Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.09.2014


BPatG 17.09.2014 - 29 W (pat) 550/13

Markenbeschwerdeverfahren – „mima-co/mi-ma-mo“ – Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und -identität – klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
17.09.2014
Aktenzeichen:
29 W (pat) 550/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 037 409

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richterinnen Uhlmann und Akintche

beschlossen:

I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 2013 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 30 2009 036 930 für die Dienstleistungen „Büroarbeiten“ und „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“ zurückgewiesen worden ist. Das Deutsche Patent- und Markenamt wird angewiesen, die Marke 30 2010 037 409 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 30 2009 036 930 auch für diese Dienstleistungen zu löschen.

II. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke 30 2010 037 409

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mima-co

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der Beschwerdegegnerin zu 1) und Beschwerdeführerin zu 2) ist am 22. Juni 2010 angemeldet und am 8. März 2011 in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden für die folgenden Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Photographien;

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Klasse 35: Werbung, Büroarbeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing;

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Klasse 41: Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten.

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Die Veröffentlichung erfolgte am 8. April 2011.

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Hiergegen hat die Beschwerdeführerin zu 1) am 22. Juni 2011 Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 30 2009 036 930

mi-ma-mo

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die am 4. Dezember 2009 für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 03: Wasch- und Bleichmittel, Zahnbleichgele; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere zur Mund- und Zahnpflege; Zahnputzmittel, insbesondere Polier- und Reinigungsmittel;

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Photographien; Schreibwaren; Künstlerbedarfsartikel, insbesondere Artikel zum Malen und Basteln (soweit in Klasse 16 enthalten); Pinsel; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

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Klasse 21: Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Malzwecke), insbesondere Zahnbürsten (auch elektrisch); Putzzeug, nämlich Zahnputzzeug, insbesondere Zahnseide, Zahnstocher und Zahnstocherbehälter;

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Klasse 28: Spiele, Spielzeug;

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Klasse 35: Werbung, insbesondere Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Marketing (Absatzforschung); Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Mund- und Zahnpflege;

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Klasse 41: Erziehung; Aus-, Fort- und Weiterbildung; Aus-, Fort- und Weiterbildungsberatung; Personalentwicklung durch Aus-, Fort- und Weiterbildung; Veranstaltung und Durchführung von Schulungen, Seminaren, Vorträgen und Workshops (Ausbildung); Dienstleistungen einer (auch fahrbaren) Schule (Ausbildung), insbesondere einer Zahnputzschule; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Veranstaltung von (auch spielerischen) Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung), insbesondere Malwettbewerben; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexten; Herausgabe und Publikation von Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), auch in elektronischer Form, auch im Internet; alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Mund- und Zahnpflege;

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Klasse 44: Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; medizinische, insbesondere zahnmedizinische Dienstleistungen; Dienstleistungen von Zahnärzten; zahnärztliche und medizinische Beratung, insbesondere im Bereich der Mund- und Zahnpflege; Dienstleistungen von Kiefernorthopäden; Dienstleistungen eines zahnmedizinischen Labors

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eingetragen worden ist.

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Mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die angegriffene Marke für die folgenden Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Photographien;

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Klasse 35: Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing;

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Klasse 41: Ausbildung

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gelöscht und den Widerspruch im Übrigen, und zwar hinsichtlich der Dienstleistungen „Büroarbeiten“ und „Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“ zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Büroarbeiten“ und „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“ und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehe keine Ähnlichkeit, sodass eine Verwechslungsgefahr nicht anzunehmen sei. Die übrigen Dienstleistungen der jüngeren Marke seien dagegen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der älteren identisch enthalten. Die Vergleichszeichen seien klanglich sehr ähnlich, da sie in Buchstabenzahl, Silbenzahl, Vokalfolge identisch seien und lediglich in dem vorletzten klangschwachen Konsonanten „m“ bzw. „c“ voneinander abwichen, was aber durch die Vokale übertönt werde und deshalb kaum auffalle. Ob auch unter anderen Gesichtspunkten Verwechslungsgefahr bestehe, könne deshalb dahinstehen.

