Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.04.2016


BPatG 06.04.2016 - 29 W (pat) 545/13

Markenbeschwerdeverfahren – "MASTERFLUTE (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
06.04.2016
Aktenzeichen:
29 W (pat) 545/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 Abs 1 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 069 767

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. April 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am Landgericht Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

MASTERFLUTE

3

ist am 15. Oktober 2010 von der Beschwerdeführerin, beruhend auf der irischen Basisanmeldung vom 6. Oktober 2010, als internationale Marke bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum unter anderem mit Antrag auf Schutzerstreckung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für folgende Waren der Klasse 16 registriert worden:

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Paper and paper articles, cardboard and cardboard articles all included in this class; printed matter, newspapers and periodicals, books; book binding materials; photographs; stationery; adhesive materials (stationery); artists` materials other than colours or varnishes, paint brushes; typewriters and office requisites (other than furniture); instructional and teaching material (other than apparatus); printers` type and printing blocks; cardboard and paper packaging.

5

Mit Beschluss vom 25. September 2013 hat die Markenstelle für Klasse 16 - Internationale Markenregistrierung - den Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise, nämlich für die Waren

6

Paper and paper articles, cardboard and cardboard articles all included in this class; cardboard and paper packaging;

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wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Das Zeichen „MASTERFLUTE“, so die Markenstelle, sei ohne weiteres erkennbar gebildet aus den englischen Begriffen „MASTER“ (engl. Meister, Könner, etw. können) und „FLUTE“ (engl. Welle einer Wellpappe, Riffelung). Die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise (d. h. sowohl Handel und informierte Fachkreise als auch Endverbraucher) verstünden die englische Wortkombination „MASTERFLUTE“ in ihrer Gesamtkombination ohne weiteres als einen allgemeinen Hinweis auf Papier, Karton und daraus bestehende Waren, die vom Fachmann stammen und deren Beschaffenheit, vor allem betreffend die Riffelung, vom Fachmann geprüft wurde. Insoweit werde die Angabe „MASTERFLUTE“ von den inländischen Verkehrskreisen nicht als phantasievoller Gesamtbegriff und herkunftshinweisendes Betriebskennzeichen angesehen, sondern vielmehr als Qualitäts- und Beschaffenheitsangabe. Auch der Umstand, dass der Gesamtbegriff „MASTERFLUTE“ möglicherweise noch nicht lexikalisch nachweisbar sei, erlaube nicht den Schluss zu ziehen, das Zeichen sei unterscheidungskräftig. Der Verkehr sei daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit neuen Wortkombinationen konfrontiert zu werden, die in einprägsamer Weise sachbezogene Informationen übermitteln sollen. So würden auch bisher unbekannte aber ohne weiteres verständliche Sachaussagen als solche erkannt und nicht als betriebliche Herkunftshinweise verstanden. Auch führe die begriffliche Unbestimmtheit des Zeichens „MASTERFLUTE“ nicht zu einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit. Aus dem Umstand der Voreintragung von Zeichen mit dem Bestandteil „FLUTE“ oder „MASTER“ könne die IR-Markeninhaberin für ihre eigene Rechtsposition nichts herleiten, insbesondere keine Indizwirkung oder eine Bindungswirkung in Bezug auf die vorliegende Frage der rechtmäßigen Schutzrechtserstreckung.

8

Die Beschwerde der IR-Markeninhaberin richtet sich gegen die teilweise Schutzrechtsverweigerung. Sie beantragt (Bl. 7 d. A.),

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 25. September 2013 aufzuheben und der internationalen Registrierung IR 1 069 767 für die zurückgewiesenen Waren den Schutz zu gewähren.

