Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.08.2017


BPatG 09.08.2017 - 29 W (pat) 48/17

Markenbeschwerdeverfahren – "Ablehnungsgesuch" – gänzliche Ungeeignetheit der Begründung der Befangenheit - Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs - Teilnahme des abgelehnten Richters an Entscheidung über Befangenheitsantrag - fehlende Zahlung der Beschwerdegebühren – Fiktion der Nichteinlegung – Kostenfestsetzungsantrag noch nicht erlassen – unzulässiger Rechtsbehelf gegen Kostenfestsetzungsantrag


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
09.08.2017
Aktenzeichen:
29 W (pat) 48/17
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke ...

(Löschungsverfahren S ... Lösch)

(hier: Beschwerde gegen den Löschungsbeschluss; Beschwerde gegen die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs durch das DPMA; Rechtsbehelf gegen den Kostenfestsetzungsantrag der Markeninhaberin; Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit)

hat der 29. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 9. August 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. M... sowie der Richterinnen A... und S...

beschlossen:

1. Das gegen die Vorsitzende Richterin Dr. M... gerichtete Ablehnungsgesuch des Löschungsantragstellers wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde des Löschungsantragstellers gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 21. Dezember 2016 gilt als nicht eingelegt.

3. Die Beschwerde des Löschungsantragstellers gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen drei Mitglieder der Markenabteilung 3.4 vom 21. Dezember 2016 wegen Besorgnis der Befangenheit gilt als nicht eingelegt.

4. Der gegen den Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Löschungsantragsgegnerin gerichtete Rechtsbehelf wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Gegenstand der am 17. Mai 2017 durch den Löschungsantragsteller eingelegten Beschwerden ist ein im Löschungsverfahren ergangener Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 21. Dezember 2016. Ferner der Beschluss der Markenabteilung 3.4, ebenfalls datierend vom 21. Dezember 2016, mit dem über den Ablehnungsantrag des Löschungsantragstellers vom 15. Mai 2017 wegen Besorgnis der Befangenheit gegen drei Mitglieder der Markenabteilung 3.4 entschieden worden ist. Beide Beschlüsse wurden dem Löschungsantragsteller in einem Versandpaket am 12. Januar 2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 4. April 2017 hat das DPMA dem Löschungsantragsteller – unter erneutem Hinweis auf den rechtskräftigen Abschluss des Löschungsverfahrens, welcher bereits mit DPMA-Schreiben vom 13. März 2017 mitgeteilt worden war – den Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Löschungsantragsgegnerin vom 17. März 2017 übermittelt und ihm eine Stellungnahmefrist von einem Monat eingeräumt. Der Löschungsantragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 3. Mai 2017 „dem Antrag, den Gegenstandswert auf EUR 500.000.- festzusetzen“ widersprochen. Darüber hinaus hat er mit Schreiben vom 16. Mai 2017 (vorsorgliche) Beschwerde gegen „die Doppel-Entscheidung ‚Befangenheitsantrag und Löschungsbeschluss‘ vom 21.12.2016 und den Kostenantrag des gegnerischen Anwaltes vom 17. März 2017, den Gegenstandswert überzogen auf EUR 500.000.- festzusetzen“ eingelegt und angekündigt, die Beschwerdegebühr vorsorglich einzuzahlen.

2

Nach Mitteilung des Gerichtsaktenzeichens mit Schreiben vom 27. Juli 2017 hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. August 2017, beim Bundespatentgericht eingegangen am 7. August 2017, die Vorsitzende Richterin Dr. M... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung trägt er vor, das vorliegende Verfahren, bei dem es um die Löschung der ...marke G... der Markeninhaberin geht, stehe „im Zusammenhang mit dem ‚CLASSE E‘- Fall und zweifelhaften Markenrichtern“.

