Entscheidungsdatum: 02.04.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2010 031 059.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Uhlmann und die Richterin kraft Auftrags Kriener
beschlossen:
Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 25. Januar 2011 und 4. Juni 2012 werden aufgehoben.
I.
Das Wort-Bildzeichen 30 2010 031 059.6
ist am 21. Mai 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Ware angemeldet worden (nach Einschränkung des WDVZ mit Schriftsatz vom 4. Januar 2011 und anschließender Teilung der Markenanmeldung geändertes Verzeichnis vom 2. März 2011):
Klasse 10: chirurgische Instrumente.
Die Markenanmeldung wurde mit Beschlüssen des DPMA vom 25. Januar 2011 und 4. Juni 2012, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die hier angesprochenen Fachkreise aus der Medizin würden die Wortzusammensetzung ohne Weiteres dahingehend verstehen, dass es sich bei den beanspruchten chirurgischen Instrumenten um solche handle, die der Leistungsfähigkeit des Herzens bzw. der Wiederherstellung derselben dienten, etwa bei Herzoperationen. Wie dies erreicht werde, müsse nicht genau definiert sein, vielmehr könne der Begriff bewusst weit gefasst sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken. Die Wortzusammensetzung beschreibe damit Thema, Art und Verwendungszweck der beanspruchten Ware. Sie sei für Fachleute unmittelbar verständlich, selbst wenn andere Arten der Benennung für chirurgische Instrumente üblich seien. Im Übrigen könne ausweislich der Internetrecherche ein Herz durchaus als „fit“ bezeichnet werden. Auch die werbeübliche und einfache grafische Gestaltung könne dem Anmeldezeichen keine Schutzfähigkeit verleihen. Das angemeldete Zeichen eigne sich damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, dass die Markenstelle zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Unterscheidungskraft gestellt habe. Ein beschreibender Gehalt des Zeichens sei nur in mehreren gedanklichen Schritten zu ermitteln. Die Markenstelle habe nicht festgestellt, dass eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage für chirurgische Instrumente sei. Es sei unüblich, ein Herz als „fit“ zu bezeichnen, und noch weit unüblicher sei es, den Begriff „fit“ zur Beschreibung eines chirurgischen Instruments zu verwenden. Chirurgische Instrumente seien „Medizinprodukte“ im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) und unterlägen damit einer strengen und normierten Nomenklatur. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen würden zur Benennung derartiger Produkte ausschließlich Bezeichnungen dieser Nomenklatur oder Synonyme hiervon verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden deshalb hinter der unpräzisen und fantasievollen Bezeichnung keine beschreibende Angabe für ein Medizinprodukt erkennen. Im Übrigen sei eine Vielzahl von Marken für Waren aus der Klasse 10 mit der Endung „fit“ eingetragen, so dass das Publikum bei entsprechenden Wortbildungen wie dazu neige, auch hierin eine Marke zu sehen.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 10, vom 25. Januar 2011 und 4. Juni 2012 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat Erfolg.
Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke stehen in Bezug auf die beanspruchte Ware keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
1. Dem Anmeldezeichen kann in seiner Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten), wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass das Anmeldezeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusammensetzt, dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt. Denn es weist in seiner Gesamtheit für die beanspruchte Ware keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihr hergestellt werden kann. Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird jedenfalls durch den eigenartigen Gesamtbegriff in Verbindung mit der grafischen Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.
a) Die Wortbestandteile des Anmeldezeichens setzen sich aus den Elementen „Cardio“ und „FIT“ zusammen.
„Cardio-/cardio-“ bzw. „Kardio-/kardio-“ ist ein vom griechischen Wort kardía abgeleitetes und – nicht nur im Medizinbereich – geläufiges Wortbildungselement mit der Bedeutung „Herz“ (vgl. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 6. Aufl. 2006, S. 582; http://www.duden.de/rechtschreibung/kardio; zur gängigen Schreibweise mit dem Anfangsbuchstaben „C“ vgl. die Recherchebelege des Senats zu den Begriffen „Cardio-MR“, „Cardio-CT“, „Cardio News“, „Cardio Training“ und „Cardio Plus“, Anlagen 1 – 4 zum Protokoll vom 2. April 2014).
