Entscheidungsdatum: 25.03.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 014 701
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Uhlmann und Akintche
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Februar 2012 aufgehoben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren und Dienstleistungen
Verbandmaterial; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 3 und 5; medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere
zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der vorgenannten Waren und Dienstleistungen wird die Löschung der Marke 30 2009 014 701 angeordnet.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortmarke
Mevida
ist am 12. März 2009 angemeldet und am 5. August 2009 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 3, 5, 10, 35 und 44 eingetragen worden. Nach einem vor dem DPMA erklärten Teilverzicht lautet das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt:
Klasse 05: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster; Verbandmaterial;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klassen 3, 5 und 10;
Klasse 44: medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Dienstleistungen im Bereich Land-, Garten- oder Forstwirtschaft.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 4. September 2009 veröffentlicht wurde, hat die ursprüngliche Beschwerdeführerin und frühere Inhaberin der älteren mit Schutzerstreckung auf die EU international registrierten Marke 881 365
MELVITA
die geschützt ist für folgende Waren der
Klasse 03: Préparations pour blanchir et autres substances pour lessiver; préparations pour nettoyer, polir, dégraisser et abraser; savons; parfumerie; huiles essentielles, cosmétiques, lotions pour les cheveux; dentifrices;
(Bleaching preparations and other substances for laundry use; cleaning, polishing, scouring and abrasive preparations; soaps; perfumery; essential oils, cosmetics, hair lotions; dentifrices);
Klasse 05: Produits pharmaceutiques, vétérinaires et hygiéniques; substances diététiques à usage médical; aliments pour bébés;
(Pharmaceutical, veterinary and sanitary preparations; dietetic substances adapted for medical use; food for babies);
Klasse 30: Riz, tapioca, sagou; farines et préparations faites de céréales, pain, pâtisserie et confiserie, glaces comestibles; miel, sirop de mélasse; levure, poudre pour faire lever; sel, glace à rafraîchir;
(rice, tapioca, sago; flours and cereal preparations, bread, pastry and confectionery, ices; honey, treacle syrup; yeast, baking-powder; salt, ice for refreshment);
Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat mit Beschluss vom 17. Februar 2012 auf den Widerspruch die angegriffene Marke teilweise gelöscht, nämlich für die Waren „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster“, und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. In Bezug auf die von der Löschung umfassten Waren liege Warenidentität bzw. enge Ähnlichkeit vor. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klassen 10“ sowie der „Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“ der Klasse 44 bestehe schon eine die Verwechslungsgefahr ausschließende Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen; im Übrigen lägen die angegriffenen Waren und Dienstleistungen nur im entfernten Ähnlichkeitsbereich. Der Widerspruchsmarke sei noch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen, auch wenn der häufig in Marken verwendete Wortbestandteil „VITA(L)“ einen beschreibenden Anklang besitze und für sich gesehen kennzeichnungsschwach sei. Im Bereich identischer und eng ähnlicher Waren reichten im Hinblick auf die Übereinstimmungen bzw. Annäherungen in der Buchstabenfolge Me-vi-a, der Vokalfolge, der Silbengliederung und im Sprech- und Klangrhythmus die Unterschiede der Klangbilder der Vergleichsmarken nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr ausreichend sicher auszuschließen, so dass insoweit der Widerspruch Erfolg habe. Im Übrigen sei aber ein ausreichender Abstand der jüngeren Marke zur Widerspruchsmarke gewahrt.
Gegen die Teilzurückweisung ihres Widerspruchs richtet sich die Beschwerde der ursprünglich Widersprechenden und Rechtsvorgängerin der jetzigen Beschwerdeführerin vom 15. März 2012.
Sie trägt vor, die Markenstelle sei zutreffend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Die Übereinstimmungen der Vergleichsmarken würden bei weitem die zu vernachlässigenden Abweichungen überwiegen, so dass von einer deutlichen Markenähnlichkeit auszugehen sei; vor allem in klanglicher Hinsicht habe der angesprochene Verbraucher kaum die Möglichkeit zu einer Unterscheidung. Gerade auf dem Gebiet der Kosmetika und medizinischen Produkte sei aber auch mit mündlichen Bestellungen zu rechnen. Eine Verwechslungsgefahr sei über die von der Markenstelle zutreffend gelöschten Waren hinaus daher auch für die übrigen Waren und Dienstleistungen zu bejahen, selbst wenn diese im entfernteren Ähnlichkeitsbereich lägen. Da sich die angegriffenen Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- oder Forstwirtschaft ausreichend von den Waren der Widerspruchsmarke unterschieden, werde insoweit der Widerspruch zurückgenommen. Im Übrigen liege aber Verwechslungsgefahr vor. Die Beschwerdeführerin hält mit näherer Begründung die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen für ähnlich zu den Widerspruchswaren.
Nach Übertragung der Widerspruchsmarke auf die jetzige Beschwerdeführerin ist diese im Februar 2013 als neue Markeninhaberin in das bei der WIPO geführte internationale Markenregister eingetragen worden und hat das Beschwerdeverfahren mit Erklärung vom 16. März 2015 übernommen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Februar 2012 aufzuheben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen wurde und die Eintragung der Marke 30 2009 014 701 auch für die übrigen noch angegriffenen Waren und Dienstleistungen zu löschen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke sei kennzeichnungsschwach. Diese Kennzeichnungsschwäche sei auch nicht durch Benutzung überwunden. Soweit die Beschwerdeführerin behaupte, dass sie nicht nur die Waren selbst mit ihrer Marke kennzeichne, sondern auch ihren Internetshop, werde das mit Nichtwissen bestritten. Zum einen zeige dieser Internetauftritt nicht die fokussierten Waren der Klasse 5, sondern allenfalls Kosmetika der Klasse 3. Zum anderen sei nicht erkennbar, was der Internetauftritt unter „de.melvita.com“ mit der Widersprechenden und/oder der jetzigen Inhaberin der Widerspruchsmarke zu tun haben solle. Denn im Impressum sei als Dienstleistungsanbieter eine dritte Firma, die „L… GmbH“ angegeben. Ferner sei eine rechtlich relevante Zeichenähnlichkeit nicht festzustellen, weil die Kollisionslage auf dem medizinischen Fachgebiet liege und daher besonders große Aufmerksamkeit beim Endverbraucher und dem Fachpublikum herrsche. Im Register seien zahlreiche „vi-da“ und „vi-ta“ – Marken zu recherchieren, so dass davon auszugehen sei, dass die unterschiedlichen Konsonanten „T“ und „D“ weder übersehen noch überhört würden. Hinzu komme für den stärker beachteten Wortanfang, dass die dortigen Unterschiede zwischen den verschieden langen Anfangssilben „me“ und „mel“ schon für sich betrachtet aus einer Zeichenähnlichkeit herausführten. Wegen der allenfalls geringen Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke und ihres damit einhergehenden geringen – letztlich auf Doppelidentität zu beschränkenden – Schutzumfangs sowie andererseits wegen der für den maßgeblichen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbaren Zeichenunterschiede scheide aus Rechtsgründen eine Verwechslungsgefahr selbst insoweit aus, als identische Waren betroffen sein könnten, worauf es aber hier nicht mehr ankomme. Eine Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für die Einzelhandelsdienstleistungen. Dem stehe auch die BGH-Entscheidung zu „Otto CAP“ nicht entgegen, da dieser eine andere Kollisionslage zu Grunde lag; denn dort sei – anders als im hiesigen Streitfall – in den beanstandeten Bezeichnungen die ältere Wortmarke identisch enthalten. Nach alledem seien die Beschwerde und der noch zu Grunde liegende Widerspruch zurückzuweisen, wobei der Widersprechenden zugleich die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien. Andernfalls sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen, um dem BGH die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob aus seiner Sicht die Verbrauchererwartung fernliege, dass für eine Einzelhandelsdienstleistung nicht auch eine (nahezu) identische Marke benutzt werde, sondern – was hier nicht einmal der Fall sei – eine „nur“ im klanglichen, schriftbildlichen und/oder begrifflichen Ähnlichkeitsbereich liegende andere Marke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das angesprochene Publikum insoweit eine klangliche Verwechslungsgefahr, Art. 151 Abs. 1 und 2 GMV i. V. m. §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Im Übrigen ist aber eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen und daher die Beschwerde zurückzuweisen.