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Sie trägt vor, das um Schutz nachsuchende Zeichen sei als beschreibender Begriff dem relevanten deutschsprachigen Verkehrskreis nicht bekannt, wobei als Maßstab nicht die informierten Fachkreise, sondern der Durchschnittsverbraucher gelte. Dieser könne dem englischsprachigen Begriff „FLUTE“ allenfalls die Bedeutung „Flöte“ zuordnen. Weiterhin beziehe sich der Begriff „FLUTE“ lediglich auf die Riffelung der Wellpappe. Darüber hinaus sei das Gesamtzeichen „MASTERFLUTE“ auch nicht sprachüblich gebildet, da in der englischen Sprache zusammengesetzte Begriffe in Form von verbundenen Worten nicht existieren. Die „Meisterriffelung“ sei allenfalls mit „mastered flute“, „master's flute“ oder „flute by a master“ ins Englische zu übersetzen. Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf die Eintragungen der Marken „MASTERTENT“, „VELO-MASTER“, „MESSAGE-MASTER“, „MASTER-RENT“, „MASTER CLIP“ und „Master-Stauden“ sowie auf die irische Voreintragung des Zeichens „MASTERFLUTE“, denen nach Meinung der Beschwerdeführerin jedenfalls eine Indizwirkung zukommen müsse.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß §§ 66, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

13

1. Die Markenstelle für Klasse 16 – Internationale Markenregistrierung – hat zu Recht der internationalen Marke teilweise den Schutz verweigert, da dem Zeichen „MASTERFLUTE“ für die insoweit beschwerdegegenständlichen Waren jedenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft nach §§ 119 Abs. 1, 124, 113 Abs. 1, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 PMMA, Art. 6quinquies B Ziffer 2 PVÜ fehlt.

a)

14

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 - Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 - AUDI AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 12 - smartbook; GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173 Rn. 15 - for you; GRUR 2014, 565 Rn. 12 - smartbook; GRUR 2012, 270 Rn. 8 - Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben).

15

Ebenso ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes – zusammengesetztes – Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel KGaA [Henkel]; BGH GRUR 2015, 173 Rn. 16 - for you). Eine analysierende Betrachtungsweise ist unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung von Waren ergibt (BGH GRUR 2014, 564 Rn. 24 - smartbook). Allerdings schließt der Grundsatz der Gesamtbetrachtung es nicht aus, dass die einzelnen Markenbestandteile zunächst getrennt geprüft werden (EuGH GRUR 2010, 534 Rn. 43 Prana Haus GmbH/HABM [PRANAHAUS]; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 186).

16

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [Matratzen Concord/Hukla]; Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 41).

17

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung (BGH GRUR 2015, 1012 Rn. 8 - Nivea-Blau; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Koninklijke KPN Nederland VN/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; BGH a. a. O. Rn. 11 - Link economy). Gleiches gilt, wenn die Wortzeichen aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 569 Rn. 14 - HOT; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850 Rn. 28f. - FUSSBALL WM 2006). Es reicht aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren beschreiben kann (EuGH a. a. O. Rn. 97 [Postkantoor]).

b)

18

Der IR-Marke steht nach den vorgenannten Grundsätzen im Umfang der Schutzrechtsverweigerung durch das DPMA für die Waren „paper and paper articles, cardboard and cardboard articles all included in this class; cardboard and paper packaging“ das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen. Der hier vornehmlich angesprochene Verkehrskreis des Fachpublikums wird in der IR-Marke wegen der darin enthaltenen Sachaussage in Bezug auf die beanspruchten Waren keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.

aa)

19

Das um Schutz nachsuchende Gesamtzeichen „MASTERFLUTE“ besteht aus den Bestandteilen „MASTER“ und „FLUTE“.

(1)

20

Seinen Ursprung hat der Wortbestandteil „MASTER“ in dem lateinischen Ausdruck „Magister“, welcher für „Lehrer, Vorsteher und Meister“ steht (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 21. Aufl., Band 17, Stichwort: Master). Neben der englischen Anrede für „junger Herr“ kann es die Bedeutungen haben: akademischer Grad, (sportlicher) Leiter bei Parforcejagden, bestimmender Teil einer technischen Anlage sowie Originalkopiervorlage“ (vgl. Brockhaus, a. a. O., Stichwort: Master).

