Entscheidungsdatum: 21.12.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 062 112.5
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. Dezember 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Kortge und Dorn
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
arztrente
ist am 25. September 2008 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen zahlreicher Klassen angemeldet worden. Mit Beschluss vom 21. März 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung teilweise gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Zurückweisung bezieht sich auf die folgenden Waren und Dienstleistungen:
"Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Bücher; Bücher (kleine); Handbücher; Magazine (Zeitschriften); Prospekte; Rundschreiben; Veröffentlichungen (Schriften); Zeitschriften; Zeitschriften (Magazine); Zeitungen; Werbung; Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen; betriebswirtschaftliche Beratung; Buchführung; Buchprüfung; Dateienverwaltung mittels Computer; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers; Erstellen von Abrechnungen (Büroarbeiten); Erstellen von Statistiken; Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten (Verbraucherberatung); Marketing auch in digitalen Netzen; Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Preisermittlung für Dienstleistungen; Preisvergleichsdienste; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Unternehmensberatung; Verbraucherberatung; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen; Dienstleistungspräsentationen; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Dienstleistungen eines Aktuar; Dienstleistungen eines Finanz- und Versicherungsmaklers; Dienstleistungen von Rentenkassen; Erteilung von Auskünften in Versicherungsangelegenheiten; Erteilung von Finanzauskünften; Finanzanalysen; Finanzberatung; finanzielle Förderung; finanzielle Schätzungen (Versicherungsangelegenheiten); Finanzierungsberatung; Investmentgeschäfte; Krankenversicherungswesen; Lebensversicherungswesen; Sparkassengeschäfte; Unfallversicherungswesen; Vermittlung von Vermögensanlagen in Fonds; Vermittlung von Versicherungen; Vermögensverwaltung; Vermögensverwaltung durch Treuhänder; Versicherungsberatung".
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich die angemeldete Bezeichnung aus den beiden leicht verständlichen deutschen Begriffen "Arzt" und "Rente" zusammensetze. Dabei handele es sich um eine absolut sprachüblich gebildete Angabe, wie ein Vergleich mit den belegten Begriffen wie "Agrarrente", "Künstlerrente" und "Metallrente" zeige. Hinsichtlich der von der Eintragung zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen komme dem Anmeldezeichen ein eng beschreibender Sachaussagegehalt zu, der so deutlich und unmissverständlich hervortrete, dass er aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar sei, und zwar in dem Sinne, dass es sich hierbei um eine beschreibende Sach- und Inhaltsangabe bezüglich einer Rente für Ärzte handele bzw. ein enger unmittelbarer Sachzusammenhang der fraglichen Dienstleistungen zu einer Arztrente bestehe. Ersteres gelte insbesondere für Waren der Klasse 16, bei denen sofort erkennbar sei, dass das Wortzeichen als Inhaltsangabe geeignet sei. Auch Lehr- und Unterrichtsmittel könnten sich inhaltlich mit einer Rente für Ärzte befassen, darüber berichten oder informieren oder Gegenstand der Ausbildung beispielsweise für Versicherungsmakler bezüglich einer "arztrente" sein. Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 und 36 besitze das Zeichen einen beschreibenden Charakter in dem Sinn, dass eine Arztrente vertrieben, beworben, verwaltet werde, statistische Datenerhebungen getätigt oder Angaben bezüglich einer Arztrente gesammelt, systematisiert oder erhoben würden oder Beratungen zu Vertragsabschluss, Gestaltung, Verwaltung, Aufbau oder Auszahlung einer Arztrente erbracht würden. Insofern besitze das Wortzeichen einen eng beschreibenden Bezug im Sinne einer Sachinformation und eigne sich daher nicht als individualisierender Herkunftshinweis.
Dieser Beschluss des DPMA erging aufgrund eines zurückverweisenden Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 15. Dezember 2010 (Az.: 29 W (pat) 551/10). Die Zurückverweisung war wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels erfolgt, da der Erstbeschluss des DPMA auf eine ungenügend zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen differenzierende Begründung gestützt worden war.
Gegen den Beschluss des DPMA im zweiten Rechtsgang hat der Beschwerdeführer am 26. April 2011 Beschwerde erhoben. Eine Begründung oder Antragstellung erfolgte nicht. Der Beschwerdeführer wurde vom Senat mit Verfügung vom 26. August 2011 auf die mögliche Schutzunfähigkeit des Anmeldezeichens hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen hingewiesen. Es wurde mitgeteilt, dass der Senat voraussichtlich am 12. Oktober 2011 entscheiden werde, und gleichzeitig eine Frist zur Stellungnahme bis zum 10. Oktober 2011 gesetzt. Eine Beschwerdebegründung ging jedoch auch nach dem o. g. Schreiben des Senats nicht bei Gericht ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die am 26. April 2011 bei Gericht eingegangene Beschwerde ist fristgerecht eingegangen, da der eigentliche Fristablauf auf den 24. April 2010, also Ostersonntag, gefallen wäre (§§ 66 Abs. 2, 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG, §§ 222 Abs. 2, Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "arztrente" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Daraus ergibt sich auch das Bejahen eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 27 f. - BioID; GRUR 2004, 674, Rn. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (vgl. EuGH GRUR Int 2005, 44, Rn. 24 - SAT 2; GRUR Int. 2005, 135, Rn. 19 - Maglite). Gleichfalls zu berücksichtigen ist, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Rn. 53 - Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch).
Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft dann auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH a. a. O., Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, Rn. 10 - DeutschlandCard). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht.
2. Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Wortzeichen nicht, weil es für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen zum Einen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt aufweist und zum Anderen, soweit dies nicht der Fall ist, in einem derart engen funktionalen Sachzusammenhang zur Sachangabe steht, dass das Zeichen jedenfalls vom angesprochenen Publikum nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden kann.
Die Bezeichnung "arztrente" als solche lässt sich zwar nicht in deutschen Nachschlagewerken finden. Allerdings hat die Recherche des Senats den Nachweis für die allgemeinsprachliche Verwendung des angemeldeten Wortzeichens ergeben, mit dem ohne weiteres ein verständlicher und eindeutiger Sinngehalt vermittelt wird (vgl. Anlage zum Schreiben des Senats vom 26. August 2011, Bl. 31/32 GA). Der recherchierte Beleg entspringt auch nicht irgendwelchen "obskuren Internet-Fundstellen", sondern ist jederzeit nachvollziehbar.
a) Die sprachübliche Zusammensetzung des Anmeldezeichens aus den beiden geläufigen deutschen Substantiven "Arzt" und "Rente" bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Es ergibt sich für das angemeldete Zeichen die sachbezogene Gesamtbedeutung einer finanziellen Versorgung von nicht mehr im Beruf tätigen Ärzten.
b) Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens ist maßgeblich auf die Auffassung der Ärzte und Anbieter entsprechender Renten abzustellen, die tatsächlich im entscheidungserheblichen Zeitpunkt besteht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 8 Rdnr. 103).
Diese angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Vielmehr ist das Wortzeichen "arztrente" beschreibend für die beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 16. Darüber hinaus fehlt ihm auch hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 jegliche Unterscheidungskraft. Die vom DPMA in seinem angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen und Ausführungen sowohl zur Eignung des Zeichens als unmittelbare Sachangabe als auch zur fehlenden herkunftshinweisenden Wirkung aufgrund des engen Sachzusammenhangs sind in jeder Hinsicht rechtmäßig. Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.
3. Da das angemeldete Zeichen bereits wegen Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, kann dahinstehen, ob es insoweit auch eine freihaltungsbedürftige Angabe darstellt und damit dem Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegt.