Entscheidungsdatum: 28.08.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 054 734.4
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. August 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Die Bezeichnung
ARTHROCOACH
ist am 1. Oktober 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 09: herunterladbare Computersoftware und Anwendungssoftware [Apps] im Gesundheitswesen;
Klasse 35: Kaufberatung von Verbrauchern; Werbung und diesbezügliche Beratung mit Bezug auf pharmazeutische Präparate; Präsentation pharmazeutischer Präparate in Kommunikationsmedien zu Verkaufszwecken;
Klasse 38: Übermittlung von Informationen im Bereich der Gesundheitspflege und der pharmazeutischen Präparate an Patienten oder im Gesundheitswesen tätige mittels Websites, elektronische Plattformen und Telekommunikation;
Klasse 44: medizinische Dienstleistungen und Beratungen im pharmazeutischen und Gesundheitssektor;
angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 28. Februar 2017 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die - oben fett gedruckten - Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 44 zurückgewiesen.
Die Bezeichnung „ARTHROCOACH“ sei ihrer Struktur nach keine ungewöhnliche Wortzusammenstellung; sie setze sich sprachüblich zusammen aus den Begriffen „ARTHRO“ als Wortbildungselement bzw. Bestimmungswort von Zusammensetzungen mit der Bedeutung „Gelenk“ und dem in den deutschen Sprachschatz eingegangenen und zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wort „COACH“ für „Trainer“. Auch wenn der Begriff „Coach“ im Englischen wie im Deutschen in erster Linie für eine Person stehe, werde er häufig auch als Bezeichnung u. a. für Lern und Übungssoftware und unterstützende Apps – auch im Gesundheitswesen – verwendet. Ohne dass es einer analysierenden Betrachtungsweise bedürfe, vermittle „ARTHROCOACH“ in der Gesamtheit den Hinweis auf irgendeinen Trainer oder Betreuer, der sich mit dem Thema Gelenke befasse und entsprechende Hilfestellung und Unterstützungsdienste anbiete. In der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise werde damit in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise ein beschreibender Hinweis auf den Inhalt und Gegenstand, das Thema und die Zweckbestimmung der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen gegeben. Selbst wenn die Wortkombination wegen des Elements „ARTHRO“ in zwei Richtungen interpretiert werden könne, nämlich einerseits im Sinne von „Gelenk-Coach“ und andererseits im Sinne von „Arthrose-Coach“, so sei sie doch im genannten Umfang in jeder dieser Bedeutungen beschreibend. Im Hinblick auf die weiteren Dienstleistungen der Klassen 35 und 38 hat die Markenstelle die ursprüngliche Beanstandung fallengelassen; insoweit seien derzeit keine Schutzhindernisse ersichtlich.
Gegen den Teilzurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 28. Februar 2017 aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass der durchschnittliche Verbraucher den Bestandteil „ARTHRO“ mit dem deutschen Begriff „Gelenk“ gleichsetze. Vielmehr denke dieser in erster Linie an die degenerative Gelenkserkrankung „Arthrose“, eventuell auch noch an andere mit „Arthro-„ beginnende Fremdworte wie „Arthroskopie“. Der Verbraucher müsse sich daher zuerst überlegen, dass „ARTHRO“ nicht auf „Arthrose“, sondern auf „Gelenk“ hinweise, wozu er die Ableitung aus dem Griechischen kennen müsse. Erst dann könne er zu der Überlegung kommen, dass das Anmeldezeichen für „Gelenkcoach“ stehe. Hinzu komme, dass für den Bereich der Waren der Klasse 9 auch noch die weitere Überlegung angestellt werden müsse, dass „Coach“ in diesem Fall keine Person bzw. Trainer meine, sondern die Software diese ersetze. Solche gedankliche Zwischenschritte seien aber unzulässig, vielmehr müsse der beschreibende Sinngehalt ohne weiteres und auf Anhieb erkennbar sein, was hier gerade nicht der Fall sei. Zudem führe vorliegend die konkrete Kombination zu einer ungewöhnlichen Wortbildung. Die Zusammenfügung der griechischen Vorsilbe „ARTHRO-„ mit dem englischen Begriff „COACH“ sei dem Verbraucher nicht