21

Der Wortbestandteil „MASTER“ wird in der Alltagssprache im Wesentlichen mit „Herr“, „Könner“ oder „(Lehr)Meister“ übersetzt (vgl. PONS, Online-Wörterbuch) und hat Eingang in die deutsche Sprache gefunden (vgl. BPatG, Beschluss vom 28.04.1995, 32 W (pat) 73/95 – Ecomaster). Im Bereich des Sports wird das Wort "Master" von Tennis- und Golfinteressierten, aber auch von Fußballfans, ohne weiteres mit "Meister, Sieger, Meisterschaft" in Verbindung gebracht. Im deutschen Sprachgebrauch ist der Zeichenbestandteil dem allgemeinen Publikum ferner auch aus Wortzusammensetzungen bekannt, wie „Talkmaster“, „Quizmaster“, „Showmaster“ und „Webmaster“.

22

Die Bezeichnung "Master" bzw. "Meister" wird aber keineswegs nur für Personen verwendet, sondern auch für Waren. Mit dem Wortelement „MASTER“ werden Produkte gekennzeichnet, die als besonders gut und exklusiv gelten (BPatG, Beschluss vom 15.12.2004, BPatG 29 W (pat) 93/03 – AuditMaster; BPatGE 35, 249 – Finishmaster; Carstensen/Busse, Anglizismen-Wörterbuch, Band 2, Berlin u. a. 2001, Stichwort: Master). Insgesamt weist das Wortelement auf ein Alleinstellungsmerkmal und/oder (hohe) Qualitätsfunktion hin (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 30.04.1999, 33 W (pat) 215/98 – MASTER STROKE; Beschluss vom 08.11.2005, 33 W (pat) 265/03 – MASTER UNIT; Beschluss vom 28.04.1995, 32 W (pat) 73/95 – Ecomaster).

(2)

23

Das Wort „FLUTE“ stammt aus dem Englischen und hat neben der aus dem englischen Grundwortschatz bekannten Bedeutung „Flöte“ u. a. die technischen Bedeutungen „Welle der Wellpappe“, „Furche“, „Riffelung“, „Nut“ oder „Rille“ (vgl. www.leo.org (Onlinewörterbuch), Stichwort: FLUTE; Katz/Heisch, Fachwörterbuch Papier, 4. Aufl., Stichwort: FLUTE; Göttsching/Katz, Papier-Lexikon, Gernsbach 1999, Stichwort: Fluting). Unter „Fluting“ wird im Fachbereich ein Rohpapier aus Halbzellstoff zur Herstellung von Wellpappe verstanden (vgl. www.igepa.de, Lexikon, Stichwort: Fluting). Bei den Wellpappenarten wird - abhängig von den Wellenprofilen - zwischen A-, B-, C- usw. Flutes unterschieden (vgl. bspw. Fachwörterbuch Medienenglisch unter www.mediencommunity.de; Güte- und Prüfbestimmungen für Wellpappe entsprechend DIN 55468-1; www.ce-pe.de, Firmenbeschreibung). Diese Bezeichnungen werden und wurden bereits vor dem Anmeldetag (06.10.2010) der vorliegenden IR-Marke auch in der deutschsprachigen Fachterminologie verwendet (vgl. bspw. die deutschsprachige Europäische Patentschrift EP1 165 310 B1 mit Anmeldetag 25. März 2000: Spalte 3 [0013] „…z. B. eine zweiwellige Wellpappe (BC-Flute, AA-Flute) kann verwendet werden“) oder die Werbebroschüre „Graphic Packaging International - Partnerschaft fördert Synergien“ aus dem Jahr 2007: „Das Unternehmen ist bekannt für innovative Verpackungen, wie beispielweise mikrowellentaugliche Kartons und Z-Flute (‚Null-Welle‘) sowie Kartons …“; ROBA schließt Wellpappenwerk in Raubling: … “Das Werk in Raubling hat ROBA im Jahr 2006 … übernommen. Produziert wurde damals Schwerwellpappe, vornehmlich in C- und B-Wellen. Später erweiterte sich das Produktionsprogramm auf E-Flute und BE-Flute Qualitäten…“.