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Gegen die Teilzurückweisung des Widerspruchs wendet sich Widersprechende mit ihrer Beschwerde vom 12. November 2013. Sie trägt vor, die Markenstelle habe übersehen, dass auch die Dienstleistungen „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“ im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten seien, sodass auch insoweit Dienstleistungsidentität bestehe. Zwischen der Dienstleistung „Büroarbeiten“ und den Widerspruchsdienstleistungen bestehe zumindest mittlere Ähnlichkeit. Denn „Büroarbeiten“ würden ebenso wie die Widerspruchsdienstleistungen in Klasse 35 in Büros ausgeführt. Zudem sei „Büroarbeiten“ ein Oberbegriff der Klasse 35 für die in dieser Klasse eingetragenen Widerspruchsdienstleistungen. Dies genüge im Hinblick auf die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die hohe Zeichenähnlichkeit der Vergleichszeichen, um eine Verwechslungsgefahr anzunehmen.

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Die Beschwerdeführerin zu 1) stellt den Antrag,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Oktober 2013 aufzuheben, soweit dem Widerspruch aus der Wortmarke 30 2009 036 930 nicht stattgegeben wurde, und die Eintragung der Wortmarke 30 2010 037 409 vollständig zu löschen.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin zu 2) stellt den Antrag,

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die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) zurückzuweisen sowie unter Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Oktober 2013 den Widerspruch aus der Widerspruchsmarke insgesamt zurückzuweisen.

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Sie hat am 22. November 2013 unter Einzahlung der Erinnerungsgebühr Erinnerung gegen den ihr am 22. Oktober zugestellten Beschluss der Markenstelle eingelegt und, nachdem sie von der Einlegung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin zu 1) in Kenntnis gesetzt worden war, ihrerseits noch vor der am 3. Februar 2014 erfolgten Zustellung der Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin zu 1) sowie vorsorglich erneut am 28. Februar 2014 Beschwerde eingelegt.

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Sie ist der Auffassung, die Markenstelle sei zutreffend von einer Unähnlichkeit der Dienstleistung der jüngeren Marke „Büroarbeiten“ zu den Widerspruchsdienstleistungen ausgegangen. Diese Auffassung habe auch der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 23. März 2013, 29 W (pat) 119/11 – Via Friseure/VIVA vertreten. Hier liege der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit der Inhaberin der angegriffenen Marke. Diese Leistungen gingen über Werbung und Marketing hinaus, seien umfassender und nicht auf Werbezwecke beschränkt. Nichts anderes ergebe sich auch aus den Recherchebelegen des Senats.

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Auch hinsichtlich der gelöschten Dienstleistungen fehle es an der Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei unterdurchschnittlich. Die Buchstabenfolge stamme aus der Kleinkindersprache, was der Verkehr bereits deshalb nicht als Herkunftshinweis betrachte. Zudem sei sie durch ein Drittzeichen, die Marke 30 2011 043 149 MiMaMo, geschwächt, welche sogar phonetisch identisch mit der Widerspruchsmarke sei. Der Kundenkreis der Inhaberin der angegriffenen Marke unterscheide sich von den durch die Widerspruchsmarke angesprochenen Verkehrskreisen. Er setze sich ausschließlich aus gewerblichen Kunden, insbesondere aus dem Bereich der Automobilbranche zusammen, während die Dienstleistungen der Widersprechenden ausschließlich an das Publikum der Mund- und Zahnpflege insbesondere von Kindern im Vorschulalter gerichtet sei. Zudem fehle es an einer relevanten Zeichenähnlichkeit, wobei die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise für die geschäftlich benötigten Dienstleistungen erhöht sei. Die Abweichung in der Silbe „co“ dürfe nicht vernachlässigt werden. Die Silben der älteren Marke würden im Gegensatz zur jüngeren Marke gezogen ausgesprochen, was an den dazwischen positionierten Bindestrichen erkennbar sei und sich auch aus der Bedeutung der jüngeren Marke als Abkürzung für „Milchzähne machen mobil“ ergebe. Darüber hinaus benutze die Inhaberin der angegriffenen Marke diese als Firmenbezeichnung, was für Verkehrsdurchsetzung spreche. Vorsorglich werde erneut die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben.

