Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 02.11.2011


BPatG 02.11.2011 - 29 W (pat) 206/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Venustas Immobilien" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
29. Senat
Entscheidungsdatum:
02.11.2011
Aktenzeichen:
29 W (pat) 206/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 037 137.7

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 2. November 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Kortge und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Venustas Immobilien

3

ist am 26. Juni 2009 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 35: Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Neubauvorhaben und Altbausanierung, deren Durchführung, Vermittlung von Immobilien;

5

Klasse 37: Bauwesen.

6

Mit Beschlüssen vom 5. März 2010 und 4. Oktober 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses und fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung "Venustas Immobilien" stelle für die beanspruchten Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Angabe hinsichtlich Art, Bestimmung und Gegenstand dar. Denn das lateinische Wort "Venustas" bedeute auf Deutsch "Schönheit, Anmut" und sei einer der drei Prinzipien, auf denen nach Vetruv die Architektur basieren solle. Aufgrund des Umstands, dass diese Bezeichnung ausweislich der Recherchebelege auch aktuell verwendet werde (vgl. Anlagen 1 - 5 zum Beschluss vom 4. Oktober 2010, Bl. 29 - 34 VA), könne davon ausgegangen werden, dass das Wort jedenfalls den angesprochenen Fachkreisen in seiner o. g. Bedeutung geläufig sei. Diese würden die Markenanmeldung als beschreibenden Hinweis darauf verstehen, dass die vermittelten, sanierten und erbauten Immobilien dem Vetruvschen Prinzip der Venustas entsprächen und mithin Schönheit und Anmut besäßen. Der Annahme einer beschreibenden Angabe stünde dabei nicht entgegen, dass die Allgemeinheit der Verbraucher die Bedeutung des Begriffs "Venustas" möglicherweise nicht kenne, da dieser jedenfalls vom Fachpublikum verstanden werde.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht oder nur zu einem im Promillebereich liegenden Prozentsatz um diplomierte Architekten und der lateinischen Sprache mächtige Personen handele, die sofort mit dem Begriff "Venustas" das vitruvsche Prinzip der Architektur verbänden. Das hier in erster Linie angesprochenen Publikum der allgemeinen Verbraucher, die Bauleistungen aller Art in Anspruch nähmen, kenne die Bedeutung von "Venustas" zu 99 % nicht. Von einem beschreibenden Charakter des Anmeldezeichens könne daher nicht ausgegangen werden.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet.

10

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens "Venustas Immobilien" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

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Das DPMA hat in seinen Beschlüssen die Eintragung des angemeldeten Wortzeichens zu Recht versagt, weil dieses sich dazu eignet, Merkmale der angemeldeten Dienstleistungen zu beschreiben.

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 25 - Chiemsee; GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - BIOMILD). Als beschreibend im Sinne dieser Vorschrift können dabei auch sprachliche Neuschöpfungen angesehen werden, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind, wenn für die Neuschöpfung selbst in ihrer Gesamtheit ein beschreibender Charakter feststellbar ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - BIOMILD). Ferner erfordert das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden, vielmehr genügt, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es - in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich - ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 38, 39 - BIOMILD). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

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a) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den Worten "Venustas" und "Immobilien" zusammen. "Immobilien" ist der Plural des im deutschen Sprachgebrauch geläufigen Substantivs "Immobilie" mit der Bedeutung "unbeweglicher Besitz (z. B. Grundstück, Gebäude)" (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Das lateinische Wort "venustas" bedeutet übersetzt "Schönheit, Anmut" (http://de.pons.eu/latein-deutsch/) und ist eine der drei Prinzipien, auf denen nach Vitruv - ein römischer Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker des 1. Jahrhunderts v. Chr. - Architektur beruht. Unter diesem Begriff fasste er die Ästhetik der Architektur zusammen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Architektur; http://de.wikipedia.org/wiki/Vitruv). Ausweislich der Recherchebelege des DPMA wird das Wort "Venustas" u. a. im Baugewerbe und in der Architektur in dieser Bedeutung beschreibend verwendet (vgl. Anlagen 1 - 3 zum Beschluss vom 4. Oktober 2010, Bl. 29 - 32, VA).

