Entscheidungsdatum: 24.05.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 065 103.3
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie die Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 22. Oktober 2014 unter der Nummer 30 2014 065 103.3 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35: Werbung, nämlich Analyse der öffentlichen Wahrnehmung von Werbung, Dienstleistungen zur Ermittlung des über die Werbung erreichten Publikums, Auskünfte in Bezug auf Werbung, Beratung in Bezug auf Werbung für Franchise-Unternehmen, Beratungs- und Assistenzdienste im Bereich Werbung, Erstellen von Werbeanalysen, Erstellen von Werbematerial, Erstellen von Werbetexten, Erteilen von Auskünften in Werbeangelegenheiten, Herausgabe und Aktualisierung von Werbetexten, Online-Werbung für Computernetze und Websites, Online-Werbung für Dienstleistungen und Waren auf Websites, Online-Werbung für Dritte über elektronische Kommunikationsnetze, Online-Werbung in computergestützten Kommunikationsnetzen, Organisation, Durchführung und Überwachung von Kundentreueprogrammen [Werbung], Organisation, Durchführung und Überwachung von Prämienprogrammen [Werbung], Verbreitung von Werbung für Dritte, Verbreitung von Werbung für Dritte über das Internet, Verbreitung von Werbung für Dritte über ein Online-Kommunikationsnetz im Internet, Vermietung von Werbeausrüstung, Vermietung von Werbeflächen auf Druckschriften, Vermietung von Werbeflächen in elektronischen Medien und in weltweiten Informationsnetzen, Vermietung von Werbeflächen in Zeitschriften, Zeitungen und Magazinen, Vermietung von Werbetafeln, Vermietung von Werbeträgern, Vermietung von Werbezeit in Kommunikations-Medien, Vermittlung und Vermietung von Werbeflächen im Internet, Vermittlung von Werbeflächen in Zeitungen, Werbung durch Werbeschriften, Werbung für Datenbanken, Werbung für Dienstleistungen, Werbung für Unternehmen, Werbung für Waren und Dienstleistungen auf Websites [online], Werbung in Zeitschriften, Broschüren und Zeitungen, Werbung mittels Datenbanken, Werbung mittels Direktmarketing, Werbung mittels elektronischer Anzeigetafeln, Werbung und Reklame per Fernsehen, Rundfunk, Post, Werbung und Verkaufsförderung in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die mittels Telekommunikation oder auf elektronischem Wege angeboten und bestellt werden können, Werbung über ein Mobiltelefonnetz, Werbung, einschließlich Verkaufsförderung für Waren und Dienstleistungen Dritter durch Sponsoren- und Lizenzvereinbarungen in Bezug auf internationale Sportveranstaltungen, Zusammenstellung von Werbung zur Verwendung auf Webseiten; Marketing, nämlich Analyse von Marktforschungsdaten und -statistiken, Analysen in Bezug auf Marketing, Auskünfte in Bezug auf Geschäftsangelegenheiten, Auskünfte in Bezug auf Marketing, Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten mittels Computerterminals, Auskünfte über Marktforschung, Beratung im Bereich Geschäftsführung und Marketing, Beratung, Erteilung von Auskünften oder Information in Geschäftsangelegenheiten, Beratungs- und Assistenzdienste im Bereich Marketing, Dienstleistungen einer Marketingagentur, Dienstleistungen zur Förderung der Kundenbindung [Entwicklung von Bonusprogrammen für Marketingzwecke], Durchführung von Marketingkampagnen, Produkteinführungsdienste [Marketing], Erstellen auditiver und visueller Warenpräsentationen für Unternehmen [Marketing], Erstellen von Gutachten über Marktanalysen, Erstellen von Marktprognosen, Erstellung von Marketingberichten, Markenpositionierung [Marketing], Sammeln von Marktforschungsdaten, statistische Auswertung von Marketingdaten Untersuchungen zu Marketingstrategien; Verkaufsförderung, nämlich Entwicklung von Marken [Werbung und Verkaufsförderung], Marktforschung für Werbezwecke, Marktforschung in Bezug auf neue Dienstleistungen, Verkaufsförderung für Dienstleistungen [für Dritte] durch Vermittlung von Werbung, Verteilung von Werbe-, Marketing- und verkaufsfördernden Materialien.