32

Die Beschwerdeführerin zu 1) beantragt,

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die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) zurückzuweisen.

34

Sie trägt vor, die Markenstelle habe zu Recht die Zeichenähnlichkeit bejaht. Die Zeichen seien in den ersten beiden erfahrungsgemäß besonders beachteten Silben identisch. Die Abweichung im Konsonanten der letzten Silbe bleibe demgegenüber unbeachtet.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

36

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet, die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist dagegen unbegründet. Denn zwischen den Zeichen besteht in vollem Umfang Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

37

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 Rn. 18 – PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484 Rn. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905 Rn. 12 – Pantohexal; GRUR 2008, 258 Rn. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859 Rn. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60 Rn. 12 – coccodrillo m.w.N.). Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (BGH, a.a.O., pjur/pure; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY). Allerdings kann eine absolute Waren-/Dienstleistungsunähnlichkeit selbst bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR Int. 2009, 911 Rn. 34 - Waterford Wedgwood/HABM [WATERFORD STELLENBOSCH]; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1145 Rn. 34 - Pelikan; GRUR 2009, 484 Rn. 25 - METROBUS).

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1. Bei dem Vergleich der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen ist auf die Registerlage abzustellen. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG pauschal erhobene Nichtbenutzungseinrede ist derzeit unzulässig, weil sich die am 4. Dezember 2009 eingetragene Widerspruchsmarke noch in der fünfjährigen Benutzungsschonfrist befindet.

39

2. a) Zutreffend hat das DPMA festgestellt, dass die Dienstleistungen „Druckereierzeugnisse, Photographien; Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing; Ausbildung“ in beiden Verzeichnissen aufgeführt sind. Hinsichtlich der Dienstleistungen „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“ war der angegriffene Beschluss aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke anzuweisen, weil auch diese Dienstleistungen der jüngeren Marke im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke identisch enthalten sind, die Annahme der Dienstleistungsunähnlichkeit also auf einem Versehen der Markenstelle beruhte. Der Umstand, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke ihre Dienstleistungen nur gewerblichen Kunden, insbesondere der Automobilindustrie, anbietet, ist im Widerspruchsverfahren unbeachtlich. Insoweit ist ausschließlich auf die Registerlage und nicht auf die tatsächliche Benutzung abzustellen. Der Senat hat den Vortrag der Markeninhaberin zum angeblichen Erfordernis der Berücksichtigung unstreitigen Vorbringens im Schriftsatz vom 16. Oktober 2014 (Bl. 138 d. A.) zur Kenntnis genommen. Er hat allerdings bereits in der mündlichen Verhandlung auf die Unerheblichkeit dieses Vorbringens hingewiesen, weil die Prüfung der Verwechslungsgefahr im Widerspruchsverfahren nicht auf die Verkaufsmodalitäten im Einzelfall beschränkt ist (BGH GRUR 2014, 1024 Rn. 16 – VIVA FRISEURE/VIVA).

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b) Zwischen der Dienstleistung „Büroarbeiten“ der jüngeren Marke und den Widerspruchsdienstleistungen in Klasse 35 „Werbung, insbesondere Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Marketing (Absatzforschung); Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations), alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Mund- und Zahnpflege“ besteht durchschnittliche Ähnlichkeit.

41

Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere Art, Beschaffenheit, Einsatz- und Verwendungszweck, wirtschaftliche Bedeutung der Waren und Dienstleistungen, der Nutzen für den angesprochenen Verkehr sowie dessen Vorstellung, dass die Waren und Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung hergestellt, erbracht und in Anspruch genommen werden oder hinsichtlich ihrer Eigenart als konkurrierende Angebote sich in sonstiger Weise ergänzen – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sind, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – unterstellt man dies – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (EuGH GRUR 2006, 582 Rn. 85 – VITAFRUIT; GRUR 1998, 922 Rn. 22 ff. – Canon; BGH GRUR 2004, 241 – GeDIOS; BGH GRUR 2001, 507 – Evian/Revian). Von Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; a.a.O. Rn. 34 – Pelikan; GRUR 2006, 941 Rn. 13 - TOSCA BLU).