Das im deutschen Sprachgebrauch allgemein gebräuchliche Adjektiv „fit“ hat die Bedeutungen „in guter körperlicher Verfassung, sportlich durchtrainiert; leistungsfähig, tüchtig, qualifiziert, befähigt“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/fit). Es findet – zum Teil auch als Kürzel von „Fitness“– vielfach zur (werblichen) Bezeichnung körperlicher bzw. sportlicher Betätigungen und entsprechender Geräte sowie bestimmter, als leistungsfördernd angesehener Nahrungsmittel Verwendung. Im Englischen bedeutet „fit“ als Substantiv „Sitz, Passform, Passung“ und als Verb („to fit“) „passen, anliegen, zusammenpassen“ (Englisch–Deutsch Online-Wörterbuch http://dict.leo.org/).
Anders als die Markenstelle geht der Senat jedoch nicht davon aus, dass das hier angesprochene medizinische Fachpublikum die Wortzusammensetzung „CardioFIT“ in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit der beanspruchten Ware ohne weiteres als beschreibende Sachangabe dahingehend versteht, dass die so gekennzeichneten chirurgischen Instrumente dazu geeignet und bestimmt sind, das menschliche Herz (wieder) leistungsfähig („fit“) zu machen bzw. die Leistungsfähigkeit des Herzens zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen.
Zwar fallen unter den Oberbegriff „chirurgische Instrumente“ auch spezielle Instrumente, die im Bereich der Herzchirurgie zum Einsatz gelangen und damit der Behandlung und Korrektur von Herzerkrankungen dienen. In der medizinischen Fachsprache wird ein Herz aber üblicherweise nicht als „fit“ bezeichnet, auch wird nicht von „Herzfitness“ als Zweck oder Ziel einer Herzoperation gesprochen. Entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Beschwerdeführerin ist es noch weit unüblicher, den Begriff „fit“ zur Beschreibung eines chirurgischen Instruments, welches auf invasive Art und Weise auf ein Organ einwirkt, in der Bedeutung eines „Fitmachers“ – hier eines „Herz-Fitmachers“ zu verwenden. Hinzu kommt, dass chirurgische Instrumente als Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) einer strengen und normierten Nomenklatur unterliegen, und zwar dem „Universal Medical Device Nomenclature System“ (UMDNS), das für die Anzeige von Medizinprodukten bei der zuständigen Behörde einzuhalten ist (vgl. § 25 MPG; http://www.dimdi.de/static/de/klassi/umdns/index.htm). Diese Nomenklatur schließt zwar nicht die Verwendung von anderen Bezeichnungen zur Beschreibung von Medizinprodukten auf dem Markt bzw. in der Werbung aus, dürfte aber dennoch die Bezeichnungsgewohnheiten in diesem Bereich mitgeprägt haben. Bei einem Verständnis des Wortelements „fit“ im obigen Sinne ist die Wortverbindung „CardioFIT“ daher ungewöhnlich und löst einen Gedankenprozess über den Zusammenhang mit den so gekennzeichneten chirurgischen Instrumenten aus, anders als dies z. B. für Fitnessgeräte oder Müsliriegel, bei denen üblicherweise das Wort „fit“ anpreisend bzw. zur Beschreibung des Verwendungszwecks verwendet wird, der Fall wäre.
Des Weiteren könnte allenfalls eine analysierende Betrachtungsweise dazu führen, das Zeichen vor dem Hintergrund der o. g. englischen Bedeutung von „fit“ schlagwortartig im Sinne von „passend für das Herz“ bzw. „passendes Herz“(-instrument) zu interpretieren. Von einem im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt oder engen beschreibenden Bezug für die fragliche Ware kann jedoch bei dieser Betrachtungsweise keine Rede sein. In Bezug auf die beanspruchte Ware kann der Bezeichnung „CardioFIT“ daher aus Sicht des angesprochenen medizinischen Fachverkehrs keine ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare sinnvolle Sachaussage entnommen werden (vgl. auch BPatG 28 W (pat) 535/12 – EX-PRESS, schutzfähig für ein Okularimplantat für die Behandlung des Grünen Stars).
Das angemeldete Zeichen erhält zusätzlich durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels.
zeigt zwei Wortelemente in schwarzer Schrift, wobei das Element „Cardio“ in Groß-/Kleinschreibung mit Fettdruck und das Element „FIT“ in dünner kursiver Majuskelschrift ausgeführt ist. Es handelt sich zwar grundsätzlich um einfache Gestaltungsmittel, die dazu dienen, die visuelle Wahrnehmung der Wortbestandteile zu verbessern. Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass diese Art der Gestaltung gerade im Bereich der Medizinprodukte, insbesondere der chirurgischen Instrumente gebräuchlich und werbeüblich ist.
Das Anmeldezeichen weist daher im Gesamteindruck ein ausreichendes Maß an Eigentümlichkeit auf, um sich dem medizinischen Fachpublikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen.
2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Ware sowie die zusätzliche grafische Ausgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.