Mit Beschluss vom 4. September 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei sprachüblich aus der inzwischen in die deutsche Werbesprache eingegangenen Abkürzung „POS“ für „Point of Sale“, dem mathematischen Pluszeichen (+) sowie der Wortfolge der deutschen Alltagssprache „Mehr als Service“ zusammengesetzt. Diese Zusammensetzung werde von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass es sich bei den angebotenen Dienstleistungen um solche handele, die mit einem Verkaufsort, auch virtuell, zu tun hätten, der einen über das normale Maß hinausgehenden Service biete. Was ein Point of Sale, der einen herausragenden Service biete, alles leiste, müsse nicht genau definiert werden, da dies naturgemäß sehr weit gefächert sein könne. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Eine Mehrdeutigkeit sei ebenfalls nicht ersichtlich, da fern liegende Bedeutungen außer Betracht bleiben könnten und es ausreiche, wenn eine der denkbaren Wortbedeutungen beschreibend sei. Der Gesamtbegriff ergebe keinen über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehenden schutzfähigen Aussagegehalt. Auch die graphische Gestaltung, nämlich die Verwendung einer üblichen Schriftart in Fettdruck und eine Art Schreibschrift, eine Untereinanderschreibung sowie ein +-Zeichen in einem blauen Kreis könne der hier zu beurteilenden Marke keine Schutzfähigkeit verleihen. Der Verkehr sehe das Zeichen in seiner Gesamtheit lediglich als beschreibenden Hinweis, nicht aber als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 4. September 2015 aufzuheben.
2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das angemeldete Zeichen habe in seiner Gesamtheit keine beschreibende Bedeutung, sondern sei ungewöhnlich, neuartig und verfüge über eine gewisse Originalität, so dass es als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sei. Das angemeldete Zeichen bestehe erkennbar aus drei Markenbestandteilen, nämlich den bildlich erhaben geschriebenen (3-dimensionalen) schwarzen Großbuchstaben POS, einem Bildelement mit erhabener blauer Bildfläche (3-dimensional) und weißem Kreuz (3-dimensional) und unter dieser dreidimensionalen Kombination angeordnet, in schwarzer Schreibschrift die Wortfolge „Mehr als Service!“ mit Ausrufezeichen. Das Akronym „POS“ habe 102 unterschiedliche Bedeutungen. Die englische Abkürzung der Bezeichnung „Point-of-Sale/Point-of-Service“, unterstellt, die deutschen Verkehrskreise würden diese Bezeichnung erkennen, sei mit einer deutschen Wortfolge kombiniert worden. Das Wort „Service“, ebenfalls aus Einzelbuchstaben gebildet, erschließe sich dem Betrachter nicht. Der Teil in der Wortmitte sei derart verfremdet, dass er, wenn er überhaupt als Buchstabe gelesen werden soll, eher an „w“ oder „n“ erinnere, an dem sich bei analysierender Betrachtungsweise ein i und die Buchstaben „c“ und „e“ anschließen würden. Demzufolge könnte das Wort auch als „sewice“ oder „senice“ gelesen werden. Das Bildelement bestehe aus stilisierten grafischen Elementen und sei in einer solchen Weise verfremdet worden, dass es schon nicht ohne weiteres als Pluszeichen erkannt werden könne. Selbst wenn man es als solches erkenne, ergebe sich eine Vielzahl von Bedeutungs- und Kombinationsmöglichkeiten, nämlich „Mehr POS Mehr als „sewiche“ (oder … „senice“) oder „POS Mehr als „sewice“ (oder … „senice“) „mehr“ (bei einer Zuordnung des Bildelements zum Gesamtzeichen) und daraus folge unmittelbar, dass der angegebene Bedeutungsgehalt vom Verkehr nicht sofort und ohne weiteres Nachdenken zweifelsfrei erfasst werden könne. Schließlich sei das Pluszeichen ein sprechendes Symbol für den Pluspol einer Batterie, so dass „POS+“ die Bedeutung „POS Pluspol“ habe, was in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen eine Phantasiebezeichnung sei. In der Summe und der konkreten Zusammenfügung seiner Elemente könne dem angemeldeten Zeichen daher ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. In der Gesamtbetrachtung weise die Bezeichnung eine ungewöhnliche Struktur, Bildelemente und weitere Besonderheiten syntaktischer und semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführten. Zur Frage der Schutzfähigkeit komplexer Kennzeichen regt die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde an, da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei.
Zu dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr trägt die Beschwerdeführerin vor, die Markenstelle für Klasse 35 habe die Ergebnisse ihrer Internetrecherche erst mit dem Zurückweisungsbeschluss zugestellt, so dass die Anmelderin weder schriftlich noch im Rahmen einer Anhörung habe Stellung nehmen können. Dieser Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs sei für die Entscheidung ursächlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. - Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 - OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 - for you; GRUR 2014, 565 Rn. 12 - smartbook; GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link economy). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2015, 173 Rn. 15 - for you; BGH, GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - OUI; a. a. O. - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel KGaG/ DPMA [Henkel]; BGH a. a. O. - for you; a. a. O. Rn. 12 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH, GRUR 2008, 608 Rn. 67 - Eurohypo/ HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/ HABM [Matratzen Concord/Hukla]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 - grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH, GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; a. a. O. Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!; GRUR 2010, 640 Rn. 13 - hey!).
Besteht eine Marke - wie im vorliegenden Fall - aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 9 - DüsseldorfCongress). Auch ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, bleibt im allgemeinen selbst beschreibend, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Kombination in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe der Bestandteile besteht (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 98 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 - BIOMILD).
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 - Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rdnr. 36 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH a. a. O. Rn. 17 - for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (BGH a. a. O. Rn. 14 - Gute Laune Drops). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt allerdings deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rn. 23 - OUI).
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen auch in seiner Gesamtheit nicht.
aa) Die hier angesprochenen Verkehrskreise - sowohl Unternehmensinhaber bzw. Angehörige der unternehmerischen Führungsebene als auch der Endverbraucher werden im Anmeldezeichen wegen der darin enthaltenen Sachaussage keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.
bb) Das angemeldete Zeichen besteht aus den in schwarzer Fettschrift gestalteten Buchstaben , dem Zeichen , welches neben dem Wortbestandteil „POS“ am oberen Ende des Buchstabens „S“ steht, und dem weiteren Wortbestandteil , der als Schriftzug unterhalb des Wortbestandteils „POS“ angeordnet ist.
„POS“ ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck „Point of Sale“, der im Deutschen „Verkaufsort“ bedeutet (PONS Großwörterbuch Englisch, 1. Auflage 2008, S. 727). Wie sich den der Beschwerdeführerin übermittelten Rechercheunterlagen entnehmen lässt (vgl. Anlagenkonvolut 2 zum Ladungszusatz vom 2. Mai 2017, Bl. 28 - 47 d. A.) wird der Begriff von den inländischen Fachverkehrskreisen häufig verwendet, so dass von einem entsprechenden Verkehrsverständnis auszugehen ist.
Der Zeichenbestandteil „“ ist in einer an die Schriftart „Tempus Sans ITC“ angelehnten Schriftart verfasst und bedeutet, dass mit den beanspruchten Dienstleistungen mehr als (nur) Service angeboten wird bzw. dass der angebotene Service über das übliche Maß hinaus geht. Dabei sind die einzelnen Wörter ohne weiteres so gut lesbar, dass ihr Sinngehalt auf den ersten Blick erfasst werden kann. Dies gilt auch für das Wort „Service“. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise dieses Wort als „Sewice“ oder „Senice“ lesen oder verstehen werden.