Nachdem die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ihren Widerspruch bezüglich der „Dienstleistungen im Bereich Land-, Garten- oder Forstwirtschaft“ zurückgenommen und der Inhaber der angegriffenen Marke keine Beschwerde gegen die Teillöschungsanordnung durch die Markenstelle eingelegt hat, sind nur die Waren und Dienstleistungen „Verbandmaterial; Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klassen 3, 5 und 10; medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“ beschwerdegegenständlich.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 Rn. 18 – PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484 Rn. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905 Rn. 12 – Pantohexal; GRUR 2008, 258 Rn. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859 Rn. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60 Rn. 12 – coccodrillo m. w. N.). Allerdings kann eine absolute Waren-/Dienstleistungsunähnlichkeit selbst bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR Int. 2009, 911 Rn. 34 - Waterford Wedgwood/HABM [WATERFORD STELLENBOSCH]; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 9 - DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1145 Rn. 34 - Pelikan; GRUR 2009, 484 Rn. 25 - METROBUS).
1. Ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen teilweise eine Ähnlichkeit, ein Teil der angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35 liegt dagegen außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs zu den Waren der älteren Marke.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 15 – CANON; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO). Soweit sich Dienstleistungen und Waren gegenüberstehen, ist anerkannt, dass trotz der grundlegenden Abweichung zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung bzw. dem Vertrieb einer körperlichen Ware grundsätzlich eine Ähnlichkeit in Betracht kommen kann (vgl. BGH GRUR 2004, 241 –GeDIOS; GRUR 1999, 731 – Canon II). Dazu muss bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen, dass Ware und Dienstleistung der Kontrolle desselben Unternehmens unterliegen, sei es, dass das Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung oder dem Vertrieb der Ware befasst, sei es, dass der Warenhersteller oder -vertreiber sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsgebiet betätigt (vgl. BGH GRUR 1989, 347 – MICROTRONIC).
Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO).
a) Die Waren der Klasse 5 „Verbandmaterial“ der angegriffenen Marke sind ähnlich zu den Widerspruchswaren „Produits pharmaceuti-ques/Pharmaceutical preparations/pharmazeutische Produkte“; anders als die Markenstelle geht der Senat aber nicht nur von einem entfernten, sondern von einem mindestens mittleren Ähnlichkeitsgrad aus. Verbandmaterial ist ein “zum Anlegen eines Verbands dienendes Material wie Binden, Mullstreifen, Heftpflaster“ (www.duden.de). Auf der Homepage des BVMed - Bundesverbandes Medizintechnologie e.V. – findet sich zu Verbandmitteln bzw. Verbandmaterialien zudem folgende Erläuterung:
„Verbandmittel sind Produkte, die dazu bestimmt sind, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken oder deren Körperflüssigkeit aufzusaugen. Dies sind z. B. Wund- und Heftpflaster (Pflasterverbände), Kompressen, Mittel zur feuchten Wundversorgung, Mull- und Fixierbinden, Gipsverbände, Mullkompressen, Nabelkompressen, Stütz-, Entlastungs-, Steif- oder Kompressionsverbände sowie Verbandmittel zum Fixieren oder zum Schutz von Verbänden. Zu den Verbandmitteln zählt auch das Trägermaterial, das arzneilich wirkende Stoffe für oberflächengeschädigte Körperteile enthält. Insbesondere können sie Blutungen stillen, Exsudate aufsaugen, Wunden reinigen, vor äußeren Einflüssen schützen, Granulation fördern, heilungsförderndes Mikroklima schaffen, bewahren und/oder wiederherstellen, Körperteile stützen, verbinden, umhüllen, komprimieren, Arzneimittel applizieren, Schmerzen verhindern oder lindern. Beispiele für Verbandmittel sind z. B. moderne Wundversorgungsprodukte: z. B. Alginate, Hydrogele, Hydrokolloide, Schäume, antimikrobielle Wundauflagen (z. B. mit Silber, Polyhexanid oder physikalischen Wirkprinzipien), aktive Wundtherapeutika, Kollagen-Wundauflagen, Hydrofasern, Glycerin-Gel, Wundauflagen mit Elektrodeneigenschaften, Verbandsets, Verbandwatte, Kompressen, Tamponaden, Fixierbinden und -pflaster, Wundpflaster, Wundschnell- und Heftpflaster, Kompressions-, Stütz-, Entlastungs- und Steifverbände, Gipsverbände, Zinkleimbinden.“.
