZPO voraus, dass das Verfahren, das wieder aufgenommen werden soll, durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossen wurde. Über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus ist die Wiederaufnahme des Verfahrens jedoch auch dann statthaft, wenn die letzte Entscheidung ein urteilsvertretender Beschluss war, etwa eine Entscheidung nach § 522 Abs. 1 ZPO oder § 552 ZPO, durch den die Berufung oder Revision als unzulässig verworfen worden ist (BAG 11. Januar 1995 - 4 AS 24/94 - zu II 1 der Gründe; 20. Januar 1955 - 2 AZR 300/54 - zu I der Gründe, BAGE 1, 228). Gleiches gilt auch für einen Beschluss, durch den - wie im vorliegenden Fall - eine Nichtzulassungsbeschwerde verworfen wird. Auch durch einen solchen Beschluss wird das Verfahren beendet (BAG 18. Oktober 1990 - 8 AS 1/90 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 66, 140), da nach § 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig wird. Zu entscheiden ist in diesem Fall nicht aufgrund einer „Nichtigkeitsklage“, sondern aufgrund eines Antrags durch Beschluss, der entsprechend § 72a Abs. 5 ArbGG ergehen kann, wobei die mündliche Verhandlung freigestellt ist (vgl. BAG 12. September 2012 - 5 AZN 1743/12 (F) - Rn. 3; 11. Januar 1995 - 4 AS 24/94 - aaO; 18. Oktober 1990 - 8 AS 1/90 - aaO; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 79 Rn. 1).
2. Der Antragsteller hat den Antrag mit dem notwendigen Inhalt (§ 587 ZPO) zwar nicht bei dem ausschließlich zuständigen Bundesarbeitsgericht (§ 584 Abs. 1 ZPO) eingereicht, sondern bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Dieses hat jedoch den Antrag, soweit er die Nichtigkeit des Beschlusses des Senats vom 22. September 2014 (- 3 AZN 624/14 (F) -) zum Gegenstand hat, abgetrennt und mit Beschluss vom 13. Juli 2015 (- 13 Sa 413/15 -) an das Bundesarbeitsgericht verwiesen.
3. Es kann dahinstehen, ob der Antrag rechtzeitig (§ 586 Abs. 1 ZPO) eingereicht wurde. Denn der Antrag ist schon deshalb unzulässig, weil Nichtigkeitsgründe nicht schlüssig dargelegt wurden.
a) Richtet sich ein Nichtigkeitsantrag gegen einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers verworfen oder zurückgewiesen worden ist, muss der Antragsteller darlegen, dass gerade dieser Beschluss auf einem Nichtigkeitsgrund (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 ZPO) beruht (BAG 12. September 2012 - 5 AZN 1743/12 (F) - Rn. 4).
aa) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf (BAG 1. April 1980 - 4 AZN 77/80 - BAGE 33, 79). Ihr fehlt es an dem ein Rechtsmittel kennzeichnenden Devolutiveffekt. Der Rechtsstreit fällt nicht als solcher beim Bundesarbeitsgericht an. Es geht nicht um die Überprüfung der Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts, sondern um die Frage, ob das Rechtsmittel gegen diese Sachentscheidung überhaupt erst zugelassen werden kann (BAG 8. Juni 2010 - 6 AZN 163/10 -; 9. Juli 2003 - 5 AZN 316/03 -). Dabei ist das Revisionsgericht auf die Tatbestände des § 72a ArbGG beschränkt.
bb) Eine Wiederaufnahme des Zulassungsverfahrens ist deshalb nur möglich, wenn die Wiederaufnahmegründe entweder die Tatbestände des § 72a ArbGG oder das Zulassungsverfahren selbst betreffen (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 8 AS 1/90 - BAGE 66, 140 zur nicht ordnungsgemäßen Vertretung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren). Wiederaufnahmegründe, die den Rechtsstreit im Übrigen betreffen, sind bei dem Gericht anzubringen, das den Rechtsstreit in der Sache entschieden hat.
cc) Die Tatsachen, aus denen der Antragsteller einen Wiederaufnahmegrund ableitet, müssen schlüssig vorgetragen werden. Schlüssiges Behaupten erfordert, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen träfen zu, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre (BAG 12. September 2012 - 5 AZN 1743/12 (F) - Rn. 7).
