Entscheidungsdatum: 24.04.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 048 625.5
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker sowie die Richterinnen Kortge und Uhlmann im schriftlichen Verfahren am 24. April 2013
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. November 2012 wird aufgehoben.
I.
Das dreidimensionale Zeichen 30 2009 048 625.5 (orange, weiß, blau)
ist am 11. August 2009 zur Eintragung in das Markenregister für die Waren der Klasse 16 „Filz- und Faserschreiber“ angemeldet worden.
Die Anmelderin ist bereits Inhaberin der deutschen Farbkombinationsmarke orange (pantone 1495C)/weiß 30356598 die am 21. April 2005 eingetragen worden ist für die Waren der
Klasse 16: Schreibgeräte, nämlich Bleistifte, Farb- und Kopierstifte, Druck-, Fall- und Drehbleistifte, Kugelschreiber, Filz- und Faserschreiber, Füllfederhalter, mechanische Stifte, Textmarker und Highlighter;
und folgende Markenbeschreibung enthält:
Farbkombination bestehend aus den Farben orange (pantone 1495C) und weiß, die auf dem Grundkörper eines langgestreckten Schreibgeräts polygonalen Querschnitts in folgender Weise angebracht sind: Weiße und orangefarbene Streifen in alternierender Folge, wobei die weißen Streifen entlang der Kanten der Schreibgeräte aufgebracht sind, während die orangefarbenen Streifen, die etwa die dreifache Breite im Verhältnis zu den weißen Streifen aufweisen, zwischen den Kanten der Schreibgeräte liegen.
Daneben ist sie Inhaberin der am 16. Juni 2009 eingetragenen identischen Gemeinschaftsfarbkombinationsmarke orange (pantone 1495C)/weiß 003805471 für die Waren der Klasse 16 „Filz- und Faserschreiber“ mit identischer Beschreibung.
Die Markenstelle der Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Eintragung durch Beschluss vom 20. November 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Zeichen bestehe aus der Form der Ware selbst, nämlich aus einem Schreibgerät in Form eines zylinderförmigen bzw. prismenförmigen Schaftes, der auf der Schreibseite eine Schutzkappe trage, die prismenförmig gestaltet und teils mit Rillen und einem kleinen Dreieck versehen sei, und auf der anderen Seite einen Verschlussstopfen aufweise, wobei der Stiftkörper in den Farben orange und weiß und die Enden in Blau gehalten seien. Diese Form weiche nicht erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit auf dem einschlägigen Warensortiment ab. Die Verbraucher seien in diesem Bereich auch nicht daran gewöhnt, mit der Form und Farbe der Ware eine bestimmte Herkunftsvorstellung zu verbinden. Das Zeichen weise kein Merkmal auf, das sie gegenüber den übrigen vorhandenen Formvarianten als etwas Individuelles heraushebe. Die Grundform des Stiftes sei in erster Linie technisch bedingt, da sie eine einfache und sichere Handhabung des Gerätes ermögliche. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft sei auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden worden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. November 2012 aufzuheben.
Sie trägt vor, das angemeldete Zeichen sei de facto bereits aufgrund der Farbkombinationsmarke in der konkreten Anbringung auf einem Stiftkörper geschützt. Es enthalte die eingetragene Farbmarke als bereits isoliert schutzfähiges Element, das in dem Gesamteindruck hinreichend hervortrete und deshalb dem Gesamtzeichen Unterscheidungskraft verleihe. Darüber hinaus habe sich die Farbmarke auch als Zeichen durchgesetzt. Der damit versehene Stift werde in der gesamten Bevölkerung quer durch alle Schichten täglich benutzt. Da die Wettbewerber für Fineliner an der Verwendung der konkreten Form wegen des Schutzbereichs der Farbmarke gehindert seien, ordneten die angesprochenen Verkehrskreise die Form seit Jahren ausschließlich dem Unternehmen der Anmelderin zu.
Im Beschwerdeverfahren hat sie die mit der Anmeldung beanspruchte Zeichenfarbausstattung Orange mit „Pantone 1495 C“ benannt und zwei weitere Fotografien mit Draufsichten auf die Verschlusskappe und den Verschlussstopfen des Stiftes vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Der Eintragung des angemeldeten dreidimensionalen Zeichens steht kein Schutzhindernis entgegen. Dem Zeichen fehlt weder die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch steht seiner Eintragung ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
1.
Das angemeldete Zeichen ist markenfähig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG. Danach können Marken alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dazu gehört auch die Form der Ware selbst (BGH, GRUR 2008, 71-74 – Fronthaube). Wenn das Zeichen allerdings ausschließlich aus einer Form besteht, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, fehlt ihm die Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs. 2 MarkenG. Dies ist hier nicht der Fall. Das angemeldete Zeichen enthält durch die farbige Gestaltung Elemente, die weder durch die Ware selbst bedingt noch zur Erzielung einer technischen Wirkung erforderlich sind und der Ware auch keinen wesentlichen Wert verleihen.
2.