Dies zeigt, dass es sich bei der Ware „Pflaster“ um Verbandmaterial handeln kann, dieses mithin von dem Oberbegriff „Verbandmaterial“ umfasst wird. Die von der Markenstelle vorgenommene unterschiedliche Behandlung von „Pflastern“ einerseits - enge Ähnlichkeit zu „pharmazeutischen Produkten“ - und „Verbandmaterial“ andererseits - nur entfernte Ähnlichkeit zu den Widerspruchswaren - ist daher nicht (mehr) gerechtfertigt.
Zwar sind Verbandmittel (und Pflaster) Medizinprodukte und keine Arzneimittel. Die oben aufgeführte Erläuterung des BVMed zeigt aber, dass sich die beiden Produktgruppen Arzneimittel einerseits und Pflaster/Verbandmaterial andererseits immer mehr verzahnen. Insbesondere im Bereich der Hautpflege können sich Überschneidungen bei der Anwendung der jeweiligen Produkte ergeben, z. B. bei Präparaten mit dermatologischem Einschlag. „Verbandmaterial“ kann dazu dienen, auf die Haut aufgebrachte oder über die Haut abzugebende Wirkstoffe abzudecken bzw. zu fixieren, um den Heilungsprozess zu fördern, so dass sich die Waren dadurch ergänzen können. Außerdem besteht eine Entwicklung zu - von den Warenoberbegriffen der Widerspruchsmarke umfassten - Pflastern und Verbandmaterial mit darauf bzw. darin angebrachten Wirkstoffen (vgl. BPatG, Beschluss vom 24.11.2008, 25 W (pat) 37/07). Daher kann der Verkehr bei (vermeintlich) identischer Kennzeichnung leicht annehmen, dass die Produkte aus dem gleichen Betrieb stammen.
Es liegt deshalb eine jedenfalls mittlere Ähnlichkeit zwischen „Verbandmaterial“ und dem weiten Oberbegriff „pharmazeutische Produkte“ der Widerspruchsmarke vor.
b) Die Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten“ der jüngeren Marke sind unähnlich zu den Widerspruchswaren; es sind hier keinerlei relevante Berührungspunkte festzustellen und von der Widersprechenden auch nicht vorgetragen.
c) Zwischen den „Einzelhandelsdienstleistungen mit den Waren der Klasse 3 und 5“ und den Widerspruchswaren der Klasse 3 und 5 ist wegen der Identität dieser Waren mit dem Sortiment der Handelsdienstleistungen eine durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen.
Der Bundesgerichtshof (GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP) hat zur Frage der Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zur Branchenähnlichkeit nach § 15 Abs. 2 MarkenG (vgl. GRUR 2012, 635 Rdnr. 16 – METRO/ROLLER’s Metro) festgestellt, dass es für die Annahme einer Ähnlichkeit ausreicht, wenn sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen. Davon ist für das Verhältnis zwischen Waren und den hierauf bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen u. a. dann auszugehen, wenn große Handelshäuser in dem betreffenden Warensektor neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten. Diese Voraussetzungen sind auch beim Einzelhandel mit Waren der Klasse 3 und 5 gegeben.
Soweit der Beschwerdegegner in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die BGH- Entscheidung zu „Otto Cap“ nicht einschlägig sei, weil sich im vorliegenden Fall keine (nahezu) identischen Marken gegenüberstünden, greift dieser Einwand nicht; denn er vermengt hier die Frage der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit, die – wie oben ausgeführt - unter Zugrundelegung identischer Zeichen geprüft wird, mit der des Grades der tatsächlichen Markenähnlichkeit.
Im Bereich des Einzelhandels von Waren der Klasse 3, also u. a. von Kosmetika und Parfümerieartikeln - Anbieter sind u. a. auch Drogeriemärkte wie d…, R…, M… sowie Kosmetikketten wie D…, P…, I… - sind vielfach Eigenmarken etabliert. Hier ist daher von durchschnittlicher Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit auszugehen.
Bei den Widerspruchswaren der Klasse 5 „Préparations hygiéniques/sanitary preparations/Hygieneartikel“ kann es sich um Baby- und Inkontinenzwindeln handeln; auch in diesem Bereich bieten Einzelhändler Eigenmarkenprodukte an. Entsprechendes gilt auch für „aliments pour bébés/food for babies/Babynahrung“ (z. B. d…-Marke „babylove“ für Babybrei). Auch zwischen den Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 5 und den Widerspruchswaren aus dieser Klasse besteht daher mittlere Ähnlichkeit.
In Bezug auf die „Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 10“ ist dagegen keine Ähnlichkeit zu den Widerspruchswaren festzustellen. Denn die Widerspruchsmarke ist nur für Waren der Klasse 3 und 5 geschützt, nicht aber für solche der Klasse 10. Einzelne Waren aus der Klasse 10 – hierzu gehören z. B. Geräte für physikalische Therapie, Gehörschutzgeräte, Hilfen zur Nahrungsaufnahme und Schnuller, Sexhilfen, medizinische und veterinärmedizinische Apparate und Instrumente, medizinische Möbel und Bettwaren, Ausrüstung zum Umlagern von Patienten, medizinische Bekleidung, Prothesen und künstliche Implantate, orthopädische Hilfen, Mobilitätshilfen, Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten – mögen ähnlich sein zu den Widerspruchswaren der Klasse 5. Dies führt aber nicht dazu, dass auch die „Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 10“, die regelmäßig von Sanitätshäusern und teilweise auch von Apotheken angeboten werden, ebenfalls noch im Ähnlichkeitsbereich hierzu liegen würden, denn die Dienstleistungen beziehen sich jedenfalls nicht - wie es erforderlich wäre - konkret auf die Widerspruchswaren.
d) Die „medizinischen und veterinärmedizinischen Dienstleistungen“ der Klasse 44 der angegriffenen Marke sind – unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Ähnlichkeitskriterien zwischen Dienstleistungen einerseits und Waren andererseits - ohne weiteres ähnlich zu den Widerspruchswaren „Produits pharmaceutiques et vétérinaires/Pharmaceutical and veterinary preparations/pharmazeutische und veterinärmedizinische Präparate“ (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Auflage, S. 348 li. Sp.; S. 11 li. Sp. unten zu Arzneimittel ./. medizinische und pharmazeutische Beratung; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 09.02.2012, 25 W (pat) 45/10). Es handelt sich bei diesen Dienstleistungen um weite Oberbegriffe, die neben dem typischen Ergänzungsverhältnis weitere Berührungspunkte zu den Widerspruchswaren aufweisen. So stellt eine nicht unerhebliche Zahl der Erbringer dieser Dienstleistungen die dafür verwendeten Produkte selbst her. Dies gilt zwar weniger für Ärzte, die sich üblicherweise von Apotheken beliefern lassen, wohl aber für Heilpraktiker und Alternativmediziner sowie Vertreter der traditionellen chinesischen Medizin, die vielfach nur Rohstoffe oder Grundmaterialien beziehen und diese dann entsprechend der Diagnose dosieren, zusammenführen und zubereiten (BPatG, Beschluss vom 31.01.2013, 30 W (pat) 528/11).
Dasselbe gilt für „veterinärmedizinische Dienstleistungen“. Im Bereich der Tiermedizin und ist das Selbstzubereiten oft schon deshalb erforderlich, weil keine speziellen Medikamente im Handel erhältlich sind. Insoweit besteht ohne Weiteres Ähnlichkeit dieser Dienstleistungen zu den Waren „produits vétérinaires“ (BPatG, Beschluss vom 31.01.2013, 30 W (pat) 528/11).
e) Die „Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen“ der Klasse 44 ist eng ähnlich zu den Widerspruchswaren „cosmétiques/cosmetics/Kosmetika“ (vgl. BPatG, Beschluss vom 11.03.2004 – 25 W (pat) 211/01; Beschluss vom 21.12.2004, 24 W (pat) 182/03). Die „Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere“ ist ohne weiteres ähnlich zu den Widerspruchswaren „veterinärmedizinische Produkte“ (vgl. auch hierzu BPatG 30 W (pat) 528/11).
Im Umfang der angegriffenen Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Waren der Klasse 10“ muss schon mangels Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit der Widerspruch und mithin die Beschwerde erfolglos bleiben.
Im Übrigen ist jedenfalls ein mittlerer Ähnlichkeitsgrad zu bejahen.