Das den Verkehrskreisen bekannte mathematische Pluszeichen + bedeutet „zuzüglich, und, Mehrbetrag, Überschuss, Vorteil, Vorzug, Positivum“ (DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch 8. Auflage 2015, S. 1360). Es zählt als gängige Anpreisung und Qualitätsberühmung in den unterschiedlichsten Waren- und Dienstleistungsbereichen zum elementaren Grundwortschatz der Werbesprache im Sinne eines irgendwie gearteten positiven Überschusses oder zusätzlichen Vorteils im Vergleich zum üblichen Standard (BPatG, Beschluss vom 08.05.2013, 29 W (pat) 510/13 - weißes Kreuz auf blauem Grund im abgerundeten Rechteck (Bildmarke); Beschluss vom 12.05.2010, 28 W (pat) 503/10 - Premium Plus+; Beschluss vom 29.03.2012, 30 W (pat) 70/10 – be Well energy+). Durch die Verbindung mit dem Slogan „mehr als Service“ wird diese Bedeutung sogar noch unterstrichen. Angesichts dessen rückt ein Verständnis des + -Zeichens im Sinne des Plus-Pols einer Batterie in Bezug auf die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen nicht nur in den Hintergrund, sondern ist völlig unwahrscheinlich.
In seiner Gesamtheit bezeichnet daher (irgend-)einen Verkaufsort, an dem ein besonderer den üblichen Standard übersteigender Service angeboten wird. Wie die bereits übersandten Rechercheergebnisse zeigen (vgl. Anlagenkonvolute 1 und 2 zum Ladungszusatz vom 2. Mai 2017, Bl. 20 - 47 d. A.), nimmt der sogenannte Point of Sale als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und dem Kunden eine wichtige Position innerhalb der Werbung bzw. des Marketings ein. Dort werden Werbemaßnahmen gezielt für bestimmte Zielgruppen eingesetzt, um eine Markenbindung sowohl zur Verkaufsstätte als auch zum Produkt aufzubauen.
cc) In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35, die alle in Zusammenhang mit Werbung und Marketing stehen, handelt es sich somit um einen sachbezogenen Hinweis darauf, dass diese dafür geeignet oder bestimmt sind, dem Verkehr an einem Verkaufsort ein mehr an Service bzw. einen ganz besonderen Service anzubieten, um somit den Kunden in seiner Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen:
- www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/point-of-sale-pos (Bl. 20 d. A.): „Der Begriff Point of Sale wird abgekürzt mit POS und bedeutet auf Deutsch so viel wie Verkaufs- oder auch Einkaufsstelle - je nachdem, aus welcher Perspektive man die Szene betrachtet. Als Point of Sale kann das Kleidungsgeschäft um die Ecke, die Kasse bei Aldi, aber auch eine E-Commerce-Seite wie Ebay dienen….“
- www.fieldmarketing.de/point-of-sale-marketing (Bl. 25 d. A.): „Point of Sale (POS) Marketing – strategische Werbung am Verkaufsort”
- Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (Bl. 28ff. d. A.): „Ladengestaltung und Warenpräsentation im Lebensmitteleinzelhandel: Psychologische Beeinflussung am Point of Sale (POS)“
- www.europages.de (Bl. 31 d. A.): „Ihre Suche:#Einrichtung von POS Werbung am Verkaufsort“
- www.store2b.com/de/pages/pos-marketing (Bl. 36 d. A.): „POSMarketing (Point of Sale Marketing) - Werbung am Verkaufsort”
- www.asem-klworkshop.eu/pos-marketing.html (Bl. 39 d. A.): „Die Abkürzung POS Marketing bezeichnet das Marketing am Point of Sale, am Verkaufsort. Im POS Marketing werden Methoden und Maßnahmen eingesetzt, welche den Verkauf von Produkten, die Stärkung der Markenbindung und die Treue an die Einkaufsstätte fördern sollen. Wie diese Maßnahmen im Einzelnen aussehen, hängt vom jeweiligen Produkt und der Verkaufsstätte ab.“
Die vorgenannten Rechercheergebnisse belegen damit, dass mit dem Anmeldezeichen vergleichbare Aussagen zur aktuellen Werbesprache - auch und gerade in der hier relevanten Branche - gehören; mit ihnen wird auf die besondere Bedeutung des Dienstleistungsangebots in Bezug auf die Ausgestaltung des Verkaufsorts hingewiesen.