Der Eintragung des Zeichens steht für Filz- und Faserstifte auch nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
a)
Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a.a.O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH, GRUR 2004, 428, 431, Rn. 53 – Henkel).
b)
Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Zeichen Anwendung, die aus der Form der Ware bestehen. Auch hier ist allein maßgeblich, ob die angesprochenen Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Eine dreidimensionale Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird jedoch vom Publikum nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wort-/Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware nicht auf ihre betriebliche Herkunft (EuGH GRUR Int. 2006, 842 - Stork/HABM; GRUR 2008, 339 - Develey/HABM, BGH a. a. O. – Fronthaube).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a. a. O. – Fronthaube) fehlt solchen Zeichen deshalb im Allgemeinen die erforderliche Unterscheidungskraft. Bei dreidimensionalen Zeichen ist danach regelmäßig zu prüfen, ob die Form lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert. Geht die Form darüber hinaus, zeichnet sie sich insbesondere durch besondere Gestaltungsmerkmale aus, ist zu prüfen, ob der Verkehr in ihnen bloße Gestaltungsmerkmale sieht oder sie als Herkunftshinweis versteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen wird, wenn er diese Form nicht einer konkreten anderen Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2006, 679 – Porsche Boxster, BGH a. a. O. – Fronthaube).
Wesentlich in dieser Anmeldung ist jedoch, dass einzelne Elemente eines dreidimensionalen Kombinationszeichens diesem in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft vermitteln können. Dazu muss dieses betreffende Element das Gesamtzeichen nicht prägen. Besteht ein Zeichen aus schutzfähigen und schutzunfähigen Elementen, reicht es aus, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in dem Gesamtzeichen, und sei es auch nur aufgrund eines Elements, einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen (ständige Rechtsprechung seit BPatG 32 W (pat) 111/97 – Einhebelmischer mit Gravur; 28 W (pat) 259/96 – Platzhalter; GRUR 2002, 163 – BIC-Kugelschreiber; 27 W (pat) 232/09 – Steckverbinder; 28 W (pat) 548/11 – Getriebegehäuse; BGH GRUR 2005, 158 – Stabtaschenlampe MAGLITE).
c)
Diese Voraussetzungen erfüllt das angemeldete Zeichen . Es besteht aus einem Stift mit einem sechseckigen langgestreckten Schaft, dessen Kanten in der Farbe Weiß gehalten sind, während die Seitenflächen orange (Pantone 1495 C) gefärbt sind, wobei die orangefarbenen Flächen etwa die dreifache Breite der weißen Kanten aufweisen. Die sechseckige Form war entgegen der Auffassung der Markenstelle schon auf den der Anmeldung beigefügten Abbildungen erkennbar, insbesondere aus den beigefügten digitalen Aufnahmen. Durch die im Beschwerdeverfahren eingereichten Fotografien hat die Anmelderin diese Form nochmals verdeutlicht. An der Spitze befindet sich eine blaue sechseckige Kappe mit in Längsrichtung verlaufenden parallelen Einkerbungen und einer Einkerbung in Form eines erhabenen Dreiecks. An dem gegenüberliegenden Ende des Schaftes ist ein runder blauer Verschlussstopfen angebracht.
Damit setzt sich das Zeichen aus mehreren Formelementen und der Farbausstattung orangefarbene Flächen alternierend zu weißen Ecken in einem festgelegten Größenverhältnis entlang des polygonalen Schaftes zusammen.
Diese Gestaltung besitzt für die hier vorliegende polygonale Form des Schaftes von Filz- und Faserschreibern bereits Schutz durch die für die Anmelderin eingetragenen Farbmarken 30356598 und EU 003805471. Die den Farbmarken beigefügten Beschreibungen treffen auf das angemeldete Zeichen exakt zu. Damit steht fest, dass die hier verfahrensgegenständliche dreidimensionale Form jedenfalls aus einem Element besteht, das nicht der Unterscheidungskraft entbehrt. Das schutzfähige Farbelement des Zeichens tritt in dem Gesamtzeichen auch deutlich sichtbar als betriebliches Kennzeichen hervor, da es rund vier Fünftel des Stiftes erfasst. Damit verleiht es dem Gesamtzeichen die erforderliche Unterscheidungskraft.
Die nachträgliche, klarstellende Ergänzung der Farbangabe Orange als „Pantone 1495 C“ konnte noch im Beschwerdeverfahren prioritätswahrend nachgeholt werden. Denn es handelt sich dabei nicht um einen Mangel in der Wiedergabe der Marke im Sinne von § 32 Abs. 2 Ziff. 2 i. V. m. § 33 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 Satz 2 MarkenG (Kirschneck in Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Auflage, Rdnr. 20). Die konkret beanspruchte Farbe Orange ist bereits aus den bei der Anmeldung eingereichten Abbildungen eindeutig erkennbar. Der beanspruchte Schutzumfang der Marke stand deshalb bereits im Zeitpunkt der Anmeldung eindeutig fest.
Die im Beschwerdeverfahren von der Anmelderin vorgenommene Konkretisierung der Farbangabe ist durch das Patentamt bei der Registereintragung zu vermerken.
3.
Auch das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht erfüllt. Wenn das Zeichen durch sein bereits geschütztes Element Unterscheidungskraft besitzt, besteht auch kein Freihaltebedürfnis.