3

Auf über zehn Seiten führt der Beschwerdeführer zum – mit dem vorliegenden Verfahren in keinem Zusammenhang stehenden, durch Entscheidung des Bundesgerichtshof am 23. November 2000 entschiedenen – Verfahren CLASSE E (WRP 2001, 160 = GRUR 2001, 242) aus, weshalb namentlich benannte Richter des Bundesgerichtshofs, des Bundespatentgerichts, des OLG Frankfurt und Rechtsprofessoren der deutschen Universitäten u. a. kollusiv mit der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. (GRUR) zusammenwirkten.

4

Er ist ferner der Auffassung, dass die GRUR nicht nur unter dem Schutz der Bundesregierung, sondern auch des Bundesverfassungsgerichts und der Bayerischen Justiz, und dabei insbesondere des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs stehe. In einem berufsrechtlichen Verfahren gegen den Beschwerdeführer mit dem Aktenzeichen Vf. 21-VI-11 (das er in der Anlage beigefügt hat) vom 8. Januar 2003 [sic!] (die Entscheidung datiert tatsächlich vom 8. Januar 2013) habe der Bayerische Verfassungsgerichtshof ihm „allen Rechtsschutz“ verweigert. An diesem Verfahren Vf. 21-VI-11 habe der „jetzige Bundesverfassungsrichter Herr Dr. H1 “ als ehemaliger Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mitgewirkt.

5

Da die Vorsitzende des 29. Senats mit dem „Verfassungsrichter Dr. H2 (2. Senat)“ verheiratet sei, würde er ihr „unter diesen rechtswidrigen GRUR-Verhältnissen“ die Möglichkeit zur Selbstanzeige einräumen und sie im vorliegenden Verfahren von der Schweigepflicht ihrem Ehemann gegenüber entbinden.

II.

6

1. Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig (BVerfG 1 BvR 782/12, NJW 2013, 3360; 1 BvR 2853/11, NJW 2013, 1665). Das ist vorliegend der Fall.

7

Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (BVerfG 1 BvR 782/12 Rn. 3; 1 BvR 2853/11 Rn. 30; BVerwG, NJW 2014, 953 Rn. 5; BPatG, Beschlüsse vom 20. März 2017 und 27. Juli 2017, 25 W (pat) 27/17).

8

Über ein Ablehnungsgesuch entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört, zwar grundsätzlich ohne dessen Mitwirkung, § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO. Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vorneherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nämlich nicht an der Entscheidung gegen das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für eine verständige Partei Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG, NJW 2007, 3771, 3772).

9

Andererseits soll aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der abgelehnte Richter in klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3410, 3412; NJW 2007, 3771, 3772).

10

Nach diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen entscheidet der Senat im vorliegenden Fall abweichend von § 45 Abs. 1 ZPO in seiner ursprünglichen Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin.

11

Die vom Löschungsantragsteller vorgetragene Begründung für seinen Ablehnungsantrag ist von vornherein völlig ungeeignet, die angebliche Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden Richterin zu begründen.

12

Der ehemalige – zwischenzeitlich im Ruhestand befindliche – Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Dr. H1, der an der – die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers abweisenden – Entscheidung Vf. 21-VI-11 mitgewirkt hat, ist weder der Ehemann der Vorsitzenden Richterin Dr. M... noch war er es zu irgendeinem Zeitpunkt. Ebenso wenig handelt es sich bei dem Richter des Bundesverfassungsgerichts und Mitglied des 2. Senats Prof. Dr. H2 um den ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, sondern um den Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie und der Forschungsstelle für das Recht der Europäischen Integration der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

13

2. Die Beschwerden gegen die beiden Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 (Löschungsbeschluss und Beschluss über die Nichtablehnung dreier Mitglieder des DPMA wegen Besorgnis der Befangenheit) gelten jeweils als nicht eingelegt gem. § 6 Abs. 2 PatKostG.