Der Umstand, dass „POS“ noch andere Bedeutungen haben kann, führt nicht von dem beschreibenden Charakter dieser Abkürzung und somit von dem beschreibenden Charakter des Gesamtzeichens weg (EuGH GRUR 2004, 146 - Rn. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 Rn. 97 - Postkantoor). Denn die Bedeutung der Bestandteile ist nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Dienstleistungen und unter Berücksichtigung der konkreten Zusammensetzung zu sehen. Wegen der Üblichkeit der Verwendung von „POS“ im Zusammenhang mit Werbung und Marketing liegen andere Bedeutungen aus Sicht des Senats fern. Hinzu kommt, dass die Unterscheidungskraft bereits dann fehlt, wenn ein Zeichen jedenfalls mit einer Bedeutung die beanspruchten Waren beschreibt, unabhängig davon, ob es noch andere Bedeutungen haben kann (BGH GRUR 2014, 569 Rn. 20-24 - HOT; GRUR 2009, 952 Rn. 15 - Deutschlandcard).
dd) Eine Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens lässt sich auch nicht aus seiner grafischen Ausgestaltung herleiten. Angesichts des glatt beschreibenden Inhalts der Wortbestandteile müsste sich diese deutlich von den üblichen Gestaltungsmitteln absetzen (BGH GRUR 2014, 483 Rn. 19 - test; GRUR 2010, 640 Rn. 17 - hey!; GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da sich die Grafik darauf beschränkt, die Wörter in unterschiedlichen Schriftarten und –größen darzustellen sowie das + -Zeichen mit einem blauen ellipsenförmigen Hintergrund zu versehen. Es handelt sich dabei um werbeübliche Gestaltungselemente, die auch durch die Anordnung der einzelnen Bestandteile nicht zu einer kennzeichnungskräftigen Verfremdung des Gesamteindrucks führen.
Nach alledem ist das angemeldete Zeichen nicht geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch freihaltungsbedürftig ist.
3. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG war nicht veranlasst. Bei dieser Regelung handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, der nur bei Vorliegen besonderer Umstände und auch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung erfüllt ist (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage 2015, § 71 Rn. 43, 44). Unabhängig von der Frage, ob ein Fehlverhalten der Markenstelle vorliegt, ist eine Gebührenrückzahlung aus Billigkeitsgründen nur veranlasst, wenn zwischen dem Fehlverhalten der Markenstelle und der Beschwerdeeinlegung ein kausaler Zusammenhang der Art besteht, dass ohne den Verfahrensfehler die Einlegung der Beschwerde unnötig gewesen wäre. Soweit jedoch auch bei richtiger Verfahrensführung inhaltlich dieselbe Entscheidung der Markenstelle ergangen wäre und deshalb Beschwerde hätte eingelegt werden müssen, besteht kein Grund für eine Gebührenerstattung (Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 47). Dass die Markenabteilung rechtliche Fragen wie z. B. die Frage der Sachdienlichkeit einer Anhörung anders als der Antragsteller beurteilt hat, stellt - wie auch das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers - keinen Grund dar, der die Einbehaltung der Beschwerdegebühr unbillig erscheinen ließe.
4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten, da weder über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zu entscheiden war noch die Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Senat hat bei der Prüfung der Schutzfähigkeit komplexer Kennzeichen die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien angewendet. Es ist nicht ersichtlich, dass er bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage von anderen Senaten abweichen würde.