2. Die Widerspruchsmarke „MELVITA“ verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Zwar handelt es sich bei der Schlusssilbe „-vita“ um ein auf medizinischem Gebiet und im Gesundheitssektor häufig verwendetes Markenelement. Der aus der lateinischen Sprache stammende Begriff im Sinne von „Leben“ ist in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen (vgl. DUDEN online, www.duden.de). Im hier betroffenen Warenbereich kommt ihm zudem die Bedeutung „Lebensfunktion, Lebenskraft“ wie auch „Vitalität“ (vgl. BPatG, Beschluss vom 1.12.2003, 30 W (pat) 219/02) zu und hat er damit bezüglich der Widerspruchswaren beschreibende Anklänge. Gleichwohl ist der Widerspruchsmarke von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Denn die Anfangssilbe „Mel“ weist keine konkrete Bedeutung auf, so dass die Gesamtmarke als Fantasiebegriff aufgefasst wird.
Ausreichende Anhaltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch benutzte Drittmarken liegen nicht vor (vgl. hierzu Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 9 Rn. 174 ff.).
3. Angesprochener Verkehrskreis ist hier in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, die im Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchswaren liegen, neben den jeweiligen Fachverkehrskreisen auch die Allgemeinheit der Verbraucher. Erfahrungsgemäß begegnen die allgemeinen Verbraucher allem, was mit Schönheit und Gesundheit zu tun hat - auch der ihrer Haustiere (vgl. BPatG, Beschluss vom 11.03.2014, 29 W (pat) 533/13 - VITACUR/Verticur) - mit etwas erhöhter Aufmerksamkeit, so dass insgesamt eine solche zugrunde zu legen ist.
4. Bei dieser Ausgangslage – jeweils mindestens mittlere Ähnlichkeit der im Tenor genannten Waren bzw. Dienstleistungen, durchschnittliche Kennzeichnungskraft sowie etwas erhöhte Aufmerksamkeit – sind an den zum sicheren Ausschluss einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand nicht zu strenge Anforderungen zu stellen. Die angegriffene Marke wird diesen Anforderungen in klanglicher Hinsicht im tenorierten Umfang nicht mehr gerecht.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rn. 35 – Specsavers-Gruppe/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/ Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2008, 909 Rn. 13 – Pantogast; GRUR 2008, 905 Rn. 12 – Pantohexal). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR Int. 2014, 459 Rn. 42 – CLORALEX; GRUR Int. 2012, 754 Rn. 63 – XXXLutz Marken GmbH/HABM [Linea Natura Natur hat immer Stil]; GRUR Int. 2010, 129., Rn. 60 – [Carbonell/La Espaňola]; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/ Zweibrüder). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH GRUR 2014, 382 Rn. 25 – REAL-Chips; GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH MarkenR 2008, 393, Rn. 21 - HEITEC).
Nach Auffassung des Senats sind die Vergleichsmarken „Mevida“ und „MELVITA“ im klanglichen Gesamteindruck so deutlich angenähert, dass eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht mehr gewährleistet ist. Die Marken werden einerseits „me-wi-da“ und andererseits „mel-wi-ta“ ausgesprochen. Die Vergleichswörter stimmen in Silbenzahl, Vokalfolge (e-i-a) sowie in der Betonung und im Sprechrhythmus überein. Diese Gemeinsamkeiten erzeugen ein sehr ähnliches Gesamtklangbild. Die bestehenden Abweichungen sind demgegenüber gering.
Dieser Grad an klanglicher Zeichenähnlichkeit wird nicht durch einen erkennbaren abweichenden Sinngehalt beider Marken neutralisiert. Denn sowohl der Markenteil „-vita“ als auch der Markenteil „-vida“ bedeuten im Deutschen „Leben“. Wenn schließlich noch berücksichtigt wird, dass die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt, kann eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht mehr verneint werden.
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin mittlerweile ihre angegriffene Marke in einer grafischen Ausgestaltung benutzt, die von der benutzten grafischen Ausgestaltung der Widerspruchsmarke abweicht, spielt keine entscheidungserhebliche Rolle, da es im vorliegenden Verfahren auf die tatsächliche Benutzung der Marken nicht ankommt.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden waren der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Für die von Seiten des Beschwerdegegners beantragte Auferlegung der Kosten auf die Beschwerdeführerin ist bei dem dargestellten Ergebnis kein Raum. Auch im Übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG für das markenrechtliche Widerspruchsverfahren normierten Grundsatz, wonach jeder Beteiligte die ihm erwachsenden Kosten selbst trägt, abzuweichen.
Schließlich bestand auch für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG keine Veranlassung. Über die Frage der Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den darauf bezogenen Waren hat der BGH bereits entschieden.