b) Danach sind Nichtigkeitsgründe nicht schlüssig dargelegt.
aa) Das gilt zunächst für den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
(1) Nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war und damit die Besetzung der Richterbank bei der Entscheidung fehlerhaft war (vgl. Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 579 Rn. 2). Ein Nichtigkeitsgrund liegt nicht schon dann vor, wenn die Besetzung auf einer irrigen Gesetzesauslegung oder irrtümlichen Abweichung von Festsetzungen des Geschäftsverteilungsplanes beruht, es muss sich vielmehr um eine klar zutage liegende Gesetzesverletzung handeln, die auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit auf objektiver Willkür beruht (BGH 22. November 1994 - X ZR 51/92 - zu II 5 der Gründe).
(2) Die Klägerin macht geltend, der Senatsvorsitzende (gemeint ist offensichtlich die damalige Vorsitzende des Dritten Senats, Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl) sei befangen gewesen und hätte deshalb an der Beschlussfassung nicht mitwirken dürfen. Dieser Vortrag genügt jedoch nicht für die schlüssige Darlegung der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Senats bei der Beschlussfassung. Die Begründung der Nichtigkeitsklage bezieht sich einzig darauf, dass die Senatsvorsitzende befangen gewesen sei, weil sie vor der Entscheidung ihre Hinweispflicht verletzt habe. Damit zeigt die Klägerin keinen Nichtigkeitsgrund iSv. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf (vgl. dazu im Einzelnen Stein/Jonas/Jacobs 22. Aufl. § 547 Rn. 8 ff.). Eine angebliche Befangenheit eines Mitglieds des erkennenden Gerichts betrifft nur den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
bb) Der Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
Nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Da es nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht ausreicht, wenn nur die Möglichkeit einer Ablehnung bestand oder der Richter sich selbst hätte ablehnen müssen, genügt es nicht, wenn direkt aus dem angegriffenen Berufungsurteil hervorgeht, dass objektiv die Besorgnis der Befangenheit bestanden hat und eine Ablehnung erfolgreich gewesen wäre (vgl. BGH 9. November 1992 - II ZR 230/91 - zu 1 der Gründe, BGHZ 120, 141; vgl. Wieczorek/Schütze/Prütting 3. Aufl. § 547 ZPO Rn. 27). Ob angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch ein Verstoß gegen § 48 ZPO die Aufhebung eines Urteils durch das Rechtsmittel der Revision rechtfertigen kann (vgl. hierzu BGH 15. Dezember 1994 - I ZR 121/92 - zu II 2 c der Gründe), an diesem am Wortlaut orientierten Verständnis von § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin hat keinen nach § 48 ZPO anzeigepflichtigen Sachverhalt behauptet, sondern ausschließlich geltend gemacht, dass sie die Vorsitzende wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Hinweispflicht abgelehnt hätte. Nach dem Rechtsgedanken des § 579 Abs. 2 ZPO geht bei einem angeblichen Verstoß gegen die Hinweispflicht zudem das Verfahren nach § 78a ArbGG dem Nichtigkeitsantrag vor.
cc) Schließlich hat die Klägerin den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Abs. 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht schlüssig dargelegt.
(1) Nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Zwar war lange Zeit umstritten, ob auch bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in analoger Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine Nichtigkeitsklage zulässig ist (dagegen: BGH 11. Dezember 2002 - XII ZR 51/00 - zu 2 und 3 der Gründe, BGHZ 153, 189; BAG 21. Juli 1993 - 7 ABR 25/92 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 73, 378). Spätestens mit der Einführung von § 321a ZPO und § 78a ArbGG ist das Bedürfnis für eine solche Analogie jedoch entfallen. Gegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs kann und muss nunmehr eine Anhörungsrüge erhoben werden. Daher fehlt es nach Einführung dieses speziellen Rechtsbehelfs an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
(2) Danach hat die Klägerin auch keinen Nichtigkeitsgrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dargelegt. Sie macht nicht geltend, ihre Vertretung sei nicht nach dem Gesetz erfolgt; vielmehr rügt sie lediglich einen vermeintlichen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies genügt jedoch nicht für eine Darlegung des Nichtigkeitsgrundes nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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