24

Daneben werden beispielsweise Wellpappenarten mit feineren Wellen von deutschsprachigen Fachkreisen als „Microflutes“ (vgl. den Artikel „Den Verpackungshorizont erweitern“ vom 15. Februar 2006, erhältlich unter www.foodaktuell.ch) und auch mit nicht genormten Begriffen wie Miniwelle, Mikrowelle, Grafikwelle, Kaiserwelle bezeichnet (vgl. Wikipedia, Stichwort: Wellpappe). In diese Bezeichnungen fügt sich „Meisterwelle“ nahtlos ein.

(3)

25

Auf das Vorbringen der IR-Markeninhaberin, wonach die Zusammenfügung der Worte „MASTER“ und „FLUTE“ zum Gesamtwort „MASTERFLUTE“ im Englischen sprachunüblich sei, kommt es nicht an, solange der (Fach-)Verkehr aufgrund ihm bekannter, ähnlich gebildeter Begriffe lediglich einen Sachhinweis in dem Begriff sieht. Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines Begriffs setzt im Übrigen nicht voraus, dass der Verkehr mit der Bezeichnung eine konkrete Vorstellung über besondere Eigenschaften der Waren verbindet, die unter der Wortfolge angeboten werden. Von einem beschreibenden Begriff kann auch dann auszugehen sein, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (BGH, a. a. O. Rn. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rn. 13 – Deutschlands schönste Seiten). Bei Oberbegriffen und Sammelbezeichnungen ist eine gewisse Unschärfe und Allgemeinheit unvermeidbar oder gewünscht, um einen möglichst weiten Bereich warenbezogener Eigenschaften beschreibend zu erfassen. Die branchenüblich gebildete Wortkombination „MASTERFLUTE“ weist aufgrund fehlender syntaktischer oder semantischer Besonderheiten im vorliegenden Gesamtzusammenhang keinen über eine bloße Aneinanderreihung der Bedeutungen der einzelnen Wortbestandteile hinausgehenden Bedeutungsinhalt auf.

bb)

26

Der hier angesprochene (Fach-)Verkehrskreis versteht den Gesamtbegriff „MASTERFLUTE“ aus den vorgenannten Gründen als Sachhinweis auf eine (Well-)pappe, die besonders hohen Qualitätsanforderungen genügt. Als Herkunftshinweis zur Unterscheidung von Produkten eines Unternehmens von einem anderen wird er ihn dagegen nicht erkennen.

(1)

27

Die beteiligten Verkehrskreise sind vorliegend im Stande trotz einer fremdsprachigen Angabe die Bedeutung des Markenwortes zu erkennen (EuGH a. a. O. Rn. 24 – [Matratzen Concord/Hukla]). Zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören der Handel, zu dem der Fachverkehr der Papierindustrie zählt, und der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher. Vorliegend ist nicht nur lediglich auf den Endverbraucher als angesprochenen Verkehrskreis abzustellen. Zwar richtet sich der Verkauf der Ware „cardboard“ (Pappe, Karton) u. a. auch an den Endverbraucher, indes wird diese – wie auch die übrigen Waren – von Fachunternehmen hergestellt und von (Zwischen-)Händlern vertrieben, so dass diese ebenfalls zum angesprochenen (Fach-)Verkehrskreis zählen. Dies gilt insbesondere für die Waren „Paper and paper articles“, die auch als Rohmaterial für die weitere industrielle Produktion verwendet werden können.

(2)

28

Der beschreibende Charakter fremdsprachiger Markenwörter ist bereits dann rechtlich relevant, wenn er zumindest von den am Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt wird. Fachkreise verfügen generell über spezielle Sprachkenntnisse, so dass sich ihnen der Sinngehalt der IR-Marke erschließen wird. Dies ist für die englische Sprache bei dem am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreis mit Bezug zur Papierindustrie der Fall. Dieser Fachverkehr verfügt in seinem Fachgebiet über vertiefte englischsprachige Kenntnisse, wie die englischsprachigen Produktbeschreibungen deutscher Unternehmen belegen. Solche Kenntnisse sind zu berücksichtigen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 25 – 31 [PRANAHAUS]) und vorliegend maßgeblich. Dies gilt nicht nur für den Begriff „MASTER“, sondern auch für den Begriff „FLUTE“. Bei letzterem handelt es sich um einen geläufigen Ausdruck aus dem Fachbereich der Papier- und Drucktechnik (vgl. Normann/Schlegel, Fachwörterbuch für Papier- und Drucktechnik, Englisch-Deutsch, Frankfurt a.M., 2009, Stichwort: Flute).

