Entscheidungsdatum: 06.12.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 002 199.7
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. Dezember 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterin Akintche und des Richters Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Die Bezeichnung
Dolce Italia
ist am 5. Januar 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Dienstleistungen der
Klasse 35: Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur; Dienstleistungen einer Marketingagentur,
angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 10. September 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Anmeldezeichen sei sprachüblich aus auch im Inland bekannten Wörtern gebildet und werde von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres in der Bedeutung „Süßes Italien“ erfasst. Damit weise es in glatt beschreibender Form auf Art, Thema und geografischen Bezug der beanspruchten Dienstleistungen hin, nämlich dass es sich um Produkte und Dienstleistungen handle, die mit der italienischen Lebensweise zu tun hätten. Ob ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, wofür ebenfalls einiges spreche, könne aufgrund der bereits fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 10. September 2015 aufzuheben.
Er verweist darauf, dass das Anmeldezeichen bereits als nationale Marke unter seinem Namen eingetragen gewesen sei. Zwar sei es einleuchtend und nachvollziehbar, dass das Adjektiv „dolce“ inzwischen bei Italophilen mit „dolce vita“ und „dolce far niente“ assoziiert werde. In diesem Fall handle es sich aber um ein Adjektiv und werde daher im Italienischen klein geschrieben. Beim angemeldeten Zeichen sei hingegen das Wort „Dolce“ ein Personenname bzw. Familienname, der insbesondere in Süditalien und Sizilien sehr verbreitet sei, und als solcher werde er entsprechend der italienischen Orthografie groß geschrieben. Bei der vorliegenden Markenanmeldung stehe also der Familienname „Dolce“ im Vordergrund. In § 3 Abs. 1 MarkenG seien Personennamen ausdrücklich als markenfähig aufgeführt. „Dolce“ sei daher sehr wohl ein Unterscheidungsmerkmal.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Einer Eintragung der Bezeichnung „Dolce Italia“ steht für die beanspruchten Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 - OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rn. 15 - for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1396 - Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. - OUI; a. a. O. - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - OUI; a. a. O. - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rn. 10 - OUI; a. a. O. Rn. 16 - for you; BGH GRUR 2001, 1151 -marktfrisch; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 - grill meister). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen das fragliche Zeichen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411, 413 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 - TOOOR!).
b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „Dolce Italia“ nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
Bei der Bezeichnung „Dolce Italia“ handelt es sich um eine Wortkombination der Welthandelssprache Italienisch, die im Deutschen die Bedeutung „Süßes Italien“ besitzt. Sie wird von den hier angesprochenen inländischen Endverbrauchern ohne weiteres, nicht zuletzt wegen der Häufigkeit von Reiseaufenthalten in Italien und von Besuchen italienischer Restaurants in Deutschland (wo auf den dortigen Speisekarten vielfach das italienische Wort „Dolci“ für die Nachspeisen bzw. Desserts verwendet wird), heute nahezu durchweg auch so verstanden. Dies gilt umso mehr für den ohnehin sprachkundigen Handel, der - wie oben bereits angeführt - als maßgeblicher Verkehrskreis bei der Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 27.05.2014 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA).
Die Wortfolge wird in der Bedeutung „Süßes Italien“ - vergleichbar der Kombination „Bella Italia“ („Schönes Italien“, BPatG, Beschluss vom 08.09.1999, 26 W (pat) 47/99) - als positive Darstellung italienischer Produkte und Lebensweisen angesehen. Das angesprochene Publikum wird das Anmeldezeichen wegen der funktionellen Nähe der Dienstleistungen zu den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, nicht als betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur als werbliche Sachaussage verstehen; „Dolce Italia“ gibt mithin einen schlagwortartigen, anpreisenden Hinweis auf das Sortiment des beanspruchten Online-Marktplatzes bzw. auf die Art und Herkunft der gehandelten Produkte der Im- und Exportagentur. In Bezug auf die Marketingagentur kann die Angabe darauf hinweisen, dass das Angebot auf den italienischen Markt oder auf italienische Produkte ausgerichtet ist.