geläufig, so dass er auch nicht auf Anhieb eine beschreibende Aussage erkennen könne. Vorliegend fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass sich ein beschreibender Bedeutungsgehalt durch Gebrauch bereits eingebürgert habe; die von der Markenstelle sowie dem Senat übermittelten Recherchebelege datierten überwiegend nach dem Anmeldetag und könnten damit keinen verbreiteten Gebrauch der Worte und ein entsprechendes Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung belegen. Schließlich verweist die Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Auffassung auf Entscheidungen des Bundespatentgerichts, insbesondere zu den Anmeldezeichen „ARTHROMOBIL“ und „ARTHRO-in-Form“, sowie auf die Voreintragung der Marke „ArthroTrainer“, vor allem für „Computer“ und „Computerprogramme“; dies belege, dass es keine einheitliche Eintragungspraxis des DPMA gebe.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 28. Juli 2017 und 9. August 2018 ist die Beschwerdeführerin unter Übersendung von Recherchebelegen (Anlagenkonvolute 1 bis 4, Bl. 23-46 d. A. sowie Bl. 56-80 d. A.) darauf hingewiesen worden, dass das Anmeldezeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
Den hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 1. September 2017 (Bl. 51 und 52 d. A.) wieder zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
I.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Eintragung der Bezeichnung „ARTHROCOACH“ als Marke steht in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!).
Hierfür reicht es aus, dass ein Zeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 - DOUBLEMINT; 674 Rn. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58 Rn. 21 – Companyline); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rn. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rn. 28 – SAT 2; BGH, a. a. O. – DüsseldorfCongress).
Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 -–BioID).
b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist dem Zeichen „ARTHROCOACH“ im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 9 und den Dienstleistungen der Klasse 44 die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen. Die hier angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen im konkreten Waren- bzw. Dienstleistungszusammenhang nur als Sachhinweis auffassen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen. Denn das Anmeldezeichen wird als Kombination der Wortelemente „ARTHRO“ und „COACH“ wahrgenommen; beide Begriffe sind für sich genommen beschreibend und die Wortkombination erschöpft sich in der bloßen sprachüblichen Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe.
aa) Von den verfahrensgegenständlichen Waren „herunterladbare Computersoftware und Anwendungssoftware [Apps] im Gesundheitswesen“ und den Dienstleistungen „medizinische Dienstleistungen und Beratungen im pharmazeutischen und Gesundheitssektor“ werden Fachkreise aus dem Gesundheitssektor sowie der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher angesprochen, wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass der sich informierende Verbraucher auf dem Gesundheitsgebiet erhöhte Aufmerksamkeit aufwendet.
bb) Bei dem Bestandteil „Arthro“, hergeleitet von dem (alt)griechischen Wort „arthron“, handelt es sich um ein Wortbildungselement bzw. ein Kurzwort mit der Bedeutung „Gelenk“ (vgl. DUDEN Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, S. 144), welches im inländischen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Fachbegriffen wie z. B. Arthroskopie (=Untersuchung des Inneren eines Gelenks mithilfe einer Sonde), Arthrose (=chronische, auf Abnutzung beruhende Erkrankung eines Gelenks), Arthroplastik (= künstliches Gelenk bzw. Operation, bei der ein natürliches Gelenk durch ein künstliches ersetzt wird) Verwendung findet (DUDEN Online Wörterbuch unter www.duden.de; vgl. ergänzend Fachbegriffe wie Arthrosonographie, Arthrolyse u. v. m. in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Auflage). In all diesen Begriffen weist das Element „Arthro-„ auf einen Zusammenhang mit „Gelenken“ hin.
Selbst wenn „Arthro“ nicht so bekannt sein mag wie z. B. die ebenfalls aus dem Griechischen stammenden Wortbildungselemente „Ortho“ für „Orthopädie, orthopädisch“ (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1295), „Psycho“ für „die Psyche, die Seele betreffend“, „cardio“ für „Herz, das Herz betreffend“ (vgl. BPatG, Beschluss vom 02.04.2014, 28 W (pat) 76/12 – cardioFIT; Beschluss vom 29.09.2011, 30 W (pat) 518/10 – CARDIOLOGIKUM HAMBURG) oder „derma“ für „Haut“ (DUDEN, a. a. O., S. 409 sowie DUDEN Online-Wörterbuch unter www.duden.de), wird insbesondere der angesprochene Fachverkehr angesichts der lexikalischen Nachweisbarkeit dieses Begriffs schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt sowie der dargelegten Verwendung in Fachbegriffen den Sinngehalt von „Arthro“ ohne Weiteres verstehen. Die der Beschwerdeführerin übermittelten Rechercheergebnisse (vgl. Anlagenkonvolut 1, Bl. 23-40 d. A. sowie Anlagenkonvolut 3, Bl. 56-63 d. A.) belegen darüber hinaus, dass Wortbildungen, in denen „Arthro“ als Hinweis auf „Gelenk“ dient, vielfach auch in anderem Kontext als in der Medizin, so z. B. in der Werbung oder bei Produktangeboten an den Endverbraucher verwendet werden, z. B. „Arthro-Gelatine ist ein reines Naturprodukt … Ursache bei Hunden mit Gelenkproblemen sind …“; „Petvital Arthro Tabletten – zur Stärkung der Gelenke Ihres Hundes“; „Arthro? – Das Müssen Sie Wissen – gelenkexperten.com“; „Arthro-Pulver mit Kollagen: Mobilität und Beweglichkeit dank eines gesunden Gelenkknorpels“; „Arthrotraining…Dieser Trainingskurs ist für diejenigen gedacht und entwickelt, die die Beweglichkeit ihrer Gelenke erhalten und/oder verbessern möchten…“; „Arthro-Chirurgie“; „…Beispielsweise fallen in einer mittleren Arthro-Praxis mit 1000 durchgeführten Eingriffen jährlich…“.Die Einwände der Beschwerdeführerin, diese Verwendungsbeispiele zeigten eine kennzeichenmäßig Verwendung oder datierten nach dem Anmeldezeitpunkt, greifen überwiegend nicht (so lässt sich insbesondere durch die Wayback-Machine – web.archive.org – nachweisen, dass viele der Internetseiten bereits vor Oktober 2015 mit diesem Inhalt eingestellt waren).
Auch in der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Entscheidung zu dem Zeichen „Arthromobil“ ist im Übrigen eindeutig und überzeugend erläutert, dass der Bestandteil „Arthro-„ in seiner beschreibenden Bedeutung „Gelenk“ verstanden wird (BPatG, Beschluss vom 21.05.2015, 30 W (pat) 30/13 – Arthromobil). Der Senat vermag sich der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Bestandteil „Arthro“ sei für sich genommen schon kein beschreibendes Wort, nach alledem nicht anzuschließen. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin ferner aufgeführten verkürzten Begriffe „Kaleido“ und „Proti“ mögen mangels Sprachüblichkeit einen (nur) beschreibenden Anklang besitzen und daher schutzfähig sein, sie sind aber mit dem Wortbildungselement „Arthro“, der anders als diese in seiner Bedeutung „Gelenk“ lexikalisch erfasst und zudem gebräuchlich ist, nicht vergleichbar.
cc) Der weitere Zeichenbegriff „Coach“ findet sich inzwischen vielfach auf unterschiedlichsten Gebieten, in denen eine Schulung, Unterrichtung, Beratung und Betreuung von Bedeutung ist. Lexikalisch nachgewiesen ist der aus dem Englischen kommende Begriff als 1. jemand, der Sportler oder eine Sportmannschaft, auch Manager, Künstler u. a. trainiert, betreut 2. jemand, der [anhand von wissenschaftlich begründeten Methoden] einen Klienten berät und betreut (www.duden.de) bzw. als Synonym für „Berater, Betreuer, Trainer, Fürsorger“ (http://corpora.uni-leipzig.de/). Dieser Zeichenbestandteil ist bereits seit längerem in den deutschen Sprachschatz eingegangen (vgl. schon BPatG, Beschluss vom 12.03.2013, 27 W (pat) 117/11 – MET-Coach).