cc)

29

Das Verständnis des angesprochenen (Fach-)Verkehrskreises von der IR-Marke im Sinne einer (Well-)pappe, die besonders hohen Qualitätsanforderungen genügt, mithin „meisterlich“ ist, ergibt sich für ihn unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken in Bezug auf die hier noch beanspruchten Papier-, Karton- und Verpackungswaren. Ein solcher beschreibender Bezug liegt für den angesprochenen Fachverkehr bereits deshalb nahe, weil zum einen der Begriff „MASTER“ in der Papier-, Druck- und Verpackungsbranche als Firmenbezeichnung oder für Werbezwecke beliebt und verbreitet ist (vgl. bspw. M…- … GmbH als Verpackungsdruckerei; M1… oHG oder die deutschsprachige Internetseite www.pillopak.nl). Zum anderen, weil der Fachverkehr den Begriff „FLUTE“ für die hier beanspruchten Waren Papier und Pappe (auch für Verpackungszwecke) als übliche beschreibende Angabe verwendet und auch so versteht. Denn entgegen dem Vorbringen der IR-Markeninhaberin ist dem deutschsprachigen Fachverkehr der Terminus „FLUTE“ nicht nur als „Welle“ und „Welle der Wellpappe“ geläufig, sondern auch als Produktbezeichnung für verschiedene (Wellpappenroh)Papiere. Die Firma K… bewirbt Wellpappenrohpapiere, die sich zur Weiterverarbeitung eignen, indem Verpackungen und Erzeugnisse aus Wellpappe hergestellt werden können. Grundlage der Weiterverarbeitung sind Papiere (Flutes) mit spezifischen Produkteigenschaften (Flächengewichten). Gleiches gilt für die von der Firma P…- … hergestellten Wellpappenrohpapiere der Linie „Palm FLUTE HP“. Der Begriff „MASTERFLUTE“ wird in diesem Marktsegment im Übrigen bereits in Verbindung mit Kaschiermaschinen, die zur Herstellung von Wellpappen dienen, verwendet (vgl. Asitrade MASTERFLUTE – Kaschiermaschine, www.bobst.com/de; Asitrade Masterflute, www.printpackmachinery.com).

c)

30

An dieser Sach- und Rechtslage vermögen auch die von der IR-Markeninhaberin angeführten nationalen und internationalen Voreintragungen nichts zu ändern.

31

Ein Eingehen auf die genannten Voreintragungen (von Wortfolgen) ist nicht veranlasst, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können (BGH a. a. O., Rn. 20 – Deutschlands schönste Seiten). Zum anderen darf auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. BGH GRUR 2014, 376 Rn. 19 – grill meister; GRUR 2012, 276 Rn. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.). Auch ausländische Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken, auf die sich die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem DPMA berufen hat, haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung (vgl. BGH a. a. O., Rn. 30 – HOT; Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 45, 46 m. w. N.). Die von der IR-Markeninhaberin benannten eingetragenen Wortmarken unterscheiden sich im Übrigen bereits begrifflich von dem hier um Schutz nachsuchenden Zeichen, beziehen sich auf andere Waren und Dienstleistungen und liegen zum Teil zudem weit zurück. Die Gemeinschaftsmarke „SUPAFLUTE“ (Reg.Nr.: 010002806) unterscheidet sich deutlich von der IR-Marke, weil „Supa“, anders als „Master“ keine offensichtliche Bedeutung hat.

32

2.  Auf die Frage, ob ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, kommt es nach vorstehenden Ausführungen nicht mehr an.