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Nach der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass es eine absolute Grenze der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit gibt, die auch bei Identität der Zeichen nicht zu einer Verwechslungsgefahr der Marken führt (vgl. EuGH, a.a.O. - Canon; BGH GRUR 2008, 714 Rn. 32 - idw; GRUR 2007, 321 Rn. 20 - COHIBA; GRUR 2006, 941, Rn. 13 - TOSCA BLU; m.w.N.). Von Waren- oder Dienstleistungsunähnlichkeit kann allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2014, 488 Rn. 16 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1145 Rn. 34 – Pelikan; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; a.a.O. - TOSCA BLU; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

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Die Dienstleistung „Büroarbeiten“ wendet sich in gleicher Weise wie die Werbedienstleistungen der Widerspruchsmarke in Klasse 35 an unternehmerisch tätiges Publikum. Büroarbeiten und Werbung, Marketing bzw. Öffentlichkeitsarbeit werden häufig ergänzend aus einer Hand angeboten, wie sich aus den  Recherchebelegen des Senats ergibt. Die Dienstleistung „Büroarbeiten“ umfasst unter anderem die Adressenpflege, Anschreiben an Kunden, die Auftragsabwicklung und sonstige Kundenkontakte, mithin Tätigkeiten, die zunehmend auch zu Werbe-, Marketing- und Marktforschungszwecken genutzt werden. Zudem bieten Dienstleister für Büroarbeiten Werbedienstleistungen ebenso an, wie auch Werbeagenturen Bürodienstleistungen - wie zum Beispiel die Adresspflege - im Angebot haben:

44

- www.bueroservice–berthold.de: „Werbung und Mailing für Ihre Kunden – bei Büroservice Berthold … wir übernehmen für Sie die komplette Durchführung…“

45

- www.tim-bueroservice.de: Werbeträger… Auch weitere Werbemittel (…) für die perfekte Unternehmensdarstellung gestalte ich Ihnen gern und sorge für die entsprechende Produktion …“

46

- www.tausendfuessler.com: Tausendfüssler Marketing-Service „… Datenbank und Adressmanagement – Datenerfassung und Bestandsverwaltung mit Adresspflege…“

47

- www.siebrecht-unternehmensberatung.de: Büroservice – Buchhaltung – Büroorganisation –Werbung … Wir organisieren Ihre Verwaltung, nehmen Ihnen lästige Büroarbeiten ab. In unserem Team befinden sich spezialisierte Mitarbeiter, die gerne für Sie die laufenden Geschäftsvorfälle verbuchen oder sich freuen, eine spannende Werbe-Broschüre für Sie zu gestalten.“

48

- www.buero-und-präsentationsservice.de: Mega letter Ihr Büro- und Präsentationsservice „Leistungen im Überblick - Tabellen Formulare Statistiken –Angebote Werbebriefe – Büroservice – Adressverwaltung – Präsentationen – Seminarservice – Vertriebsunterstützung – Haus- und Grundstücksverwaltung“.