Die Zusammensetzung von „coach“ mit einem weiteren Begriff, der angibt, auf welchem Gebiet eine Beratung, ein Training erfolgen soll, ist mittlerweile absolut sprachüblich geworden (vgl. Anlagenkonvolut 2, http://corpora.uni-leipzig.de/, Bl. 41-46 d. A.: Fitnesscoach, Mentalcoach, Vocalcoach, Business-Coach, Ernährungscoach, Flirtcoach, Gesundheitscoach, Persönlichkeitscoach, Psychocoach, Beziehungs-Coach u. a.). Zu finden sind zudem folgende sachbeschreibende Wortkombinationen: „…Der Orthopäde hat als erste Aufgabe die des Feuerwehrmanns: Er löscht den Entzündungsherd im Gelenk und lindert die Schmerzen. Außerdem fungiert er als Gelenkcoach und berät …“; es gibt ferner Nachweise für einen „Rücken-Coach: Die Rückenmuskulatur stärken“, oder den „Augen-Coach: …Auch das Sehen ist eine Lernprozedur. … Der Augen-Coach vermittelt diese neuen Erkenntnisse und ganzheitlichen Verfahren“. Wie die archivierten Webseiten (web.archive.org) zeigen, wurden diese Begriffe bereits vor dem Anmeldezeitpunkt vielfach verwendet; so gibt es insbesondere mindestens seit 26. Oktober 2011 auf „Focus Online“ eine Rubrik „Gelenk-Coach“, in dem ein „Rücken-Coach: Das Rückgrat stärken“ sowie ein „Video-Coach: Yoga im Büro“ zu finden sind.
dd) Die Gesamtheit des Zeichens „ARTHROCOACH“ führt nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der – hier jeweils beschreibenden – Einzelelemente der Wortfolge hinausgeht. Denn verstehen jedenfalls der Fachverkehr sowie das fachlich interessierte Publikum den Sinngehalt beider Zeichenelemente, so werden diese auch dem sprachüblich zusammengesetzten Gesamtzeichen einen auf der Hand liegenden beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen beimessen.
Anders als die Beschwerdeführerin meint, weckt das Wort „ARTHROCOACH“ nicht nur vage Assoziationen. Vielmehr wird das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung im Sinne von „Gelenk-Coach/Berater/Trainer“ für den angesprochenen Verkehr – insbesondere für den Fachverkehr – keinerlei Schwierigkeiten bereiten.
Dies vor allem deshalb, weil mit dem Anmeldezeichen vergleichbare Wortkombinationen, die sich ebenfalls zusammensetzen aus einem dem Griechischen entstammenden Wortbildungselement sowie der Angabe „Coach“ bzw. „Coaching“ gängig sind und bereits vor dem Anmeldezeitpunkt waren; vgl. Anlagenkonvolut 4, Bl. 64-80 d. A.: „Physiocoach“ bzw. „Physiocoaching“ (archivierte Internetseite aus 2011 unter web.archive.org); „Derma-Coach“ bzw. „Derma Coaching“ (archivierte Internetseite aus 2014 unter web.archive.org); „Psycho-Coach“ (bereits ab 2008 ist im mankau-Verlag eine Ratgeber-Buchserie als „Der Psycho-Coach“ herausgegeben worden); „Neurocoach“ bzw. „Neuro Coaching“.