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b) Auch die - bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind - vorzunehmende Gesamtbetrachtung (EuGH GRUR 2004, 943 Rdnr. 28 - SAT 2; GRUR 2004, 674 Rdnr. 96 - Postkantoor; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 13 - VISAGE) führt vorliegend nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile der Wortkombination hinausgehen würde.

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Zwar wird man bei dem Begriff "Venustas" aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht von einem Fremdwort ausgehen können, welches überwiegenden Teilen der inländischen Verkehrskreise, insbesondere der überwiegenden Zahl der allgemeinen Nutznießer der angemeldeten Dienstleistungen, geläufig ist. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine einhellige oder überwiegende Verkehrsauffassung (vgl. BPatG GRUR 2005, 865, 869 "SPA"; 24 W (pat) 51/05 - UMAMI). Vielmehr ist ein derartiger beschreibender Charakter in gleicher Weise rechtlich relevant, wenn er nur von den inländischen Fachkreisen erkannt wird (EuGH GRUR 2006, 411 ff. - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2010, 534 - PRANAHAUS; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 321 ff. m. w. N.). Dies gilt auch für Wörter toter Sprachen (wie z. B. Latein) in Bereichen, in denen sie als Fachsprache verwendet werden (EuGH a. a. O. - PRANAHAUS; BPatG 29 W (pat) 38/07 - Palladion; GRUR 2002, 263, 264 - Avena; BPatGE 10, 97 - Solu-Paraxin). Damit können im Einzelfall selbst die Kenntnisse eines relativ kleinen Kreises inländischer Fachleute maßgeblich sein, wenn etwa Waren oder Dienstleistungen betroffen sind, mit deren Vertrieb oder Leistung nur ein begrenzter Kreis inländischer Spezialisten befasst ist (BPatG MarkenR 2007, 527 - Rapido; Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdnr. 327).

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Zum Fachverkehr bei den hier angemeldeten Dienstleistungen aus dem Baubereich zählen ohne Zweifel die Architekten, die entweder direkt angesprochen werden oder vom End-Nutznießer dieser Dienstleistungen einbezogen werden können. Ausweislich der Belege werden diese zwangsläufig in ihrer Ausbildung und in einschlägigen Fachpublikationen mit dem Begriff "Venustas" als Prinzip der Architektur konfrontiert, so dass das Wort beim Fachverkehr in seiner beschreibenden Bedeutung verstanden wird oder werden kann. im Übrigen ist ausweislich der obigen Feststellungen unter a) eine aktuelle beschreibende Verwendung dieses Begriffs in der dargelegten Bedeutung für Dienstleistungen im Baubereich belegt.

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c) Im Zusammenhang mit den beanspruchten "Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich organisatorische Vorbereitung von Neubauvorhaben und Altbausanierung, deren Durchführung, Vermittlung von Immobilien; Bauwesen" werden die angesprochenen Fachverkehrskreise die angemeldete Wortfolge "Venustas Immobilien" in ihrer Gesamtheit daher als beschreibenden Hinweis darauf verstehen, dass die neu zu erbauenden, zu sanierenden oder zu vermittelnden Immobilien in ihrer Gestaltung dem Vitruvschen Prinzip der Venustas entsprechen, mithin Schönheit und Anmut besitzen sollen. Das Anmeldezeichen beschreibt daher unmittelbar die Bestimmung, den Gegenstand und den Inhalt der angemeldeten Dienstleistungen.

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2. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Voreintragungen berufen hat, sind diese nicht vergleichbar, da diese Marken für völlig andere Waren und Dienstleistungen geschützt sind. So bezieht sich die am 17. März 2008 eingetragene Wortmarke "Utilitas" (307697045) auf computergestützte Waren und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 37 und 42. Das am 13. November 2008 eingetragene Zeichen Abbildung (30 2008 033 887) bezieht sich auf Werbe- und Designerdienstleistungen der Klassen 35 und 42 und ist im Übrigen eine Wort-/Bildmarke. Der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ist daher nicht gegeben.

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Im Übrigen ließe sich allein aus einer oder wenigen vorangegangenen Entscheidungen noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.