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Die Marken können sich daher im Bereich ähnlicher Dienstleistungsangebote begegnen. Deshalb geht der Senat von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der Vergleichsdienstleistungen aus. Dem steht auch nicht die von der Inhaberin der angegriffenen Marke zitierte Entscheidung des Senats 29 W (pat) 119/11 - Viva Friseure entgegen. Im dort entschiedenen Verfahren standen der Dienstleistung „Büroarbeiten“ der jüngeren Marke auf Seiten der Widerspruchsmarke keine Dienstleistungen der Klasse 35, sondern lediglich Waren der Klasse 3 gegenüber. Dass der Tätigkeitsbereich der Inhaberin der angemeldeten Marke sich nicht auf Arbeiten mit Werbebezug wie die Adresspflege beschränkt, sondern wesentlich umfassender ist, rechtfertigt es nicht, die Dienstleistungsähnlichkeit zu verneinen. Denn es genügt, wenn sich die Marken in Teilbereichen der Dienstleistungen begegnen können. Der im Dienstleistungsverzeichnis der Widersprechenden enthaltene Zusatz „alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Mund- und Zahnpflege“ stellt wegen der Formulierung „insbesondere“ keine Einschränkung dar. Auch das Dienstleistungsverzeichnis der jüngeren Marke enthält keine Einschränkung, durch die eine Begegnung der Marken in Teilbereichen ausgeschlossen ist. Die tatsächliche Benutzung der jüngeren Marke im Bereich der Automobilindustrie ist im Widerspruchsverfahren – wie bereits erwähnt – nicht streitrelevant.

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3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Haus aus durchschnittlich. Die Buchstabenfolge „mi-ma-mo“ hat keinerlei erkennbare Bedeutung. Die Silben sind auch als Abkürzungen im Bereich der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen nicht gebräuchlich. Daher werden die angesprochenen Verkehrskreise, die sich hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 aus unternehmerisch tätigem Publikum und im Bereich der Klasse 16 und 41 aus der Allgemeinheit der Verbraucher zusammensetzen, in der Buchstabenfolge keinerlei Sachhinweis auf die zu vergleichenden Dienstleistungen erkennen. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke angeführte Bedeutung der Buchstabenfolge als Abkürzung für „Milchzähne machen mobil“ erschließt sich dem Publikum nur durch einen entsprechenden Hinweis, nicht jedoch bei isolierter Verwendung der Widerspruchsmarke. Der Umstand, dass die Widerspruchsmarke in der Art eines Kinderverses aus drei Silben mit dem identischen Anfangskonsonanten M und den klangstarken Vokalen I A und O gebildet ist, führt nicht zu einer Verminderung ihrer Kennzeichnungskraft. Denn dies beschränkt nicht ihre Eignung, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen. Im Gegenteil sind gerade klangstarke, einfache Wortbildungen geeignet, dem angesprochenen Verkehr im Gedächtnis zu bleiben. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2000, 1028 - Ballermann 6) gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Aus dieser Entscheidung geht hervor, dass einer Marke normale Kennzeichnungskraft nur abgesprochen werden kann, wenn sie wegen einer Anlehnung oder sonstigen Nähe an ein für die in Frage stehenden Waren beschreibendes Wort vom Verkehr nicht in erster Linie und durchweg als Warenkennzeichen verstanden wird oder wenn der Verkehr in ihr aus sonstigen Gründen, etwa weil es sich um ein abgegriffenes Wort der Alltags- oder der Werbesprache handelt, eher die Bedeutung dieses Wortes als einen darin liegenden Herkunftshinweis sieht oder weil für die in Frage stehenden Waren andere im Ähnlichkeitsbereich liegende Marken verwendet werden und der Verkehr deshalb auch auf geringere Unterschiede achtet. Diese Kriterien sind hier nicht erfüllt, „mi-ma-mo“ ist weder an eine Sachaussage angelehnt, noch ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das nur als solches und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird.

51

Eine Minderung der Kennzeichnungskraft durch Drittmarken ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke zum Beleg angeführte einzelne phonetisch identische Drittmarke genügt dafür nicht. Denn es ist nicht bekannt, ob diese Marke überhaupt benutzt ist. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft kann aber nur durch benutzte Drittmarken herbeigeführt werden. Denn nur tatsächlich auf dem Markt vorhandene Marken können den Verkehr dazu veranlassen, verstärkt auf etwaige Unterschiede zwischen ähnlichen Marken zu achten. Um eine Gewöhnung des Verkehrs an ähnliche Drittmarken anzunehmen, ist zudem eine beträchtliche Anzahl ähnlicher Drittmarken erforderlich, eine einzige Marke genügt nicht (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2014, § 9 Rn. 174). Anhaltspunkte für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung sind ebenfalls nicht erkennbar.