Bereits die einzelnen Angaben „Dolce/süß“ und „Italien/Italia/italienisch“ sind beliebte Werbewörter (vgl. Slogans.de). Zudem wird mit der konkreten Wortkombination „Dolce Italia“ – wie auch mit der deutschen Kombination „Süßes Italien“ – bereits vielfach in entsprechendem Sinne geworben. Die dem Beschwerdeführer vorab übermittelten Ergebnisse der Internetrecherche des Senats (Bl. 16-30 d. A.) wie schon die von der Markenstelle ermittelten Verwendungsbeispiele verdeutlichen dies, vgl. unter anderem:
- „DOLCE ITALIA – Süße Leckereien und selbstgemachter Likör aus Italien (italianissimo);
- „Süßes Italien – Italien und italienische Traditionen“;
- „LIFESTYLE – Dolce Italia“, Artikel über italienische Designer;
- „Nachspeise: apfel dessert süßes italien rezept“;
- „17 Süßes Italien Rezepte“;
- „Palomboni Caffe Dolce Italia“.
Einigen Verwendungsbeispielen ist zudem zu entnehmen, dass mit der Wortbildung von „Süßes…“ in Verbindung mit einer Länderangabe auf besondere, süße Lebensmittelprodukte oder länderspezifische Süßspeisen-Rezepte hingewiesen wird; vgl. z. B. „Süßes Österreich – Kaffeehaus Traditionen“, „süßes Österreich: Mozartkugeln“, „Mein süßes Frankreich – Die besten Rezepte für Macarons“, „Süßes Frankreich – Rezepte“, „Süßes Oberösterreich“.
Die Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung „Dolce Italia“ erschöpft sich vorliegend damit im Hinweis auf Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit italienischen Produkten, italienischem Lebensstil oder dem Land Italien stehen.
Der Umstand, dass „Dolce“ großgeschrieben ist und es sich daher auch um einen italienischen Namen handeln kann, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zum einen ist in den recherchierten Verwendungsnachweisen ebenfalls eine Großschreibung festzustellen, so dass der inländische Verbraucher - der mit den Regeln der italienischen Grammatik zur Groß- und Kleinschreibung ohnehin kaum vertraut sein dürfte - die Bezeichnung gar nicht als orthografisch unrichtig erkennt. Zum anderen handelt es sich bei „Dolce“ auch nicht um einen in Deutschland bekannten italienischen Namen; die Bedeutung des Wortes „Dolce“ im Sinne von „süß“ steht hier deshalb, vor allem auch im Hinblick auf die nachfolgende Angabe „Italia“, ersichtlich im Vordergrund. Im Übrigen wurde auch die Schutzfähigkeit des vergleichbaren Anmeldezeichens „Bella Italia“ verneint (BPatG, Beschluss vom 08.09.1999, 26 W (pat) 47/99), obwohl „Bella“ dort ebenfalls mit einem großen „B“ angemeldet wurde und es sich bei „Bella“ um einen Vor- wie auch Nachnamen handelt. Schließlich reicht es zur Schutzversagung aus, dass das Anmeldezeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. EuGH MarkenR 2004, 450 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 18 – HOT).
Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass die Bezeichnung „Dolce Italia“ bereits im Markenregister des DPMA für ihn unter der Nummer 301 07 957 eingetragen war, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn zum einen war diese Marke nicht wie hier für Dienstleistungen eines Online-Marktplatzes bzw. einer Im- und Exportagentur, sondern für andere Dienstleistungen, nämlich für Werbung, Telekommunikation, Unterhaltung und sportliche und kulturelle Aktivitäten geschützt, so dass die Zeichen schon aus diesem Grunde nicht vergleichbar sind. Zum anderen handelte es sich um eine Wort-/Bildmarke. Soweit ein Zeichen aber neben einem schutzunfähigen Wortbestandteil einen schutzfähigen Bestandteil – wie z. B. eine besondere Grafik aufweist – steht einer Eintragung nichts im Wege. Verfahrensgegenständlich ist hier aber die Anmeldung allein des Wortzeichens „Dolce Italia“.
2. Da schon das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die beanspruchten Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.