14

Das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 66 MarkenG ist binnen eines Monats nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses schriftlich beim DPMA zu erheben. Innerhalb dieser Beschwerdefrist ist gemäß § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG auch die Beschwerdegebühr zu zahlen. Im Falle der Nichtzahlung gilt die Beschwerde bzw. gelten die Beschwerden kraft Gesetzes als nicht eingelegt gem. § 6 Abs. 2 PatKostG.

15

Im Streitfall ist die Beschwerdefrist durch wirksame Zustellung des Löschungsbeschlusses sowie des Beschlusses über den Ablehnungsantrag an den Löschungsantragsteller, bei dem es sich um einen Patentanwalt handelt, in Lauf gesetzt worden. Die mit der erforderlichen Rechtsmittelbelehrung gemäß § 61 Abs. 3 MarkenG versehenen Beschlüsse der Markenabteilung 3.4 des DPMA sind ihm zutreffend mittels Empfangsbekenntnis gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 5 Abs. 4 VwZG übersandt worden. Aus dem in den Amtsakten befindlichen Empfangsbekenntnis, das vom Löschungsantragsteller unterzeichnet ist, ergibt sich, dass er beide Beschlüsse in einem Versandpaket am 12. Januar 2017 erhalten hat, sodass die Beschwerdefrist und somit auch die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr jeweils an diesem Tag zu laufen begann. Fristende war damit der 13. Februar 2017, da der 12. Februar 2017 auf einen Sonntag fiel. Aus dem Kontoauszug vom 7. August 2017 (Bl. I d. A.) ergibt sich, dass der Löschungsantragsteller weder bis zum 13. Februar 2017 noch bis zum heutigen Zeitpunkt die erforderliche Zahlung geleistet hat.

16

Sollte der Beschwerdeführer der Ansicht sein, er habe die Beschwerde ausdrücklich nur „vorsorglich“ eingelegt und hätte nach endgültiger Beschwerdeeinlegung die erforderlichen Zahlungen geleistet, würde auch dies seinen Beschwerden nicht zum Erfolg verhelfen. Denn auch eine „vorsorglich“ eingelegte Beschwerde muss fristgerecht eingelegt und bezahlt werden. Da keine Zahlung erfolgt ist, gelten die Beschwerden als nicht erhoben.

17

Eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr im Sinne von § 91 MarkenG ist vom Löschungsantragsteller weder beantragt worden noch wären im Übrigen die Voraussetzungen nach § 91 Abs. 1 bis Abs. 4 MarkenG hierfür erfüllt.

18

3. Der gegen den Kostenfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Löschungsantragsgegnerin gerichtete Rechtsbehelf ist schon deshalb unzulässig, da das DPMA noch keine rechtsmittelfähige Entscheidung getroffen hat. Dem Löschungsantragsteller wurde lediglich die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag auf Kostenfestsetzung der Gegenseite eingeräumt. Von dieser Möglichkeit hat der Löschungsantragsteller auch mit Schriftsatz vom 3. Mai 2017 Gebrauch gemacht.

19

Soweit zugunsten des Löschungsantragstellers nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ davon auszugehen ist, dass er mit seiner Beschwerde gegen „den Kostenantrag des gegnerischen Anwaltes vom 17. März 2017, den Gegenstandswert überzogen auf EUR 500.000.- festzusetzen“ nicht auf den Kostenfestsetzungsantrag, sondern auf die bereits im Beschluss vom 21. Dezember 2016 gemäß § 63 Abs. 2 MarkenG erfolgte Festsetzung des Gegenstandswerts durch das DPMA in Höhe von 500.000 € abgezielt haben sollte, wäre dies, da die Gegenstandswertfestsetzung zusammen mit der Hauptsacheentscheidung (vgl. Ziffer 3 des dortigen Tenors) ergangen ist, von der Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Dezember 2016 umfasst. Diese gilt aber, wie oben ausgeführt, gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt. Der Gegenstandswert ist daher bereits bestandskräftig festgesetzt worden.