52

4. Der infolge der Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderliche Zeichenabstand verringert sich für die Dienstleistungen der Klasse 35 geringfügig, weil das angesprochene unternehmerisch tätige Publikum diesen Dienstleistungen wegen ihrer Bedeutung mit erhöhter Aufmerksamkeit entgegen tritt. Für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 16 und 41 ist dagegen von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise auszugehen.

53

5. Den danach erforderlichen Abstand hält die jüngere Marke selbst für die im Bereich der Ähnlichkeit liegenden Dienstleistungen der Klasse 35 in klanglicher Hinsicht nicht ein.

54

Die Zeichenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR Int. 2014, 459 Rn. 42 – CLORALEX, GRUR Int. 2012, 754, 757 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH/HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR Int. 2010, 129., Rn. 60 – [Carbonell/La Espaňola]; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/ Zweibrüder). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH MarkenR 2008, 393, Rn. 21 - HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben (BGH GRUR 2004, 783, 784 –NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

55

Klanglich sind die Vergleichszeichen weitgehend identisch. Sie haben eine identische Vokalfolge, Silben- und Buchstabenzahl. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass die stärker beachteten Wortanfänge und die Mittelsilben identisch sind. Lediglich die Anfangskonsonanten der letzten Silbe unterscheiden sich, wobei die abweichenden Konsonanten m und c – das „c“ wird wegen des folgenden Buchstabens o wie „k“ gesprochen - klangschwach sind und gegenüber dem nachfolgenden identischen Endvokal o zurücktreten. Auch für die von der Beschwerdeführerin behaupteten Unterschiede in der Sprechlänge fehlt es an konkreten Anhaltpunkten. Der Umstand, dass die ersten beiden Silben in dem älteren Zeichen durch einen Gedankenstrich getrennt sind, führt nicht dazu, dass sie voneinander abgesetzt oder besonders gedehnt werden. Selbst wenn der Verkehr die Abkürzung „mi-ma-mo“ wegen der Platzierung des Zeichens neben dem Slogan „Milch macht mobil“ im Einzelfall erkennen sollte, hat er keine Veranlassung, die Silben gedehnt auszusprechen. Denn die ersten Silben der Wortfolge „Milch macht mobil“ werden ebenfalls kurz gesprochen.

56

Es handelt sich bei beiden Zeichen um Fantasiebegriffe ohne Begriffsinhalt, der die klangliche Unterscheidung erleichtern könnte. Bei einer zeitlich versetzten Wahrnehmung der Zeichen oder bei einer ungünstigen akustischen Übermittlung ist die Gefahr einer klanglichen Verwechslung deshalb nicht ausgeschlossen. Ob auch Verwechslungsgefahr unter weiteren Gesichtspunkten besteht, kann dahingestellt bleiben, weil die Ähnlichkeit in einer Hinsicht zur Bejahung der Verwechslungsgefahr genügt.

57

6. Aus den genannten Gründen war auch die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen die Löschung der Dienstleistungen „Druckereierzeugnisse, Photographien; Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing; Ausbildung“ im Beschluss der Markenstelle zurückzuweisen. Diese Dienstleistungen sind identisch in beiden Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen enthalten. Den deshalb erforderlichen weiten Abstand hält die jüngere Marke aus den dargelegten Gründen nicht ein.

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7. Soweit die Markeninhaberin vorträgt, die angegriffene Marke sei verkehrsdurchgesetzt, da sie sie auch als Firmenkennzeichen nutze, ist dies weder streitentscheidend noch erheblich. Zum einen ist die angegriffene Marke nicht aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen, was vorliegend für die Frage der Verwechslungsgefahr ohnehin keine Rolle spielt. Die Nutzung als Firmenkennzeichen ist – unabhängig von einer Verkehrsdurchsetzung – für die angegriffene Marke im Widerspruchsverfahren irrelevant.

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8. Zu einer Kostenauferlegung auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG bot der Streitfall keinen Anlass.