Entscheidungsdatum: 18.07.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 052 127.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Juli 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Fabrik Paderborn
ist am 2. September 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 angemeldet worden. Nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses in Klasse 41 bezieht sich die Anmeldung noch auf Dienstleistungen der
Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 41:
Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbesondere Betrieb einer Diskothek, Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Party-Planung, Produktion von Shows;
Klasse 43:
Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.
Mit Beschluss vom 20. Juli 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das angemeldete Wortzeichen erkennbar aus den einfachen Begriffen "Fabrik" mit der Bedeutung "Fabrikanlage, Fabrik" und der geografischen Herkunftsangabe "Paderborn", einer nordrhein-westfälischen Stadt am Ostrand des Münsterlandes, zusammengesetzt sei und in ihrer Gesamtheit lediglich einen Hinweis auf irgendeine Fabrik/Fabrikanlage in Paderborn vermittele. Eine Internetrecherche belege, dass "Kulturzentren" mit dem Begriff "Fabrik" und einer geografischen Herkunftsangabe benannt würden, wie z. B. die Kulturzentren "Fabrik Frankfurt" und "Fabrik Hamburg" (Anlagen 3 und 4 zum Beanstandungsbescheid vom 18. Januar 2011, Bl. 10 f. VA). Sämtliche beanspruchten Dienstleistungen könnten im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Fabrik in Paderborn stehen. Die Werbedienstleistungen könnten sich thematisch auf irgendeine Paderborner Fabrik beziehen und die Unterhaltungsveranstaltungen und Bewirtungsdienstleistungen könnten in einer Fabrik in Paderborn angeboten, durchgeführt und erbracht werden. An dieser ohne weiteres verständlichen die hier beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Angabe bestehe auch ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber (vgl. BPatG 30 W (pat) 163/03 – Praxis Lichtenstein).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Juli 2011 aufzuheben.
Sie vertritt die Ansicht, das Bundespatentgericht habe in einer Vielzahl von Entscheidungen bestätigt, dass sich auch im Bereich von Veranstaltungsstätten die Übung herausgebildet habe, Kennzeichen zu verwenden, die sich aus dem Namen einer Region, Kommune und Einrichtungsbezeichnung, wie Stadion, Arena oder ähnliches - oder eben Fabrik - zusammensetzten (27 W (pat) 16/11 - Nordhessenhalle; 27 W (pat) 158/10 - Stadion an der Alten Försterei; 27 W (pat) 85/10 -Konstanzer Konzilgespräche; 27 W (pat) 218/09 - Ruhrstadion; 27 W (pat) 43/09 -Halle Münsterland). Das Publikum sei deshalb daran gewöhnt, einen betrieblichen Herkunftshinweis in dieser Form vermittelt zu bekommen und ihn von nicht markenmäßig benutzten Bezeichnungen, wie etwa "Halle in Nordhessen", "Münsterländer Halle", "Stadion an der Ruhr" - oder eben "Fabrik in Paderborn" bzw. "Paderborner Fabrik" - zu unterscheiden. Das Anmeldezeichen sei aus den Begriffen "Fabrik" als Bezeichnung einer industriellen Produktionsstätte und dem Namen der Stadt bzw. des Kreises "Paderborn" zusammengesetzt. Es sei jedoch nicht sprachüblich gebildet, denn üblicherweise spräche man von einer "Fabrik in Paderborn" oder einer "Paderborner Fabrik", wenn man lediglich die geografische Lage des Veranstaltungsorts beschreiben wolle. Die Bezeichnung sei somit nach den vom Bundespatentgericht entwickelten Grundsätzen als Etablissement-Bezeichnung unterscheidungskräftig und damit auch für damit die direkt zusammenhängenden typischen Dienstleistungen. Die von der Markenstelle nachgewiesenen Veranstaltungsstätten trügen nicht den Namen "Fabrik Hamburg" oder "Fabrik Frankfurt", sondern lediglich den Namen "Fabrik" bzw. "Die Fabrik". Die rein theoretische Möglichkeit, dass Wettbewerber ebenfalls Kulturveranstaltungen in einer Fabrik in Paderborn würden durchführen wollen, führe nicht zu einem Bedürfnis, die Bezeichnung "Fabrik Paderborn" für die Durchführung von Kulturveranstaltungen oder damit in Zusammenhang stehender Dienstleistungen freizuhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge "Fabrik Paderborn" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht das absolute Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
a)
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 – BIOMILD; GRUR 2008, 503 Rdnr. 22, 23 – ADIDAS II). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - BIOMILD). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist immer auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Bei geographischen Bezeichnungen scheidet das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nur aus, wenn nach dem Verständnis und den Vorstellungen der Endverbraucher die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen mit dem betreffenden Ort oder mit der Region vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden können (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 31 –Chiemsee).