Die der Beschwerdeführerin übersandten Rechercheunterlagen belegen zum einen den beschreibenden Charakter des Begriffs „Arthro“ und zum anderen die Sprachüblichkeit der Zusammensetzung der angemeldeten Wortkombination. Die Annahme einer Sachangabe liegt nach alledem auf der Hand.
dd) Im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse9 erschöpft sich das beanspruchte Zeichen in einem sachbeschreibenden Hinweis auf einen Trainer und Berater, der bei Gelenkproblemen hilft. So können diese Apps entsprechende Hilfestellung und virtuelle Unterstützung beim Gelenktraining bieten und helfen, das Trainingsziel zu erreichen oder zur Bereitstellung von Informationen hierzu eingesetzt werden. Der „Coach“ muss dabei nicht zwingend eine natürliche Person sein, sondern kann auch ein Computerprogramm im Rahmen des E-Learning sein, das dem Anwender Übungen aufzeigt, die zur Gesunderhaltung der Gelenke vorteilhaft sind (vgl. Anlagenkonvolut 2 „PONS Sprachencoach“; BPatG, Beschluss vom 12.10.1999, 27 W (pat) 45/99 – Der ComputerCoach). Die Personalisierung von Software ist und war bereits lange vor dem Anmeldetag derart üblich, dass zur Erfassung des Sinngehalts keinerlei analysierende Betrachtung bzw. gedankliche Zwischenschritte nötig sind.
In Bezug auf die medizinischen Dienstleistungen in Klasse 44 erschöpft sich das Anmeldezeichen ebenfalls in einem Hinweis auf ein(e) medizinisch sachkundige(s) Person/Institution/Unternehmen, die/das sich mit Gelenken bzw. Gelenkproblemen und entsprechenden Therapien beschäftigt.
Selbst wenn „Arthro“ im Sinne von „Arthrose“ und nicht im umfassenderen Sinn als „Gelenk“ verstanden wird, bleibt – worauf bereits die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat - der Gesamtbegriff sachbeschreibend, weil er dann als „Trainer gegen Arthrose“ verstanden wird. Es soll dabei die Problematik dieser Gelenkerkrankung durch ein entsprechendes Training verhindert werden, auch wenn die Behandlung dieser Erkrankung nur eine Teilmenge dessen ist, was ein Gelenktraining bzw. Arthrose-Training (vgl. Begriff in Anlagenkonvolut 1) bewirken kann.
Der angesprochene Verkehr wird dem Anmeldezeichen „ARTHROCOACH“ nach alledem einen im Vordergrund stehenden sachlichen Gehalt betreffend Art und Zweckbestimmung der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen beimessen, es aber nicht als herkunftsindividualisierenden Hinweis auf einen bestimmten Anbieter auffassen.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.
3. Die Beschwerdeführerin beruft sich schließlich ohne Erfolg auf die Eintragung der Marke „ArthroTrainer“ (Nr. 30 2014 061 709). Diese ist erst nach rechtskräftiger Teilzurückweisung in das Markenregister eingetragen worden. Die Entscheidung mag – was im Übrigen auch für die Abgrenzung in dem hier angegriffenen Beschluss gilt – in sich nicht ganz konsistent sein, weil zwar beispielsweise für die Waren „Computerprogramme [herunterladbar]; Computersoftware [gespeichert]“ und „Unterrichtsapparate“ ein Schutzhindernis gesehen wurde, für die Waren „Computer; Computer-Programme [gespeichert]“ dagegen nicht. Gerade die konkret zurückgewiesenen Waren der Klasse 9 sind aber mit den hier verfahrensgegenständlichen Softwareprodukten aus dem Gesundheitsbereich vergleichbar.
Des Weiteren führen die von der Beschwerdeführerin zitierten gerichtlichen Entscheidungen zu den Zeichen „Arthromobil“, „ARTHRO-in-Form“, „STARSAT“, „GASTROSMART“, „Smartbook“ und „BAYSTARTUP“ zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Marken sind entweder wegen nicht feststellbarer beschreibender Bedeutung eines Zeichenbestandteils oder einer unüblichen Zusammensetzung bzw. eines ungewöhnlichen sprachlichen Gesamteindrucks für schutzfähig erachtet worden, so dass sie nicht mit der verfahrensgegenständlichen Bezeichnung vergleichbar sind.
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Voreintragungen nicht bindend sind. Denn auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rn. 18 – Bild-digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 30 – HOT). Diese nach den rechtlichen Vorgaben vorgenommene Prüfung hat im vorliegenden Fall aber ergeben, dass das Zeichen im verfahrensgegenständlichen Umfang nicht unterscheidungskräftig ist.