b)
Ausgehend von diesen Vorgaben ist die angemeldete Wortfolge für die beanspruchten Dienstleistungen aus der Sicht der angesprochenen breiten Verkehrskreise unmittelbar beschreibend und daher im Interesse der Mitbewerber auf dem Markt freihaltebedürftig.
aa)
Das Anmeldezeichen setzt sich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache, nämlich dem Substantiv "Fabrik" und der geographischen Herkunftsangabe "Paderborn", zusammen.
aaa)
Das Substantiv "Fabrik" bezeichnet einen gewerblichen, mit Maschinen ausgerüsteten Produktionsbetrieb, einen Gebäudekomplex, in dem ein Industriebetrieb untergebracht ist oder (umgangssprachlich) die Belegschaft eines Industriebetriebes (Duden - Deutsches Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Ferner haben ehemalige (stillgelegte) Fabriken oftmals eine neue Verwendung als Kultur- und Kommunikationszentren gefunden, welche typischerweise Dienstleistungen der Unterhaltung sowie Aktivitäten kultureller und sportlicher Art anbieten. Ferner kann das Wort "Fabrik" auch in einem übertragenen Sinne als Hinweis auf die geistige oder gestalterische Produktivität der Dienstleistungsanbieter gedacht sein (BPatG 32 W (pat) 181/04 – eventfabrik trier).
bbb)
"Paderborn" ist eine etwa 145.000 Einwohner zählende Großstadt auf der Fläche von 179,5 qkm im Osten von Nordrhein-Westfalen und gehört als Universitäts- und Kreisstadt des Kreises Paderborn zur Region Ostwestfalen-Lippe (http://de.wikipedia.org/wiki/Paderborn).
bb)
Insgesamt hat die Bezeichnung "Fabrik Paderborn" für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise daher die Bedeutung eines in oder im Einzugsbereich der Stadt Paderborn gelegenen Produktionsbetriebes, Gebäudekomplexes oder Kultur- und/oder Kommunikationszentrums. Damit erschöpft es sich in der beschreibenden Angabe des Erbringungsortes der in Rede stehenden Dienstleistungen. Denn sämtliche angemeldeten Dienstleistungen aus den Bereichen der Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten (Klasse 35), Unterhaltung, sportlichen und kulturellen Aktivitäten, insbesondere Betrieb einer Diskothek, Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Party-Planung, Produktion von Shows, (Klasse 41) sowie der Verpflegung- und Beherbergung von Gästen (Klasse 43) können in einer in Paderborn gelegenen Fabrik angeboten und/oder erbracht werden. Ferner lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass es in einer Stadt von der Größenordnung Paderborns mit etwa 145.000 Einwohner auf einer Fläche von 179,5 qkm mehr als eine "Fabrik" mit einem ähnlichen Dienstleistungsangebot geben kann.
cc)
Der Annahme einer beschreibenden Angabe steht auch nicht entgegen, dass das aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzte Zeichen "Fabrik Paderborn" lexikalisch nicht nachgewiesen ist.
Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline; GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 97 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 38 - BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 39 f. – BIOMILD; a. a. O. Rdnr. 28 – SAT.2; a. a. O. 230 Rdnr. 29 - BioID; MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2012, 272, 274 Rdnr. 12 f. –Rheinpark-Center Neuss).
Die Bezeichnung "Fabrik Paderborn" ist zwar eine sprachliche Neuschöpfung, weil man üblicherweise eher von einer "Fabrik in Paderborn" oder einer "Paderborner Fabrik" spricht. Aber der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Der Durchschnittsverbraucher wird auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BGH a. a. O. Rdnr. 13 - Rheinpark-Center Neuss). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination. Auf die (auch) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 27. Senats des Bundespatentgerichts zugelassene und eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2011 (a. a. O. - Rheinpark-Center Neuss) der Auffassung, dass das Publikum der Zusammensetzung einer Einrichtungsbezeichnung und einer geographischen Angabe regelmäßig einen betrieblichen Herkunftshinweis entnehme, wie dies in den Verfahren 27 W (pat) 16/11 – Nordhessenhalle, 27 W (pat) 158/10 - Stadion an der Alten Försterei, 27 W (pat) 85/10 - Konstanzer Konzilgespräche, 27 W (pat) 218/09 – Ruhrstadion und 27 W (pat) 43/09 - Halle Münsterland angenommen wurde, eine Absage erteilt.
Die verfahrensgegenständliche Bezeichnung ist daher nicht geeignet, den Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem (einzigen) Betrieb zu vermitteln.
2.
Da das angemeldete Zeichen "Fabrik Paderborn" im Verkehr zur Beschreibung der von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen dienen kann und somit nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vorliegt.